Zurück auf dem Fluss höre ich eine Art donnerndes Geräusch und sehe dann einige Male riesige Felsbrocken, die sich aus den steilen Uferklippen gelöst haben, und mit gewaltigem Platschen im Fluss landen. Man möchte, wenn das passiert, mit dem kleinen Packraft nicht in der Nähe sein...
Immer wieder passiere ich gewaltige Baumverhaue, offenbar werden die Stämme hier, wo die Strömung etwas nachgelassen hat, gerne an Land gespült. Auch hier ist Abstand geboten, wie ich ja intensiv gelernt hatte...
Da ich mir den großen Santa Rossa See anschauen möchte, fahre ich nicht sehr lange, bis ich mein Lager aufbaue. Mein Zelt steht schon fast, als ein freundlicher Mann auftaucht. Von Don Esteban habe ich schon im Berraco del Madidi Camp gehört. Esteban stammt aus Rurrenabaque und lebt seit fünf Jahren als Einsiedler am See, da ihm das einsame Leben im Wald und am Fluss besser gefällt, als das "hektische" Treiben in der Kleinstadt.
Don Esteban
Erst verstehe ich nicht ganz, warum er mir nahelegt mein Zelt zu verlegen. Aber bald geht mir ein Licht auf: Offenbar habe ich mein Lager auf einer Straße der Blattschneiderameisen angelegt. Zwar ist jetzt nichts von ihnen zu sehen, dass kann sich in der Nacht aber ändern...
Als ich mein Zelt versetzt habe, unternehme ich einen Spaziergang zum See. Dabei gelange ich auch auf das weitläufige Gelände von Don Esteban. Es ist wunderschön hier, obwohl die Pflege des Geländes und die Selbstversorgung sicher jede Menge Arbeit erfordert.
Das Anwesen von Don Esteban
Nach einigen weiteren Schritten stehe ich am Rand der großen Laguna Santa Rossa. Leider hatte ich nicht daran gedacht, mein Packraft mitzunehmen, denn der See würde wunderbar zu einer Erkundung einladen. Zu Fuß ist das entlang der dicht bewaldeten Ufer eher schwierig...
Laguna Santa Rossa
Auf einem von Esteban angelegtem Pfad erkunde ich noch ein wenig den Wald.
In der Nähe der Laguna Santa Rossa
Vom Steilufer oberhalb des Tuichi ergibt sich ein Ausblick über den Fluss. Die Berge sind noch immer in der Nähe.
Fluss und Berge
Mein hoch über der Uferböschung gelegener Lagerplatz bietet mir eine tolle Aussicht über den Tuichi.
"Zimmer" mit Aussicht
Meine Ausrüstung
Auf dem oberen Bild sieht man meinen Wasserfilter in der Weithalsflasche. Dieser sogenannte Lifestraw reinigt beim strohhalmartigen Ansaugen das Wassser durch einen Mikrofilter, der auch Amöben entfernt. Billig, simpel und einfach. Mit der Zeit wird das Saugen allerdings schwerer, da der Filter sich zunehmend zusetzt. Ob 1000 Liter wie angegeben, sich damit reinigen lassen, hängt sicher stark von dem verwendeten Wasser ab...
Später taucht die untergehende Sonne für einige Zeit den Fluss in wunderbare Farben.
Sonnenuntergang am Tuichi
Noch in der Dämmerung beginnt am nächsten Morgen ein vielstimmiges Vogelkonzert. Von allen Seiten fliegen Papageien und Aras über den Fluss. Als ein Schwarm von 15 blau- gelben Aras sich in einem rot blühenden Baum in der Nähe niederlässt, schleiche ich dort hin, und kann einige Bilder der großen Vögel aufnehmen.
Aber auch einige andere Vögel bevölkern den Baum. Die Blüten scheinen eine beliebte Nahrungsquelle zu sein.
Blau- gelbe Aras in Blütenbaum
Der Fluss ist mittlerweile deutlich ruhiger geworden und ich muss streckenweise ganz schön arbeiten und dass bei wohl über 35 Grad...
Von den Lodges, die am Tuichi liegen, bekomme ich außer einigen Touristenbooten nichts mit. Auch diese sind so selten, dass sie mich kaum stören. Gegen Mittag winken mich die Insassen eines Motorbootes sogar heran, um mich zu fotografieren. Zu meiner Überraschung stellt sich dann heraus, dass Vater und Sohn Hurtado perfekt deutsch sprechen! Herr Hurtado hat in Deutschland studiert und dort auch seine Frau kennen gelernt. Die Familie betreibt mehrere Unternehmen in Santa Cruz. Den Tuichi lieben sie vor allem wegen der guten Angelmöglichkeiten und der schönen Landschaft. Der wahrscheinlich über 60- jährige Herr Hurtado, träumt auch von so einer Tour, wie ich sie unternehme. Aber wie ich die Lage sehe, wird das wohl eher ein Traum bleiben...
Begegnung auf dem Fluss Foto: Adrian Hurtado
Nachdem ich mein Lager auf einer Sandböschung oberhalb des Flussses aufgeschlagen habe, erkunde ich mal wieder den Wald.
Auf den ersten Blick ein idyllisches Lager...
Klar, der Regenwald von Madidi ist in der Tat extrem artenreich. Wer allerdings glaubt, dass er davon auf den ersten Blick viel bemerkt, täuscht sich. Obwohl hier auf kleiner Fläche mehr Baumarten wachsen, als in ganz Europa, ähneln sich viele der Bäume sehr, so dass man schon genau hinsehen muss um Unterschiede wahr zu nehmen. Das gleiche gilt für das üppige Tierleben. Es ist keineswegs so, dass man auf Schritt und Tritt etwas sieht. Und wenn man tatsächlich mal einen Vogel oder Affen im Laubgewirr wahr nimmt, ist es sehr schwer ein Foto zu machen oder das Tier genauer zu beobachten. Es ist paradox, man läuft durch den reichsten Lebensraum der Welt, sieht davon aber nur wenig.
Im Wald
Schön ist es, dass es jetzt auch ausgedehnte offene Flächen am Fluss gibt. Diese werden in der Regenzeit immer wieder überflutet, so dass sich keine Bäume ansiedeln können.
Abendstimmung
Ich fühle mich sehr gut, und könnte mir vorstellen, dass die Reise immer so weiter geht....
Aber Nachts beginnt der Horror...
Ich höre merkwürdige Geräusche und schalte irgendwann die Stirnlampe an. Die Laute werden von großen, schwarzen Ameisen hervorgerufen, die damit begonnen haben, mein Zelt zu zerlegen. Mit ihren kräftigen Kiefern schneiden sie große Löcher in das Material, egal ob Moskitonetz oder Zeltboden. Zunächst versuche ich sie zu vertreiben, in dem ich möglichst viele erschlage. Es ist unheimlich, dass bald etliche von ihnen auch im Inneren des Zeltes aktiv sind. Dabei sind sie zwar nicht sehr aggressiv, beißen sich aber unangenehm fest, wenn man ihnen die Gelegenheit bietet. Wenn ich glaube, dass ich gewonnen habe, und der Spuk vorbei ist, beginnen bald darauf wieder die gruseligen Laute. O.K, das Zelt ist schon alt und hat mir treue Dienste geleistet, aber muss es wirklich so ein schreckliches Ende finden...
Schließlich kapituliere ich, und baue das Zelt ab, wobei ich versuche alle Invasoren abzuschütteln. Nachdem ich es ein Stück weiter wieder aufgebaut habe, kehrt endlich Ruhe ein. Am nächsten Morgen nehme ich im Licht des Tages das ganze Ausmaß der Zerstörung wahr. Unglaublich, welch große Löcher die Ameisen in der kurzen Zeit in meine Sachen gebissen haben. Der Eingang des Innenzeltes ist am stärksten in Mitleidenschaft gezogen, aber auch der Boden hat mehrere Löcher, das Außenzelt lediglich eines. Unglaublicherweise haben die Biester die es in mein Zelt geschafft hatten, sogar Löcher in den Trockensack und mein Hemd gebissen!
Keine Ahnung warum die Welt ein Müllproblem hat, Blattschneiderameisen scheinen mit jedem Material fertig zu werden!
Nur ein kleiner Teil der Zerstörungen...
Der Tuichi ist jetzt ein richtiger Strom. Durch die große Wassermenge bilden sich in Engstellen und Kurven wuchtige Verschneidungen. Wenn man hier nicht gut aufpasst und stets bereit ist, sich mit dem Paddel abzustützen, landet man schnell im Bach...
Wer sich die Strömung im Fluss als eine Linie vorstellt, liegt hier häufig total falsch. Dem Fluss des Wassers so geschickt wie möglich zu folgen, ergibt eher einen Zick-Zack Kurs, als eine Gerade...
Ich weiß, dass es nicht mehr weit bis zur Mündung des Beni ist, daher schlage ich relativ früh noch einmal ein schönes Lager am Tuichi unterhalb einer steilen Abbruchkante auf.
Mein letztes Lager am Tuichi
Ganz in der Nähe befindet sich ein idealer Aussichtspunkt auf einer Böschung über dem Fluss. Nach einigem Suchen und einer kleinen Kletteraktion bin ich schließlich oben, und stehe zu meiner Verwunderung fast im "Vorgarten" eines Touristencamps...
Gut, es ist niemand zu sehen, aber ganz so dicht bei einem Camp wollte ich eigentlich nicht zelten...
Toller Aussichtspunkt
Tatsächlich zeigt sich von hier oben recht gut die Weite der Flusslandschaft.
Weite Flusslandschaft
Am Eingang der Schlucht von einem Nebenbach, lassen sich einige schöne Schmetterlinge fotografieren.
Schmetterlinge
Dann mache ich mich an die Erkundung der kleinen, schattigen Schlucht. Zwischen dem üppigen Bewuchs sitzen viele große Spinnen. Die Kiesel, die aus dem Lehm des steilen Ufers ragen, wirken wie eingesetzt. Ein toller Ort!
Schattige Schlucht
Schließlich gelange ich an einen Miniwasserfall, der in einen Pool fällt. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, in dem klaren, erfrischenden Wasser ein Bad zu nehmen...
Nette Badestelle
Während die Nächte am Anfang der Tour auf dem Tuichi noch stockfinster waren, erleuchtet nun ein fast voller Mond die Landschaft und verlockt dazu, auf dem Rücken im Sand liegend, die Wärme der Tropennacht zu genießen.
Ich bin etwas traurig, da die Tour auf dem Tuichi morgen zu Ende geht. Insgesamt gesehen, habe ich hier ein tolles Abenteuer erlebt, mit einer guten Mischung aus Anspannung und Entspannung. So soll es sein!
Der Mond erleuchtet die Nacht
Abschied vom Tuichi
Am Morgen bin ich noch nicht lange unterwegs, als ich die Einmündung des Tuichi in den Rio Beni erreiche. Alle Flüsse des bolivianischen Tieflands erreichen bald hinter der brasilianischen Grenze den Rio Madeira, der einer der größten Nebenflüsse des Amazonas ist.
Der Beni ist ein deutlich größerer Fluss, der aber auch teilweise recht flott strömt. Mit dem Packraft kann man sich auf so einem Fluss schon wie in einer Nussschale fühlen...
Ich lasse den Posten der Nationalparkranger am Ufer links liegen und fahre bald in eine schöne Schlucht zwischen grünen Bergen ein. Als ich einige Männer sehe, die offenbar Vermessungsarbeiten vornehmen, schwant mir Böses: Schon seit langem gibt es den Plan hier einen Staudamm zu errichten, der dann auch weite Teile des Madidi Nationalparks überfluten würde. Es schien so, als wäre dieser Plan zu den Akten gelegt worden, und ich will nicht hoffen, dass er jetzt irgendwann doch realisiert wird...
Am Rio Beni
Mittlerweile sind zahlreiche Boote auf dem Fluss. Viele der Insassen heben die Daumen für meine sportliche Anstrengung, oder rufen mir Aufmunterndes zu. Sogar sechs Soldaten oder ähnliches in Tarnanzügen die mich überholen, mustern mich zwar zunächst kritisch, scheinen meine Aktion aber dann auch gut zu finden.
Ich muss noch ganz schön paddeln, bis ich gegen Mittag die 10.000 Einwohnerstadt Rurrenabaque erreiche, wo meine nächste Tour beginnen soll.
Wer bisher viele Fotos von südamerikanischen Tieren vermisst hat, darf auf den nächsten Blogbeitrag gespannt sein...
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