Translate

16.05.2019

Auf wilden Wegen durch Neuseeland 2 - Kahurangi 1 Rückzug an den Drachenzähnen





Bereits früh am nächsten Morgen bin ich wieder unterwegs. Zunächst folge ich der Straße Richtung Nelson, biege aber schon bald auf eine Nebenstraße ab, die sich nach fünf Kilometern in eine Schotterpiste verwandelt. Ich wandere hier durch flaches, grünes Weideland voller schwarzer Rinder, in denen verstreut einige Farmhäuser stehen. 

                          Durch Farmland Richtung Kahurangi Nationalpark

Nach 11 Kilometern erreiche ich einen kleinen Parkplatz, wo Schilder darauf hinweisen, dass hier der Anatoki Track beginnt. Ab hier beginnt ein recht steiler Aufstieg über zugewachsene Pfade in Buschland, bevor der Wald im Nationalpark beginnt. 
Kahurangi ist mit 4500 qkm der zweitgrößte Nationalpark Neuseelands und wurde erst 1996 gegründet. Zwar erreichen die Berge hier nie die 2000 Meter Marke, aber die Mischung aus tiefen Waldtälern, schroffen Hängen und langen Graten macht diese Landschaft sehr attraktiv zum Wandern.

Nach Verlassens des Privatlandes, wird der Weg deutlich besser und ich erkenne tief unter mir die Schlucht des Anatoki Flusses, der ich für den Rest des Tages folge. 


                                                                                Anatoki Schlucht

Es ist ziemlich heiss und da der Weg im Hang weit abseits des Flusses verläuft, dauert es auch recht lange, bis ich auf Wasser in einem Nebenbach stoße.  Die steilen Hänge sind zunächst mit dichtem Busch bedeckt. Ohne Weg wäre hier kaum ein Vorankommen möglich!
Manchmal führt der schöne, schmale Pfad an Felsen entlang. Ein steiles Stück ist sogar mit einer Stahlkette gesichert, was aber zumindest bei Trockenheit nicht wirklich notwendig ist.


                                                Mit Kette gesichertes Wegstück

Am Nachmittag führt der Pfad recht häufig durch tief eingeschnittene Schluchten von Nebenbächen. Dennoch bleiben meine Füße trocken, da ich stets über Steine balancierend die Gewässer überqueren kann.


                                              Steilhänge mit dichtem Busch

Als ich etwas höher gelange, wird der Busch durch schönen Hochwald abgelöst. Endlich Schatten! 


                                Die Farne werden von der Sonne angestrahlt

Manchmal sehe ich den wild rauschenden Anatoki tief unter mir, meist erlaubt es der dichte Wald aber nicht, meinen Blick weit schweifen zu lassen.


                                       Jetzt fließt der Anatoki durch den Wald

Es ist kaum möglich, in der dichten Vegetation einen Lagerplatz zu finden, daher schlage ich mein Zelt mitten auf dem Weg auf, was aber auch nur an ganz wenigen Stellen geht. 
Wie schon in Kanada bewährt, koche ich auch in Neuseeland nicht, sondern bereite mir eine kalte Mahlzeit aus je 100 Gramm Haferflocken und Erdnüssen, die ich mit Butter, Eiweißpulver und Wasser zu einer nahrhaften Mischung verrühre.
Eigentlich könnte ein idyllischer Abend anbrechen, aber der Fluch Neuseelands, kleine Sandfliegen, peinigt mich leider sehr...
Beim Frühstück am nächsten Morgen besucht mich eine neugierige Wekaralle, die sogar ihren Schnabel ins Vorzelt steckt! Diese flugunfähigen Vögel hatte ich auch schon in Abel Tasman gesehen. Sie sind wenig scheu und dafür berüchtigt, Wanderern gerne einmal etwas zu stehlen...
Schon bald gelange ich an die Anatoki Forks Hütte, wo ich dem Hüttenbuch entnehme, dass vor 4 Tagen zuletzt jemand dort war. Kurz darauf überquere ich den Anatoki, was nicht ganz ohne nasse Füße abgeht. Aber die richtig tiefen Stellen kann ich bequem von Fels zu Fels umgehen.
Ein Pfad führt über einen Rücken sehr steil aufwärts. Und steil heißt richtig steil, wie so häufig in Neuseeland. So etwas wie Serpentinen, scheint hier ein Fremdwort zu sein!
Bald geht der Hochwald in niedrigeren Bergwald über, in dem exotische, Yucca-ähnliche Bäume wachsen. Schließlich öffnen sich erste Blicke in die dicht bewachsene Landschaft mit ihren steilen Kämmen. 


             Steile, dicht bewachsene Hänge- typisch für Neuseeland

Der Kamm wird immer schöner und aussichtsreicher. Voraus erkenne ich bereits die steilen Felsberge der Drachenzähne- Dragon's Teeth. Ziemlich einschüchternd, ob da wohl wirklich eine Route hindurch führt?




                                            Ein aussichtsreicher Kamm

Von einem Pfad ist schon lange fast nichts mehr zu sehen, immerhin stoße ich dann und wann im Wald noch auf die für Neuseeland typischen, orangen Dreiecke aus Plastik, mit denen hier die Wege markiert sind. Eine sehr geschickte Art Wege zu kennzeichnen. Wo Farbe längst verblichen wäre, zeigt Plastik kaum Verwitterungsspuren. 


                                                  Typische Wegmarkierung

Es geht erstaunlich viel auf und ab, mitunter ist sogar etwas leichtes Klettern notwendig, und ich suche mir selber die beste Route, statt noch nach irgendwelchen Markierungen zu suchen. Voraus erkenne ich bereits den markanten Gipfel des Yuletide, über den der Pfad führt. Bei etwa 1400 Meter erreiche ich die Baumgrenze, danach wandere ich hauptsächlich durch gelbes Gras. 



                                        Der zerklüftete Grat zum Yuletide



                                                             Aussichtsbalkon

Leider bewölkt es sich jetzt zunehmend und als ich auf 1550 Meter den Gipfel des Yuletide erreicht habe, ist die Sicht leider nicht mehr so gut.
Schließlich erreiche ich den Pass the Needle, von dem aus ich schon den kleinen See Adelaide Tarn erblicke, mein Tagesziel.


                                                     Abstieg zum Adelaide Tarn

Am See steht eine winzige Wellblechhütte, in der 3 Leute übernachten können. Diese Biwakschachteln sind in Neuseeland umsonst zu benutzen. Das die Wanderung hierher nicht ganz einfach ist, zeigt auch, dass ich für 9,5 Kilometer mehr als 9 Stunden benötigt habe!
Im Hüttenbuch finde ich einen Eintrag von Annette und Michael, die ich 2017 in Patagonien kennen gelernt hatte. Ich hatte den Beiden meine geplante Route gegeben und sehe jetzt, dass sie eine Woche Vorsprung haben!
Später klart es auf, und ich unternehme noch einen Abendspaziergang in die alpine Umgebung der Hütte.




                                                         Adelaide Tarn

Es gibt stellenweise einige Blumen, aber meist dominiert das Tussockgras.


                                                       Blumen sind eher selten

Ich wandere zu einem Pass, von dem man aber nicht absteigen kann, und erkunde dann den Anfang der Route für Morgen. Typisch für Neuseeland kommt Nebel auf, und erzeugt mit den Sonnenstrahlen die durch den Dunst dringen, eine interessante Stimmung.


                                                      Sonne und Nebel

Früh am nächsten Morgen breche ich auf zur Bezwingung der Dragon's Teeth High Route. Bis zu dem gestern Abend erkundeten Pass komme ich gut voran, dann folgt die Route einem felsigen Grat. Aus den Tälern steigt Nebeldunst auf, und zunächst scheint es, als könnte das Wetter schön werden...

Morgendlicher Dunst steigt aus den Tälern hoch

Manchmal steige ich kurz ab in den Wald. Es gibt hier keine orangen Markierungen mehr, aber zumindest finde ich relativ regelmäßig einen Steinhaufen oder Cairn, der die Route markiert. 
Ich höre entfernte Rufe und sehe dann einen Bergpapagei sich auf einem Felsen nieder lassend. Die Keas leben nur in Neuseeland, und sind weltweit die einzigen Papageien, die über der Baumgrenze ihren Lebensraum haben. Leider fliegt der Kea ab, bevor ich ihn fotografieren kann. Irgendwann erscheinen die ersten von Nebeln umflossenen steilen Gipfel der Drachenzähne.

                                   Auf der Dragon's Teeth High Route

Ein sehr steiler, glatter Schieferfelshang entpuppt sich als erstes Hindernis. Man sollte hier auf keinen Fall abrutschen, aber eigentlich ist der Fels recht griffig. 
Kurz danach verlieren sich die Cairns. In dichtem Bewuchs und steilem Gelände suche ich lange Zeit, bis ich wieder einen Felshaufen entdecke. Der GPS- Track, den ich für diese Strecke herunter geladen habe, entpuppt sich leider als ungenau, und hilft mir überhaupt nicht weiter. 
Entlang einer steilen, dicht bewachsenen Wand taste ich mich langsam weiter. Irgendwann ist die Route aber so zugewachsen, dass ich mir nicht vorstellen kann, hier noch richtig zu sein. Ich nehme an, dass die korrekte Route höher verläuft und ich hier in einer Sackgasse gelandet bin. Kurzerhand beschließe ich nach oben zu klettern. Inzwischen hat sich das Wetter deutlich verschlechtert, Nebel und Nieselregen kommen auf. Die Wand ist so steil, dass ich mich nur an den im Fels verankerten Büschen hoch ziehen kann. Irgendwann kommt mir der Gedanke, dass das was ich gerade tue, ziemlich verrückt ist, und trete den Rückzug an. Dabei stellt es sich heraus, dass es gar nicht so einfach ist, in dem steilen, dicht bewachsenen Gelände zurück zu finden. Viele Stellen sind einfach viel zu bewachsen oder abschüssig....
Schließlich bin ich zurück an den Schieferplatten und suche noch mal nach der richtigen Route. In fünf Stunden bin ich gerade mal zwei Kilometer weit gekommen und muss einsehen, dass der Rückzug zum Adelaide Tarn das einzig Vernünftige ist.
Eine goldrichtige Entscheidung, denn mit Regen und Nebel am Nachmittag, hätte ich keine Chance gehabt, die Drachenzähne zu bewältigen.
Später lese ich von jemandem der die Tour schon oft gemacht hat folgendes Zitat "Entweder du kennst die Route, oder irgendwann muss dich der Hubschrauber holen". Das ist wahrscheinlich etwas übertrieben, spricht aber dafür, dass man die Drachenzähne nicht zu leicht nehmen sollte.
Zurück in der Biwakschachtel, verbringe ich den Rest des Tages damit, in neuseeländischen Outdoormagazinen zu lesen, die jemand dort zurück gelassen hat. Sehr interessant und inspirierend!
Nichts desto Trotz bin ich ziemlich frustriert und beschließe auf einer anderen Route nach Takaka zurück zu kehren, um dort neuen Proviant zu kaufen, und die Kahurangi Durchquerung von einem anderen Ausgangspunkt zu starten.
Immerhin ist am nächsten Morgen das Wetter besser, so dass ich die Aussicht vom Yuletide zu den Dragon's Teeth genießen kann.

                                                             Auf dem Yuletide

                                                        Subalpine Vegetation

Zurück am Anatoki biege ich auf den Pfad zum Lake Stanley ab, der im Gegensatz zur Dragon's Teeth High Route nicht in meiner GPS-Karte eingezeichnet ist. 
Stellenweise ist der Südbuchenwald, durch den ich laufe, ziemlich offen. Die Südbuchen sind nicht mit unseren europäischen Buchen verwandt, sondern bilden eine eigen Gattung, die ich ja auch schon aus Patagonien kenne. Hier in Neuseeland wachsen fünf Arten, von denen zwei sehr häufig sind. 


                                                       Südbuchenwald

Ich überquere einen Pass im Wald auf 1100 Meter und folge dann dem Oberlauf des Stanley Rivers. Auf einem Baumstamm am Bach entdecke ich eine sehr seltene Vogelart: Die Blauente, oder auch Whio, nach ihren Pfeiflauten genannt. Ein Entenpaar mit einem Küken sitzt auf einem Baumstamm am Bach. Die Whio sind eine von nur zwei Entenarten weltweit, die sich auf schnelle, klare Bäche spezialisiert haben. Aufgrund der Verfolgung durch Ratten und vor allem Wiesel sind sie sehr selten geworden und es werden von der Naturschutzbehörde DOC große Anstrengungen zu ihrem Schutz unternommen. 

                                        Whio Enten- vom Aussterben bedroht

Dagegen ist ein kleiner, neugieriger Vogel allgegenwärtig, und kommt häufig bis in meine unmittelbare Nähe: Der South Island Robin!

                                Die South Island Robins kennen keine Scheu

An einer Stelle passiert der Stanley River donnernd eine Klamm, und fällt dann in einen herrlich türkisen Pool.






































                                                                 Ein idyllischer Platz

Ich genieße es auf dem gut markierten Pfad wieder ausschreiten zu können, auch wenn es schließlich wieder zu regnen beginnt. Ich habe einen kleinen Schirm dabei, der hier zum ersten Mal in Neuseeland zum Einsatz kommt. Im weiteren Verlauf der Tour sollte er sich aber als überflüssig heraus stellen, nicht weil es so wenig regnet, sondern weil es dabei meist so windig ist, dass man keinen Schirm aufspannen kann.

                                             Unterwegs zum Lake Stanley

Zu meiner Überraschung dringt Rauch aus dem Soper Shelter, einer  Hütte, die eher einem Zelt ähnelt, und den einfachen Behausungen der Goldsucher in den 30'er Jahren nachempfunden ist. Seit Beginn meiner Wanderung im Anatoki Tal hatte ich noch keinen Wanderer getroffen!
Nichts desto Trotz laufe ich weiter entlang des Lake Stanley und schlage schließlich, als der Regen heftiger wird, mein Zelt auf.
Lake Stanley entstand als 1929 ein Erdbeben einen natürlichen Damm aufschüttete. Noch heute stehen zahlreiche Baumleichen in dem Gewässer.

                                                  Lake Stanley

Hinter dem Ende von Lake Stanley passiere ich ein große Blockhalde die ebenfalls von dem Erdbeben aufgeschüttet wurde. Schilder warnen, dass der Bereich auch heute noch instabil sei und schnell passiert werden sollte...


                                             Vom Erdbeben 1929 aufgeschüttet

Hinter dem Zusammenfluss von Stanley und Waingaro River wird der Pfad deutlich besser und ich komme rasch voran. Die sogenannte "Kill Devil" Route darf auch von Mountainbikern benutzt werden. Bald gelange ich aus dem Wald in dichte Strauchvegetation. Dennoch eröffnen sich häufig schöne Ausblicke in das Waingaro Tal, tief unten. Die Routenführung entlang der Hänge ist wirklich spektakulär und sicher toll mit dem MTB zu befahren.

                                                 Auf der Kill Devil Route

Nach einem langen Abstieg über endlose Serpentinen erreiche ich schließlich nach etwa 30 Kilometern einen Parkplatz und kurz danach die Straße. 
Wie so oft habe ich Glück und das erste Auto das vorbei kommt hält und nimmt mich mit zurück nach Takaka. 
Interessanterweise sollte ich meinen Fahrer, der deutsche Vorfahren hat, die schon 1840 in die Gegend gekommen sind, viel später noch einmal  treffen!













Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen