Als die Maschine der Oman Air nach dem Zwischenstopp in Maskat wieder abhebt, wird mir sofort klar, warum die Fluglinie Direktflüge von der Hauptstadt des Oman nach Kathmandu anbietet: Zahlreiche nepalesische Gastarbeiter sind an Bord gekommen. Wie überall in den arabischen Ländern des Mittleren Osten werden nahezu alle Tätigkeiten, die Handarbeit erfordern, von Asiaten ausgeführt…
Leider kann ich beim Anflug auf die Hauptstadt Nepals keinen Blick auf die Eisriesen des Himalaja erhaschen, dafür sehe ich unter mir einige großartig aussehende Dschungelgebiete im Tiefland.
Nachdem ich einen in einem Nebengebäude des Flughafens versteckten Geldautomaten ausfindig gemacht habe, mache ich mich mit nepalesischen Rupien versehen auf die Suche nach einem Taxi. Umgerechnet drei Euro erscheinen mir nicht gerade teuer für die Fahrt, also los geht es. Allerdings kaum haben wir das nähere Umfeld des Flughafens verlassen, verlangt der Fahrer gleich das Doppelte!
Darauf lasse ich mich natürlich nicht ein, und steige sofort aus. Ein angeblicher Veranstalter von Trekkingreisen, der mir gleich seine Karte in die Hand gedrückt hat, findet umgehend ein anderes Taxi. Offenbar glaubt er tatsächlich, ich würde einen Trek bei jemandem buchen, den ich gerade am Flughafen kennen gelernt habe…
Kathmandu hat zwar annähernd zwei Millionen Einwohner, wirkt auf mich aber eher kleinstädtisch mit seinen zum Teil unbefestigten schmalen Straßen. Die sind natürlich voller als in einer Kleinstadt...Nun ja, das Touristenviertel Thamel ist nur wenige Kilometer vom Flughafen entfernt.
Am Guesthouse angekommen, empfängt mich Bernd, der schon gestern in Kathmandu eingetroffen ist. Er erzählt, dass Pema der unsere Permits organisiert, bald vorbei schauen wird, um sich mit uns zu treffen. Und tatsächlich, wir müssen nicht lange warten, bis der Sherpa auftaucht. Pema macht gleich einen Vertrauen erweckenden, professionellen Eindruck. Nach ein wenig Small Talk bei einer Tasse Tee, gehen wir zu seinem unweit entfernten Büro. Fotos glücklicher Kunden und eine große Wandkarte des Great Himalaya Trail zeigen, dass Pema sich auf diesen relativ neuen Weg spezialisiert hat. Wir gehen noch einmal unsere Zeitplanung durch und überreichen ihm schließlich das Geld und unsere Pässe. Ein wenig flau ist uns dabei schon, wir können nur hoffen, dass unser Vertrauen nicht enttäuscht wird…
Später erkunden wir noch ein wenig die engen Gassen von Thamel. Ausrüstungsläden, Restaurants und Souvenirshops wechseln hier einander ab. Tatsächlich sehen wir aber kaum Touristen. Jetzt, Ende August ist halt noch Monsun und die Reisesaison beginnt erst in etwa einem Monat.
Wir finden ein günstiges Restaurant in dem man für 1- 2 Euro gut essen kann, und geniessen dann die milde Nacht bei einer Flasche Bier auf dem Dach unserer Unterkunft.
Während ich die ganze Verpflegung für den ersten, 25 Tage umfassenden Abschnitt unserer Wanderung in Deutschland gekauft habe, muss Bernd noch einiges besorgen, von Milchpulver bis Nudeln. Da die Preise für solche Dinge hier höher sind als bei uns, bin ich froh, meine Besorgungen bereits erledigt zu haben. Allerdings benötigen wir noch sieben Gaskartuschen, die hier auch nicht gerade billig sind, aber von etlichen Ausrüstungsläden geführt werden.
Als wir beim Mittagessen in einem Gartenrestaurant sitzen, geht ein kräftiger Wolkenbruch nieder. Der Monsun ist halt noch nicht vorbei…
Hinterher sind die unbefestigten Straßen voller Pfützen.
Nach einem Wolkenbruch in Kathmandu
Später am Nachmittag können wir unser Glück kaum fassen: Pema hat es tatsächlich in nur einem Tag geschafft, alle Permits zu organisieren! Damit steht unserer morgigen Abfahrt nichts mehr entgegen.
Früh am nächsten Morgen bringt uns ein Taxi zum Balayou Maya Busbahnhof. Zwar gibt es auch in Nepal moderne Reisebusse, die in erster Linie von den Touristen frequentiert werden und ein vielfaches des normalen Fahrpreises kosten, aber hier stehen nur hochbeinige, bunt bemalte, relativ kleine, robuste Busse indischen Fabrikats. Unsere Rucksäcke werden auf dem Dach verzurrt.
Unsere Rucksäcke reisen auf dem Dach
Wer noch nie in Entwicklungsländern war, und glaubt, der Strassenverkehr dort habe irgendeine Ähnlichkeit mit dem was man so aus dem "Westen" kennt, wird hier schnell sein blaues Wunder erleben. Regeln scheint es nicht zu geben, und das wichtigste Bestandteil jedes Fahrzeugs ist die Hupe! Na ja, man kann sich noch freuen, wenn ein Fahrer von diesem Instrument üppig Gebrauch macht. Denn wenn er mal wieder in einer absolut uneinsehbaren Kurve zum Überholvorgang ansetzt, kann man nur beten oder darauf hoffen, dass der entgegenkommende Verkehr die Signale hört…
Dass in Nepal Linksverkehr herrscht, die Straßen gelinde gesagt in der Regel nicht gerade in gutem Zustand sind, und es an kurvigen Bergstrecken nicht mangelt, verschafft einem auch nicht gerade ein sicheres Gefühl…
Lange Zeit fahren wir durch das Tal des Trishuli. Der Wasserstand ist ziemlich hoch, daher bieten im Prinzip alle nepalesischen Flüsse zur Monsunzeit fast kontinuierliches, recht schweres Wildwasser.
Ständig steigen Passagiere ein und aus, daher kommen wir nur ziemlich langsam voran und erreichen dass lediglich 180 Kilometer von Kathmandu entfernte Pokhara erst am Nachmittag. Wenn wir auch nicht viel von Nepals zweitgrößter Stadt sehen, haben wir doch das Gefühl, dass der Ort schöner als die Hauptstadt ist. Bald nachdem wir Pokhara verlassen haben, schraubt sich die Straße in dicht bewaldete Dschungelberge. Man hat das Gefühl, dass es hier noch viel Wald gibt, aber aus der Vogelperspektive würde uns auffallen, wie zerlöchert der grüne Teppich ist, und dass es an allen halbwegs ebenen Standorten Dörfer gibt.
In Kusma müssen wir den Bus wechseln und folgen von nun an dem Kali Gandaki Fluss. Die Straße wird immer schlechter und verfügt streckenweise nur über ein Kiesbett. Einmal landet ein dicker Stein mit lautem Krachen auf dem Busdach. Manchmal haben kleine Rinnsale die Straße tief ausgespült. Um auf Nummer sicher zu gehen, müssen die Passagiere an solchen Stellen den Bus verlassen.
Stellenweise müssen die Passagiere aussteigen
Na ja, eigentlich erhalten wir nur einen kleinen Vorgeschmack auf das was uns morgen erwartet…
Nach 11 Stunden erreichen wir den recht großen Ort Beni. In einer Unterkunft lernen wir erstmals das nepalesische Nationalgericht Dhal Bhat kennen. Hierbei handelt es sich um Reis mit Linsen und unterschiedlichem Gemüse, garniert mit leckeren, nicht zu scharfen Soßen. Was mir daran besonders gefällt ist, dass man stets ordentliche Nachschläge erhält, bis man dann auch wirklich satt ist...
Am nächsten Morgen wartet auf uns das Abenteuer Kali Gandaki Schlucht. Die Kiespiste hier ist erst wenige Jahre alt, aber trotzdem in bedauernswertem Zustand. Die üppig grüne Landschaft ist atemberaubend. Was muss das für eine tolle Trekkingroute vor dem Bau der Straße gewesen sein!
Na ja, die Piste raubt uns dann den Atem auf andere Art und Weise. Ich "genieße" den Platz an der Schluchtseite und sehe mich einige Male schon in den Abgrund stürzen. Der Bus kippt und schwankt in den tiefen Schlaglöchern tatsächlich oft bedrohlich, außerdem ist die Straße nicht gerade breit…
Dann tut es vor einem Dorf einen dumpfen Schlag und wir stehen…
Kali Gandaki Schlucht
Klar werden Reparaturversuche gestartet, aber bald schon entsteht ein Stau, da kein Fahrzeug an uns vorbei kommt. Schließlich wird der Bus mit vereinten Kräften beiseite geschoben und die Passagiere besteigen das Vehikel von einem Kollegen, der gerade aus der Gegenrichtung kommt.
Doch schon bald endet die Fahrt vorläufig:
In Rupsisara, einer Schlucht mit Wasserfall wurde die Brücke weggespült. Glücklicherweise warten auf der anderen Seite des Baches schon zwei andere Busse. Nachdem einer von ihnen losgefahren ist, wird der Fahrer des anderen Gefährts sauer. Schließlich war er zuerst vor Ort und hätte danach auch als erster losfahren sollen. Na ja, bis auf wenige Plätze ist aber auch sein Bus voll. Dennoch ziert sich der Fahrer wie eine Diva loszufahren. Schließlich sind alle Fahrgäste bereit ihm einen etwas höheren Fahrpreis zu zahlen, und nach über einer Stunde Aufenthalt geht es endlich weiter.
Bei einem Aufenthalt in Lower Mustang
Es ist faszinierend wie sich im Verlauf der Fahrt die Vegetation ändert. In Ghasa liegen die üppigen, dschungelartigen Laubwälder hinter uns, es ist deutlich kühler und nieselt. Dunkle Nadelwälder beherrschen jetzt das Tal. Die Passagiere die so glücklich waren, vor uns aus Rupsisara abzufahren, stehen immer noch in Ghasa. In letzter Sekunde schaffen wir es einen Platz zu ergattern und weiter geht es, wenn auch zu einem ziemlich teuren Preis…
Wir sind jetzt bereits in Lower Mustang und sehen auch einige Trekker, die sich offenbar von der Straße nicht vom Wandern abschrecken lassen. Immerhin weisen gelbe Schilder auf Alternativrouten abseits der Piste hin.
Kurz vor Jomsom enden die Wälder und die Landschaft wird immer trockener. Nach schlappen zehn Stunden für gigantische 60 Kilometer haben wir schließlich unser Ziel erreicht. Zahlreiche Hotels verraten, dass dies ein Touristenort ist. Allerdings ist davon zur Zeit wenig zu bemerken, außer uns gibt es nur wenige andere Touristen.
Jomsom
Immerhin geben abends noch einmal die Wolken Teile des Annapurna Massivs frei, unser erster Vorgeschmack auf die Berge.
Der Nilgiri - ein Berg im Annapurna Massiv
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