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14.12.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 13/ Bosnien/ nach Kalinovik



Früh am Morgen laufe ich bereits weiter auf der Straße, auf der es glücklicherweise so gut wie keinen Verkehr gibt. Entfernt geht über der tiefen Schlucht der Neretva die Sonne auf. In diese Richtung laufe ich und bin schon sehr gespannt, was mich dort erwartet.





                             Sonnenaufgang über der Neretva Schlucht

Nach etlichen Kilometern Straßenwandern schwenke ich auf einen Weg. Wie schon in Teilen Kroatiens, sind auch hier die Buchen schwer geschädigt. Vertrocknen die Bäume wegen dem sich ändernden Klima?


                     Vertrocknete Buchenwälder- Klimaänderung?

Zeitweise ist der Weg auf dem GPS-Track kaum noch erkennbar, aber irgendwann taucht immer wieder eine alte Markierung auf. Schließlich erreiche ich das Umfeld des Boracko Lake, mit Ferienhaussiedlung und großen Campingplätzen. Als ich vor einem Laden mal wieder eine große Packung Eis genieße, treffe ich eine Gruppe junger tschechischer Wanderer, die von hier ins Prenj Massiv aufbrechen möchten.



                                          Boracko See

Während ich hinter dem See auf einer Straße bergan steige, überhole mich etliche Minibusse, die den zahlreichen Raftingunternehmen der Gegend gehören. Ihr Ziel ist eine Einsetzstelle an der Neretva, von wo die Touren auf dem herrlich grünen Wasser des Flusses starten.


Die Neretva ist ein beliebter Raftingfluss

Ich überquere den Fluss, dem ich ja bereits bei Jablanica begegnet war, auf einer Hängebrücke und wandere weiter durch eine schöne Kulturlandschaft, wo Heu an großen Garben trocknet.


                     Hängebrücke über den Fluss


                     Idyllische Kulturlandschaft

Ich passiere einen Friedhof mit uralten moslemischen Grabsteinen und sehe die Schlucht der Neretva tief unter mir.


                          Moslemischer Friedhof


Die Schlucht der Neretva

Der Pfad führt dann hinab zur Rakitnica, einem Bach, der sich kurz danach mit der Neretva vereinigt. Jetzt bin ich in eine tollen Welt aus tief eingeschnittenen Schluchten gelangt, hoch über denen wundervolle, abenteuerliche Pfade verlaufen. 

                                    Rakitnica

Bald steigt der Pfad steil empor und erlaubt mir immer wieder atemberaubende Ausblicke in die Schluchten, die von steilen Bergen eingefasst werden. In dieser herrlichen Landschaft, bedauere ich tief, dass mein "richtiger" Fotoapparat nicht mehr funktioniert...




                       Hoch über den Schluchten

Ich befürchte schon, in den steilen Hängen keinen Platz für mein Zelt zu finden, da entdecke ich auf einem scharfen Grat ein nicht ganz so abschüssiges Plätzchen. Es ist auch zum Sonnenuntergang noch sehr warm, so dass ich diesen fantastischen Ort so richtig genießen kann.
Als ich am nächsten Morgen weiter laufe, ist der Pfad stellenweise ziemlich zugewachsen, so dass ich nur sehr langsam vorankomme. Die mächtigen Kiefern tragen die schwarzen Spuren vergangener Waldbrände.

                         Zugewachsener Pfad

Der heutige Wandertag zählt zu den Höhepunkten der Via Dinarica. So wilde Schluchten erwartet man in Amerika, aber auch der Balkan hat, was das angeht, viel zu bieten.

                        Rakitnica Schlucht

Nachdem ich in die Nähe des Ortes Dubocani gelangt bin, wandere ich eine Zeit lang auf einem Fahrweg, dann bald aber wieder weglos über weite Matten mit einem kleinen, wie aus einer anderen Zeit wirkendem Weiler. Am Rande des Buchenwaldes fällt ein alter Mann mit einer einfachen Axt eine dünne Buche als Brennholz. Er will mich davon abbringen, weiter durch den Wald nach oben zu wandern, aber schließlich geht mein Track in die Richtung, und der Wald sieht auch nicht so schwer passierbar aus, was sich als richtig herausstellt. Zurück am Rand der Schlucht passiere ich das Gehöft eines weiteren alten Mannes, der sich aus seinem Garten selber versorgt und seine Schafe hütet.

                       Begegnung oberhalb der Rakitnica Schlucht

Anschließend ist der Pfad wieder gut markiert und wird wohl seit langer Zeit als Route für das Vieh genutzt. Daher ist der Weg hier sehr breit und das Unterholz von Kühen und Schafen aufgelichtet.

                              Viehtriebrouten im Buchenwald

Schließlich endet der Wald und eine weite, grasige Fläche erstreckt sich auf einem Plateau. Hier liegt Blace, unmittelbar am Rand der 600 Meter tiefen Rakitnica Schlucht. Bis zu der Zerstörung des ehemals von Serben bewohnten Dörfchens, im Bosnienkrieg 1992, lebten hier etwa 20 Menschen. Heute zeugen nur noch die Ruinen von der Vergangenheit. Bei dem uralten Friedhof wurde eine Kapelle errichtet, sicher auch zum Andenken an das Dorf und die Opfer des Krieges.

                         Blace liegt auf einer weiten Hochfläche

                    Der Ort wurde im Bosnienkrieg zerstört

                             Der alte Friedhof

Obwohl die Lage von Blace traumhaft ist, beschleichen mich beklemmende Gefühle. Warum nur müssen Menschen immer wieder Krieg gegen einander führen? Jahrhunderte lang haben in Bosnien katholische Kroaten, serbische Orthodoxe und muslimische Bosniaken friedlich zusammen gelebt, bis zum Bosnienkrieg von 1992-1995 der etwa 100.000 Menschen das Leben gekostet hat.
Der weitere Weg am Rand der Schlucht ist abenteuerlich und atemberaubend. Zwar wird der Pfad wohl selten belaufen, ist aber meist relativ gut zu erkennen. Einmal höre ich einige Wildschweine im Gebüsch, die dann den steilen Hang hinab laufen.
Alte Weideflächen wachsen langsam wieder zu, ähnlich wie ich es ja bereits in Kroatien gesehen hatte.



                     Oberhalb der Rakitnica Schlucht

Der Weg zieht sich länger als gedacht, so ist es bereits recht spät am Abend, als mein Tagesziel erscheint. Der moslemische Ort Lukomir, ist das höchstgelegene Dorf Bosnien- Herzegowinas. 

                        Lukomir

Ich hatte über das nur vom Frühjahr bis zum Herbst bewohnte Dorf auf 1455 Meter Höhe, 800 Meter über der Rakitnica gelegen, gelesen, dass es eine gewisse touristische Infrastruktur gibt.

                       Die Moschee von Lukomir

                           Das abgelegene Bergdorf Lukomir

Als ich den Ort jedoch erreiche, stellt sich heraus, dass das Restaurant schon geschlossen hat, und es keine reguläre Übernachtungsmöglichkeit gibt. Zwar habe ich ja eigentlich kein Problem damit zu zelten, aber das Smartphone muss mal wieder geladen werden, daher wäre mir eine Steckdose sehr recht...
Ich bin schon drauf und dran weiter zu gehen, als mich das slowenische Paar Tony und Josica einlädt, bei Ihnen zu übernachten. Die Wirtin des Paares, welches Lukomir schon von früheren Besuchen kennt, ist eine alte Frau namens Serdar, die auch gleich dazu einwilligt, dass ich bei ihr übernachten darf. Die netten Slowenen laden mich zu Brot, Salat und Wein ein, wir unterhalten uns gut, und zu allem Überfluss lassen mich die Beiden dann auch noch im Bett schlafen, während sie auf dem Boden nächtigen!


                             Unsere Wirtin Serdar

                                         Ein schöner Abend

Rechzeitig zum Sonnenaufgang über dem Rakitnica Tal bin ich wieder unterwegs. Besonders schöne Stimmungen ergeben sich, als die Sonne über dem Dunst strahlt, der sich noch in den Tälern festgekrallt hat.






































                                    Morgenstimmung

Eine Weile folge ich noch dem Canyonrand und erhalte letzte, faszinierende Blicke in die Schlucht, bevor sich das Tal schließlich öffnet.

                     Letzte Blicke in die Rakitnica Schlucht

Unweit der Via Dinarica liegt das Dorf Umoljani, wo es auf Grund der Nähe zu Sarajewo einige touristische Angebote gibt. 

         Das Dorf Umoljani hat eine touristische Infrastruktur

Durch eine schöne, offene Landschaft wandere ich zur Brücke über die Rakitnica, die hier nur noch ein unscheinbares Bächlein ist. Danach wandere ich ein Stück auf der Straße, bis der GPS-Track den Asphalt verlässt. Von einem Weg ist meistens nichts zu sehen, aber auch wenn es teilweise recht steil nach oben geht, über die offenen Wiesen lässt es sich leicht wandern.
Bei dem urigen Dörfchen Bukovica erreiche ich wieder die Straße. Da stellenweise Zäune den Weg versperren, mache ich einen großen Bogen um den Ort um schließlich wieder auf dem Track zu landen.

                      Bukovica

Auf Wegen über die das Vieh getrieben wird, wandere ich durch dichte Buchenwälder steil aufwärts, bis sich schließlich der Blick jenseits der Baumgrenze auf die weiten Flächen des Visocica Massivs öffnet. Einige Leute sammeln tief unter mir Heidelbeeren in große Säcke. Eine mühsame Arbeit!

                   Visocica

Bald gelange ich auf den kilometerlangen, scharfen Grat, der die Gipfel Drstva (1808 m) und Vito (1950 m) miteinander verbindet. Bei herrlichem Wetter ein weiterer Höhepunkt der Via Dinarica! Unter mir liegt der Canyon der Rakitnica an dessen Rand ich Lukomir erkenne. Unglaublich, dass ich diese Distanz schon heute zurückgelegt habe! In der Richtung aus der ich gekommen bin, erhebt sich das Bjelasnica Massiv, die Hausberge von Sarajewo. Treskavica heißen dagegen die Berge, die ich als nächstes ansteuere.

                            Drstva (1808 m)

     Der lange Grat zwischen Drstva und Vito

Der Grat steigt beständig an und wird immer wieder von einigen Zwischengipfeln unterbrochen. Einmal treffe ich zwei Wanderer aus Sarajewo, die Vito bestiegen hatten.


                      Hochtal

                          Visocica

Während das Wandern auf dem Grat ziemlich einfach ist, entpuppt sich der Abstieg nach Osten als ziemlich steil und geröllig. Da es schon spät ist, und ich gerne hier oben übernachten möchte, bin ich froh, als ich einige Grünerlenbüsche entdecke, mit deren trockenen Zweigen ich später meinen Hobo füttern möchte. 
In einem weiten, einsamen Kessel finde ich dann tatsächlich einen fantastischen Lagerplatz. Es ist ziemlich windig, daher koche ich in einem geschützten Tal in der Nähe.

                Fantastischer Lagerplatz unterhalb von Vito

Am Morgen ist es feucht und neblig, mit leichtem Nieselregen. Schneller als gedacht steige ich bis zum Rand des Dorfes Tusila ab. Danach folge ich ein Stück der Straße und wandere dann durch einen nassen Wiesengrund langsam aufwärts. Überwiegend auf Forstwegen geht es dann schließlich bergab bis ins Tal, zum Ort Ljuta. 


Buchenwald vor Ljuta

Häufig gehen Schauer nieder, daher kann ich auch die Blicke über das tief eingeschnittene Ljuta Tal wenig genießen. Immerhin lockt der Regen die ersten Pilze aus dem Boden.

                        Steinpilz

                        Ljuta Tal

Von Ljuta aus folgt die Via Dinarica für etwa 15 Kilometer einem Forstweg. Da dieses Gebiet zwischen den Territorien der bosnischen Serben und muslimischen Bosniaken noch immer nicht von Minen geräumt ist, gibt es auch keine Alternative zu der geschotterten Forststraße. Dennoch macht es mir Spass durch die einsame, erstaunlich wasserreiche Gegend zu laufen.

                         Einige Bäche liegen am Weg

Zahlreiche, oft auch neu errichtete Brunnen, sind eine Besonderheit dieser Gegend. Nur einmal komme ich an einigen bewohnten Häusern vorbei. Wie die Menschen hier wohl mit der Minengefahr leben?

                       Zahlreiche Brunnen 


                           Grüne, einsame Landschaft

                        Imposanter Baum

                           Zeugnis der Kämpfe

Das ich hier, in dieser einsamen Waldlandschaft auf die Hinterlassenschaften von Bären stoße, wundert mich nicht besonders...

                                         Bärenland

Irgendwann verrät mir ein Wegschild in kyrillischer Sprache, dass ich jetzt im Gebiet der bosnischen Serben angelangt bin. Auf direktem Weg sind es nur noch drei Stunden bis nach Kalinovik, ich ziehe es dagegen vor, auf einsamen Pfaden über das Treskavica Massiv zu laufen. Doch zunächst schlage ich mein Lager im Buchenwald auf. Damit ich auch unter so nassen Bedingungen wie heute meinen Kocher entzünden kann, habe ich einige Grillanzünder dabei, so kann ich schon bald einen dampfenden Topf Nudeln genießen...
Ein feuchtkalter Morgen bei Temperaturen nur leicht über dem Gefrierpunkt erwartet mich. Bald habe ich die letzten Bäume hinter mir gelassen und steige durch windgepeitschtes Karstgelände auf zum Berg Lukavac, auf 1768 Meter. Mal sehe ich ein Stück blauen Himmel, dann hüllen Nebelschwaden die Landschaft wieder in Watte.


















                       Der Wind trägt Nebelschwaden heran

Beim Abstieg sehe ich zunächst noch ein wenig von der weiten Karstlandschaft hier oben, doch dann ist es mit der Sicht für lange Zeit vorbei.

                              Weites Karstplateau

                          Vom Nebel verschluckt

Es dauert nicht lange und ich kann keine Wegmarkierung mehr entdecken. Jetzt bin ich richtig froh, dass ich das GPS dabei habe, ansonsten wäre die Orientierung in dem weiten, immer wieder völlig vom Nebel verschluckten Gelände fast unmöglich. Diese graue, grüne Graslandschaft erinnert mich mehr an Schottland als den sonnigen Balkan...
Glücklicherweise stellt das weglose Wandern hier kein Problem dar, und ich hoffe, dass es auf dem, im Krieg serbischem Territorium, keine Minen gibt...Statt stur dem Track zu folgen, nutze ich die Konturen der Landschaft und steuere immer wieder lediglich einzelne Punkte an, um sicher zu gehen, dass ich mich nicht völlig von meiner Route entferne. Zu allem Überfluss regnet es auch noch zeitweise und es ist so kalt, dass ich dankbar für meine Handschuhe bin. 
Doch irgendwann lichtet sich der Nebel und gibt noch einmal ein wenig von der tollen Landschaft Treskavicas preis. 

                                     Treskavica im Nebel

Auf Viehpfaden steige ich in Richtung des Örtchens Vlaholje ab. Am ersten Haus spricht mich eine junge Frau an. Ihren Worten entnehme ich, dass sie eine Pension betreibt. Allerdings gelange ich erst später an ein Schild, dass auf ihre Unterkunft hinweist.
Nach einigen Straßenkilometern erreiche ich die Stadt Kalinovik, mein Tagesziel.

                              Kalinovik

Es scheint, als sei ich hier in einer Welt angekommen, die ganz anders als der Rest der Via Dinarica ist. Aufgrund der kyrillischen Schriftzeichen kann ich nichts lesen und selbst von den jungen Leuten scheint niemand englisch zu sprechen. Immerhin wird mir der Weg zum Hotel Moskva gewiesen. Dichter Tabakrauch füllt das Halbdunkel des Foyers in dem schon am frühen Nachmittag einige Männer am Trinken sind. Und, ich glaube meinen Augen kaum zu trauen, über der Rezeption hängt ein Bild von Wladimir Putin!

                          An der Rezeption des Hotel Moskva

Immerhin versteht man, dass ich ein Zimmer möchte. Dieses entpuppt sich als Überraschung, modern und komfortabel, sogar w-lan gibt es! Leider ist die Dusche dafür aber nur lauwarm, ziemlich bitter, da ich von der nassen Wanderung ziemlich durchgefroren bin.

                Hotel Moskva in Kalinovik

Irgendwann gehe ich los, um mir Vorräte für die nächsten acht Tage zu kaufen. Leider gibt es hier keinen richtigen Supermarkt, sondern eine Anzahl von kleinen Läden, wo man sagen muss, was man haben möchte. Da ich mich nicht verständlich machen kann, klettere ich kurzerhand hinter die Tresen und mustere die Regale nach Lebensmitteln, die ich gebrauchen kann. Tatsächlich finde ich auch das Meiste, aber an Milchpulver scheitere ich. Immerhin haben die Leute in den Läden verstanden, dass ich etwas milchhaltiges suche....

                         Kalinovik

Wie in Kalinovik muss es sich in Russland anfühlen, wenn man der Landessprache nicht mächtig ist...
Später möchte ich im Hotel essen. Leider gibt es keine Speisekarte, sondern dass einzige Gericht ist ein riesiger Grillteller, auch gut...
Orangensaft ist hier offenbar auch unbekannt, aber zwei große Bier sind ja auch nichts Schlechtes...





















































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