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20.07.2019

Auf wilden Wegen durch Neuseeland 6 - vom Arthurs Pass nach Hokitika






Diese Etappe verläuft komplett auf der Westseite der Südalpen. Wie  ich bald merken sollte, erreicht die Wildheit Neuseelands hier neue Superlative...
Nachdem ich im Hostel mit Kaffee, der den Gästen umsonst zur Verfügung steht, gemütlich gefrühstückt habe, versuche ich mein Glück beim Trampen zurück Richtung Arthur's Pass. Obwohl das in dem langgestreckten Ort Greymouth mir nicht ganz einfach erscheint, habe ich schon bald meinen ersten lift zum Abzweig der Küstenstraße bei Kumara. Auch dort stehe ich nur kurz, bis mich Ashley mitnimmt, die beruflich Outdoorprojekte mit schwierigen, jugendlichen Mädchen durchführt. Ihrer Meinung nach werden auch in Neuseeland die sozialen Probleme immer schlimmer, und die Schere zwischen Arm und Reich geht weit auseinander. 
Ashley war während des Erdbebens 2011 in Christchurch, als dort 200 Menschen starben!
Ich habe auf der Karte auf meinem Smartphone gesehen, dass ich schon vor Arthur's Pass wieder in einen Wanderweg einsteigen kann, der irgendwann auf meine ursprünglich geplante Route stößt.
Daher steige ich am Beginn des Taipo River Trail aus und beginne bereits vor 9: 30 wieder mit dem Wandern.
Der dichte Wald voller Baumfarne wirkt mit dem lauten Konzert der Zikaden fast tropisch!
Zunächst komme ich auf einer Schotterpiste durch dichten Wald gut voran, erreiche aber schon bald das breite, flache Tal des Taipo River, wo ein Pfad beginnt. 
Hier treffe ich auf zwei Arbeiter der Naturschutzbehörde DOC, die dabei sind, mit Motorsäge und Pestizidkanister den streckenweise von umgestürzten Bäumen und dichter Vegetation blockierten Weg zu räumen.

                             Arbeiter der Naturschutzbehörde pflegen den Weg

Bald endet der Pfad am Fluss und über weite Strecken suche ich mir meinen eigenen Weg entlang der ausgedehnten Kiesbänke. Immer mal wieder taucht ein Stück Weg auf, endet dann aber bald an einem der zahlreichen Flussarme.



                                                                                              Taipo River

Über mir fliegt häufig ein Hubschrauber, der ein Stück weiter etwas ablädt. Schließlich gelange ich an die kleine Hütte Dillon's Homestead, wo eine 8- köpfige, gemischte DOC Crew, dabei ist, den aus Europa eingeschleppten Ginster zu bekämpfen, der große Teile der Landschaft überwuchert hat. 
Die durch die Herbizideinwirkung abgestorbenen Pflanzen werden braun und bieten keinen schönen Anblick. Aber wie so häufig in Neuseeland, müssen rabiate Massnahmen ergriffen werden, um etwas von der ursprünglichen Natur zu erhalten.
Auch wenn es wohl kaum möglich ist, hier den Ginster komplett auszurotten, wird auf diese Weise wohl seine Ausbreitung in weitere Bereiche verhindert. 


                                 Bekämpfung des Ginster durch Gifteinsatz

Schließlich verengt sich das Tal und ich wechsele über eine Hängebrücke auf die orographisch linke Seite. Der Pfad dem ich weiter folge ist ganz o.k lediglich an einer Stelle muss ich einen Erdrutsch überqueren, der den Pfad verschüttet hat. 


                                  Am Taipo River wechseln sich Schluchten        und offene Bereiche ab

Nach einem weiteren, von offenen Kiesflächen geprägtem Stück geht es in eine zweite Schlucht hinein, wo eine kurze Steilstufe mit einem Kletterseil bewältigt werden muss.
Am Nachmittag schlage ich mein Lager schließlich nicht mehr weit entfernt von der Mid Taipo Hütte auf einer Grasfläche auf.
Bald am nächsten Morgen erreiche ich den Abzweig Richtung Dunn's Creek Hütte. Ein steiler Pfad führt den Berghang empor. Mit dem Essen für mehr als zwei Wochen fühlt sich mein Rucksack noch sehr schwer an...


                                          Steiler Anstieg Richtung Dunn's Creek

Schließlich gelange ich zu einem Sattel, der von mit hohem Gras bewachsenem, sumpfigen Gelände bedeckt wird. Ich kann keine der orangen Wegmarkierungen mehr entdecken und folge dem für mich logisch erscheinendem Weg in einem Bachbett, bis dieses so steil und zugewachsen ist, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass die Route hier weiter führt. Also gehe ich zurück bis zur letzten Markierung und suche noch einmal in einer anderen Richtung. Leider wiederum erfolglos...
Schließlich entschließe ich mich, weglos auf meinem GPS- Track weiter zu laufen. Obwohl das Gelände nicht zu steil ist, ähnelt das Vorankommen hier einem extrem langsamen Spießrutenlauf. Die Vegetation würde man eher als dichten Busch bezeichnen. Stärkere Bäume wachsen eher vereinzelt. Dennoch rutsche ich ab, als ich über einen Baumstamm klettere. Glücklicherweise passiert mir beim Sturz nichts Ernstes, wenn auch das rechte Bein hinterher ziemlich schmerzt. Inzwischen ist das Gelände auch wieder ziemlich steil und ich befürchte irgendwann an einer unüberwindbaren Schlucht in eine Sackgasse zu geraten. 


                                           Weglos durch dichten Busch

Schließlich stehe ich am Rand der Schlucht des Dunn's Creek, aber sehe keine Chance zu dem wilden Bach herab zu gelangen. 
Also folge ich dem Bach stromaufwärts und stoße tatsächlich irgendwann wieder auf den verlorenen Pfad, der jenseits der Schlucht an den Bach führt, den ich jetzt problemlos durchwaten kann. 
Ein Stück weiter habe ich die Hütte erreicht, die wohl schon seit langem keinen Besuch mehr erhalten hat...
Da die Zeit schon weit fortgeschritten ist, esse ich erst einmal meine Mittagsschokolade und hoffe dann einem richtigen Pfad weiter folgen zu können...
Bisher habe ich starke 4,3 Kilometer zurück gelegt...
Diese Hoffnung bewahrheitet sich aber nicht! Zunächst brauche ich längere Zeit um überhaupt die Fortsetzung des Weges zu finden und muss dann rasch erkennen, dass ab jetzt das Bachbett der Weg ist!
Meist laufe ich im Wasser oder balanciere über die Uferfelsen. Immer wieder muss ich von dichtestem Busch eingefasste, kleine Wasserfälle umgehen. Ich bin nur froh, dass es heute trocken ist, ansonsten wäre dies eine noch üblere Tortur!


                                                   Das Bachbett ist der Weg!

Immer wieder stoße ich auf ein oranges Dreieck, kaum zu glauben, dass hier das steile Bachbett tatsächlich als Wanderweg dient!
Irgendwann entferne ich mich vom Bach und versuche in den steilen Grashängen höher zu gelangen, was aber auch nicht schneller und einfacher ist. Nichts desto trotz kommt schließlich der Newton Saddle in Sicht, zu dem ich aufsteigen muss. Die letzten 100 Höhenmeter sind dann noch mal wahnsinnig steil, so dass ich mich stellenweise an den Grasbüscheln hochziehe.
Erst gegen 16:30 bin ich oben und bereits ziemlich erschöpft. Die Hoffnung, jetzt das Schwierigste überstanden zu haben, sollte sich jedoch schon bald zerschlagen...




                                                      Auf dem Newton Saddle

Der Anfang des Abstiegs ist ganz o.k, bald wird aus dem kleinen Bächlein aber ein mächtiges Wildwasser. Die häufigen Wasserfälle zu bewältigen hat mehr mit Canyoning als mit Wandern zu tun!
Keine Frage, das hier ist aufregend und macht Spass, aber ist auch mörderisch anstrengend. Wenn ich nicht wüsste, dass die Route hier herunter führt, würde ich befürchten, irgendwann nicht weiter zu kommen, aber glücklicherweise kann man die höchsten Stufen immer durch den dichten Busch umgehen. In der milden Abendsonne durch die Schlucht zu klettern macht Spass, aber es wird später und später, und ich möchte nicht nach Einbruch der Dunkelheit hier noch festsitzen!



                                             Abwärts im Bett des Newton Creek


Aber tatsächlich flacht das Tal irgendwann ab, ich gelange auf einen richtigen Pfad und erreiche schließlich um 21 Uhr noch rechtzeitig vor dem Dunkel werden die Newton Hut!
Für schlappe 10 Kilometer habe ich 14 Stunden benötigt!
Ein wirklich harter, aber auch spannender Tag geht zu Ende.
Am nächsten Morgen folge ich noch ein Stück weit dem Tal abwärts, bevor ich über einen niedrigen Sattel zum Arahura absteige. Dabei bricht einer meiner Wanderstöcke und ich schnitze mir gleich an Ort und Stelle Ersatz. Oberhalb des Arahura verläuft ein erstaunlich guter Weg, der, wie ich später herausfinde, für Packpferde während des Goldrausch ab 1864 erbaut wurde, und noch heute meist in gutem Zustand ist. Ich komme gut voran, bin aber sehr vom Wald enttäuscht. Hier auf der feuchten Westseite der Insel hatte ich einen üppigen Regenwald mit majestätischen Bäumen erwartet, aber meist laufe ich nur durch dichten Busch, aus dem die grauen Skelette abgestorbener Bäume ragen. 
Diese sind Opfer der "Possums", die auf Deutsch Fuchskusus heißen. Diese katzengroßen, possierlichen, australischen Beuteltiere wurden ursprünglich zur Pelzgewinnung eingeführt und haben sich seit dem 18. Jahrhundert über die ganze Insel verbreitet. Trotz intensiver Bekämpfungsaktionen schätzt man ihre Zahl auf etwa 70 Millionen, 15 mal mehr Possums als Menschen!
Vor allem die majestätischen Podocarpaceenarten der Westküste werden von ihnen geliebt. Dabei wird Nacht für Nacht an einem Baum geknabbert, bis er kein Laub mehr hat, und oft stirbt. 
Trotz großer Anstrengungen ist es bisher nicht gelungen, dieses Problem in den Griff zu kriegen. Ein weiterer Faktor, warum Neuseeland's scheinbar unberührte Wälder unter großen ökologischen Problemen leiden. 
Kaum zu glauben, am selben Tag als mein Wanderstock zerbricht, finde ich einen Neuen, den ich gleich als Ersatz mitnehme!
Schließlich wandere ich über den niedrigen, grasbedeckten Styx Saddle ins Tal des Styx River.


                                                   Graslandschaft am Styx Saddle

Unweit der Grassy Hut, wo ich die ersten Wanderer heute treffe, schlage ich mein Zelt auf. Später kommen noch zwei Männer in Tarnkleidung vorbei. Vater und Sohn sind Jäger, wie sich herausstellt. Sie wollen das Rotwild hier bejagen, wobei der Sohn einen High Tech Bogen dafür dabei hat. Die eingeführten Säugetierarten in Neuseeland gelten allgemein als Schädlinge, daher gibt es so gut wie keine Beschränkungen, was die Jagd angeht.
Früh am Morgen sorgt der Nebel aus dem die Bergspitzen ragen, mal wieder für eine Neuseeland typische, mystische Stimmung. 
Toll!


                                                    Mystische Morgenstimmung

Um 7 Uhr bin ich schon wieder unterwegs. Bald zweigt der Pfad Richtung Browning Range Biwak ab. Zunächst geht es relativ flach durch etliche Wasserläufe, aber in Neuseeland lässt die nächste Steigung nie lange auf sich warten....
Bald laufe ich lange in einem Bach über rutschige Steinbrocken. Dabei ist das Gewässer aber eher klein, und daher nicht so schwierig wie Dunn's- oder Newton Creek vorgestern!


                                              Der Bach ist der Weg

Die Route ist durch Cairns markiert. Allerdings laufe ich einmal ein Stück zu weit, da ich einen der Steinhaufen verpasst habe. 
Nachdem ich den Bach hinter mir gelassen habe, geht es sehr steil durch dichten Busch weiter, bis ich schließlich nach drei Stunden das schön auf einem Rücken gelegene, winzige Biwak erreicht habe. 


                                                 Browning Range Bivy

Im Inneren finden sich einige Botanikbücher, ein Fernglas und viele Aufzeichnungen. Offenbar hat ein gewisser Mark hier über mehrere Jahre die Vegetation erforscht. Quasi nebenbei hat er die Hütte in Schuss gehalten und die Pfade markiert und frei geschnitten!
Während es bis hierher sehr heiß war, hat sich die Luft jetzt durch den Nebel deutlich abgekühlt. Bald geht es weiter steil einen Rücken hinauf. Trotz der eingeschränkten Sicht habe ich keine Orientierungsprobleme, da immer wieder orange Markierungen auftauchen.


Steil bergauf durch dichte Vegetation

Es gibt einige harmlose Kletterstellen, aber ich komme gut voran. Erst knapp unterhalb des Lathrop Saddle auf 1572 Meter lichtet sich der Nebel und ich sehe mehr von der alpinen Umgebung. 


                                              Unter dem Lathrop Saddle

Oben angekommen, mache ich in einer windgeschützten Mulde eine entspannte Mittagspause, zu der ich wie immer eine Nussschokolade esse. Anschließend geht es zunächst an zwei kleinen Seen vorbei flach weiter, bis schließlich der steile Abstieg ins Tal des Crawford Creek beginnt. Die Top Crawford Hütte erkenne ich schon von oben, dennoch dauert der Abstieg durch Geröll und steile Hänge mit hohem Gras länger als ich denke...
Der Grasbewuchs ist so tückisch, dass ich mal wieder einige Male ausrutsche und hinfalle. Nach einem Sturz tut mir ein Knie erst einmal weh...

                                 Abstieg zum Oberlauf des Crawford Creek

Das Durchwaten des Flusses stellt kein Problem dar, anschließend wandere ich auf meist recht gutem Pfad im Hang hoch oberhalb des Baches weiter. Offenbar wurde die Route vor nicht allzu langer Zeit frei geschnitten. Dabei kommt offenbar auch ein Herbizid zum Einsatz, wie die an einer Stelle deponierten Fässer mit der Aufschrift "Brushkiller" verraten...
Gifteinsatz scheint in Neuseeland etwas Selbstverständliches zu sein, wie ich wieder einmal feststelle...
Der dichte Busch aus dem oft viele graue Baumleichen ragen, gefällt mir nicht wirklich...
Schließlich führt der Pfad wieder hinab zum Crawford River, der mittlerweile schon deutlich breiter und wilder ist.


                                                Crawford River

Ein Stück laufe ich noch über die Uferfelsen und erreiche dann die Crawford Junction Hut, von der man einen schönen Überblick über die Mündung des Crawford in den Kokatahi hat. 
Da die Hütten hier auf der Westseite der Alpen nicht mehr vom DOC unterhalten werden, muss man auch nichts für die Übernachtung in ihnen bezahlen. Das Wegenetz und die Hütten werden von dem privaten Permolat Verein unterhalten, der natürlich für Spenden dankbar ist!
Am nächsten Morgen folge ich dem Kokatahi aufwärts. Bald gelange ich an eine Seilbahn über den Fluss. Glücklicherweise kann man den Korb zum Beladen arretieren, ansonsten wäre es nicht so einfach mit dem Rucksack reinzukommen und zu verhindern, dass das Gefährt gleich losschiesst...

                                                      Seilbahn am Kokatahi

Mitunter führt der Pfad in den Wald, meistens jedoch muss ich mir meinen Weg über die kolossalen Uferfelsen bahnen. Etliche der Exemplare in meinem Weg sind ausgewachsene Boulderfelsen, so dass mal wieder etwas Kletterei angesagt ist.

                                                 Über die Uferfelsen am Kokatahi

Der Kokatahi ist ein toller Wildwasserfluss, in den häufig gischtende Seitenbäche münden, die von den steilen Uferhängen herabstürzen. Gegen Mittag wird das Vorankommen deutlich schwieriger. Den hohen Felsen in den ultradichten Busch auszuweichen ist keine wirkliche Option und auch der Fluss ist meistens zu tief und reissend, so dass ich nicht darin laufen kann.
Schließlich gelange ich an eine Stelle wo es offensichtlich auf meiner Seite nicht mehr weiter geht. Nachdem ich mich etwas umgesehen habe, entdecke ich ein oranges Dreieck auf der anderen Flussseite. Aber wie kann ich das tosende Wildwasser überqueren?
Der Fluss teilt sich hier in zwei Arme. Den ersten zu durchwaten gelingt mir problemlos, dann kommt die wirkliche Schwierigkeit: Der Fluss verschwindet in einem gurgelnden Spalt zwischen glatten Felsen. Kaum auszudenken, was passiert, wenn ich hier reinfalle!
Egal, ich sehe keine andere Möglichkeit und balanciere vorsichtig auf einem der Felsen, bis ich mich an der Kante langsam hinsetze. Ich überlege eine ganze Zeit wie es weiter gehen kann, und komme zu einem gewagten Schluss: Ich rutsche auf dem  Hosenboden ein Stück weit den Grat des Felsens hinab, stehe dann auf und springe ab, lande erst auf einem Felsen und springe aber sofort zu einem weiteren Brocken von dem aus ich dann unmittelbar zum anderen Ufer durch die Luft segele! Ein kompliziertes Manöver, da beide Landungsstellen schräg und glatt sind und ich verschiedene Bewegungen miteinander koordinieren muss. Mir ist bewusst, dass ein Fehlschlag fatal wäre, daher fangen meine Beine an zu zittern.
Nach kurzer Zeit bekomme ich meine Angst aber in den Griff, konzentriere mich vollkommen und rutsche langsam tiefer. Dann erhebe ich mich vorsichtig und springe ab! Kaum zu glauben, das schwierige Manöver gelingt und ich lande butterweich auf dem gegenüberliegenden Ufer. Dort brülle ich die Anspannung heraus, selten zuvor habe ich einen so gefährlichen Sprung absolviert!

                                                  Die gefährliche Schlüsselstelle

                                               
                                   Lange Kataraktstrecke im dichten Busch

Glücklicherweise habe ich damit das Schlimmste überstanden. Bald verliert der Kokatahi deutlich an Wassermenge und ich kann ihn problemlos durchwaten. Einige Male muss ich mich aber auch noch den üblen Busch ein Stück weit durchqueren, doch schließlich erspähe ich die blaufarbene Top Kokatahi Hütte hoch über dem linken Flussufer. Als ich bei der Hütte ankomme ist es zwar erst 15 Uhr, dennoch lasse ich mich hier nieder und genieße von der Veranda die schöne Aussicht in das Kokatahi Tal. Ich kann ja nicht ahnen, dass sich dieses frühe Halt machen morgen rächen wird...


                                                   Blick zur Top Kokatahi Hut

Die Sonne kommt sogar noch kurz heraus, und ich kann einige wärmende Strahlen genießen, während ich mich lesend entspanne.

Als ich um 7 Uhr aufbreche, liegt der Morgendunst noch in der Luft, ansonsten sieht das Wetter nicht schlecht aus.
Doch gegen 9 Uhr fängt es dann zu regnen an, und um im Trockenen abzuwarten, wie sich das Wetter entwickelt, baue ich mein Zelt auf der einzigen halbwegs ebenen Stelle weit und breit, knapp unterhalb des Zit Saddle auf.
Jetzt ist es 17 Uhr und es regnet nicht mehr, sondern schüttet wie aus Badewannen, was hier auf der Westseite der Südalpen, einer der regenreichsten Regionen der Erde, häufig vorkommt. Hier gab es schon Jahre mit knapp 17.000 mm Niederschlag, und selbst im Durchschnitt fallen hier noch satte 12000 mm. Zum Vergleich, in Marburg wo ich lebe, beträgt der jährliche Niederschlag nur etwa 700 mm...

Seit Stunden versuche ich bereits, das ständig ins Zelt eindringende Wasser mit meinem Handtuch aufzunehmen, aber allen Anstrengungen zum Trotz ähnelt meine Wanderbehausung mittlerweile dennoch eher einer Tropfsteinhöhle als einem trockenen Unterschlupf.
Irgendwann hat sich ein regelrechter Bach unter dem Zelt gebildet und langsam aber sicher wird mir klar, dass ich hier nicht länger bleiben kann...
Es kostet mich große Überwindung, das immerhin noch wenigstens halbwegs trockene Zelt zu verlassen, aber mir bleibt keine andere Wahl. Ich könnte versuchen, zur Top Kokatahi Hütte zurück zu gehen. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass der wilde Bach, dem ich für längere Zeit folgen musste, inzwischen unüberquerbar geworden ist.
Mir bleibt also nur die Flucht nach vorn, über den Zit Saddle zum Adventure Ridge Biwak, einer winzigen Nothütte, von der ich mir eine sichere Zuflucht verspreche. Seit Tagen bin ich in dieser abgelegenen Berggegend keinem Menschen mehr begegnet, allerdings hatte ich im Hüttenbuch der Top Kokatahi Hut gelesen, dass der Weg über den Zit Saddle undeutlich und schlecht markiert ist.
Doch was solls, ich vertraue auf meine langjährige Wildniserfahrung und hoffe, dass ich trotz der Regenvorhänge, die den Blick auf die Landschaft fast komplett verhüllen, die Route finden werde.
In Neuseeland sind die Wanderrouten mit orangen Plastikdreiecken markiert. Die bleichen nicht aus, und weisen daher stets recht gut den Weg, selbst wenn, wie häufig, überhaupt kein Pfad zu erkennen ist . So auch heute, und entsprechend erreiche ich den Sattel relativ schnell und ohne größere Probleme.

Die Abstiegsroute verläuft auf einem steilen, mit hohem Tussockgras bewachsenem Grat. Von weitem sehen solche weiten, gelben Grasflächen einfach zu passieren aus, allerdings erreicht dieses auf klumpenförmigen Minihügeln wachsende Gras oft Brusthöhe. In dem dichten Bewuchs sieht man nicht, wohin man tritt und die Bodenoberfläche ist in der Regel keineswegs eben, sondern von Rinnen und Löchern durchzogen. So stolpert man über solchen Flächen mehr, als dass man läuft. Und ist es wie jetzt, obendrein auch noch nass, landet man alle paar Schritte auf dem Hosenboden. Dabei gleite ich einige Male in rasanter Fahrt abwärts, komme aber irgendwann immer wieder zum Halten.
Das Vorwärts kommen ist dementsprechend ziemlich mühsam, und
als ich endlich wieder die Buschzone erreiche, ho
ffe ich das Gröbste überstanden zu haben. Aber jetzt führen mich die orangen Markierungen zu allem Übel in eine steile Felsrinne. Diese ist sicher normalerweise knochentrocken, aber bei dieser Sintflut gleicht sie eher einem Wasserfall, als einem Weg. In den angrenzenden, ultradichten Busch auszuweichen ist auch keine Alternative und so bleibt mir nur der Abstieg in die schäumende Wildbach- Rinne. Klatschnass bis auf die Haut bin ich ja ohnehin schon.
Um mich herum ist nichts als tosendes Wasser und Kübel voller Regen. Eine unwirkliche Erfahrung, die man unter normalen Umständen nie machen würde.
Eine Ewigkeit später gelange ich an eine etwa drei Meter hohe Steilstufe, die ich umklettern muss. Als ich mich lediglich mit der linken Hand an einer Baumwurzel festhalte, gibt der Fels nach, auf dem ich mit einem Fuß stehe, und ich rutsche ab, unfähig mit nur einer Hand mein Gewicht zu halten. Glücklicherweise erweist sich der Rucksack den ich auf meinen Rücken geschnallt habe, jetzt als eine Art „Airbag“, indem er den Aufprall abfängt. Mit adrenalingeschüttelten Beinen erhebe ich mich und stelle fest, dass ich ausser dem Schreck von dem Sturz nichts davon getragen habe! Und an meiner Kleidung befindet sich ja ohnehin kein trockener Pfaden mehr, daher verschlimmert das Bad im Wasser meine Situation auch nicht weiter... Schließlich nähere ich mich dem Ende der Rinne, die in einen laut tosenden Wildbach mündet. Normalerweise ist das sicher ein kleines, plätscherndes Bächlein, aber jetzt kann ich mir kaum vorstellen, dass es möglich sein soll, diese schlammgrauen Wassermassen zu durchwaten. Allerdings sehe ich auch hier keinen Platz, wo ich mein durchnässtes Zelt erneut aufbauen kann.
Mir bleibt also nichts anderes übrig, als es an einer möglichst zahmen Stelle zu versuchen! Vorsichtig setze ich meine Füße ins Wasser, wobei mir meine beiden Wanderstöcke etwas zusätzliche Stabilität verleihen. Schritt für Schritt taste ich mich vorwärts. Die Wasserwucht bringt die Stöcke zum Zittern und ich muss mich mit aller Kraft und voller Konzentration gegen die Strömung stemmen, um nicht weggespült zu werden. In solchen Momenten gibt es keinen anderen Gedanken als den nächsten Schritt. Intensive Anspannung die mich in einen fast meditativen Zustand versetzt, in dem ich voll und ganz im Hier und Jetzt bin.
Es ist kaum zu glauben, aber irgendwann habe ich es tatsächlich geschafft, dieses brüllende Inferno zu durchqueren. Unter normalen Umständen hätte ich nicht im Traum daran gedacht, diesen Bach durchwaten zu können!
Die Biwakhütte kann jetzt nicht mehr weit sein, aber nun sind zu allem Übel auch noch die Markierungen verschwunden!

Es bleibt mir nichts anderes übrig, als mein wasserdicht verpacktes Smartphone hervorzuholen, auf dem ich eine Karte mit dem Verlauf der geplanten Route gespeichert habe. Zwar ist das Handy angeblich wasserdicht, aber bei dieser Sintflut möchte ich mich nicht darauf verlassen...
Dennoch hole ich es hervor, sehe dass die Route ein Stück oberhalb verlaufen muss, gehe in diese Richtung und habe
kurze Zeit später eine Markierung entdeckt, auch wenn es dann doch noch länger dauert als gedacht, bis ich schließlich vor der orangefarbenen Minihütte stehe.
Ich schreie vor Glück in dem Bewusstsein, es gescha
fft zu haben! - Intensive Gefühle, die man wohl nur nach der Bewältigung einer solchen, fast aussichtslosen Situation entwickeln kann!
Das Biwak ist so winzig, dass ich nicht aufrecht stehen kann. Aber es ist trocken und das ist jetzt das Einzige, was zählt! Gleichermaßen glücklich wie gescha
fft hänge ich all meine durchweichten Klamotten notdürftig auf, und hülle mich in den Schlafsack. Der ist zwar ebenfalls nass, aber in Verbindung mit der dünnen Rettungsdecke aus Aluminium, in die ich mich einwickele, wird mir langsam aber sicher angenehm warm.
Erst gegen 22 Uhr lässt der Dauerregen nach und es gehen lediglich noch Schauer nieder. 


                                               Der Beginn eines krassen Tages

Am nächsten Morgen hat es aufgeklart, und ich kann die Aussicht von der winzigen, orangen Biwakschachtel genießen, die mir eine so bitter nötige Zuflucht geboten hatte.

                                            Adventure Ridge Bivy

Der Name "Adventure Ridge" hatte meine Fantasie entzündet, tatsächlich ist der Abstieg den bewaldeten Grat entlang nicht besonders schwierig. Als ich nach einer halben Stunde realisiere, dass ich mein Smartphone in der Hütte vergessen habe, sprinte ich rasch zurück, und finde das wichtige Telefon natürlich wieder.

                                       Abstieg über die Adventure Ridge

Schließlich erreiche ich den Toaroha River, dem ich den Rest des Tages folge. Meist führt ein recht guter Weg am Fluss entlang, an dem es zwar auch immer wieder eine Steilstufe zu überwinden gilt, aber generell ist das Vorankommen wesentlich einfacher als beispielsweise am Kokatahi.

                                                       Toaroha River

Lästig sind die Samen einer Grasart, die sich pfeilspitzenartig in die Haut bohren. Zwar versuche ich diesen Seggen so weit es geht auszuweichen, aber dennoch fange ich mir immer wieder eine Ladung Spitzen ein.

                                               Stachlige Grassamen

Auch der Toaroha kann mit beeindruckenden Katarakten und Wasserfällen aufwarten, bleibt aber stets recht einfach.



                                               Am Toaroha

Später am Nachmittag hat es sich wieder zugezogen und beginnt zu nieseln. Das Tal ist jetzt weit und offen, dennoch ist es nicht einfach durch die dichte Vegetation zu laufen. 

                                                 Das Tal wird offener

Gerade rechtzeitig, als starker Regen einsetzt, erreiche ich die Top Toaroha Hut, in der ich den Ofen anheize, um meine noch immer nassen Sachen zu trocknen...
Zwar ist meine Route auf der Westseite der Südalpen wirklich einsam und abenteuerlich, dennoch gefällt es mir hier nicht besonders. Der Busch ist einfach zu dicht, es ist zu nass und durch die überall wuchernde Vegetation fühle ich mich in meiner Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt...


                                                          Top Toaroha Hut

Am nächsten Morgen regnet es noch, daher breche ich erst um 9:45 auf. Mein linker Fuß kribbelt etwas. Hinterlässt die ständige Nässe ihre Spuren? Egal, er wird schon nicht abfallen...
Zunächst führt der Weg relativ flach durch meist offenes Moorland, aber schon bald geht es im Bett des Bannatyre Creek steil aufwärts.

                                                              sumpfiger Wald

Schließlich wandere ich durch unangenehm hohes Tussockgras zum windgepeitschten Toaroha Sattel auf 1161 m. Von hier öffnet sich der Blick zurück ins Toaroha Tal.                                      

                                                     Blick zurück in Toaroha Tal

Der Abstieg ist recht einfach. Zum ersten Mal seit langem sehe ich einen Kea, der in einem Baum sitzt und jammert wie ein Kind...
Schließlich gelange ich an den Mungo River. Dieser ist deutlich größer als die Flüsse, die ich bisher hier kennen gelernt habe, und wäre sicher ein Ziel für einen guten Wildwasserfahrer. Ich wandere flussabwärts und überquere irgendwann den Mungo auf einer Hängebrücke.
Auf der anderen Seite warten 500 Höhenmeter sehr steiler Aufstieg auf mich...
Wieder einmal rutsche ich aus und lädiere mir das Knie. Unter einer dünnen Laubschicht beginnt hier der Matsch, sehr tückisch!
Der Aufstieg entlang von tiefen Abgründen und überhängenden Felsen ist sehr eindrucksvoll, aber auch schwierig. Immer wieder muss ich mich an Baumwurzeln und Felsen hoch ziehen.
Im Hang wachsen sogar noch einige Steineiben,  die die Possums offenbar noch nicht gefunden haben...












































                                                          Seltene Bäume unterhalb der Bluff Hut

Schließlich erreiche ich die auf 941 Metern gelegene Bluff Hut, wo zu meiner Überraschung bereits ein Paar aus Hokitika an der Westküste mit ihrem Hund sich eingenistet hat. Die ersten Menschen seit fünf Tagen!
Cass und Sheldon haben den Ofen bereits angeheizt und sie meinen, es sei genug Platz in der Hütte, daher richte ich mich ebenfalls in der Bluff Hut ein. Später erfahre ich, dass die Beiden Outdoor Education unterrichten. Ein Fach dass man im Austausch mit Geographie in Neuseeland belegen kann!
Später wird ihr Hund draussen ziemlich unruhig, offenbar sind Possums weitere Bewohner der Hütte...
Um 7 Uhr am nächsten Morgen bin ich wieder unterwegs. Es ist grau und nass, aber zumindest ist das Gelände nicht mehr so steil. Der Fluss, den ich gestern imposant als Wasserfall hinunterstürzen sah, ist der Hokitika River, dem ich später wieder begegnen sollte. 
Ich laufe durch Buschland und hohes Tussockgras, wobei die Regenhose mich noch halbwegs trocken hält.

                                                             Bluff Hut

                                                   Am Oberlauf des Hokitika River

Eine kurze Strecke folge ich einer schmalen, wilden Klamm. Eindrucksvoll!

                                             Enge Schlucht des Hokitika River


Sonne und Nebel kämpfen um die Vorherrschaft, eine Zeitlang könnte man glauben, dass das Wetter bald schön wird...

                                              Mystische Stimmung im Hochland

Am Bach beobachte ich zwei Whio Enten, elegante Schwimmer, die in der rasanten Strömung förmlich in ihrem Element zu sein scheinen.

                                                        Whio- Ente

Zu meiner Freude, darf ich eine Zeit lang über fast ebene Schotterflächen ohne nennenswerte Vegetation laufen. Eine schöne Abwechslung zu Tussock und dichtem Busch!
Schließlich führt mich ein kurzer, aber steiler Anstieg zum Frew Saddle auf 1308 Meter und dem ein Stück unterhalb liegendem Biwak.

                                                    Frew Saddle Bivy

Es regnet jetzt wieder stärker, daher ziehe ich erst mal meine nassen Sachen aus, und kuschele mich in den Schlafsack. Zwar würde ich gerne weiter wandern, genieße aber auch solche entspannten Stunden. Ich lasse meine Gedanken frei schweifen und gebe mir Raum für neue Pläne. Nie habe ich bessere Inspirationen als beim Wandern. 
Nach drei Stunden, gegen 15 Uhr scheint es aufzuklaren, und ich beginne den Abstieg zum Frew Creek, dem ich dann folge.

                                                 Blick ins Tal des Frew Creek

Wie fast immer auf der Westseite der Insel, ist auch der Frew Creek nicht einfach, aber trotz einige Kletterpartien etc. längst nicht so schwer wie Gunn's- oder Newton Creek.
Leider beginnt es irgendwann wieder zu regnen...
Weiter unten flacht das Tal ab, und zum ersten Mal seit langem wandere ich wieder durch richtigen Wald der fast tropisch wirkt, mit exotischen Vogelgesängen wie ich sie zum letzten Mal am Heaphy Track gehört hatte.
Nachdem ich den mächtigen Whitcombe River erreicht habe, sind es nur noch 10 Minuten bis zur Frew Hut, an der Einmündung des Baches, dem ich gefolgt war. 
Es regnet jetzt ziemlich heftig, daher bin ich froh, diese tolle Unterkunft mit 8 Betten, Tischen und Bänken erreicht zu haben. Es gibt hier sogar ein Waschbecken unter der überdachten Veranda. Echter Luxus! Scheinbar ist dies eine der wichtigsten Stützpunkte für die Permolat Gruppe, die die Hütten und Wege hier unterhält.

                                                   Die geräumige Frew Hut

Trotz Regen ist es hier auf 220 Meter ziemlich warm und ein lautes Zikadenkonzert erklingt.
Mir ist inzwischen klar, dass ich viel zu langsam bin, um mit meinem verbliebenem Proviant noch mein nächstes Etappenziel am Mount Cook oder Lake Tekapo zu erreichen, daher beschließe ich, dem Whitcombe River zur Küste zu folgen, um mich in Hokitika neu zu verpflegen. 
Am nächsten Morgen regnet es zunächst noch, aber gegen 9 sieht es so aus, als könne sich das Wetter bessern, und ich breche auf. 
Meist laufe ich über die großen Felsen entlang des Flusses, nur für kurze Abschnitte geht es in den Wald. Dann erblicke ich eine Ehrfurcht gebietende Hängebrücke über dem wilden Whitcombe River. Über eine Leiter muss man die Klippe hochsteigen und befindet sich dann hoch über dem Fluss. Kein Problem, aber ich weiss ja auch noch nicht, dass ich diese Hängebrücke unter ganz anderen Umständen wieder überqueren muss....
Es regnet jetzt wieder, aber da es erst einmal im Wald weiter geht, merke ich zunächst nicht viel davon. Die häufigen Steilstücke sind allerdings bei der Nässe nicht ganz einfach zu bewältigen. Irgendwann regnet es dann nicht mehr, sondern schüttet wie aus Badewannen, unglaublich was für Wassermassen in kürzester Zeit vom Himmel stürzen. 
Gegen 12 Uhr gelange ich an einen kleinen Bach, der normalerweise sicher überhaupt kein Problem darstellt. Jetzt ist das allerdings kein schmales Rinnsal, sondern ein tosender Wasserfall, den ich unmöglich bewältigen kann. Ich weiche kurz in den Busch nach oben aus, in der Hoffnung eine bessere Stelle zu finden, aber das Gelände ist hier überall sehr steil, daher ist das aussichtslos. 
Irgendwann baue ich mein Zelt an einer halbwegs ebenen Stelle auf, in der Hoffnung, dass der Regen wieder nachlässt, und der Pegel des Nebenbaches schnell fällt.
Allerdings kann auch meine Nylonbehausung diesen Wassermassen nicht stand halten, und schon nach kürzester Zeit steht ein See in meinem Zelt. Kurz entschlossen baue ich es wieder ab, und hoffe mich unter höhlenartigen Felsüberhängen, die ich kurz vorher passiert hatte, mich vor dem Unwetter in Sicherheit bringen zu können. Ich finde tatsächlich einen halbwegs trockenen Unterschlupf, allerdings ist es so ungemütlich und kalt in meinen klatschnassen Klamotten, dass ich bald beschließe, den Rückzug zur Frew Hut zu wagen. 
Als ich die Hängebrücke wieder aus den Wasservorhängen auftauchen sehe, glaube ich meinen Augen kaum zu trauen. Der jetzt heftige Wind schaukelt die Konstruktion hin und her! So muss es sich bei einem heftigen Sturm in der Takelage eines Segelschiffes anfühlen!
Ich will unter allen Umständen die Hütte erreichen und traue mich daher auf die schwankende Hängebrücke, wohl 20 Meter über dem schlammgrauen, tosenden Wildwasser. Ich habe ja schon viele reissende Flüsse gesehen, aber selbst der Kali Gandaki in Nepal verblasst gegen diesen ungeheuren Malstrom. Schritt für Schritt taste ich mich vorwärts, während die Brücke heftig zur Seite schwingt. Von Adrenalin geflutet nehme ich gar nicht mehr war, wie durchnässt und kalt ich eigentlich bin. 
Irgendwann habe ich die Brücke bewältigt, aber noch warten weitere Hindernisse auf mich: Der Whitcombe ist rasant gestiegen. Wo ich vorher noch problemlos über die Uferfelsen laufen konnte, steht mittlerweile viel unter Wasser. Über das Steilufer in den Wald auszuweichen ist auch stellenweise unmöglich, so bleiben mir nur einige haarsträubende Klettereinen über die glatten, mächtigen "Boulderfelsen" oft dicht über der Wasseroberfläche. Jetzt abzurutschen ist keine Option!
Natürlich muss ich auch etliche Seitenbäche überqueren, glücklicherweise ist keiner davon so wild, wie der an dem ich umkehren musste. 
Nach dreieinhalb Stunden habe ich es schließlich geschafft und bin zurück an der Frew Hut. 

                                                    Unwetter am Whitcombe

Ich ziehe mich aus und hänge alle meine klitschnassen Sachen auf. Bald lodert ein wärmendes Feuer im Ofen und erzeugt wohlige Wärme. Die Spannung fällt von mir ab, und ich freue mich ein weiteres neuseeländisches Abenteuer gut überstanden zu haben!
Es donnert und draußen toben die Elemente weiterhin. Erst gegen 19:30 scheint sich der Sturm beruhigt zu haben.
Am nächsten Morgen ist der Whitcombe noch grau, aber der Wasserstand ist bereits erheblich gefallen und ich mache mich wieder auf den Weg. 

                                                            Am Tag danach

Zwar ist das Wandern entlang des Whitcombe jetzt erheblich einfacher, aber die Felsen am Fluss sind immer noch ziemlich beeindruckend.

                                             Einer der krassen Uferfelsen


                                                    Whitcombe River

Schließlich sehe ich auch wieder die Hängebrücke, die mir heute jedoch ziemlich harmlos erscheint...


                                                Das war spannend gestern...

Auch die Waldstrecke ist natürlich heute viel einfacher, aber das Kletterseil hängt nicht umsonst da...

                                       Herausforderung  im Regen...

Der Nebenbach an dem ich gestern umkehren musste, ist auch heute noch imposant, aber kein Vergleich mehr zu dem was ich am Tag zuvor gesehen hatte...

                                                 Gestern unüberwindbar, heute o.k

Bald geht es weiter entlang der riesigen glatten Uferfelsen. Keineswegs einfach, aber machbar!

                                                   Kletterei über die Uferfelsen

Rapid Creek ist auch heute noch unfurtbar, glücklicherweise gibt es ein Stück oberhalb eine Hängebrücke. 
Ich passiere die kleine Rapid Creek Hut und gelange dann an eine Seilbahn, die mich auf die andere Seite des Hokitika bringen soll, in den der Whitcombe kurz zuvor eingemündet ist. Das Handling alleine ist etwas schwierig, da ich den Karabiner mit dem der Korb am Seil befestigt ist nicht lösen kann, wenn ich schon im Korb sitze. Aber so löse ich halt den Karabiner, halte den schweren Korb und schwinge mich dann auf meinen Rucksack. Schon beginnt die sausende Fahrt. Das letzte Stück muss ich mich dann mit einem Haken den Draht entlang vorwärts ziehen. Beim Aussteigen ist dann noch einmal ein bisschen Konzentration erforderlich. 

                                                 Seilbahn über den Hokitika

Am anderen Ufer beginnt ein guter Weg. Zum ersten Mal seit langer Zeit kann ich richtig ausschreiten!
Bald gelange ich in Weideland mit Zäunen und Buschwerk. Hier beobachte ich zu meiner Überraschung eine nicht scheue, wunderbar türkis-weiß gefärbte Maori- Fruchttaube.


                                                          Maori- Fruchttaube

Auf einem Parkplatz, der der Ausgangspunkt für die Wanderungen hier ist, stehen zwei Autos. Ab dort beginnen Fahrwege, so dass ich schnell vorwärts komme.

                      Ausgangspunkt der Wanderungen am Whitcombe

Ein echter Kulturschock ereilt mich dann, als ich den Parkplatz an der Hokitika Gorge erreiche, eine Touristensehenswürdigkeit die auch von Bussen angefahren wird. 
Nach 30 Minuten nimmt mich Fabian mit, ein junger Deutscher Abiturient, der mit Work und Travel hauptsächlich Australien bereist.
Hokitika an der Westküste ist ein netter, kleiner Touristenort. Nach etwas Rumfragen empfiehlt man mir die Lakeview Lodge etwas außerhalb, wo man für wenig Geld zelten kann, und einen schönen Blick über das Meer hat.


                                                                Hokitika










































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