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19.11.2014

Durch das Land der namenlosen Berge 3 - Start mit Hindernissen

In der Nacht werde ich von lauten Geräuschen in unserem schönen Hotelzimmer wach. Überfällt uns eine Horde Yetis? Nein, Bernd wurde von einigen Mücken belästigt, und hat schließlich beschlossen, sein Innenzelt mit Moskitonetz auf dem Bett aufzubauen…
Na ja, jetzt ist er zwar geschützt, dafür haben sie mich als neues Opfer auserkoren. Aber trotzdem würde ich nie auf die Idee kommen, mein Zelt in einem Hotelzimmer aufzubauen…
Bereits gestern Abend hat mein Partner mir erklärt, dass er heute erst einmal den halben Tag brauchen wird, um sich einen Wanderstock zu suchen. Während ich stets mit zwei Trekkingstöcken laufe, hat Bernd die Gewohnheit, sich jeweils am Start einer Wanderung einen neuen Stecken zu suchen. Nun gibt es allerdings in Jomsom keinen Wald, sondern nur einige Weiden am Fluss. Glücklicherweise dauert die Suche dann schließlich doch nur etwa zwei Stunden, und wir können schließlich gegen 10 Uhr endlich aufbrechen…
In Jomsom gibt es einen Kontollpunkt der Polizei, an dem die Permits der Wanderer kontrolliert werden. Obwohl wir ja alle notwendigen Papiere haben, ignorieren wir den Checkpoint und gehen ungehindert weiter…
An einem anderen Tag hält uns allerdings ein Polizist bei dieser Gelegenheit auf. Aber als Bernd ihm sagt, dass wir die Permits im Hotel haben, lässt er uns ziehen….
Hier in Jomsom müssten wir unsere TIMMS Card vorzeigen, die alle unabhängigen Trekker in Nepal benötigen, sowie das 20 $ teure Permit für die Annapurna Conservation Area.
Wir folgen zunächst der Straße Richtung Kagbeni und sind erstaunt, dass die meisten Trekker die hier unterwegs sind, ihr Gepäck tatsächlich von Trägern auf der Piste transportieren lassen. O.K, jedem das Seine, aber unserer Meinung nach hat die vor sieben Jahren erbaute Straße die einst herrliche Annapurnaumrundung regelrecht entwertet. Bernd ist froh, dass er den Annapurna Circuit noch vor dem Straßenbau erwandert hat.

                                            Uninteressantes Pistenwandern



Bereits nach zwei Stunden verlassen wir die Hauptpiste auf einer Hängebrücke, die über den Kali Gandaki führt.

                                Hängebrücke über das weite Kali Gandaki Tal

Da unser Permit für Dolpo erst in zwei Wochen gültig ist, (Wir wollten nicht für mehr als die obligatorischen zehn Tage bezahlen), bin ich etwas nervös und möchte so schnell wie möglich die ausgetretenen Pfade verlassen, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen.
Die Kali Gandaki Schlucht ist ein gigantischer Windkanal, in dem fast jeden Tag spätestens ab Mittag heftige Luftbewegungen bis hin zu richtigen Stürmen aufkommen. So bläst uns auch heute schon bald eine kräftige Brise um die Nase.
Auf der anderen Seite des Flusses beginnt ein langer Aufstieg, aber nach wie vor auf einer mit Fahrzeugen befahrbaren Piste. Offenbar hat man im Zuge des Straßenbaus auch zu den abgelegeneren Dörfern Pisten in die Hänge "gebulldozed". Während ich mit der Bürde auf meinem Rücken recht gut zu Recht komme, nimmt meinem Partner der steile Anstieg in der ungewohnten Höhe jede Kraft und wir kommen nur sehr langsam voran. Bald ist klar, dass wir es heute auf keinen Fall mehr über einen Pass schaffen und es daher sinnvoll ist, oberhalb des Dorfes Phalyak unser Lager aufzuschlagen.

                                         Wir schlagen oberhalb von Phalyak unser erstes Lager auf

Außerhalb des Ortes hat ein Netz von Bewässerungskanälen eine grüne Oase geschaffen, und wir finden ein idyllisches, windgeschütztes Plätzchen.
Als ich mein Zelt aufbauen möchte, trifft mich fast der Schlag, aus unerklärlichen Gründen habe ich meine Zeltstange nicht eingepackt!
Na gut, die Gegend in die wir gehen ist eher trocken und mein Schlafsack sollte auch Minusgraden außerhalb eines Zeltes trotzen können. Außerdem hat Bernd glücklicherweise ein 2- Personenzelt, in das ich mich zur Not flüchten könnte…
Obwohl wir in der Nähe des Ortes lagern, schauen nur einige Leute kurz bei uns vorbei, wir werden aber in keiner Weise belästigt.
Als gegen Mitternacht dann Regentropfen auf mein Gesicht fallen, muss ich tatsächlich bei Bernd Zuflucht suchen. Mein Partner, dem es schon über Tag nicht gut ging, muss jetzt ständig husten und hat auch Fieber.
Am Morgen müssen wir eine Entscheidung treffen: Es wäre Wahnsinn mit Bernds Erkrankung weiter aufzusteigen. Hier zu bleiben halte ich auch nicht für besonders sinnvoll, da es vielleicht einige Tage dauert, bis er wieder gesund ist. Da wir gestern nicht weit gelaufen sind, erscheint es mir am Sinnvollsten nach Jomsom zurückzukehren und dort die Krankheit auszukurieren. Es gibt dort auch Ärzte und Apotheken die sicher über Medikamente verfügen, die meinen Partner schnell wieder auf die Beine bringen.
Zwar ist der Rückmarsch für den kranken Bernd ziemlich anstrengend, aber glücklicherweise geht es nur bergab und schon nach drei Stunden sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt.
Wir steigen im Hotel Cold Desert am Ortsrand ab, und Bernd verbringt den Rest des Tages überwiegend im Bett, während ich einen Spaziergang durch den Ort und seine Umgebung unternehme und mir das Mustang Museum anschaue.

                                  Bewässerungskanäle lassen die Felder Jomsoms ergrünen

Da ich die Zeit bis zu Bernds Genesung nutzen möchte, beschließe ich am nächsten Morgen zu einer dreitägigen Akklimatisierungswanderung aufzubrechen. Mein Ziel ist der Thorung La, mit 5417 Metern der höchste Punkt der 241 Kilometer langen Annapurnarunde.
Am nächsten Morgen breche ich bei ruhigem, schönem Wetter zeitig auf. Bald habe ich die mir bereits gut bekannte Brücke über den Kali Gandaki erreicht und gelange bald darauf nach Kagbeni, einem sehr hübschen, wenn auch etwas touristischen Ort.

                                           Kagbeni im Kali Gandaki Tal

Ich trinke einem Tee vor der Tür des Yac Donald 's Restaurants. (Cooler Name!) Während traditionell gekleidete Leute Lasten in Bastkörben tragen, gibt es auch junge Leute mit verspiegelten Sonnenbrillen und Smartphones. Die intensive Sonne wird zum Kochen in großen Parabolspiegeln genutzt.

                                          Kochen mit Hilfe der Sonne

Hinter Kagbeni verlasse ich den Kali Gandaki und steige in einem Nebental relativ gemäßigt weiter auf. Glücklicherweise gibt es meistens einen Fußweg abseits der breiten Pistenserpentinen und es fahren auch nur wenige Fahrzeuge auf der Straße.
Ich muss sagen, obwohl mir diese Route vor dem Straßenbau sicher besser gefallen hätte, bin ich begeistert von dieser Mischung aus weiter Bergwüste und harmonischer Kulturlandschaft.

                                           Mustangs trockene Bergwüste


                                Bewässerungslandbau

Ein Mädchen, das an ihrem Webstuhl arbeitet, würde mir gerne einen Schal verkaufen.

     Sie webt zwar für Touristen, aber solche Webstühle sind hier tatsächlich noch in            Gebrauch

Eigentlich hatt ich mir Muktinath als Ziel auserkoren, ein Pilgerort auf 3800 m, von dem aus der Aufstieg zum Thorung La beginnt. Aber als ich nach Jharkot, einem kleinen Ort auf einem Bergvorsprung gelange, beschließe ich spontan dort zu bleiben, da das Dorf traumhaft gelegen und sicher auch viel ruhiger als das touristische Muktinath ist.
Nachdem ich bereits am frühen Nachmittag in einem kleinen Hotel eingecheckt habe, mache ich mich auf den Weg nach Muktinath. Doch zuvor sehe ich mir in Jharkot das buddhistische Kloster an.


                                                    Wandmalereien im Kloster Jharkot

In Muktinath wird sehr viel gebaut, offenbar erlebt der Ort einen Boom seitdem die Straße gebaut wurde. Zwar gelangen heute weniger Trekker hierher, dafür aber ganze Buslandungen von hauptsächlich indischen Pilgern. In Muktinath gelten 108 Quellen die aus einer Wand entspringen als hinduistisches Heiligtum, während die Buddhisten zu einer ständig brennenden Erdgasflamme pilgern. Die weiträumige Anlage mit etlichen Tempeln gefällt mir allerdings nicht besonders, wenn ich auch die dicken Pappeln, die hier noch auf 3800 m wachsen, imposant finde. Interessanter sind da schon die südindischen Sadhus, die den weiten Weg hierher zu Fuß zurück gelegt haben.

                                          Ein Pilger aus Südindien

Zu meiner Überraschung komme ich vor der Anlage mit einem deutsch- österreichischen Paar ins Gespräch, die mit einer Begleitmannschaft und Maultieren 45 Tage durch Dolpo trekken wollen. Sehr interessant, auch wenn ich einen anderen Reisestil verfolge.
Auf dem abendlichen Rückweg nach Jharkot erlebe ich tolle Lichtstimmungen als Sonne und dunkle Wolken sich abwechseln.


                                   Abendsonne und dunkle Wolken kämpfen um die Vorherrschaft

Ich bin mir sicher, dass das was ich am nächsten Morgen vorhabe, ziemlich unvernünftig ist: Von 3600 m Höhe bis auf 5417 Meter in einem Tag ohne vorherige Akklimatisierung aufzusteigen. Na ja, von meiner Reise nach Ladakh weiß ich, dass ich die Höhe gut vertrage, und sage mir dass ich ja jederzeit umkehren kann…Abgesehen davon will ich ja noch heute zurück nach Jharkot, und höhenkrank wird man vor allem, wenn man länger oben bleibt. Nun ja, ich bin noch nie so schnell ohne akklimatisiert zu sein so hoch aufgestiegen, mal schauen, wie es läuft…
Bereits in der Morgendämmerung um 6 Uhr bin ich unterwegs. Es ist recht mild und dunstig. Hinter Muktinath beginnt der weitere Aufstieg. Tatsächlich führt eine Piste weiter nach oben, muss das sein?


                         Langsam verzieht sich der Morgendunst 

Auf 4200 Meter passiere ich einige kleine Hotels, aber auch hier wird gebaut…
Bald darauf beginnt der steilste Abschnitt des Aufstiegs zum Pass. Über zahlreiche Serpentinen gewinne ich rasch an Höhe. Gegen 9 Uhr habe ich bereits knapp 5000 Meter Höhe erreicht und die ersten Trekker kommen mir entgegen. In der Regel wird der Thorung La aus der Gegenrichtung erwandert, da es dort nicht allzu weit unter der Passhöhe noch eine Unterkunft gibt. Auch hier haben fast alle Wanderer einheimische Begleiter, nur ein tschechisches Pärchen ist selbständig unterwegs.
Bin ich bisher gut voran gekommen, macht sich doch jetzt der geringe Sauerstoffgehalt der Luft in dieser Höhe stark bemerkbar. Ich muss mein Tempo verlangsamen und ganz leichter Schwindel setzt ein. Dennoch setze ich den Weg unter den imposanten Gletschern des Annapurna Massivs fort.

                                            Die Gletscher des Annapurna Massivs

Der Weg ist recht einfach und schneefrei. Kaum zu glauben, dass dies in knapp sechs Wochen der Schauplatz einer schrecklichen Tragödie wird, verursacht durch einen heftigen Wintereinbruch. Dutzende Menschen sollten hier von Lawinen verschüttet werden oder entkräftet erfrieren.
Gegen halb zwölf habe ich den Pass erreicht. Es ist ziemlich kühl, daher ziehe ich mir schnell warme Sachen über das T- Shirt, welches ich beim Aufstieg getragen habe. Sie passt zwar nicht hierher, aber dennoch freue ich mich über die Steinhütte in der ich eine Suppe und heißen Tee genieße. Kaum zu glauben, wie der junge Bursche, der die Hütte unterhält, hier oben die ganze Saison verbringt…

                                                    Thorung La

Bis zur 5000 Meter Marke wandere ich bergab durch eine lebensfeindliche Geröllwüste.

                                     
                                  Nur wenige Pflanzen können hier existieren

Gegen 16 Uhr bin ich dann zurück in Muktinath. Ich denke, dass die heutige Wanderung schon etwas für die Höhenanpassung gebracht hat, aber zur Nachahmung würde ich so ein Experiment niemandem empfehlen!
Eine Tafel verrät mir, dass ich nicht die selbe Route nach Jomsom zurück laufen muss, daher schlage ich am nächsten Morgen den Weg nach Lubra ein. Mein erstes Ziel ist ein sanft ansteigender Pass, von dem aus ich in ein Seitental des Kali Gandaki absteige. Zwar gibt es in Lubra eine Unterkunft, aber ansonsten scheint das Leben hier seinen uralten Gang zu nehmen.

                                              Begegnung am Weg

Die Variante über Lubra gefällt mir sehr gut, und ist eine schöne Alternative wenn man von Jomsom nach Muktinath trekken will. Aber offenbar ist dieser Weg noch ein Geheimtipp, da ich keine anderen Trekker treffe.
Schließlich erreiche ich dann doch wieder das Kali Gandaki Tal. Es wird zwar manchmal als tiefste Schlucht der Welt angepriesen, dass stimmt aber nur, wenn man die Höhendifferenz vom Talboden zu Dhaulagiri und Annapurna zu Grunde legt. Diese sind aber sehr weit vom Fluss entfernt, daher ist diese Bezeichnung in meinen Augen ziemlich irreführend, da die eigentliche Schlucht gar nicht so besonders tief ist...



                                                  Kali Gandaki Tal

Bevor ich Jomsom erreiche, treffe ich Bernd, der einen kleinen Spaziergang unternommen hat, und dem es sichtlich besser geht. Leider können wir trotzdem noch nicht am nächsten Tag starten, da mich jetzt die Erkältung erwischt hat…
Allerdings benötige ich dank der Zaubermittel aus Jomsoms Apotheke tatsächlich nur einen Tag bis ich wieder fit bin...



















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