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10.05.2019

Auf wilden Wegen durch Neuseeland 1 - Abel Tasman




Auch wenn ich schon seit Jahrzehnten wandernd durch die Welt ziehe, hatte ich merkwürdigerweise Neuseeland lange nicht wirklich auf dem Schirm. Das hat sich erst geändert, als ich die Bilder und Stories von meinem Freund Bernd gesehen und gehört habe. Bernd ist der bei weitem erfahrenste Wildniswanderer den ich kenne, und wahrscheinlich auch tatsächlich selbst weltweit gesehen, einer der meist gewandertsten Leute. Gegen ihn bin ich eher ein armes Waisenkind, was die Tourenbilanz angeht...
Wir waren ja auch schon zusammen unterwegs, http://geraldtrekkt.blogspot.com/2014/11/durch-das-land-der-namenlosen-berge-1.htmlhttp://geraldtrekkt.blogspot.com/2013/11/patagonien-1-die-hornopiren-traverse-1.html

daher weiß ich, dass wenn er eine Gegend gut findet, sie für mich in der Regel auch ein lohnendes Ziel ist. Und Neuseeland spielt für ihn ganz weit vorne, was gute Trekkingländer angeht!
Kurz gesagt, nachdem mir Bernd den Mund wässrig gemacht hatte, war mir klar, dass auch ich nach Neuseeland muss!
Neuseeland besteht aus zwei Hauptinseln, die etwa gleich groß sind, und insgesamt etwas kleiner als Deutschland. Dagegen beträgt die Bevölkerung nur knapp 5 Mio. Einwohner, im Gegensatz zu 83 Mio bei uns! Na ja, wenn man dann noch berücksichtigt, dass 80 % der Neuseeländer auf der Nordinsel leben, ist schon auf Grund dieser Zahlen klar, dass die Südinsel das bessere Ziel für einen Wildniswanderer darstellt, wobei der Norden des Landes natürlich auch einiges zu bieten hat...
Seit 2011 hat Neuseeland mit dem Te Araroa (TA) auch einen 3000 Kilometer langen Fernwanderweg, der über beide Hauptinseln führt, daher liegt es scheinbar nahe, diesen für die Erkundung der Südinsel zu nutzen. 
Allerdings macht schon ein Blick auf die Karte klar, dass der TA oft ausserhalb der Berge verläuft, und daher über weite Strecken nicht die attraktivste Route darstellt. Daher war bald mein Entschluss gefasst, auf  einer eigenen Linie aus verschiedenen Trails und auch weglosen Abschnitten, die Südinsel im Norden startend zu erwandern. Bei der Planung stellte es sich aber schon bald als klar heraus, dass drei Monate auf einer anspruchsvollen Route nicht ausreichen, um die ganze Insel zu durchqueren. Egal, ich würde eben so weit laufen, wie ich komme, und in einem anderen Jahr die Durchquerung fortsetzen...

Der lange Flug nach Neuseeland, wäre eigentlich eine Qual, aber zu meiner Überraschung erhalte ich bei meinem 15-stündigen Aufenthalt in China ein Hotelzimmer auf Kosten der Fluglinie!
Von Christchurch, dem Hauptort der neuseeländischen Südinsel, geht es per Bus nach Nelson. Eigentlich hatte ich vor von dort weiter per Anhalter zu fahren, aber da ein Shuttle Bus direkt zum Beginn des Abel Tasman Coast Tracks, meinem ersten Ziel fährt, wähle ich die einfachere Variante.
Der Coast Track gehört zu den bekannten Great Walks auf Neuseeland, das sind 9 landschaftlich sehr schöne, einfache Wanderungen, auf die ein Großteil des touristischen Marketings des Landes abhebt. Na ja, und dann ist der Coast Track mit etwa 200.000 Besuchern im Jahr auch noch der Beliebteste der Wege, also eigentlich nicht das was ich schätze...
Nun, es reizt mich dennoch zum Auftakt meiner Wanderung auf der Südinsel die goldenen Strände und üppigen Wälder des Abel Tasman Nationalparks zu erkunden! Zudem beginnt jetzt, Anfang Dezember die Saison erst gerade, daher hoffe ich, dass noch nicht so viel los ist...



                                          Durch Abel Tasman

Am Start des 51 Kilometer langen Weges in Marahau bietet ein halboffener Pavillon gute Informationen zu der Strecke, und auch etwas Wetterschutz. Auf der Busfahrt hierher hatte es streckenweise gegossen, jetzt, genau zum richtigen Zeitpunkt klart es aber auf!






Der Weg ist extrem gut ausgeschildert,  man kann sich hier wirklich nicht verlaufen. Glücklicherweise stellt sich schon bald heraus, das zwar etliche Wanderer unterwegs sind, aber man keineswegs ständig in einem Pulk laufen muss...
Meist verläuft der Trail im dichten Buschwald, aber häufig eröffnen sich auch Ausblicke auf schöne Buchten, zu denen meist ein Stichweg führt. Hier zeigt sich rasch, dass Abel Tasman, mit 225 qkm der kleinste Nationalpark Neuseelands, nicht nur bei Wanderern, sondern auch bei Kajakfahrern beliebt ist. Häufig sehe ich Gruppen, die sicher an einer geführten Tour teilnehmen.


                       Abel Tasman ist auch bei Kajakfahrern beliebt



                                                               Dichter Wald


                                             Eine "Wanderautobahn"

Bald erfahre ich durch Hinweistafeln, dass hier, wie auch in ganz Neuseeland, ein regelrechter Krieg geführt wird. Vor der Ankunft der ersten Menschen, vor etwa 800 Jahren, gab es auf Neuseeland außer einer Fledermausart keine Säugetiere. Dementsprechend hatte sich hier eine ausgesprochen reiche Vogelfauna gebildet. Deren Niedergang begann bereits mit der Ankunft der Vorfahren der heutigen Maori, und beschleunigte sich nach dem Eintreffen der Weißen ab 1780. Große Vögel wie die Moas wurden schon durch die Jagd der Maori ausgerottet, viel schwerwiegender war aber der Einfluss der durch die Menschen mitgebrachten Tiere, vor allem von Ratten und Wieseln. Wurde der neuseeländische Wald von den ersten Entdeckern als voll von Vogelstimmen beschrieben, sind weite Teile des Landes heute fast leblos und still. Dies liegt daran, dass die Ratten und Wiesel fast alle Vögel, die sich nie an solche Feinde angepasst hatten, gefressen haben.
Nun unternimmt Neuseeland große Anstrengungen, diese Entwicklung umzukehren. Dabei wird unter Anderem massiv mit Gift gearbeitet, wie ich später noch feststellen sollte, aber hier in Abel Tasman, soll ein dichter Gürtel von Fallen, die oft völlig offen an den Wegen plaziert sind, verhindern, dass Ratten und Wiesel die letzten Rückzugsgebiete vieler Vogelarten wieder erreichen. Dieses sind kleine Inseln vor der Küste, wo es gelungen war, die Raubtiere auszurotten, so dass sich die Vogelwelt erholen konnte.


                                             Fallen zum Schutz der Vögel

Die Vegetation des Waldes ist ziemlich üppig, auch wenn es wenig wirklich dicke Bäume gibt. Am meisten begeistern mich die bis zu 20 Meter hohen Baumfarne, die typisch für Neuseeland sind. Während man Farne normalerweise ja nur als kleine Gewächse kennt, ähnelt der Wald hier wahrscheinlich ein wenig der Vegetation in Europa, zu der Zeit als die Kohlevorkommen entstanden! Neuseeland ist eben bereits seit unfassbaren 90 Millionen Jahren von anderen Landmassen getrennt, daher konnte sich hier eine einzigartige Vegetation entwickeln.

                                                   Faszinierende Baumfarne

Neuseeland ist generell sehr liberal was wildes Campen angeht, hier "Freedom camping" genannt. Fast alle Wandergebiete befinden sich auf öffentlichem Land, wo man überall frei campen darf, auch in den Nationalparks. Oft liest man, dass das an den Great Walks nicht der Fall sei, und man hier einen Zeltplatz reservieren muss.
Dies ist aber nicht ganz richtig, da man auch hier in der Regel sein Zelt aufschlagen darf, wenn man 500 Meter vom Weg entfernt ist.
Nun, ich habe keine Reservierung und würde ohnehin auch gerne einsam an der Küste zelten. Also biege ich am Nachmittag auf einen Stichweg ein, der wenig belaufen ist und zu einer malerischen Bucht führt. Leider verkünden Schilder hier, dass das Zelten verboten ist, daher gehe ich weiter und schlage schließlich mein Lager hoch auf dem Sand im Mündungsbereich eines Baches auf. Mir ist klar, dass zur Zeit Ebbe herrscht und das Wasser später steigen wird, gehe aber davon aus, dass es bei einer normalen Flut mein Zelt nicht erreichen wird...

                                                   Noch ist mein Lager trocken...

Nachdem ich einen Abendspaziergang unternommen habe, liege ich bereits im Zelt und bin auch schon eingeschlafen, als mich leises Plätschern weckt. Ich schaue aus dem Zelt und stelle fest, dass das Wasser nur noch zwei Meter von meiner Unterkunft entfernt ist!

                                                         Das Wasser steigt...    

Irgendwann versetze ich das Zelt etwa zwei Meter nach hinten, wohl wissend, dass das nicht reichen wird, wenn der Höchststand der Flut noch nicht erreicht ist... 
Und tatsächlich, schließlich muss ich mein Lager räumen, und weiche in den angrenzenden Wald aus, wo der Hang aber viel zu steil zum Zelt aufschlagen ist. 
Es kann Stunden dauern, bis der Wasserstand wieder gefallen ist, und ich habe eigentlich keine Lust so lange im Wald zu sitzen und zu warten. Abgesehen davon, wird es bald dunkel.
Schließlich fällt mir ein, dass ich ja ein Packraft dabei habe!
Kurzerhand packe ich mein Zeug auf das Boot, und trete tatsächlich die Jungfernfahrt über den Mündungsbereich des Baches, zum etwa 200 Meter entfernten, höher gelegenen Strand an. 
Extra für die Tour auf Neuseeland habe ich mir ein neues, sehr leichtes Packraft gekauft, dass ich hier im Wesentlichen nur für Flussüberquerungen nutzen will. Zu Hause hatte ich das Boot noch nicht ausprobiert, aber ohne Probleme gelingt mir die Überfahrt, und ich schlage mein Zelt im letzten Licht wieder auf.

                                              Bootstour in der Dämmerung

Am nächsten Tag laufe ich für längere Zeit entlang der goldgelben Sandstrände, die Abel Tasman auszeichnen. Zwar liebe ich ja eigentlich mehr die Berge, aber so eine schöne Küste hat auch etwas!


                                                   Lange Strände

Natürlich gibt es hier auch Meeresvögel. Besonders auffällig sind die schwarzen Austernfischer, die bereits recht große Junge haben. Austernfischer gibt es ja auch in Europa, allerdings mit mehr Weiß im Federkleid.

                                                          Austernfischer

Gegen Mittag gelange ich an die kilometerbreite Awaroa Bucht, die zu Fuß nur bei Niedrigwasser überquert werden kann. Einige Wanderer warten bereits bei einer Hütte.
Aber ich habe ja mein Packraft dabei und beginne kurzerhand mit dem müllsackartigen Blasesack Luft einzufangen und dann zum Aufpumpen in das Boot zu pressen. Dabei reißt sofort das Pumpengewinde aus und die Ventilkappe schließt nicht mehr. Da scheine ich ja ein tolles Boot gekauft zu haben....
Na ja, irgendwann bin ich fertig und beginne die Überfahrt. Zunächst ist das Wasser lange Zeit ziemlich flach, so dass man auch laufen könnte, dann wird es aber sehr tief. Zu dem ultraleichten Boot habe ich das passende, nur 365 g wiegende Paddel gekauft. Dies ist aber eher eine Art besserer Löffel, immerhin komme ich vorwärts, bin aber schon jetzt von meiner neuen Packraftausstattung alles andere als begeistert. Ich glaube ich habe einen Fehlkauf gemacht...

                                                            Warten auf die Ebbe

Am Nachmittag erreiche ich Totaranui, in der Nähe des nördlichen Endes des Coast Track. Man kann hierher mit dem Auto gelangen und es gibt sowohl eine Rangerstation als auch einen Zeltplatz. 
Die Gegend hier war ehemaliges Weideland und man sieht noch einige alte Farmhäuser. Schließlich verlasse ich den Coast Track und biege auf den Gibb Track ab, der wohl hauptsächlich als Mountainbikeroute genutzt wird. Bevor der Trail sich nach oben schraubt, schlage ich mein Lager am Rand einer ausgedehnten Wiese auf. 
In der Nacht regnet es ein wenig, so dass ich am nächsten Morgen sofort nasse Trailrunningschuhe und Socken habe, was aber nicht weiter schlimm ist. Ein erodierter Weg führt durch Buschland recht steil nach oben, wo sich noch einige Blicke über das Meer ergeben.

                                                     Blick zurück zur Küste

Für kurze Zeit wandere ich an Zäunen entlang durch Weideland, dann überquere ich am Pigeon Saddle eine Straße und habe den Inland Track erreicht, eine im Vergleich zum Coast Track wenig begangene Wanderroute im Abel Tasman Nationalpark. Der Weg hat nicht mehr viel mit dem Great Walk an der Küste gemein, und ist mit seinen vielen Steigungen ziemlich schwer! 
Nachdem der Wald an der Küste ja eher buschartig war, geht es jetzt teilweise durch sehr schönen Hochwald voller Baumfarne und mächtiger Bäume, die mehrere Meter Durchmesser erreichen. Nur zweimal begegne ich anderen Wanderern.
Gegen Mittag erreiche ich die Awapata Hut. Ich hatte gedacht, dass es in dem regenreichen Neuseeland überall Wasser gibt, dass ist auf dem Inland Track aber keineswegs der Fall, daher freue ich mich um so mehr, dass die Hütte über einen Wassertank verfügt. Das Toilettenhäuschen ermöglicht eine fantastische Aussicht zur Küste des Abel Tasman Nationalparks!


                                                               Klo mit Aussicht

Während der Wald über weite Strecken schön und intakt erscheint, gelange ich auch immer wieder in Bereiche, wo fast sämtliche größeren Bäume abgestorben sind, und sich danach ein fast undurchdringliches Dickicht am Boden gebildet hat. Diese Bestände wurden wahrscheinlich durch Possums wiederholt kahl gefressen und starben dadurch ab. Die Possums, zu deutsch Fuchskusus, sind possierliche Beuteltiere, die ursprünglich aus Australien stammen und in Neuseeland wegen ihres Pelzes ausgesetzt wurden. Da sie hier keine Feine haben, vermehrten sie sich rasant, so dass es heute etwa 6 mal mehr Possums als Menschen auf den Inseln gibt! Ebenso wie Ratten und Wiesel versuchen die Neuseeländer diese eingeschleppten Tiere in erster Linie mit Gift zu bekämpfen. Dazu werden aus der Luft Köder mit "1080" ausgebracht, Natriumfluoracetat, was auch in einigen Pflanzen natürlich vorkommt, und in der Natur rückstandslos abgebaut wird. Der Gifteinsatz ist in Neuseeland heftig umstritten, erscheint aber, wenn man das Verschwinden der Vogelwelt und den Kahlfrass vieler Wälder betrachtet, als notwendiges Übel.

                                                    Abgestorbene Wälder

                                              Hier ist der Wald noch intakt

Hinter dem Moa Saddle verlasse ich den Inland Track und wandere abwärts durch herrlichen Wald in das Wainui Tal. Manchmal finde ich hübsche, gelbe, ziemlich große Schneckenhäuser und einige Markierungen deuten daraufhin, dass hier ein Projekt zur Erforschung der Schnecken läuft.
Auf Neuseeland gibt es einige Arten von nur auf den Inseln vorkommenden, fleischfressenden Schneckenarten, die mit 9 cm Länge und fast 100 Gramm Gewicht ziemlich groß werden. Natürlich leiden sie als "fette Beute" auch unter den eingeschleppten Raubtierarten.


                                                     Großes Schneckenhaus

Der Wald im Wainui Tal scheint noch ziemlich intakt zu sein, und wirkt auf mich mit seinen gigantischen Bäumen ziemlich eindrucksvoll. 
Ich schlage mein Zelt am Bach auf und setze mich etwas abseits in die Sonne zum Essen. Plötzlich nehme ich eine Bewegung wahr, und beobachte eine Hirschkuh, die dem Bach folgend in meine Richtung zieht. 
Natürlich war auch das Rotwild in Neuseeland nicht ursprünglich heimisch, sondern wurde von den Engländern im 19. Jh. eingeführt, um ihrem gewohnten Jagdhobby nachzugehen. Durch die Kombination aus fehlenden Feinden und guter Äsung vervielfachten sich die Bestände rasch und wurden zu einer regelrechten Landplage. Erst mit der Bejagung aus dem Hubschrauber konnte die Zahl der Hirsche wirksam reduziert werden. 

                                           Eine Hirschkuh zieht bachaufwärts

Erst als das Tier mein Zelt erreicht hat, bemerkt es mich schließlich doch, und nimmt reißaus.

                                                                       Besuch

                                         Schöner Wald im Wainui Tal

Am nächsten Morgen folge ich dem Tal noch einige Zeit, bis ich abrupt aus dem Wald in eine offene Graslandschaft gelange, wo es natürlich auch Schafe gibt, für die Neuseeland ja berühmt ist.
Irgendwann stoße ich auf einen Fahrweg, dem ich für lange Zeit bergab folge.
Jemand hat einen Fuchskuso (Possum) überfahren, ein zwar häufiges, aber aufgrund seiner nächtlichen Lebensweise nur selten gesehenes Tier.

                         Überfahrener Fuchskusu

Hier in den grünen Hügeln gibt es eine Reihe ungewöhnlicher Häuser, sogar Jurten! Als ich eine Frau auf dem Weg treffe, erfahre ich, dass die Gegend um Takaka ein Zentrum für alternative Lebensformen in Neuseeland darstellt. Es gibt hier sogar einen Betrieb, der Jurten baut!

                                                Ungewöhnliche Behausungen

Als ich die Asphaltstraße erreiche, nimmt mich sofort ein Auto die letzten sechs Kilometer nach Takaka mit, wo ich mich auf dem Zeltplatz einrichte. Als nächstes möchte ich meine Wanderung in den Kahurangi Nationalpark fortsetzen, mit über 4500 qkm, der zweitgrößte Nationalpark in Neuseeland.



























































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