Am nächsten Morgen hat Guido eine Überrschung für uns: Er möchte, dass uns auch der 14- jährige Ricky begleitet. Dieser war noch nie im Nationalpark, möchte aber zukünftig, wenn möglich, auch als Führer arbeiten. Da wir kein zusätzliches Geld bezahlen müssen, haben wir nichts dagegen, dass der Junge mitkommt.
Bevor wir den Fußmarsch beginnen, gehen wir zum Ufer des Paragua, wo ein Bekannter Guido's mit einer großen Piroge auf uns wartet.
Etwa eine Stunde paddeln wir den Rio Paragua abwärts, bis wir zum Beginn des Pfades nach Los Fierros gelangen.
Wir kommen dabei recht gut vorwärts, nur an einer Untiefe müssen wir alle ins Wasser steigen, um das schwere Boot vorwärts zu schieben.
Morgen auf dem Rio Paragua
An unserem Ziel angekommen, müssen wir zunächst unser Gepäck ordnen. Neben den üblichen Campingutensilien haben wir Proviant für 16 Tage, sowie sechs Liter Wasser pro Person zu verstauen, da wir bis Los Fierros jetzt am Ende der Trockenzeit, wahrscheinlich auf kein Gewässer stoßen werden.
Ein kurzes Stück laufen wir ohne offensichtlichen Weg, dann jedoch stoßen wir auf die ehemalige Piste nach Los Fierros. Wir wissen nicht genau, wann sie zum letzten Mal benutzt wurde, inzwischen ist sie jedenfalls vollständig zugewachsen. Ohne den intensiven Einsatz der Macheten, gibt es hier kaum ein Vorankommen. Dabei scheint es mir häufig, dass wir im Schatten des Waldes schneller wären, da die Vegetation im tiefen Schatten oft nicht so dicht ist, wie auf der breiten Pistentrasse.
Im Gegensatz zu unseren Begleitern, ist die Bewegung im dichten Wald für uns etwas ungewohntes. Wo diese leichtfüßig allen möglichen Hindernissen ausweichen, bleiben wir ständig an irgendwelchen Stacheln und Dornen hängen. Besonders heimtückisch ist ein niedriger Strauch, der, wenn wir ihn streifen, gerne seine runden, kleinen, stachligen Samen auf uns herabregnen lässt. Es macht viel Freude, sich gegenseitig diese unangenehmen "Dinger" aus den Haaren zu pfriemeln...
Als wir Pause machen, bringt Guido natürlich die bolivianische Geheimwaffe für jedes Ungemach zum Einsatz: Cocablätter!
Keine Ahnung, ob diese uns tatsächlich die Anstrengungen leichter überstehen lassen, aber natürlich nehmen wir gerne das Angebot unseres Führers an, einige der Blätter zu kauen...
Coca- Pause
Die Hitze in Kombination mit der hohen Luftfeuchtigkeit, lässt uns aus allen Poren schwitzen, dennoch gehen wir sehr sparsam mit dem Wasser um. Drei Liter pro Tag sind unter diesen Bedingungen nicht gerade viel...
Das Unterholz ist generell ziemlich dicht, aber die majestätischen Baumgiganten wie in Madidi fehlen weitgehend. Guido bestätigt, dann meine Vermutung, dass die besten Stämme schon vor langer Zeit entlang der Piste eingeschlagen und abtransportiert wurden, Nationalpark hin oder her...
Ich war schon in etlichen Regenwäldern weltweit, aber die große Trockenheit, die hier herrscht, erstaunt mich denn doch. Nun, Noel Kempff Mercado liegt am Südrand des Regenwaldgürtels, daher sind ausgedehnte Trockenzeiten hier wohl normal. Allerdings erzählt Guido, dass es in vielen Jahren um diese Zeit schon regnet.
Einmal findet Ricky eine große Schildkröte, eine willkommene Ergänzung unseres Proviants? Nein, natürlich nicht, wir haben genug Essen in unseren Rucksäcken, und lassen den Panzerträger gerne laufen...
Wir stoßen auf eine Schildkröte
Wir würden hier zwar auch alleine zurecht kommen, schließlich hatte ich mir in San Ignacio eine Machete gekauft, aber das würde viel länger dauern und so sind wir froh, dass im Wesentlichen Guido die schwere Arbeit des Pfadschlagens übernimmt.
Die Machete ist unersetzlich
Neben Hitze, Gebüsch und Dornen, sind aber vor allem die Insekten eine Plage. Kaum lassen wir uns zu einer Pause nieder, sind wir auch schon von einer Wolke der mir bereits gut bekannten, kleinen, schwarzen Schweissbienen umgeben. Es gibt aber auch andere, weniger harmlose: Manchmal nehmen wir die Bienennester rechtzeitig war, häufig aber fangen wir uns auch einige Stiche der erbosten Tiere ein, oder eine unter den Hemden scheinbar gefangene Biene weiss sich nicht anders zu helfen, als zu stechen...
Nach einiger Zeit gelangen wir an ein schlammiges Wasserloch, die Suhle eines Tapirs. Normalerweise würde man nicht einmal im Traum daran denken, hieraus zu trinken, aber wir lassen uns die Gelegenheit nicht entgehen, unsere Wasservorräte wieder aufzufrischen...
Leckeres Mineralwasser
Neben vielfältigen, oft herrlich bunten Schmetterlingen, beobachten wir einmal einen Trupp Klammeraffen, der uns neugierig aus der Sicherheit der Baumkronen zusieht.
Neugierige Klammeraffen beobachten uns
Nach 15 anstrengenden Kilometern schlagen wir am späten Nachmittag unser Lager auf einer offenen Stelle des Weges auf.
Während unsere Begleiter ein Tatonka Zelt dabei haben, schlafen wir in den beiden Moskitonetzen, die Silvia mitgebracht hat, und die wir in das von den Blattschneiderameisen stark in Mitleidenschaft gezogene Hilleberg- Außenzelt einhängen. So sind wir gut geschützt vor dem reichen Insektenleben der Nacht...
Wohl aufgrund des häufigen, gebückten Laufens auf dem Hindernisparcours des Vortages habe ich ungewohnten, starken Muskelkater im rechten Oberschenkel. Außerdem schmerzt mein rechter Arm aufgrund der gestrigen Machetenarbeit...
Was soll's, wir kommen voran, und fühlen uns ein wenig wie Pioniere...
Bald erreichen wir eine Feuerstelle, die wohl von dem Belgier und seinem Führer stammt, die vor einiger Zeit ebenfalls versucht hatten, Los Fierros zu erreichen, aber wohl an dieser Stelle umgekehrt sind.
In der landläufigen Vorstellung wimmelt es im Regenwald vor Leben, so dass man auch ständig irgendwelche Tiere zu Gesicht bekommt. In der Realität wirkt der Wald, vor allem wenn die Sonne hoch am Himmel steht, relativ leblos.
Wir haben das Gefühl, heute schon etwas leichter voranzukommen, da wir das meiste Wasser getrunken haben, wiegen unsere Rucksäcke auch nicht mehr ganz so viel...
Einige Zeit vor Los Fierros öffnet sich der Wald und wir laufen problemlos auf einem sonnenbeschienen, grasigen Streifen bis wir gegen 14 Uhr das ehemalige Camp erreicht haben.
Los Fierros war einmal ein Touristencamp...
Dieses war einmal eine große Anlage, mit einigen Gebäuden und einer eigenen Landepiste. Allerdings scheinen schon seit etlichen Jahren keine Touristen mehr hier her zu kommen. Die Flugpiste ist völlig zugewuchert und aus den meisten Häusern dringen die zwitschernden Geräusche von Fledermäusen, auf welche auch der durchdringende Geruch ihrer Ausscheidungen hinweist...
Man muss hier gut aufpassen, denn die Wände der Gebäude beherbergen etliche Bienen- und Wespennester. Besonders eine riesige, schwarze Wespenart ist auffällig. Von diesen wahren "Kampfflugzeugen" möchte man nicht gestochen werden...
Während es sich unsere Begleiter in einem der Häuser so gut es geht bequem machen, ziehen wir es vor unser Zelt aufzuschlagen.
So idyllisch Los Fierros auch gelegen ist, sobald man sich irgendwo niederlässt, sind Massen von Ameisen und Bienen zugegen...
Los Fierros
Etwa 15 Minuten vom Camp entfernt, gibt es einen kühlen, strömenden Bach, an dem wir endlich wieder nach Herzenslust aus unseren Life Straw Filtern trinken können.
Anschließend lassen wir natürlich uns nicht die Gelegenheit nehmen, unsere Sachen und uns selbst zu waschen. Das muss aber schnell gehen, da wir nach kurzer Zeit wieder von den Bienen belagert werden, und auch unangenehme Stiche nicht ausbleiben...
Als ich gegen Abend einen kleinen Spaziergang auf dem offenen Grasstreifen in Campnähe unternehme, höre ich Äste brechen im Wald und kurz darauf ziehen sieben Pekaris ganz in meiner Nähe vorbei!
Pekaris
Da uns der Anmarsch doch ein wenig erschöpft hat, beschließen wir einen Ruhetag einzulegen. Neben dem Relaxen, vor allem um die heiße Mittagszeit, unternehmen wir auch Spaziergänge in den Wald. Zwar beobachten wir dabei auch einige Vögel, wie die truthahngroßen, schwarzen Guane, aber vor allem kleinere Tiere wie Schmetterlinge und farbige Raupen erregen immer wieder unsere Aufmerksamkeit.
Im Wald beobachten wir Schmetterlinge und Raupen
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