22.12.2013
Zaire 1991 - Verirrt im Regenwald
Da heute Sonntag ist, gehe ich am Morgen mit den Schwestern zur Messe. Wir verbringen wieder zwei Stunden in der Kirche, die aber nicht so voll ist, wie beim Besuch des Bischofs. Anschließend essen wir original italienische Spaghetti.
Nachmittags gehe ich zurück zum Dorf am Fluss. Die Efe tanzen, allerdings längst nicht so aufregend, wie beim letzten Mal. Der vermisste Hund ist von selbst zum Dorf zurückgekehrt.
Nachdem ich neue Vorräte gekauft habe, will ich mit Augustin zu den Pygmäen marschieren. Wir kommen aber nicht über den Fluss, da jemand mit der Piroge unterwegs ist. Nach längerer Suche finden wir ein anderes Boot und setzen über. Ich bin erstaunt, dass am anderen Ufer inzwischen ein neues Rundhüttenlager entstanden ist. Die Sonne geht bald unter, daher beschließe ich, heute noch nicht weiterzumarschieren. Offenbar hat es sich unter den Efe herumgesprochen, dass ich die Leute, die mit mir unterwegs sind, wie Augustin und Bambou, gut bezahle. Der Efe Massua, den ich bislang noch nicht kenne, bittet mich mein Führer sein zu dürfen. Augustin empfiehlt ihn mitzunehmen, also willige ich ein.
Die Jäger, mit denen wir zusammen waren, haben mittlerweile das alte, verlassene Lager, das ich schon kenne bezogen. Wahrscheinlich erhoffen sie sich dort mehr Jagdglück.
Bei Sonnenaufgang schlagen wir den Weg dorthin ein. Es ist viel weiter als bis zum ersten Lager. Da ich nicht alle Arbeit auf meine Begleiter abwälzen will, trage ich meinen Rucksack selber. Der Schweiß rinnt mir in Strömen den Rücken hinab und ich bin froh, als wir nach einigen Stunden unser Ziel erreichen. Da alle Efe noch im Wald sind, unternehme ich später einen kurzen Ausflug mit Massua. Ich möchte gerne noch einmal zu einer Stelle mit mineralienhaltiger Erde gelangen, da diese, hier Pott-o-Pott genannten Plätze, alle Tiere, nicht nur die Elefanten magisch anziehen. Offenbar ist der Wald hier sehr wildreich, wir stoßen auf zahlreiche Elefantenfährten. Den Namen des Bewohners einiger großer Erdhöhlen erfahre ich von Massua, indem ich ihm Bilder aus meinem Tierbuch zeige. Es sind Buschschweine. Diese rötlichen Verwandten unserer Wildschweine habe ich bereits in Malawi kennengelernt. Sie sind viel kleiner als die Riesenwaldschweine.
Eine Zeit lang beobachten wir eine Horde von braunen Guerrezzas, relativ große Affen, die durch die Baumkronen turnen.
Auf dem Rückweg begegnen wir den fünf Jägern, die erfolglos zurückkehren. Sie freuen sich, dass wir wieder da sind, denn nach unserer Elefantenbegegnung habe ich jedem die versprochene Belohnung bezahlt. Zu unserem Maniokmahl esse ich heute einige der von Massua gesammelten köstlichen Pilze.
Ich fürchte, dass es den Efe schwerer fällt Beute zu machen, wenn ich sie begleite, daher beschließe ich heute nur mit Augustin und Bambou durch den Wald zu streifen.
Augustin zeigt mir einen Baum, dessen Rinde die Pygmäen als Seife verwenden. Obwohl der Wald sie, wie dieses Beispiel zeigt, mit vielem versorgt, sind sie teilweise doch schon versessen auf Zivilisationsprodukte. Allerdings benötigen sie zum Erwerb industriell hergestellte Seife Bargeld, das für sie nur schwer zu beschaffen ist.
Wir suchen uns eine günstige Stelle, setzen uns hin, und Bambou ahmt Duckerlaute nach. Bald hören wir rascheln im Laub und ich bin gespannt zu sehen, welche Tiere Bambou angelockt hat. Leider ist die Vegetation zu dicht, und der Einzige, der etwas sieht ist der Efe. Er sagt, zwei rote Ducker, vermutlich Schwarzstirnducker, sind in unsere Nähe gekommen.
Mittags sind wir wieder im Lager, wo Massua berichtet, ein Pott-O-Pott gefunden zu haben. Allerdings ist der Schlamm dort völlig ausgetrocknet, daher wird die Stelle zur Zeit nicht vom Wild aufgesucht. Mit Massua probieren wir später noch einmal das Nachahmen von Tieren aus.
Das einzige große Raubtier, dass im Wald lebt, ist der Leopard. Die Efe erzählen, daß er manchmal herankommt, wenn er die Klagelaute eines Duckers hört.
Ich möchte das ausprobieren, daher setzen wir uns auf einem Felsen an, der einen guten Überblick bietet. Wieder höre ich ein sich näherndes Tier, sehe aber nichts.
Auf dem Rückweg beobachten wir einige Diademmeerkatzen, die fast schwarz sind und einen langen Greifschwanz haben.
Früh am Morgen des nächsten Tages ziehen die Efe ab. Sie hatten auch gestern kein Jagdglück, und ihre Vorräte sind erschöpft. Dennoch möchte ich mit Augustin, Massua und Bambou hier bleiben, solange unsere Nahrungsmittel reichen. Die Umgebung dieses Lagers gefällt mir besser, als die des Ersten, und es reizt mich noch immer den Wald zu erkunden. Zunächst mache ich allein einen Spaziergang auf einem anderen Pfad, der am Lager beginnt. Das reizvolle dieser Gegend ist, dass der Wald nicht flach sondern ziemlich hügelig ist. Daher sind die Hänge trocken, und Sümpfe mit dichter Vegetation gibt es nur in den Bachtälern. Auf dem Pfad komme auch ich plumper Europäer ziemlich lautlos voran. Ich beobachte eine Kusimanse, die wenige Schritte von mir entfernt das Laub durchstöbert, Mantelmangaben und einen großen Vogel mit einem langen Schwanz, den ich nicht kenne.
Der Pfad führt vermutlich zu einem anderen Jagdlager. Offenbar wird der aus der Vogelperspektive völlig unbewohnt erscheinende Urwald von einem ganzen Netz solcher Pygmäenpfade erschlossen. Es wäre ein faszinierendes Unternehmen diesen Wegen über weite Strecken zu folgen.
Als ich zurück zum Lager komme, stelle ich fest, dass ein Großteil unserer Nahrungsmittel fehlt. Offenbar haben meine Leute den abziehenden Efe einige Maniokwurzeln überlassen.
Das bedeutet, dass auch wir schon bald den Wald wieder verlassen müssen. Ich gerate in Zorn und schimpfe mit Augustin, weil er zugelassen hat, dass unsere Vorräte verschwinden. Die Efe reagieren empfindlich auf meine laute Stimme und haben offenbar Angst. Obwohl ich mich schnell wieder beruhige, ist die Stimmung getrübt. Hinzu kommt, dass die anderen abgezogen sind und meine drei Leute sich wohl etwas allein gelassen fühlen. Schließlich erklärt Augustin, dass die Efe mehr Geld fordern, wenn sie bleiben sollen. Ich entgegne, dass das überhaupt nicht in Frage kommt. Vor vier Tagen haben sie mich gebeten weiterhin bei mir bleiben zu dürfen und verlangen jetzt eine "Gehaltserhöhung", obwohl sie mich hintergangen haben. Ich bin zwar jetzt schon einige Monate in Afrika und sollte eigentlich mehr Geduld und Verständnis für die Art der Menschen zeigen. Aber ich bin verärgert und sehe die Dinge nur aus dem Blickwinkel eines Europäers. Ich will mich auf kein weiteres Handeln einlassen und sage schließlich, dass die Leute gehen können, wenn sie wollen. Selbst als alle, sogar Augustin, abziehen, rechne ich immer noch damit, dass sie zurückkommen und der Abzug nur eine Art Bluff darstellt. Auch, als sie nach längerer Zeit noch nicht wieder da sind, bin ich nicht beunruhigt. Für mich alleine reichen die Vorräte noch einige Tage. Es macht mir nichts aus allein im Wald zu sein und glaube, dass es kein Problem für mich sein wird auf dem Pygmäenpfad zurück nach Nduye zu gelangen.
Später versuche ich dem Weg, auf dem wir hermarschiert sind, eine Zeit lang zu folgen. Dieses Unternehmen ist schwieriger als ich dachte. Zwar stoße ich manchmal auf einen geknickten Zweig, aber von einem sichtbaren Pfad kann keine Rede sein. Der Umstand, dass ich zunächst durch sumpfigen Wald am Bach unterhalb des Lagerhügels gehe, macht die Sache nicht einfacher. Es ist schon spät, und ich kehre bald um. Ich denke nach wie vor, wenn ich es morgen noch einmal in Ruhe versuche, werde ich den Weg schon finden. Aus meiner Erinnerung weiß ich, dass nur das erste Stück in der dichten Sumpfvegetation schwierig zu verfolgen ist. Bin ich erst einmal wieder in den Hochwald an den Hügelhängen gelangt, wird der Rest ein Kinderspiel sein.
Am nächsten Morgen mache ich zunächst noch einmal einen Spaziergang auf dem Pfad den ich schon gestern gegangen bin. Als ich ins Lager zurückkehre, brate ich mir einige Maniokstücke in rotem Palmöl. Frisch gestärkt will ich versuchen, den Pfad zum Dorf weiterzuverfolgen. Da ich abends wieder an meinem Zelt sein will, nehme ich bloß mein Messer, den Kompass und ein fast leeres Feuerzeug mit. Im Sumpfwald komme ich auch nicht weiter als gestern. Daher beschließe ich ohne Pfad in Richtung Dorf zu gehen. Ich denke, dass ich außerhalb des Sumpfes automatisch auf den Weg stoßen werde. Um zurück zum Zelt zu finden, knicke ich alle paar Meter Zweige, wie ich es bei den Pygmäen gesehen habe. Nach einiger Zeit stoße ich auf abgeknickte Äste, die meiner Meinung nach den richtigen Weg markieren. Aus diesem Grund kennzeichne ich meinen eigenen Kurs ab jetzt nicht mehr. Bald kreuze ich einige Elefantenwechsel. Die Pfade, die sich die Dickhäuter durch die Vegetation gebahnt haben, sind gut begehbar und ähneln sehr stark dem Weg, auf dem ich mit den Efe gekommen bin. Manchmal benutzen die Pygmäen die Elefantenwechsel, wenn sie sich durch den Wald bewegen. An einigen Stellen glaube ich die Umgebung wiederzuerkennen. Schon lange habe ich keine geknickten Zweige mehr gefunden. Als dann der Elefantenpfad, den ich für den richtigen Weg halte, an einem undurchdringlichen Dickicht endet, wird mir bewusst, dass ich hier falsch bin. Zunächst glaube ich, es sei kein Problem genauso, wie ich hierher gelangt bin zurückzugehen. Aber nach einigen Kreuzungen von Elefantenspuren bin ich mir gar nicht mehr so sicher, welche Richtung ich einschlagen muss, um zum Zelt zu gelangen. Manchmal stoße ich wieder auf geknickte Zweige, von denen ich allerdings nicht weiß, ob sie von mir oder den Pygmäen stammen. Diese Knicke entpuppen sich als eine Art Fata Morgana. Ich finde zwei oder drei von ihnen nacheinander, dann keinen mehr. Trotzdem gehe ich verzweifelt weiter, immer in der Hoffnung wieder ein Zeichen zu entdecken. Dabei vernachlässige ich meinen eigenen Weg zu markieren.
Irgendwann weiß ich: Ich habe mich verirrt! Ich sehe keine Chance mehr meinen Weg zurückzuverfolgen, um das Zelt zu finden. Nun probiere ich etwas anderes. Ich weiß, dass Lager befindet sich auf einem Hügel oberhalb eines Baches. Wenn ich dem richtigen Bach folge, kann es mir vielleicht gelingen das Zelt zu finden. Also gehe ich quer durch den Wald hügelabwärts in die Richtung, in der ich das Lager vermute. Ich habe zwar meinen Kompass dabei, habe jedoch bisher kaum auf ihn geschaut, so dass ich jetzt mehr meinem Gefühl als der Magnetnadel folge. Zweimal flüchten rote Ducker vor mir im dichten Unterholz, und ich beobachte einen grün-roten papageienähnlichen Vogel. Schließlich stehe ich am Ufer eines schmalen, schnell fließenden Baches, dem ich abwärts folge. Überall in den Tropen wird es gegen 18 Uhr dunkel. Hier im Wald setzt die Dunkelheit wegen der dichten Belaubung sogar fast noch eine Stunde eher ein. Die Dämmerung, als Übergang zwischen Tag und Nacht, ist sehr kurz. Als ich merke, dass ich heute nicht mehr mein Zelt erreichen werde, befällt mich eine gewisse Panik, da ich weiß, dass es gefährlich und unangenehm sein kann, ohne irgendeinen Schutz im Regenwald zu übernachten. Andererseits geben mir meine Erfahrungen aus dem Okavango Delta, wo ich ja auch unfreiwillig ohne Zelt mitten im Busch geschlafen hatte, bald meine Ruhe zurück. Am allerwichtigsten ist jetzt sich so gut wie möglich auf die Nacht vorzubereiten. Es ist kein Problem mir aus den riesigen Blättern einer Bodenpflanze eine Art Bett aufzuschichten, dass mich vor der Bodenfeuchte schützt. Dann will ich ein Feuer entzünden. Es ist relativ trocken und müsste eigentlich funktionieren, denke ich. Ich häufe trockenes Reisig, Lianen und andere Materialien die ich als Zunder verwenden will, auf. Dann betätige ich mein fast leeres Feuerzeug. Es entstehen auch einige Funken, trotzdem gelingt es mir auch nach einigen weiteren verzweifelten Versuchen nicht das Feuer in Brand zu setzen.
Die Nacht mit all ihren rätselhaften und unheimlichen Geräuschen bricht herein. Ich denke an Insekten, Schlangen und Leoparden. Nicht einmal ein kleines Feuer bietet mir Schutz.
Ich habe Angst!
Dennoch schlafe ich irgendwann ein. Der Lärm eines großen Tieres das ganz in meiner Nähe durch den Wald bricht, weckt mich auf. Wahrscheinlich ist es ein Büffel, da Elefanten noch lauter sind. Das Geräusch entfernt sich, aber jetzt hindert mich die Kühle der Nacht am Einschlafen. Ich trage ja nur ein Hemd. Auch wenn es jetzt vielleicht noch zwanzig Grad warm ist, wird mir durch meine Blätterdecke empfindlich kalt. In einem Zustand zwischen Wachen und Schlafen erwarte ich den Morgen.
Schließlich habe ich die Nacht überstanden. Mir ist mittlerweile klar, dass mein Zelt nicht an dem Bach liegt, dem ich gestern zuletzt gefolgt bin. Ich beschließe eine Hügelkette zu überqueren, um an ein aussichtsreicheres Gewässer zu gelangen. Obwohl ich viel Lärm verursache, sehe ich relativ viele Tiere, unter anderem ein plötzlich vor mir aufstehendes Riesenwaldschwein, das rasch flüchtet.
Es ist sehr anstrengend ohne Weg durch den Urwald zu laufen, aber schließlich stehe ich wieder an einem Bach. Meine Hoffnung das Zelt zu finden steigt sofort. Als ich dann noch auf abgeknickte Zweige stoße, denke ich, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis ich wieder am Zelt bin. Leider verschwinden die Knicke bald wieder. Ich suche verzweifelt, kann aber keine Wegmarkierung mehr entdecken. Trotzdem marschiere ich weiter bachaufwärts. Im Quellgebiet stoße ich auf eine offene Fläche zu der zahlreiche Wildfährten führen. Es handelt sich offenbar um ein Pott-o-Pott mit mineralienhaltigem Schlamm. Gerne würde ich dort in einem Versteck sitzen, um die Urwaldtiere, die hierher ziehen, zu beobachten. Doch in der jetzigen Situation wäre es mir lieber ich würde das Zelt finden.
Mittlerweile bin ich ziemlich hungrig. Dennoch komme ich nicht auf die Idee eine Schildkröte, die ich am Bach sehe zu fangen. Wieder überquere ich eine Hügelkette und erreiche ein anderes Tal. Dort finde ich an einem Bach meine erste Urwaldnahrung, fünf rote Früchte mit stachliger Außenhaut. Ich kenne den Survivaltip, von einer unbekannten Nahrung nur wenig zu essen und dann 24 Stunden zu warten. Manche Pflanzengifte wirken nämlich erst nach dieser langen Zeit. Ich gehe das Risiko ein und esse die Früchte gleich. Sie sind voller Kerne und schmecken zwar nicht besonders gut, sind aber auch nicht unangenehm. So habe ich wenigstens etwas im Bauch, als ich die zweite Nacht unter freiem Himmel antrete. Es gelingt mir wieder nicht ein Feuer anzuzünden. Dennoch bin ich ruhiger als gestern. Ich denke wenn ich die gestrige Nacht überstanden habe, wird es auch heute gut gehen. Mittlerweile bin ich so müde, dass ich die ganze Nacht durchschlafe, obwohl es nicht wärmer als gestern ist.
Am nächsten Morgen denke ich über meine Situation nach. Es ist wohl aussichtslos weiter nach meinem Zelt zu suchen. Vielleicht bin ich bereits den richtigen Bach aufwärts gegangen, habe aber das Zelt nicht entdeckt. Das Lager liegt ja schließlich etwas entfernt von dem Gewässer. Ich will jetzt versuchen direkt zurück nach Nduye zu gelangen. Der Nduye-Fluß ist breit und wasserreich. Ich vermute, dass alle Bäche hier zu seinem Einzugsbereich gehören. Wenn ich nun einem Bach solange folge, bis er in ein größeres Gewässer mündet, müsste ich irgendwann nach Nduye kommen.
Voll neuem Mut breche ich wieder auf. Was ich bei meiner Kalkulation aber nicht berücksichtigt habe, ist, dass die Vegetation am Bach viel dichter als im Hochwald ist und ich nur mit Mühe vorwärts komme. Trotzdem schlage ich mich eine ganze Zeit lang mit dem Dickicht herum. Im Wasser zu marschieren wäre kaum einfacher, da sehr häufig umgestürzte Bäume das Bachbett blockieren. Außerdem fließt der Bach nie gerade sondern in zahllosen Mäandern, die meinen Weg zusätzlich verlängern. Schließlich entferne ich mich von dem Gewässer, um im Hochwald besser voranzukommen. Allerdings schlage ich häufig einen Bogen zum Bach zurück, um sicherzugehen, dass sein Lauf nicht plötzlich die Richtung ändert.
Mitten im Wald stoße ich wieder auf abgeknickte Zweige. Ich kann nicht sagen, ob ich schon einmal an dieser Stelle vorbeigekommen bin. Aber ich will noch einen Versuch starten den Knicken zu folgen. Lange Zeit funktioniert das auch ganz gut, aber schließlich habe ich doch wieder den Weg verloren. Es ist schon spät, und mir ist klar, dass ich nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu "meinem" Bach komme. Ich habe Durst und will unbedingt noch etwas trinken bevor ich das "Nachtlager" aufschlage. Wieder irre ich lange umher, bis ich das Murmeln eines anderen Baches höre.
Bevor ich zum Trinken gehe, baue ich mir mit einigen Ästen, die ich an einen umgestürzten Baum lehne, einen provisorischen Regenschutz. Dann gehe ich zum Bach. Nachdem ich meinen Durst gestillt habe, will ich zu meinem Lagerplatz zurück. Er ist nicht weit entfernt, trotzdem finde ich ihn nicht wieder. Die Dunkelheit bricht herein, und ich verkrieche mich in einem hohlen Urwaldriesen, damit ich Schutz vor einem möglichen Gewitter habe. Das in solchen Bäumen häufig Schlangen hausen, ignoriere ich einfach. Heute versuche ich nicht mal ein Feuer in Gang zu bringen. Ich habe zwar kaum etwas gegessen, trotzdem spüre ich kein schlimmes Hungergefühl. Offenbar hat mein Körper auf "Überleben" geschaltet und ignoriert Dinge wie Hunger und Erschöpfung weitgehend.
Am nächsten Morgen wache ich auf, ohne von giftigen Insekten oder Schlangen belästigt worden zu sein. Allerdings juckt es mich am ganzen Körper. Als ich mich später bei einer Rast vollständig ausziehe, stelle ich fest, dass ich von oben bis unten mit winzig kleinen Zecken oder Milben übersät bin. Nicht einmal die Genitalien haben die kleinen Plagegeister verschont. Es gelingt mir zwar einige abzusammeln, es bleiben aber noch genug über. Sie sind zwar nicht schmerzhaft, aber ziemlich lästig.
Inzwischen habe ich mir eine neue Strategie überlegt, um aus dem Wald herauszukommen. Den Bächen zu folgen erscheint mir zu mühsam. Ich weiß, daß ich irgendwann auf die in Nord-Südrichtung verlaufende Straße Nduye-Mungbere stoße, wenn es mir gelingt immer in westlicher Richtung zu marschieren. Das hört sich einfach an, schließlich habe ich ja meinen Kompass dabei. In der Praxis ist dieses Unternehmen allerdings ziemlich schwierig. Im dichten Urwald gibt es keine markanten Punkte, die man einmal anvisiert und dann lange als Richtungsmarke verwenden kann. Im Wald kann man nur von Baum zu Baum peilen. Man muss fast ständig seinen Kurs überprüfen, will man nicht Gefahr laufen im Kreis zu marschieren. Die vielen Hindernisse, wie umgestürzte Bäume und mit Lianen verfilzte Dickichte erlauben es ohnehin nur selten einen geraden Kurs zu halten.
Um mir einen Überblick zu verschaffen, beschließe ich einen in Westrichtung liegenden Berg zu besteigen. Ich hoffe, dass sein Gipfel, wie der des Mukonja baumlos ist.
Ich habe Glück, der Oberhang des Berges ist mit Felsen übersät und erlaubt einen weiten Rundblick. Nebenbei ergibt sich eine schöne Beobachtungsmöglichkeit auf einen Affentrupp der in den Wipfeln der unter mir liegenden Bäume herumturnt. Es handelt sich um zu der Meerkatzenfamilie gehörende Dunkle Weißnasen. Sie haben lange Schwänze und sind bis auf die weiße Nase schwarz. Trotz meiner verzweifelten Lage habe ich das Interesse an der mich umgebenden Natur noch nicht völlig verloren.
Der Ausblick vom Gipfel ist einerseits erschreckend, andererseits aber auch unheimlich schön. Bergkamm an Bergkamm ragt aus dem unendlichen Wäldermeer. Nirgendwo kann ich auch nur das leiseste Anzeichen einer menschlichen Aktivität erkennen. Ich weiß, dass ich allein in dieser Wildnis bin und auch nur aus eigener Kraft wieder aus ihr herausfinden kann. Wo mein Zelt steht und welche Irrwege ich bis jetzt zurückgelegt habe, bleibt mir auch von hier oben schleierhaft. Mein nächstes Ziel ist ein anderer Berg der westlich von meinem Standpunkt aufragt.
Das Marschieren durch den Wald ist meistens ziemlich unspektakulär. Es begegnen mir weder Elefanten, noch Büffel, Leoparden oder Schlangen. Auch habe ich kaum Probleme mit Insekten. Es sind die normalen Bedingungen des Regenwaldes, die diesen Marsch so anstrengend machen. Hitze, hohe Luftfeuchtigkeit, die ständigen Hindernisse und jetzt zunehmend die Steilheit der Berge. Seitdem ich verirrt bin, habe ich zwar lediglich einige Früchte gegessen, dennoch ist das Hungergefühl schon längst verschwunden. Ich zehre von meinen Reserven, die nach einigen Monaten Afrika aber nicht mehr sehr groß sind.
Schließlich gelange ich auf den nächsten Berg. Das letzte Stück zum Gipfel ist eine Tortur, denn ich muss mich durch dichte Buschvegetation kämpfen. Der Ausblick ähnelt dem zuvor genossenen. Ich hoffe, dass der nächste im Westen aufragende Berg der Mukonja ist.
Nachdem ich die Hänge meines letzten Aussichtspunktes verlassen habe, gelange ich in eine weite Ebene. Irgendwann stoße ich auf einen breiten Bach, der viel wasserreicher ist, als die Bäche, denen ich gestern gefolgt bin. Ich schöpfe neue Hoffnung, dass dies vielleicht der Oberlauf des Nduye-Flusses ist.
Es gelingt mir nicht vor Einbruch der Dunkelheit einen geeigneten Unterschlupf zu bauen. Als in der Nacht plötzlich einige Tropfen auf mein Gesicht fallen und ein Gewitter mit Regen einsetzt, bereue ich das bitter. Ich stelle mich an einen Baum und verwende einige große Blätter meiner "Decke" als Regenschirm. Es ist so dunkel, dass ich nicht mal die Hand vor meinen Augen erkennen kann. Glücklicherweise hört der Regen schon bald wieder auf, sonst würde die Nacht äußerst unangenehm werden.
Auch gestern habe ich nur etwas von einer großen, grünen harten Frucht gegessen. Lediglich der kleine innere Kern war essbar.
Vermutlich werden jetzt langsam die ersten Auswirkungen meiner mangelhaften Ernährung spürbar. Als ich am Morgen aufstehe wird mir schwindelig und der Kreislauf braucht einige Zeit bis er auf Touren kommt.
Den ganzen Tag lang folge ich dem Bach abwärts. Er ist inzwischen schon so breit, dass es eine Zone mit Ufergebüsch gibt, die häufig überschwemmt wird. Meistens laufe ich eine größere Strecke entfernt von dem Gewässer. Manchmal fürchte ich den Bach verloren zu haben, aber schließlich stehe ich wieder an seinen Ufern. Heute schlage ich mein Nachtlager rechtzeitig an einem umgestürzten Baum auf. Ein Feuer zu entzünden habe ich längst als aussichtslos aufgegeben. Trotz der unglücklichen Umstände, fühle ich mich sehr wohl im Wald. Ich sitze an einer schönen Stelle am Bachufer, von der aus ich die Umgebung gut beobachten kann. Vögel kommen zum Trinken ans Wasser und es herrscht eine ruhige Abendstimmung, bevor die Dunkelheit einsetzt.
Am nächsten Tag muss ich mühevoll einige ausgedehnte Sümpfe umgehen. Dennoch stoße ich irgendwann auf die ersten menschlichen Zeichen seit Tagen. Es handelt sich um zwei alte, längst aufgegebene Pygmäenlager mit verfallenen Rundhütten. Ich schöpfe wieder etwas neue Hoffnung. In den letzten Nächten kam es mir manchmal so vor, als hörte ich weit entfernt Trommeln. Schließlich bin ich dann aber doch jedes Mal zu dem Schluss gekommen, dass es sich dabei eher um einen Wunschtraum als um Realität handelt.
Spät am Nachmittag verzweifele ich fast. Schon lange bin ich nicht mehr am Bach gewesen und völlig unsicher, ob ich noch in die richtige Richtung marschiere. Der Wald ist häufig so verfilzt, dass ich kaum vorwärts komme. Trotzdem haste ich weiter. Ich will unbedingt wieder zurück zur relativen Sicherheit des Bachlaufes. Natürlich weiß ich, dass man ruhig und besonnen am besten weiterkommt, trotzdem muss ich mich beherrschen um nicht in Panik zu geraten. Immer, wenn ich irgendwo etwas mehr Licht durch das düstere Blätterdach scheinen sehe, bewege ich mich darauf zu. Ich hoffe stets, dass das offene Ufer wieder in Sicht kommt. Irgendwann bin ich völlig verzweifelt und brülle durch den Urwald
"Ich will hier nicht verrecken!"
In dieser Situation stoße ich plötzlich auf einen gut sichtbaren Pfad, dem ich ohne Mühe folgen kann. Er führt zurück zum Bach und endet an einem Pygmäencamp. Die Blätter, mit denen die Hütten gedeckt sind, machen einen frischen Eindruck. Es riecht nach Rauch und unter der Asche eines Feuers ist noch warme Glut, die ich mit viel Pusten wieder anfachen kann. Wahrscheinlich ist es noch keine vierundzwanzig Stunden her, dass Menschen hier gelagert haben! Ich bin unendlich erleichtert und glaube jetzt wieder ganz fest an meine Rettung.
Mittlerweile sind Hemd und Hose zerrissen, und ich fühle mich plötzlich ziemlich schmutzig. Bilharziose hin und her, jetzt nehme ich erst mal ein Vollbad in dem hier schon zehn Meter breiten Fluss. Dabei entdecke ich eine Fischfalle der Pygmäen. Ein Holzgestell mit einem Blättervorhang als Netz läuft spitz auf eine Öffnung zu. Vermutlich werden die Fische in diesem Nadelöhr gefangen.
Für mich ist es ein ungeheurer Komfort an einem Feuer zu sitzen und eine Hütte als sicheren Regenschutz zu haben. Ich starre in die zuckenden Flammen und denke an die Zukunft. Im Geist schmiede ich Pläne.
In der Hoffnung, das Gröbste überstanden zu haben, schlafe ich schließlich ein. Während mich in den letzten Tagen die Nachtkühle häufig aufweckte, schlafe ich heute im Schutz von Feuer und Hütte ohne Unterbrechung. Leider gibt es hier nichts zu essen. Jetzt wo die Spannung in mir etwas abgefallen ist, spüre ich den bohrenden Hunger.
Am nächsten Morgen entdecke ich einen Pfad, der vom Lager aus flussabwärts führt. Ich will den Weg auf keinen Fall wieder verlieren und gehe daher als der Pfad sich vom Bach entfernt und stellenweise nicht mehr sehr gut sichtbar ist, langsam und mit voller Aufmerksamkeit weiter. Ich bin mittlerweile doch schon deutlich geschwächt und lege häufige Pausen ein. Zweimal passiere ich kleine, verfallene Lager der Efe. Nach einigen Stunden lichtet sich der Wald, und ich stoße auf eine größere Rodung. Kein Mensch ist zu sehen, daher gehe ich auf dem zurück in den Wald führenden, nun deutlich sichtbaren Weg weiter. Bald stoße ich auf ein weiteres Lager der Pygmäen. Dort sehe ich die ersten Menschen nach einer Woche allein im Regenwald! Die Efe haben mich noch nicht bemerkt und ich weiß, dass ich jetzt sehr behutsam vorgehen muss, wenn ich nicht riskieren will, dass sie aus lauter Angst vor dem überraschend auftauchenden Weißen flüchten. Als ich bis auf wenige Meter herangekommen bin, spreche ich die Menschen leise an und sage auf Französisch, dass sie keine Angst zu haben brauchen. Niemand im Lager versteht mich, aber der ruhige Ton bewirkt tatsächlich, dass sie nicht weglaufen. Es ist natürlich schwer ihnen meine Situation zu erklären, aber sie verstehen aufgrund meiner Zeichen, dass ich Hunger habe und geben mir etwas Reis. Den Efe scheint es aber auch nicht gut zu gehen, denn die Kinder haben aufgeschwemmte Hungerbäuche und auch die Erwachsenen wirken krank und apathisch. Nachdem ich gegessen habe, führt mich ein Efe zurück zu der Rodung, an deren anderen Ende sich einige Lesehütten befinden. Einer der Schwarzen spricht Französisch. Er hat bereits davon gehört, dass ein Weißer im Wald verschwunden ist. Noch einmal werden mir Reis und Pilze vorgesetzt, so dass ich mich wirklich satt essen kann.
Die Siedlung ist nicht weit von der Straße Nduye-Mungbere entfernt, die ich ja mit dem Kompass angepeilt habe. Nduye liegt etwa sechs Kilometer südlich von hier.
Menschen, die mir auf der Straße entgegenkommen, erzählen, dass eine große Suchaktion nach mir gestartet wurde. Schließlich erreiche ich den Ort und gehe erst einmal zur Mission.
Die Schwestern freuen sich, dass ich lebend zurückgekehrt bin, dann erzählen sie mir bei einer Pizza, was sich hier inzwischen ereignet hat: Nachdem Augustin ohne mich zurückgekehrt war, machten ihm die Dörfler bittere Vorwürfe, dass er mich im Stich gelassen hat. Daraufhin ist er am übernächsten Tag mit den Efe zu meinem Zelt zurückgegangen. Nachdem er eine Nacht auf mich gewartet hatte, überbrachte er dem Dorfchef in Nduye die Nachricht, dass ich verschwunden bin. Daraufhin ließ der Chef Augustin einsperren, unter dem Verdacht, dass er mich ermordet hat. Gleichzeitig löste er eine große Suchaktion aus. Sämtliche Efe und auch einige Lese wurden zwangsverpflichtet mich zu suchen. Die Mannschaften liefen ständig trommelnd durch den Wald. Sie hofften, dass ich auf den Trommelklang zu marschieren würde. Ein Trupp glaubte sogar Spuren von mir gefunden zu haben. Dennoch wurde nach einigen Tagen die Suche ergebnislos abgebrochen.
Eine der Schwestern reagiert etwas pikiert, als ich sie frage, wie ich die restlichen Zecken loswerden kann. Ich wasche mich erst einmal gründlich, wobei ich noch einige meiner kleinen Peiniger absammeln kann. Die letzten bin ich dann aber erst einige Tage später los. Anschließend gehe ich zum Dorfchef. Er ist freundlich und sichtlich froh, dass ich wieder da bin. Allerdings sagt er mir auch, dass die Bevölkerung wegen der Suche ziemlich aufgebracht ist und er eine Entschädigung erwartet.
Morgen will er die Sache mit Augustin und mir klären. Solange bleibt mein ehemaliger Führer eingesperrt. Auch mir wird verboten in der Mission zu übernachten. Ich soll in einem Verwaltungsgebäude schlafen, angeblich um mich vor der Bevölkerung zu schützen. In Wahrheit hat der Chef wohl erkannt, dass er für sich Kapital aus der Sache schlagen kann. Er will nicht riskieren, dass ich ihm so einfach entwische. Nachdem ich bei ihm gegessen habe, führt mich einer seiner Leute zu einem sonst unbewohnten Steinhaus und zeigt mir die Pritsche, auf der ich schlafen soll. Als ich später auf Toilette gehen will, merke ich, dass das Haus verschlossen wurde.
Nach dem Frühstück findet das Verhör beim Chef statt. Die Leute behandeln mich mit einigem Respekt. Es geht offenbar das Gerücht um, ich sei ein Elitesoldat. Den Menschen kommt es wohl ziemlich merkwürdig vor, dass ich nach einer Woche so unbeschadet wieder aus dem Wald gekommen bin. Außerdem habe ich gestern dem Chef erzählt, dass ich bei der Bundeswehr war. Als ich in den Raum gehen will, wo die Befragung stattfindet, bemerkt einer, dass ich etwas in der Hosentasche habe. Ich gebe an, dass sich mein Messer in der Tasche befindet und ich es immer bei mir trage. Den Schwarzen scheint das nicht geheuer zu sein und ich muss das Messer abgeben, bevor ich in den Raum gehe. Augustin, der ziemlich verzweifelt aussieht und ich werden erst einzeln, dann zusammen befragt.
Der Chef hält Augustin für schuldig mich im Stich gelassen zu haben. Das reicht ihm aber nicht. Er sei zuständig für alle Menschen in seinem Einflussbereich. Wenn ich nicht wieder aufgetaucht wäre, würde er dafür verantwortlich gemacht und müsste ins Gefängnis. Für mich ist klar, dass er mit dieser Argumentation etwas für sich persönlich herausholen will. Eine Belohnung für die an der Suchaktion Beteiligten habe ich bereits angeboten. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass er in der Sache nicht entscheiden kann und eine Verhandlung in einer großen Stadt, wie Kisangani, angesetzt werden muss.
Wahrscheinlich blufft er, ich habe aber keine Lust hier längere Zeit wegen der Sache festzusitzen. Außerdem hat er wohl nicht ganz Unrecht, wenn er behauptet, dass mein Verschwinden negative Konsequenzen für ihn gehabt hätte. Ich bitte den Chef um ein Gespräch unter vier Augen. Dabei biete ich ihm 50 Dollar als Entschädigung an. Er geht gleich auf meinen Vorschlag ein. Allerdings will er Bargeld und keinen Reisescheck. Als ich ihm sage, dass ich kaum noch Bares besitze, akzeptiert er einen 20 Dollar-Scheck für die Helfer der Suchaktion. Er selber will allerdings unbedingt Bargeld.
Nachdem die anderen Leute wieder im Raum sind, verkündet er das Urteil: Augustin muss zwei Monate ins Gefängnis oder eine Geldstrafe bezahlen, die er bestimmt nicht aufbringen kann.
Um meine Sachen aus dem Wald zu holen, gibt der Chef mir Augustin, einen anderen Schwarzen und einen Efe mit. Als wir Augustins Dorf erreichen, werde ich von zahlreichen Efe- und Lesefrauen heftig beschimpft. Erst als ich verkünde, dass ich dem Chef Geld gebe, als Entschädigung für ihre Mühen, legt sich der Tumult etwas. Augustin, der die ganze Zeit ziemlich verzweifelt ist, verspreche ich Geld zu geben, damit er seine Strafe bezahlen kann und nicht ins Gefängnis muss. Einen Teil der Strafe soll er aber von dem bei mir verdienten Lohn selber bezahlen. Schließlich war sein Verhalten nicht in Ordnung.
Wir übernachten in dem Lager, wo ich die erste Woche mit den Efe zusammen war.
Als wir am nächsten Tag mein Zelt erreichen, erkenne ich gleich meinen Fehler. Ich war von Anfang an in die falsche Richtung gegangen. Ich hatte mir bei unserer Ankunft einfach nicht gemerkt, von wo wir gekommen waren. Selbst nach meinem ersten Versuch den Rückweg zu finden, waren mir keine Zweifel gekommen, ob der eingeschlagene Pfad stimmt.
Mein Zelt ist nach dieser einen Woche an den Seiten bereits von Schimmel bedeckt. Termiten haben Löcher in den Kunststoffboden gefressen!
Ich habe fürs erste genug vom Wald und will noch heute zurück nach Nduye. Doch zuvor kochen wir. Der Pygmäe hat unterwegs eine Schildkröte gefangen. Diese wird nun geschlachtet, und mit Bananen und Maniok verspeist. Ihr Fleisch schmeckt gar nicht schlecht.
Auf dem Rückweg hören wir eine Schimpansenhorde. Ich würde die Menschenaffen sehr gerne sehen. Aber als wir in die Richtung der Geräusche laufen, können wir sie nicht entdecken.
Es ist schon spät, als wir in das kleine Dorf am Fluss kommen. Ich bin müde und beschließe bei Augustin zu übernachten. In einer Tüte sind noch einige Salzkrümel. Ich schütte sie aus und bin erstaunt, dass sich einige Efe sofort auf den kümmerlichen Rest stürzen. Salz ist hier eine seltene Delikatesse. Um die Bewohner etwas für die während der Suchaktion erlittenen Strapazen zu entschädigen, bezahle ich einige Flaschen Bananenschnaps, die von irgendwo besorgt werden. Das Zeug schmeckt ganz gut, ist aber ziemlich stark, daher halte ich mich mit dem Trinken ziemlich zurück. Schon bald ist aller Ärger über mich verraucht, und auch Augustin ist wieder gut gelaunt, weil er weiß, dass er nicht ins Gefängnis muss. Ich schlafe auf einer Pritsche in seiner Hütte.
Nachdem seine Frau am nächsten Morgen meine im Urwald zerrissenen Sachen geflickt hat, gehen wir nach Nduye. Der Abschied von den Schwestern ist teils kühl, teils herzlich.
Wie verabredet, bezahle ich die Entschädigungen beim Chef. Während ich bei ihm bin, kommt ein aufgebrachter Schwarzer. Der Chef übersetzt, dass der Vater des Mannes an der Suchaktion beteiligt war und nun schwer krank ist. Der Mann gibt mir die Schuld. Ich weiß, dass die Menschen hier an keinen natürlichen Tod glauben. Die Schwestern haben mir einiges über die Vorstellungswelt der Lese erzählt. Unter der dünnen Oberfläche des Christentums liegen bei vielen noch starke Wurzeln des ursprünglichen afrikanischen Glaubens. Wenn jemand stirbt, ist Hexerei im Spiel, so wird oft vermutet. Fast immer hat jemand anders Schuld. Ich weiß, dass es mir übel ergehen kann, wenn der Mann stirbt, auch wenn sein Tod überhaupt nichts mit der Suche nach mir zu tun hat.
So bin ich froh, dass ich nachdem der Chef sein Geld hat, rasch verschwinden kann.
Die Forschungsstation der Amerikaner, Ngudi -Ngudi ist mein Ziel.
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