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21.10.2020

Alpentraverse 2020 - 4 Monate von Berchtesgaden zum französischen Mittelmeer 3. Lend - Stall

 




Die Überquerung der noch schneebedeckten Hohen Tauern wird die Schlüsselstelle dieser Etappe. 

Von meinem Camp im Wald steige ich hoch zum Hahnbalzköpfl auf 1862 m. Eigentlich hatte ich vor, von hier dem Grat weiter zu folgen, aber es liegt mir dazu noch zu viel Schnee. Umso erstaunlicher ist es, dass sich hier in einem Tümpel bereits die Bergmolche tummeln.

                                                      Bergmolche

Über den Bettelsteig gelange ich wieder etwas tiefer und treffe eine kleine Gruppe, die die Wegemarkierungen erneuert. Sehr dankenswert, denn man sollte nie vergessen, dass viele Pfade über kurz oder lang verschwinden, wenn sie nicht gepflegt werden!

                                               Wegemarkierung

                                                      Am Bettelsteig

Es ist sehr grau und fängt dann auch bald an zu regnen, daher bin ich froh, dass ich mich während meiner Schokoladenpause gegen Mittag bei einer erst 2008 erbauten Kapelle unterstellen kann.


                    Mittagspause unter dem Vordach einer Kapelle

Als der Regen nachlässt, führt mich ein schöner Pfad über die Kokaseralm zum Grat der Saugruam auf fast 2000 Meter. Zurück im Wald gelange ich über Fahrwege an einer Rotwildfütterung vorbei. Das sieht mehr nach Viehhaltung, als nach einer Sache die mit Wildtieren zu Tun hat aus...


                                                   Rotwildfütterung

Der Wald hier gefällt mir nicht besonders, nichts als Fichten, durchzogen von Fahrwegen und ziemlich großen Kahlschlägen...

                                                             Von Kahlschlägen geprägte Landschaft

Immerhin finde ich später in einem Stück altem Fichtenwald noch ein geschütztes Plätzchen für mein Zelt.
Da es am nächsten Morgen regnet, breche ich erst gegen Mittag auf. Bald führt ein schöner Pfad in die bewaldeten Hänge. Es gibt hier sogar an einer Stelle eine interessante Konstruktion, damit die Wanderer trockene Füße behalten...

                                               Hier geht es trockenen Fußes weiter

Es ist ziemlich kühl, daher ist es kein Wunder, dass etwas weiter oben ein wenig Neuschnee gefallen ist.

                                    Feucht und kühl

Dennoch geht es natürlich weiter mit dem Frühling. So ist es interessant zu sehen, wie sich die frischen Farnwedel entrollen.

                                                 Die neuen Farnwedel entrollen sich

An der Kleinen Scharte gelange ich in ein Skigebiet. Trist wie die zum Teil schon aufgetauten Pisten unter dem grauen Himmel wirken.

                                               Skigebiet an der Kleinen Scharte

Ich steige ein Stück ab und gelange an den Beginn der Kreilinger Steigs, der aber gesperrt ist.


                                              Der Steig ist gesperrt

Das Terrain vor mir wirkt eigentlich nicht so steil, dass ich befürchte, irgendwo nicht weiter zu kommen, daher setze ich meinen Weg traversierend im Hang fort. 
Es nieselt noch, aber gleichzeitig scheint es, als ob die Sonne bald erscheinen könnte, eine interessante Stimmung!


                       Im Nieselregen auf dem Kreilinger Steig

Schließlich gelange ich an die "gefährliche" Stelle, wo es mit Drahtseilsicherung durch ein steiles Bachbett geht. Harmlos, und nichts was eine Wegesperrung als notwendig erscheinen lässt...

                                            Die " Schlüsselstelle"

Die Wolken reissen jetzt tatsächlich auf, und eröffnen Blicke in die grün- weiß gesprenkelten Hänge. 

                                                Die Wolken reissen auf

Schließlich gelange ich auf einen Fahrweg, der durch liebliches Almgelände mit etlichen Hütten führt. Es scheint hier oben aber noch niemand zu sein, so dass ich einen ungestörten Lagerplatz abseits des Weges finde. Tatsächliche habe ich heute keinen Menschen gesehen...

                                                   Sattgrünes Almgelände

Am nächsten Morgen herrscht starker Wind, der die Atmosphäre offenbar regelrecht "frei geblasen" hat, wie ich feststelle, als ich auf die Stanzscharte in 2102 Meter Höhe aufsteige. Der Blick auf die noch schneebedeckten Gipfel ist fantastisch!

                                      Ausblick von der Stanzscharte

Über einen Steig geht es hinab in den Bergwald, der immer wieder von Almwiesen aufgelockert wird. Interessant finde ich die zahlreichen Hinweistafeln, die Wanderer auf den richtigen Umgang mit dem Weidevieh hinweisen sollen. Meiner Erfahrung nach, sind die Kühe in den Alpen total harmlos, aber scheinbar ist das nicht immer der Fall?

                                         Braucht man das?


                                           Almwiesen erlauben Ausblicke

Schließlich gelange ich in das Rauriser Tal, wo der Nationalpark Hohe Tauern beginnt. Dieser wurde zwar erst spät gegründet, ist jetzt aber der größte Nationalpark der Alpen. 


                                            Nationalpark Hohe Tauern

Da heute Samstag ist, sind hier viele Wochenendausflügler unterwegs. Man kann am Bach sogar Gold waschen, und es fanden hier schon Wettbewerbe in dieser Disziplin statt! Will man auf den Spuren von Jack London wandeln, kostet das aber erst mal eine Gebühr, bestimmt eine "Goldgrube" für den Betreiber...

                                        Goldrausch im Rauriser Tal

Viel mehr interessiert mich aber der "Rauriser Urwald" durch den ein Lehrpfad mit etlichen Informationstafeln führt. Wer hier eine Art Miniamazonas Wald erwartet, wird allerdings enttäuscht. Hier, in der Nähe der Baumgrenze wachsen die Bäume sehr langsam, und erreichen auch nicht viel mehr als einen Meter Durchmesser, und das ist schon viel. Tatsächlich sieht der "Urwald" kaum anders aus, als viele alte Bergwälder, die nicht so ein wohlklingendes Prädikat haben, was aber letztlich eine Mogelpackung ist: Vor dreihundert Jahren gab es hier nämlich gar keinen Wald mehr, da der gerodet worden war! Der jetzige "Urwald" ist also relativ jung. 

                                        Rauriser Urwald

Nichts desto trotz ist der mit zahlreichen Moorweihern durchsetzte Fichtenwald, in dem auch einige Lärchen und Zirben wachsen, durchaus sehenswert und man kann hier einiges lernen.

                                                   Moortümpel

Hinter der Gaischnigg Alm lasse ich die Menschen hinter mir und steige weiter auf in Richtung der 2700 Meter hohen Fraganter Scharte, wo ich den Alpenhauptkamm überqueren möchte. Es ist zwar noch relativ früh am Nachmittag, aber ich bin erst auf 1800 Meter Höhe und weiß nicht, wie schwierig der Aufstieg sein wird. Daher suche ich mir abseits des Weges einen Lagerplatz. 

                               Der Beginn meiner Aufstiegsroute

Es fallen jetzt immer wieder recht heftige Regenschauer, aber zwischendurch klart es auch mal auf, so dass ich noch einen weglosen Spaziergang durch die Landschaft an der Baumgrenze unternehme. Einige Lärchen und Zirben bilden hier die letzten Außenposten des Waldes. 
Bei bedeckt-  kühlem Wetter bin ich früh am nächsten Morgen wieder unterwegs. Bald erreiche ich eine schon gestern Nachmittag ausgemachte Schlüsselstelle, ein sehr steiles Schneefeld, das mir nachts Albträume bereitet hat. Glücklicherweise wachsen auf den benachbarten Felsen dünne Grünerlen, an denen ich mich hochhangeln kann. Auf einem kleinen Absatz angelangt, liegt das nächste Schneefeld vor mir. Eigentlich ist es mir zu steil und gefährlich, aber umkehren ist auch keine Option...
Glücklicherweise habe ich eine Geheimwaffe im Rucksack, sogenannte Microspikes, die ich wie kleine Steigeisen unter meine Trailrunningschuhe schnallen kann. Zwar habe ich keinen Pickel dabei, mit dem ich mich mit viel Glück im Schnee festkrallen könnte, sollte ich ausrutschen, aber ich hoffe, dass Microspikes und Wanderstöcke reichen...
Das Adrenalin fließt durch meine Adern, als ich mich auf die weiße Fläche wage und ich bin voll konzentriert. Eigentlich müsste ich hier nur auf einer Höhe traversieren, aber ich halte es für sicherer in gerader Linie nach oben zu steigen. Der Schnee ist ziemlich hart, aber nicht gefroren, daher greifen die Zacken meiner Microspikes. Ich will das kritische Stück schnell hinter mich bringen und steige daher ohne Pause kontinuierlich nach oben, nach unten zu schauen vermeide ich dabei besser...

        Steile Schneefelder beim Aufstieg zur Fagranter Scharte

Nachdem ich die heikle Stelle bewältigt habe, liegen noch etliche weitere, ausgedehnte Schneeflächen vor mir, aber keine davon ist so steil und gefährlich wie die Erste. Natürlich werde ich auch langsam sicherer, da ich merke, wie gut die Microspikes greifen. 
Schließlich erreiche ich den Neubau des Naturfreundehauses, wo tatsächlich der Hüttenwirt schon  da ist. Wahrscheinlich mit dem Hubschrauber eingeflogen...
Als er mir erzählt, dass der weitere Anstieg zum Pass weniger steil ist, bin ich ziemlich erleichtert...
Tatsächlich wurden hier oben lange Zeit Gold und andere Erze in unterirdischen Stollen abgebaut. Noch heute kann ich streckenweise dem sicher mühevoll errichteten Steinweg folgen.

                                Hier wurde einst Gold abgebaut

Bereits nach dreieinhalb Stunden habe ich die Fagranter Scharte erreicht, mit 2754 Metern Höhe. Ab jetzt bewege ich mich auf der Südseite des Alpenhauptkamms und hoffe, dass hier weniger Schnee liegt...
Unmittelbar gegenüber liegt der Mölltaler Gletscher, auf dem einige Skifahrer abfahren. Natürlich führt eine Bergbahn hinauf. Knapp ausserhalb der Nationalparkgrenze finde ich es ziemlich befremdlich nach dem Aufstieg durch die rauhe Bergwildnis auf einen Skizirkus zu blicken...

         Fagranter Scharte mit Blick auf den Mölltaler Gletscher

Der erste Teil der Abstiegsroute ist bereits schneefrei, aber dann gelange ich an ein steiles Schneefeld, dem ich nicht komplett ausweichen kann. An der schmalsten Stelle ist es nur einige Meter breit, aber hier auszurutschen wäre fatal. Umzukehren kommt natürlich nicht in Frage, also wage ich mich mit klopfendem Herzen auf das Steilstück und gelange wohlbehalten auf die andere Seite!

                               Steile Schneefeldtraverse

Auch etwas weiter unten liegt noch viel Schnee, aber es gibt keine gefährlichen Stellen mehr. Der Stausee Hochwurtenspeicher ist noch eisbedeckt!

                           Winter im Juni...

                                       Eis auf dem Hochwurtenspeicher

Es ist jetzt sehr neblig, daher bin ich froh über mein Handy- GPS. Andererseits bekomme ich so auch nicht viel mit von dem Skigebiet, durch dass ich jetzt laufe und nehme auch die Gletscherbahn erst wahr, als ich fast drunter stehe...
Im weiteren Abstieg verschwindet der Schnee langsam und ich gelange auf einem Pfad durch die Latschen zum Wurtenspeicher, einem weiteren Stausee.


                                              Im Nebel bergab

Von dem See führt ein Fahrweg zur Talstation der Gletscherbahn, glücklicherweise gibt es aber auch einen Pfad, der die Serpentinen abschneidet. Tief unten liegt die Waldschlucht des Fragranter Bachs, in die ein mächtiger Seitenbach mit einem imposanten Wasserfall hinabdonnert.



                                  Eindrucksvoller Wasserfall

Es regnet jetzt, daher stelle ich mich einige Zeit bei der Talstation unter, laufe dann aber auf einer schmalen Straße weiter. Ein Slowake hält mit seinem Wagen und bietet an mich mitzunehmen, und dass in Corona Zeiten, sehr nett!
Aber ich laufe weiter zu dem kleinen Ort Innerfragant, wo offenbar die wenigen Unterkünfte noch geschlossen sind. 
Auf dem Alpe- Adria Trail steige ich von hier durch den Wald wieder aufwärts. Es regnet ziemlich stark, aber mein Regenzeug hält mich halbwegs trocken. Das Gelände ist hier überall steil und dicht bewachsen, daher baue ich schließlich mein Zelt in einer kurzen Regenpause mitten auf einem Grasweg auf.


                                                     Nass...

Am Morgen regnet es immer noch, daher starte ich erst gegen 10:30. Zwar fällt jetzt nicht mehr so viel Niederschlag, aber es ist immer noch sehr nass. Meistens laufe ich auf Fahrwegen, da der Alpe- Adria Trail an etlichen Stellen noch durch bei einem Wintersturm umgestürzte Bäume blockiert ist. Bei der Nässe ist mir das ganz recht...
       

                                    Verfallenes "Hexenhaus" im nassen Wald

Ich steige bis auf 1800 Meter hoch und anschließend geht es runter auf 900 Meter im Mölltal, wo ich den kleinen Ort Stall ansteuere. Ich möchte mir hier den Luxus einer Unterkunft gönnen und bin bei der Dorfschenke auch tatsächlich erfolgreich. Da ich der einzige Gast bin, gewährt mir der nette Wirt einen Sonderpreis und steckt sogar meine nassen Sachen in Waschmaschine und Trockner!

                                         Die Dorfschenke in Stall

Später gehe ich noch essen in einer Kneipe an der Bundesstraße. Etliche Männer stehen hier dicht gedrängt am Tresen, natürlich ohne Maske, Corona scheint hier nicht zu existieren....




























1 Kommentar:

  1. Hallo Gerald. Ja, Weidevieh ist nicht zu unterschätzen. Wenn Du eine Fläche frei halten willst von Menschen und Hunden nimm was großes mit Hörnern und stell es drauf. Im Naturschutzgebiet Holnis leisteten Highlander dabei gute Dienste. Vor allem frei laufende Hunde sollten sich hüten so einem Rind in die Quere zu kommen.

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