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05.12.2013

Durch Wüsten und Canyons des Colorado Plateaus 6

Schon um halb acht holt Mike mich ab, der mir freundlicherweise einen lift bis zum Anfang der Hole-in- the- Rock Road gewährt. Kurz danach nehmen mich zwei Damen, die ich bei den Outfitters getroffen hatte weiter mit. In Escalante findet zur Zeit ein Musikfestival statt und Teil des Programms ist auch die atemberaubende Landschaft um den Ort darzustellen. Um zu malen fahren die beiden Frauen bis Devils Garden wo ich mich dann wieder an die Straße stelle.
Als bald darauf ein Wagen mit einem Ranger des Grand- Staircase Escalante Nationalmonuments auftaucht, habe ich ein etwas unangenehmes Gefühl:
Um im Nationalmonument mehrtägige Wanderungen durchzuführen, benötigt man eigentlich ein Permit. Dieses ist zwar kostenlos, aber da gestern Abend das Besucherzentrum bereits geschlossen war und heute Morgen noch nicht geöffnet, bin ich ohne das benötigte Papier losgezogen…
Der Ranger hält und bietet mir an einzusteigen obwohl das Mitnehmen von Anhaltern ihm eigentlich nicht gestattet ist. Sofort merke ich, dass er locker drauf ist und selber gerne alle möglichen Arten von Outdoorsport betreibt. Er ist erst seit einigen Monaten hier in Escalante und hat vorher in Alaska gearbeitet. Als ich ihm von meinem Packraft erzähle ist er gleich Feuer und Flamme.
Während er am Dry Forks Trailhead Müll aufliest gibt er mir das Formular für das Permit…Das ich versäumt habe mir das Papier in Escalante zu besorgen stellt für ihn kein Problem dar!
Schon wieder habe ich einen äußerst netten, großzügigen Amerikaner getroffen. Die Meinung von vielen Deutschen über die Angehörigen dieses Staates ist ja ziemlich schlecht und stimmt überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen überein.
Kurz nachdem wir die Stelle passiert haben, an der ich gestern die Straße erreichte, biegen wir in eine Piste ein, die in Richtung des Plateaus führt. Der nette Ranger macht diesen Umweg um mir die ersten 5 langweiligen Pistenkilometer zu ersparen!
Als wir Fiftymile Bench erreichen, habe ich so immerhin schon ein gutes Stück des Anstiegs auf das Kaiparowits Plateau hinter mir.
Zunächst verläuft der Weg noch ein Stück weit als auch von Fahrzeugen befahrbare Piste um dann in den Middle Pack Trail, eine wohl ursprünglich hauptsächlich von Cowboys benutze Route zu den Weidegründen des Plateaus überzugehen.

                                                Aufstieg zum Kaiparowits Plateau



Da es inzwischen schon spät am Morgen ist, komme ich bei dem recht steilen Anstieg ziemlich ins Schwitzen. Mit zunehmender Höhe wird die Vegetation dichter und einige rot verfärbte Sträucher und Eichen mit gelben Blättern zeigen mir, dass hier der Herbst langsam seinen Einzug erhält.
Oben auf ca. 2300 Metern angekommen schweift noch einmal mein Blick zurück bis zu den Henry Mountains. Ich weiß nicht warum, aber Kolkraben scheinen diese Stelle zu lieben. Etwa 20 der schwarzen Gesellen kreisen über mir. Sehe ich wirklich schon so tot aus? Laut dem Führer soll ich weiterhin den Wegen der Packpferde folgen. Allerdings erweist sich das bald als aussichtslos. Vage Andeutungen von Pfaden kommen und gehen, das Plateau hier dient als Viehweide und dementsprechend kann man die Spuren der Rinder leicht für den im Führer beschriebenen Weg halten.
Was solls, zwar laufe ich wann immer es sich anbietet auf einem von Rindern gebahnten Pfad, wenn der aber nicht meiner Richtung entspricht marschiere ich halt nach Karte und Kompass querfeldein.
Es gibt jetzt in diesem „zweiten Frühling“ nach den Gewitterregen etliche blühende Blumen. Der grau- grüne Sagebrush erreicht hier manchmal erstaunliche Höhen und ist nicht ganz einfach zu durchqueren.

                                             Hoher Sagebrush

Die im Führer beschriebene Quelle am Oberlauf des Llewelyn Canyon ist trocken, aber von grünem, vom Vieh rasenkurz gehaltenem Gras bestanden. Obwohl ich zahlreiche Hinweise auf das Vorhandensein von Rindern bemerke, sehe ich nicht eine einzige Kuh.
Bis zur Mudhole Spring ist ein Pfad recht gut zu erkennen. Diese liegt in einem malerischen Aspenhain und ist durch einen Zaun vorm Vieh geschützt. Nebenan liegt eine Hütte die offenbar als Stützpunkt zur Überwachung dieses Teils des Grand- Staircase Escalante Nationalmonuments dient.

                                                     Aspenhain an der Mudhole Spring

Da ich damit rechnen muss, für lange Zeit kein Wasser mehr zu finden, „tanke“ ich hier 10 Liter auf.
Bald nach der Quelle gibt es wieder keinen eindeutig verfolgbaren Pfad, daher laufe ich weglos weiter.
Manchmal stoße ich auf regelrechte Meere gelber Blüten. Eine unerwartete Pracht!
Es ist schön durch die aussichtsreichen Weiten des Plateaus zu streifen, wenn auch die Spuren des Viehs mein „Wildnisgefühl“ etwas trüben.

                                            Ausgedehnte Flächen mit gelben Blumen auf dem Plateau

Schließlich gelange ich an einen extrem dicht mit dornigen Sträuchern bewachsenen Seitencanyon der mich zum Oberlauf des Monday Canyons bringt. Dieser ist eng und von steilen grauen Sandsteinwänden eingefasst. Durch die dichte Vegetation hat diese Schlucht wieder einmal einen ganz anderen Charakter als viele andere Canons die ich bisher kennen lernen durfte.
Bevor ich nach 18 Uhr mein Lager aufschlage muss ich noch einen recht hohen Absturz überwinden. Da die Schlucht ziemlich eng ist, dauert es längere Zeit bis ich einen halbwegs ebenen, vor Überschwemmungen geschützten Platz gefunden habe.
Am Morgen ist es so frisch, dass ich mit langer Hose und Wind shirt im Schein der Stirnlampe loslaufe. Obwohl es hier laut Führer keine Wasserstelle gibt, entdecke ich einige tiefe Wasserlöcher in den Felsen. Diese sehen wirklich nicht mehr Vertrauen erweckend aus, daher entkeime ich das Wasser bevor ich wieder meinen 10 Liter Vorrat auffülle.

                               Wenig Vertrauen erweckende Wasserstelle im Monday Canyon

Nach der Beschreibung soll nur der mittlere Teil des Canyons ziemlich schwierig sein, aber ich würde ihn eher durchgehend als übel bezeichnen. Ständig muss ich mich durch Labyrinthe aus chaotischen Felsbrocken schlagen. Meist sind die Abstürze nicht besonders hoch, aber dennoch verlangt ihre Überwindung immer wieder Vorstellungskraft beim Finden einer möglichen Route.
Manchmal stehe ich aber auch vor tieferen Abgründen…

                                                      Wie komme ich nach unten?

Ich komme nur sehr schwer vorwärts und langsam befürchte ich, dass die im Führer veranschlagten 12 Tage für diesen Abschnitt doch nicht so unrealistisch sind…
Da die Schlucht ziemlich steil ist, verliere ich rasch an Höhe und gelange wieder in nur spärlich bewachsene Bereiche.

                                             Der Monday Canyon ist ziemlich steil

Erst gegen Mittag erreiche ich die Einmündung in Rogers Canyon. Ich hoffe inständig, dass das Vorankommen hier einfacher wird. Leider erfüllt sich mein Wunsch nicht…

                                        Interessante Felsskulptur in Rogers Canyon

Besonders unangenehm sind die hier vorkommenden stachligen Pflanzen. Erstaunlicherweise sind in dieser trockenen Gegend auch ganze Abschnitte von Tamarisken bewachsen.

                                         Unangenehm stachlige Vegetation

Es ist heiß, die Stachelpflanzen nerven und ich kann sagen, dass diese Schlucht in meiner Beliebtheitsskala ganz unten steht!
Erst als ich Croton Canyon erreiche wird das Vorankommen wieder einfacher. Die Landschaft wird offener und ich erkenne warum die Unterschutzstellung des Kaiparowits Plateaus so umstritten war: Auf weiter Strecke scheint hier Kohle bis an die Erdoberfläche zu treten und ergibt fantastische Kontraste zu den üblichen ockerfarbenen Bergen.



                                     Tolle Kontraste in der Umgebung von Croton- und Navajo Canyon

Da die Landschaft recht einfach pfadlos zu durchwandern ist, nehme ich eine Abkürzung und erreiche bald den Navajo Canyon. Das von breiten Rissen zerfurchte ausgetrocknete Schlammbett verrät, dass auch in dieser trockenen Landschaft mitunter Wasser fließt.


Die anstrengende Wanderung in Kombination mit der Hitze und zu wenig Wasseraufnahme hinterlässt bei mir ihre Spuren. Ich fühle mich ziemlich fertig und sehne mich danach bald mein Lager aufzuschlagen.
Aber plötzlich verfliegt die Müdigkeit durch einen Adrenalinstoß: Ein aggressives Rasseln verrät eine Klapperschlange, die vor mir zusammengerollt im Bachbett liegt.

                            Die Klapperschlange erzeugt ihr Rasseln mit dem Hinterteil…

Da ich gerne etwa mehr von ihr sehen möchte, werfe ich kleine Steinchen in ihre Nähe und werde belohnt…



                                                        Klapperschlange

Es sieht nicht nach Regen aus, daher möchte ich ohne Zelt übernachten. Allerdings laufe ich noch ein Stückchen weiter, so schön die Schlange auch war, ich möchte vermeiden, dass sie mich im Schlafsack besucht…
Trotz der schwierigen Bedingungen habe ich heute etwa 22 Kilometer zurückgelegt und bin damit hochzufrieden.
Es sieht nicht nach Regen aus, daher möchte ich ohne Zelt übernachten. Allerdings laufe ich noch ein Stückchen weiter, so schön die Schlange auch war, ich möchte vermeiden, dass sie mich im Schlafsack besucht…
Trotz der schwierigen Bedingungen habe ich heute etwa 22 Kilometer zurückgelegt und bin damit hochzufrieden.
Noch in der Dämmerung um kurz vor sieben starte ich im Schein meiner Stirnlampe. Während der Canyon bisher offen war, gelange ich bald an eine steile Passage voller Felsblöcke und kleiner Abstürze. Ich hoffe sehr, dass meine Wanderung schluchtaufwärts sich nicht in dieser Art fortsetzt.
Diesmal habe ich Glück, bald öffnet sich der Canyon und wird zu einem für die hiesigen Verhältnisse recht breiten Tal. Ich muss darauf achten, mit dem Surprise Valley die richtige Ausstiegsroute unter zahlreichen Seitencanyons zu nehmen. Aber mit den abgespeicherten GPS- Koordinaten ist das kein Problem.
Nach kurzer Wanderung in diesem Tal gelange ich auf eine Fahrspur, die mich bald zu einer stärker genutzen Piste auf einer Wasserscheide führt.
Wie war das noch, größte straßenlose Wildnis der USA außerhalb von Alaska?
Glücklicherweise kann ich die Straße bald verlassen und steige auf einer nicht im Führer erwähnten Fahrspur bis in die Nähe des Reese Canyon ab.
Zwar hatte ich im Navajo Canyon wieder etwas an Höhe gewonnen, aber hier im Reese Canyon bin ich wieder in einer extrem kargen, trocken- heißen Wüstenlandschaft gelandet. Zwar mündet die Schlucht in den Last Chance Creek, mein nächstes Ziel, aber nach der Karte sollte eine Abkürzung „querfeldein“ möglich sein.
Von den zehn Litern Wasser die ich gestern Morgen im Monday Canyon aufgefüllt hatte, sind nur noch drei übrig. Daher ist es extrem wichtig für mich, im Last Chance Creek tatsächlich Wasser zu finden. Ist dieser ausgetrocknet, so hoffe ich zwar, dass das dann nicht meine letzte Chance gewesen ist, aber der Weg zurück zum Monday Canyon mit so wenig Wasser würde vor allem angesichts der schwierigen Wegstrecke extrem mühsam werden.
Der vor mir liegende Anstieg ist im steilen, feinen Geröll schwerer als ich dachte, aber schließlich stehe ich auf der Bergkette zwischen den beiden Tälern.
Der Blick von oben bestätigt mir noch einmal eindrucksvoll wie trocken und lebensfeindlich diese Landschaft wirkt.

                                       Extrem trockene, lebensfeindliche Landschaft

Unter mir liegt das Tal des Last Chance Creeks. Auf den ersten Blick erscheint es ebenfalls völlig ausgetrocknet und mein Herz beginnt schon in die Hose zu rutschen.
Doch dann schaue ich genau hin, was ist das Braune dort im trocken erscheinenden Bachbett? Kein Zweifel, es ist
Wasser, Hurra!!!

                                      Last Chance Creek- Gibt es dort Wasser?

Ich bin schon fast unten, als ich oberhalb einer steilen Felsstufe stehe. Jetzt nur keinen Fehler machen, in der Freude zum Wasser zu kommen!
Ich bin geduldig und nehme einen Umweg in Kauf um die Stufe zu umgehen, aber schließlich habe ich es geschafft und stehe am Last Chance Creek.
Welch Wunder, dieser fließt hier sogar plätschernd vor sich hin und es gibt relativ tiefe, klare Gumpen!

                                 Hier kann man sogar baden!

Nachdem ich mich satt getrunken habe, nehme ich erst einmal ein erfrischendes Bad in dem erstaunlich kühlen Bach und wasche anschließend Socken und T- Shirt, natürlich ohne Seife…
Auf meinem weiteren Weg ist der Bach schon nach wenigen Metern wieder versiegt taucht aber immer wieder einmal an die Oberfläche.
Auch hier sind angespülte Stämme Zeugen vergangener Fluten. Auf dem ausgetrockneten Schlamm des Bachbetts komme ich gut voran.
Manchmal scheint es, als ob die Uferbank regelrecht aus Kohle besteht.

                                                               Ein Ufer aus Kohle

Wo Wasser ist, ist auch Leben. So kann ich einen großen Adler und einige Wachteln beobachten. Im Schlamm finde ich häufig Spuren von Koyoten und die Abdrücke von schafähnlichen Hufen.
Irgendwann sehe ich auch deren Urheber: Ein halbwüchsiges Wüsten- Dickhornschaf sieht auf mich herab.

                                           Eines der seltenen Wüstendickhornschafe

Die Dickhornschafe auf Englisch Bighorn Sheep genannt, kommen hauptsächlich in den Bergen der Rocky Mountains bis rauf nach Kanada vor. Hier im Südwesten der USA gibt es eine Unterart die sich ganz auf das Leben in den wasserarmen Einöden spezialisiert hat.
Diese Tiere sind recht selten, daher bleibt dieses auch das Einzige, das ich auf meiner ganzen Hayduke Wanderung zu Gesicht bekomme.
Weiter im Oberlauf fließt der Bach wieder und bildet eine richtige grüne Oase in der auch hohe Pappeln wachsen.
An einer besonders schönen Stelle mit hängenden Quellen im wieder enger gewordenem Canyon, einem murmelndem Bach mit tiefen Gumpen und einladenden ebenen Flächen schlage ich mein Lager auf. Wieder einmal spare ich mir den Aufbau des Zeltes.

Als ich mit dem Rücken an die Felswand gelehnt auf meiner Matte sitze, glaube ich meinen Augen kaum zu trauen: Eine große, haarige Vogelspinne oder Tarantel hält mit großen Schritten auf meine Sitzunterlage zu, offenbar in der Absicht sich darunter zu verstecken!



                                               Tarantula

Das ist mir denn doch ein wenig zu nah und ich bugsiere sie wieder aus ihrem neu gefundenen Unterschlupf.
Nach dem ich sie noch einmal fotografiert habe, erschlage ich sie schließlich mit einem Stein.
Zwar habe ich nichts gegen Spinnen, aber eine ungestörte Nachtruhe ist mir jetzt wichtiger…
Als der halbe Mond etwas Licht spendet lasse ich den Tag mit der Zubereitung meiner üblichen Nudelmahlzeit auf dem Hobo-Kocher ausklingen.

                                          Abendstimmung

Am Morgen stehen einige Schleierwolken am Himmel und es hat sich etwas eingetrübt. Ich folge weiterhin dem jetzt recht breiten, sandigen Tal des Last Chance Creeks. Da ich nicht weiß, ob und wann der Bach wieder an der Oberfläche auftaucht, bin ich wieder mit meinen gewöhnlichen zehn Litern Wasser beladen.
Aber jedesmal wenn ich damit rechne das letzte Wasser gesehen zu haben gelange ich wieder an einen Abschnitt mit manchmal sogar fließendem Bach. Im Prinzip hätte ich mir also heute das Schleppen des Wassers sparen können, aber ich konnte ja nicht sicher sein…
Sowohl Last Chance Creek als auch das Tal des Paradise Canyon dem ich anschließend folge sind sehr schön. Neben ersten Blättern in Herbstfärbung gibt es noch blühende Blumen und Tamarisken.
An einem Wasserloch mache ich eine interessante Beobachtung: Eine große Fledermaus schießt dicht über der Wasseroberfläche immer wieder minutenlang hin und her auf der Jagd nach Insekten Sie stößt kieksende Geräusche aus und beachtet mich überhaupt nicht. Natürlich möchte ich sie fotografieren, was bei ihrer rasanten Geschwindigkeit aber gar nicht so einfach ist. Immerhin gelingt mir ein halbwegs scharfes Bild, allerdings nur von hinten.

                           Die große Fledermaus jagt am hellichten Tag über einem Wasserloch

Plötzlich erscheint ein Sperber und versucht die Fledermaus zu fangen, allerdings ist sie viel zu gewandt für ihn und er streicht erfolglos ab um sich in der Nähe auf einem Felsen nieder zu lassen.
Die Fledermaus setzt dagegen völlig unbeirrt ihre Flüge über dem Wasserloch fort.
Bisher habe ich über Tag immer nur kurz gerastet und erst abends im Lager gekocht.
Heute dagegen entdecke ich einen schönen Platz unter einer schattigen Pappel mit Wasser und Holz in der Nähe der mich zum längeren Verweilen einlädt, was ich zum Kochen einer Mahlzeit nütze.

                                  Ein schöner Platz für eine ausgedehnte Mittagsrast

Über einen Seitencanyon in dem frisch entwurzelte Pappeln von kürzlichen Überschwemmungen künden erreiche ich eine Piste.
Ich bin auf dem westlichen Kaiparowits Plateau angelangt und zurück in der Zone des Pinyon Kiefer- Wacholder Buschlands mit ausgedehnten Sagebrushbeständen.
Eigentlich hasse ich ja das Laufen auf Pisten. Aber da zunächst kein Auto vorbeifährt, fühlt es sich nicht viel anders an als ob ich auf einem deutschen Wanderweg unterwegs wäre. Es ist angenehm mal nicht bei jedem Schritt auf das Gelände achten zu müssen und mit sagenhafter Geschwindigkeit voranzukommen.
Nichts desto trotz als sich die Gelegenheit zu einer Abkürzung durch den Busch ergibt, freue ich mich wieder selbstständig für die nächsten zwei Kilometer meinen Kurs bestimmen zu können.
Wieder einmal täuscht die scheinbar einförmige Landschaft des Plateaus. Zahlreiche Trockenbetten und Felsgruppen sorgen für Abwechslung.
Einmal ergibt sich sogar eine schöne Aussicht bis zum fernen Block des Navajo Mountain und den Bergen des Cockscomb, meinem nächsten Ziel.
Schließlich erreiche ich wieder eine Piste und setze meine Wanderung in den Sonnenuntergang hinein fort.

        
                                                 Ich wandere in den Sonnenuntergang

Als es schon fast dunkel ist, überholen mich in einigem Abstand mehrere Geländewagen. Einer von ihnen hält und wir führen eine kurze Unterhaltung. Es handelt sich um Jäger die auf Maultierhirsche aus waren allerdings keinen Erfolg hatten.
Zwar ist es nett, sich nach etlichen einsamen Tagen mal wieder mit Menschen unterhalten zu können, aber lieber wäre es mir gewesen heute noch einmal die Gegend für mich zu haben.

Ein schöner Sonnenuntergang entfaltet sich und im Schein der Stirnlampe laufe ich weiter in die Nacht.


                                              Sonnenuntergang

Da ich ja heute schon gekocht habe und es nicht nach Regen aussieht, muss ich nicht wählerisch sein, was mein Lager angeht. Daher lege ich mich als ich müde werde einfach ein Stück von der Dirt Road entfernt in den Busch und genieße den Sternenhimmel bevor ich einschlafe.
In der Nacht kühlt es sich stark ab und ich friere erstmals auf dieser Tour ein wenig in meinemSchlafsack. Auch als ich am nächsten Morgen vor Sonnenaufgang wieder unterwegs bin, werde ich nicht wirklich warm und trage sogar meine dünnen Handschuhe!
Nachdem die Sonne aber empor gestiegen ist dauert es keine Stunde und ich wandere wieder unter einem wolkenlosen Himmel in kurzer Hose und T- Shirt.
Da die Piste mich zunehmend langweilt versuche ich so schnell wie möglich voranzukommen. Immer wieder geht es über kleine Hügel die schöne Ausblicke in die umliegende Landschaft gewähren.
Ein kleiner Baum am Wegrand ist bereits komplett goldgefärbt.

                                     Die ersten kalten Nächte haben ihre Spuren hinterlassen

Bald steige ich hinab ins Butler Valley und vor mir erscheint ein bizarres Felsmassiv.

                              Bizarre Felsen erheben sich aus Butler Valley

Als ich näher trete sehe ich die unverkennbaren Zeichen der Zivilisation: Asphalt, einen Parkplatz, ein Toilettenhäuschen und eine Tafel die über die hier zu besichtigende Sehenswürdigkeit aufklärt.

                                                        Grosvenor Arch

Es handelt sich um den Doppelbogen Grosvenor Arch der von der Erosion hoch über meinem Kopf aus dem Fels gemeißelt wurde.
Ein älteres Ehepaar aus Kalifornien ist ebenfalls hier und lädt mich nach kurzer Zeit ein mit ihnen ein Stück weit mitzufahren.
Bald haben wir die Cottonwood Canyon Road, eine unbefestigte Piste erreicht und ich steige nach etwa fünf Kilometern am Trailhead der Wanderung zum Round Valley Draw wieder aus.
Auf diesen Slotcanyon bin ich besonders gespannt, aber zunächst laufe ich durch ein offenes Tal. Hier stehen die Sagebrushsträucher in voller Blüte.

                                 Round Valley Draw beginnt unspektakulär

Dann gelange ich zu einem tiefen, sehr engem Spalt in der Talsohle. Zunächst kann ich mir nicht vorstellen, dass das tatsächlich der Zugang zu dem Canyon ist, aber dann entdecke ich ein befestigtes Seil und mir wird klar, dass ich hier runter muss…

                                       Der Zugang zu Round Valley Draw

Ich prüfe kurz ob das Seil noch stabil ist und befestige dann zunächst meinen Rucksack dran und lasse ihn etwa sieben Meter hinab. Dann bin ich an der Reihe und stoße auch auf kein Problem. Ohne Seil sähe das aber anders aus…
Weiter geht es in der ultraengen Spalte zwischen grauem Gestein. Man darf hier nicht unter Platzangst leiden…
Es kommt mir so vor als ob ich immer tiefer steil abwärts in den Bauch der Erde steige.


                                                   Hinab in den Bauch der Erde

Nur an wenigen Stellen reichen Sonnenstrahlen bis auf den Grund, meist tapse ich im kühlen, dämmrigen Schatten vorwärts. Einige Felsstürze und kleine Kletterstellen sind zu überwinden. Einmal ist dabei der Canyon so eng, dass ich meinen Rucksack abnehmen muss um weiter zu kommen. Um etwas leichter unterwegs zu sein, gieße ich einen großen Teil meines Wassers fort, laut Führer soll es im Hackberry Canyon welches geben…
Ein zwischen den Wänden eingeklemmter Baum zeigt mir unübersehbar, was hier drinnen passiert, wenn es draußen regnet…

                                     Von einer Flut angespülter Baum

Ich gelange an ein weiteres festgemachtes Seil. Diesmal ist mir die Prozedur mit dem Rucksack herunter lassen zu umständlich und ich klettere gleich mit meiner „Schrankwand“ auf dem Rücken hinab. Einmal begegne ich zwei Amerikanern die ebenfalls den Canyon genießen.

                                      Eine weitere Kletterstelle

Nach nur etwa zwei Kilometern verlasse ich leider bereits diesen eindrucksvollen Slotcanyon und gelange zurück in die sonnendurchflutete Landschaft mit ihren orange- weißen Sandsteinwänden.

                                                    Farbige Felsen im oberen Hackberry Canyon

Die schroffe Landschaft hier im oberen Hackberry Canyon gefällt mir sehr gut, leider ist die im Führer erwähnte Quelle ausgetrocknet. Ich musste ja mein Wasser wegschütten…
Ein Stück weiter ändert sich der Charakter des Canyons aber dramatisch. Es gibt Flächen grünen Rieds und überall ist Wasser vorhanden.

                                      Der üppige Hackberry Canyon

Um es ein wenig wärmer zu haben schlage ich mein Zelt auf, aber inzwischen bin ich ja wieder in tieferen Lagen.
Am Morgen ist der Canyon für lange Zeit ziemlich eng, mit glatten, steilen Wänden. Erst ab etwa 11 Uhr dringen die Strahlen der Sonne in die Schlucht. In der dichten Vegetation ist das Vorankommen manchmal gar nicht so einfach.
Als sich der Canyon weitet, laufe ich oft auf der Terrasse oberhalb des grünen Korridors.

                                             Der Canyon weitet sich

Schon einige Male waren mir sehr große, prächtige Schmetterlinge aufgefallen, die aber schnell und scheu sind, so dass ich sie nie genau betrachten, geschweige denn fotografieren konnte.
Hier im Hackberry Canyon habe ich mehr Glück. An einigen Stellen entdecke ich mehrere der Falter an gelben Blüten und kann sie endlich auch mit meiner Kamera aufnehmen.


                              Monarch - Der wohl schönste Schmetterling Nordamerikas

Es handelt sich um Monarch Falter, große Schmetterlinge die einige biologische Besonderheiten aufweisen. So wandert ein Teil ihrer Population aus dem Osten Amerikas über 3600 Kilometer weit in die mexikanische Sierra Nevada um dort zu überwintern. Dies geschieht an einer einzigen Stelle auf nur wenigen Hektar Fläche.
Es muss ein fantastisches Schauspiel sein, dort Millionen dieser herrlichen, großen Schmetterlinge zu sehen.
Aber auch Menschen haben einst im Hackberry Canyon gelebt. So entdecke ich eine verfallene Siedlerhütte. Wie das Leben wohl für diese Pioniere im 19. Jahrhundert war?

                                         Verfallene Siedlerhütte

Bevor der Hackberry Canyon in den Cottonwood Creek einmündet verengt er sich noch einmal stark. Unweit von hier führt die Cottonwood Canyon Road entlang, die ich ja vor Round Valley Draw schon einmal überquert hatte. Mir begegnet ein Paar aus Österreich, das schon einige Male in den Canyons des Südwestens unterwegs war. Wir unterhalten uns ein wenig und ich erfahre den Ausgang der kürzlich statt gefundenen Wahl in Deutschland.
Der Cottonwood Creek bildet hier eine weite, staubige Ebene die mit ihren licht stehenden Pappeln ein wenig an eine Parklandschaft erinnert. Es ist gut möglich die zahleichen Mäander abzukürzen, in dem ich mich an den Bergen des Cockscomb orientiere, die das Tal begrenzen. Der Cockscomb ist Teil einer 240 Kilometer langen Auffaltung ähnlich dem Waterpocket Fold.
Dann erreiche ich den Paria River, der hier in einem kurzen Canyon den Cockscomb durchbricht. Als ich diesen passiert habe stehe ich vor der weiten Flutebene des Paria durch die der Fluss in weiten Bögen mäandert. Die periodischen Überschwemmungen haben ein Mosaik aus stärker vor allem mit Tamarisken bewachsenen Flächen und weitgehend kahlen Sand- und Schotterebenen die von zahlreichen trockenen Nebenläufen durchzogen sind geschaffen.
Manchmal wechsle ich die Seite um Biegungen abzuschneiden. Da der Wasserstand zur Zeit relativ niedrig ist, gelingt mir das immer problemlos von Stein zu Stein balancierend. Insgesamt gesehen komme ich zügig voran.
An den vielfältigen Farbkombinationen der Landschaft kann ich mich gar nicht satt sehen.

                                            Eine farbenreiche Landschaft

Als mir drei Reiter begegnen könnte ich mich komplett in die alten Tage des Wilden Westens versetzt fühlen. Diese Landschaft symbolisiert tatsächlich perfekt wofür der „Wilde Westen“ steht: Weite, Freiheit und Abenteuer, nicht nur in der Zigarettenwerbung…
Tatsächlich stellt sich heraus, dass die drei richtige Cowboys sind, da sie eine Ranch in Arizona betreiben. Hier sind sie aber auch nur zum Spaß unterwegs.

                                  Ein Hauch von "Wildwest"

Mein Nachtlager schlage ich oberhalb des hier klaren, friedlich vor sich hin plätschernden Baches auf.

Am nächsten Morgen folge ich weiterhin dem Lauf des Paria. Die Flutebene ist jetzt nicht mehr so weitläufig und ich habe eher den Eindruck in einem schönen, roten Canyon zu laufen.
Häufig muss ich den Fluss überqueren. Bei einer dieser Gelegenheiten rutsche ich auf einem glatten Stein aus und lande mal wieder teilweise im Matsch. Das kenne ich ja schon vom Escalante…
Obwohl manche Abschnitte von Pferde- und Rinderhufen in Schlamm verwandelt worden sind, sehe ich weder Tier noch Mensch. Abseits des Flusses ist die Gegend sehr sandig. Etliche Seitencanyons laden zum Erkunden ein, aber da meine Vorräte erschöpft sind, gehe ich auf direktem Weg weiter. Aber die wunderschöne Gegend mit ihrer sicheren Wasserquelle wäre wirklich ideal dafür ein Standlager aufzuschlagen von dem aus man Streifzüge unternehmen kann.
Natürlich nütze ich die Gelegenheit auch für ausgiebiges Baden!

                                                 Am Paria

Besonders eindrucksvoll finde ich, als am Nachmittag die roten Sandsteinschichten in ockerfarben- weißes Gestein übergehen.
Schließlich zweige ich vom Paria in Sheepcreek Canyon ab. Zu Anfang befindet sich auch in dieser Schlucht noch Wasser und ich sehe sogar einen kleinen Fisch. Daher mache ich mir auch keine Gedanken darüber meinen Wasservorrat zu ergänzen…
Inzwischen habe ich bereits wieder höhere Lagen erreicht, daher wachsen an geschützten Stellen in den Canyonwänden einzelne starke Gelbkiefern.
Später ist die Schlucht jedoch knochentrocken was sich auch nicht ändert als ich in den engen Willis Creek Canyon abbiege. Aber ich habe Glück, nach einiger Zeit finde ich eine flache Pfütze auf einem Felsen und schlage in der Nähe mein Lager auf.
Fußspuren und Pferdehufe zeigen mir, dass diese Schlucht häufiger besucht wird.
In der Nacht taucht ein silberner Dreiviertelmond Willis Creek in ein fast mystisches Licht.
Als ich mir am nächsten Morgen Wasser für mein Frühstück holen möchte, erlebe ich eine unangenehme Überraschung: Über Nacht ist die kleine Wasserstelle komplett ausgetrocknet! Erst denke ich dass das doch nicht sein kann und ob ich nicht vielleicht an der falschen Stelle bin. Aber es nützt nichts, wo es gestern noch Wasser gab, gibt es jetzt keines mehr. Also beginne ich die Umgebung intensiv abzusuchen. Es dauert zwar ziemlich lange aber irgendwann habe ich Glück und entdecke oberhalb von meinem Lager eine weitere Miniwasserstelle.
Willis Creek hat auch einige Slotcanyonpassagen reicht aber bei weitem nicht an den Eindruck von Round Valley Draw heran.
Schließlich erreiche ich die unbefestigte Piste Skutumpah Road, der ich folge.
Die eigentliche Route des Hayduke Trails streift Bryce Nationalpark nur kurz. Da ich aber mehr von diesem Nationalpark sehen möchte und auch neue Vorräte benötige, habe ich beschlossen per Anhalter nach Tropic, einem Ort in Parknähe zu fahren.
Auf der Skutumpah Road kommen mir zwar drei Fahrzeuge entgegen, aber keines fährt in meine Richtung! Das Laufen auf der Piste ist monoton, aber dafür entschädigen mich die Ausblicke auf die farbigen Klippen von Bryce, die jetzt schon nicht mehr weit entfernt scheinen.
Nach zwei Stunden erreiche ich die Cottonwood Canyon Road, die hier sogar asphaltiert ist.
Es dauert nicht lange und ein Wohnmobil mit zwei älteren Engländerinnen nimmt mich an Bord.
In Cannonville lassen mich die Beiden raus, kommen aber schon bald wieder, weil sie sich ihre Route anders überlegt haben und nehmen mich mit nach Tropic.
Eigentlich hatte ich ja vor hier zu bleiben, aber es ist noch früh, daher möchte ich die Gelegenheit nutzen und noch heute Bryce erreichen.
Auf dem Highway 12 ist der Verkehr zwar nicht gerade dicht, aber es gibt genug Autos die mir einen lift geben könnten. Da es mir zu langweilig ist, an einer Stelle zu stehen, laufe ich etwa eine Stunde die Straße entlang und strecke wenn mich ein Fahrzeug passiert immer wieder den Daumen raus. Zunächst tut sich nichts, aber dann hält ein freundlicher alter Mann in einem Oldtimer.
Wir tuckern gemütlich durch die Gegend und er empfiehlt mir das Bryce Resort als Unterkunft. Da es außerhalb des Parks unmittelbar am Highway liegt, wäre es ziemlich günstig.
Nach dem einchecken dusche ich, wasche meine Wäsche und creme mal wieder meine Stiefel ein, die ein wenig Pflege noch nötiger haben als ich …
Später gehe ich dann zu Rubys Inn. Um dorthin zu gelangen muss ich 20 Minuten lang neben der Straße laufen. Obwohl die Saison schon mehr oder weniger vorbei ist, wimmelt es noch von Touristenautos. Es weht ein eiskalter Wind unter einem strahlend blauen Himmel. Ein ziemlicher Wechsel zu den angenehmen Temperaturen der tieferen Lagen…
Rubys Inn ist eine echte Touristenfalle voller Nippes und Kitsch. Immerhin kann ich dort neue Vorräte erwerben.
Als ich mir ein fürstliches Steak zum Abendessen im Bryce Resort gönne, spreche ich ein junges Paar am Nachbartisch an, da ich bereits mitbekommen habe, dass es sich ebenfalls um Deutsche handelt. Tom und Sylvia sind mit ihrem Mietwagen unterwegs. Es ist schön, sich mit dem sympatischen Pärchen in meiner Muttersprache zu unterhalten.
Wir beschließen am nächsten Morgen gemeinsam in den Nationalpark zu fahren, was mir sehr entgegen kommt, da die Wege in den Park nicht direkt an der Nationalparkgrenze beginnen.

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