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16.12.2013

Mit Packraft und Wanderstiefeln durch die Wildnis des Yukon Territory 2


Mir wird klar, dass es keinen Sinn hat unter diesen Bedingungen weiter zu laufen. Jetzt ist es entscheidend einen halbwegs geschützten Lagerplatz zu finden, daher steige ich vom Plateau ab um in ein Tal zu gelangen.

Ein gemütlicher Lagerplatz ist zwar etwas anderes, aber zumindest ist er halbwegs Wind geschützt, der Nebel ist weniger dicht, und das Schneetreiben lässt bald nach.
Hier in der Tundra wachsen am Bach nur noch einige kümmerliche Weiden, mit denen ich bei der Nässe meinen Holzkocher nicht entzünden kann. Allerdings sehe ich in einiger Entfernung eine kleine Fichtengruppe an einem Hang. Ich laufe dorthin und kann an den zwergwüchsigen Stämmchen tatsächlich etwas trockenes Reisig brechen.
Mit Hilfe von Esbit bekomme ich den Kocher zum Laufen, allerdings ist das Holz so nass, dass er irgendwann wieder erlischt. Was solls, man kann durchaus auch halbgare Spaghetti mit Tomatensauce essen!
Zwar habe ich heute mit 13 Kilometern eine größere Strecke als an den vorhergehenden Tagen zurückgelegt, aber ich wünsche mir noch einige schöne Wandertage. Der Kampf mit den Elementen hat auch seinen Reiz, ich würde allerdings lieber in Ruhe die Landschaft genießen und vielleicht endlich auch mal häufiger Wild beobachten.
Morgens ist das Zelt von einer dicken Eisschicht überzogen. Es herrscht nach wie vor dichter Nebel. Ich überlege ob es bei so schlechter Sicht überhaupt einen Sinn hat loszugehen. Nachdem ich etwa eine Stunde abgewartet habe, ob sich der Nebel vielleicht zeitig verzieht, baue ich mein Lager ab, obwohl die Verhältnisse sich nicht gebessert haben.
Ich kann es mir einfach nicht erlauben, so lange zu warten bis der Nebel verschwunden ist. Ich muss Strecke machen, um rechtzeitig zurück an der Straße zu sein. Zumindest ist es nicht mehr so windig und die Landschaft ist nur von einer dünnen Schneedecke überzogen.
Nachdem ich problemlos zurück auf den Kamm gelangt bin, stochere ich wie ein Blinder in der Nebelsuppe herum. Zunächst komme ich auch voran, wie mein GPS verrät, aber dann gelange ich wie gestern an einen Abhang zu einem tiefen Tal.
Abzusteigen wäre klar ein Fehler, aber in welcher Richtung verläuft die Kammlinie weiter? Die Karte ist bei diesen Sichtverhältnissen völlig nutzlos und das GPS verrät mir auch lediglich die Richtung zu meinem nächsten Wegpunkt, da ich keine komplette Route aus vielen Punkten in dem Satellitenempfänger erstellt habe. Dazu müsste ich das Gerät ständig angeschaltet lassen, was viel zu viele Batterien verbrauchen würde.
Abgesehen davon bin ich bis jetzt auch mit relativ bescheidenem GPS-Einsatz gut zu recht gekommen. Aber in diesem Nebel stellt sich die Orientierung viel schwieriger als gedacht dar. Ich irre herum und ändere immer wieder einmal meinen Kurs, unsicher wie ich denn jetzt am Besten weiterkomme. Dabei bewege ich mich mehr oder weniger auf der Stelle.
Aber ich habe Glück, während die Nebelwand für einen kurzen Augenblick aufreißt, kann ich ausmachen, wie ich laufen muss um das Tal zu umgehen. Das Gras ist nach wie vor gefroren und sieht aus wie mit geschmolzenem Glas überzogen.


                                                  Der gefrorene Nebel schafft glasartige Gebilde

Manchmal laufe ich über vereiste Blockfelder. Dort passiert es, ich rutsche aus, und das Gewicht meines schweren Rucksacks lässt mich fast mit dem Gesicht aufschlagen. Glücklicherweise kann ich mich gerade noch abfangen, so dass ich keine Blessuren von dem Sturz davon trage. Wieder einmal wird mir bewusst, welche Risiken damit verbunden sind alleine durch diese riesige, menschenleere Wildnis zu laufen.
Erst gegen Mittag zeigen sich die ersten Flecken blauen Himmels verschwommen durch den Nebel. Dann dauert es aber nicht mehr lange und der graue Schleier verschwindet vollkommen.

                                                              Der Nebel reisst auf

Bald kann ich wieder herrliche Blicke auf die weite Bergtundra genießen.


Erst jetzt realisiere ich, dass ich mich doch ein ganzes Stück weit vom Hauptkamm entfernt habe.

                                                        Blick zurück auf den schneebedeckten Hauptkamm

Herrlich wie das schmelzende Eis an den farbigen Blättern der niedrigen Pflanzen funkelt!
Um mich neu zu orientieren, erklimme ich einen Hügel. Die Sonne spendet genügend Wärme, so dass ich meine Schokoladenpause genießen kann. Mit GPS und Karte bestimme ich meinen Standort. Inzwischen bin ich auf die Ostseite der Richardson Mountains gelangt. Vor mir liegt der Oberlauf des Caribou Creek.
Weit entfernt, nehme ich etwas wahr, was nicht in diese Wildnis zu gehören scheint. Tatsächlich, es scheint, als stünden auf einem Hügel oberhalb des Caribou Creek eine ganze Reihe von Baracken. Eine Mine? Ein Prospektorencamp? Ich weiß es nicht und die Bauten sind auch viel zu weit entfernt um sie mir genauer anzuschauen. Ein Adler streicht über meinen Kopf hinweg. Endlich Sonne und blauer Himmel!
Ich beschließe meine Route zu ändern und nicht gleich zum Hauptkamm zurück zu marschieren. Statt dessen will ich in einem Hochtal auf der Ostseite des Gebirges weiter Richtung Norden laufen.
Ich komme recht gut voran, auch wenn ich immer wieder einmündende Seitentäler mit teilweise sumpfigem Untergrund durchqueren muss. Zum ersten Mal seit langem kann ich ohne meine wasserdichte Paddelkleidung laufen. Die Landschaft ist herrlich, am liebsten würde ich ein Foto nach dem anderen machen.

                                                         Ich folge dem Hochtal nach Norden

Gegen Abend erreiche ich die Wasserscheide zwischen Caribou und Trail River. Von hier aus wäre ich in 1,5 Kilometern wieder auf dem Hauptkamm. Allerdings erscheint mir das Wetter zu unsicher, denn inzwischen hat es sich wieder bedeckt und Schnee liegt in der Luft. Ich beschließe auf der Ostseite der Berge zu bleiben und dem Trail River weiter nach Norden zu folgen.
Gegen 19 Uhr schlage ich mein Zelt auf einer Grasfläche zwischen den Weidenbüschen des Baches auf.

                                                      Lager am Oberlauf des Trail River

Als ich mit dem Zeltaufbau fertig bin, blicke ich talabwärts und erspähe einen Elchbullen, der noch weit entfernt talaufwärts auf mich zu zieht. Blitzschnell schnappe ich mir meine Kamera, setze das 70-300 mm Teleobjektiv auf, und schleiche im Schutz der Weiden den Elch an. Auf diese Weise gelange ich schon recht dicht an ihn heran.


                                                             Ein mächtiger Elchbulle zieht talaufwärts

Der Bulle hat mich schon längst bemerkt, und starrt einige Male in meine Richtung, zieht dann aber unbeeindruckt weiter, wobei er leise Geräusche ausstößt. Offenbar hat die Brunftzeit in dieser Gegend bereits begonnen, und der Bulle ist auf der Suche nach Weibchen.
Obwohl ich nach so langer Zeit ohne richtiges Waschen bestimmt rieche wie ein Tier, bin ich zuversichtlich, dass der Schaufler mich nicht mit einer hübschen Elchin verwechselt! Ich nutze eine Anhöhe aus, in deren Sichtschutz ich mich dem Bullen noch weiter nähern kann.


Schließlich stehen wir uns Auge in Auge mit nur etwa 30 Meter Entfernung gegenüber.
Ein beeindruckendes Erlebnis! Ich löse ununterbrochen meine Kamera aus, aber der Elch reagiert nicht darauf. Er ist nicht ängstlich oder aggressiv. Eigentlich wirkt er auf mich eher neugierig. Ich nehme an, er hat hier, so weit in der Wildnis noch nie so einen komischen Zweibeiner gesehen.


Schließlich denke ich, dass 30 Meter nah genug sind und ziehe mich zurück zu meinem Zelt. Dort bin ich dann mehr als überrascht, als der Bulle mir folgt und mich aus etwa 40 Meter Entfernung lange Zeit anstarrt.
Vertauschte Rollen! Wer interessiert sich hier eigentlich stärker für den Anderen? Ich habe gelesen, dass es in Alaska mehr Unfälle mit aggressiven Elchen als mit Bären gibt.
Dennoch habe ich kein ängstliches Gefühl, aber es ist schon merkwürdig, dass so ein mächtiges, tonnenschweres Tier einem ins Lager folgt und aus nächster Nähe minutenlang anschaut. Nun, schließlich ist seine Neugierde wohl gestillt, oder er hat erkannt, dass ich wirklich keine Elchkuh bin, jedenfalls zieht er weiter.
Ein tolles Erlebnis, dass mich für die bisher eher mageren Beobachtungen hier im Yukon entschädigt.
Es gibt an meinem Lagerplatz schon wieder erste, mickrige Fichten, so dass es kein Problem ist, auf meinem Hobo zu kochen. Etwas Wärme im Bauch tut mir gut, denn inzwischen geht wieder Schneegrieseln nieder und es ist grau und ungemütlich. Auch heute habe ich 13 Kilometer zurückgelegt.
Die Tour verlangt ersten Tribut am Material. Beim Ausziehen meiner Paddelhose reißt die Neoprenmanschette am Knöchel. Ohnehin ist es jedes Mal eine Qual mich durch die engen Neoprenbunde zu quälen. Aber die sind nun einmal notwendig um Hose und Jacke wasserdicht zu machen.
Auch mein Körper zeigt Verschleißerscheinungen. Nachts im Zelt läuft ein unangenehmes Kribbeln durch meine Hände. Weiß der Teufel was das ist!
In der Nacht friert es wieder und morgens sind das Zelt und die Landschaft von einer dünnen Schneeschicht bedeckt.

                                                                 Die Nacht hat Frost und Schnee gebracht

Allerdings sieht es am Himmel schon nach besserem Wetter aus. Kurz nach meinem Aufbruch blicke ich noch einmal zu meinem Lagerplatz zurück. Es ist kaum zu glauben, dort wo vor 5 Minuten noch mein Zelt stand, steht jetzt der Elchbulle von gestern und blickt in meine Richtung! Offenbar ist seine Neugier über diese merkwürdige Erscheinung in seiner heimatlichen Tundra immer noch nicht gestillt.
Das Ganze kommt mir sehr merkwürdig vor. Beim weiter Gehen schaue ich mich immer wieder um, da ich es jetzt nicht mehr für ausgeschlossen halte, dass mir der Elch folgt. Es ist ein komisches Gefühl, sich als Mensch von einem Wildtier observiert zu fühlen!
Allerdings ist der Bulle nicht der einzige Elch hier: Ein Stück weiter beobachte ich in einem Seitental einen anderen Bullen mit einer Kuh. Obwohl der Elch weniger stark erscheint, hat er offenbar wenigstens schon mal ein Weibchen für sich gewonnen!
Zunächst komme ich gut im wenig bewachsenen Tal voran, aber bald wird der Weiden- und Zwergbirkenbewuchs wieder dichter und die Schwarzfichten wachsen häufiger in kleinen Gruppen in dem geschützten Tal.
Es ist erstaunlich, wie schnell ein Paar Meter Höhendifferenz sich hier auf die Vegetation auswirken. Mit meiner Annahme, dass der Himmel rasch aufklart, wird es vorerst nichts. Immer wieder gehen kurze Schneeschauer nieder und es ist nach wie vor grau um mich herum.
Ich verlasse das Tal weil mir die Vegetation zu dicht wird, und suche mein Glück in den höher gelegenen Hängen. Es ist bereits wärmer geworden, so dass die Landschaft um mich herum wieder braun ist, während die Bergspitzen noch weiß überzuckert sind.


                                                     Weiß überzuckerte Bergspitzen

Auf der Karte sehen die Seitentäler unscheinbar aus, in der Realität sind sie aber oft canyonartig eingeschnitten, so dass ich sorgfältig die besten Stellen für die Querung auswählen muss. Manchmal muss ich dabei nicht nur ein wenig klettern, sondern mich gleichzeitig auch noch durch nasse Weidendickichte hangeln.

                                              Immer wieder sind tief eingeschnittene Seitentäler zu queren

Der Kontrast zwischen der in matten Braunfarben gefärbten Tundra und den leicht verschneiten Bergen bewirkt eine wunderbare Stimmung.
Während ich bisher schon häufig Heidelbeeren gefunden und gegessen habe, ist das hier ein wahres „Beerenparadies“

                                            Hier wachsen einem die Heidelbeeren förmlich in den Mund

Eigentlich müsste ich ja auch mal einen Bären bei der Beerenernte treffen, aber leider habe ich kein Glück.
Ab und zu wagt sich eine Fichte aus dem geschützten Talbereich heraus. Man sieht dann aber gleich, wie sehr ihr die Elemente zusetzen. Langsam setzt sich die Sonne durch, obwohl ich in der Umgebung immer wieder Schauer niedergehen sehe. Heute ist es ein echtes Vergnügen durch die fantastische, herbstbunte Tundra zu wandern.
Ich sehe ich einen Falken in nur 20 Meter Entfernung auf dem Boden sitzen. Leider hebt er ab bevor ich ein Bild machen kann.
Immer wieder fliegen Schneehühner vor mir auf. Einmal bleiben zwei der Hühnervögel aber dicht bei mir am Boden sitzen und ich kann sie aus geringer Entfernung eine ganze Zeit lang beobachten und fotografieren.

                                                        Schneehuhn in der herbstlichen Tundra

Um diese Zeit sind die Hühner noch nicht weiß verfärbt, aber auch ihr graues Gefieder tarnt sie hervorragend in der herbstlichen Tundra. Besonders gefällt mir ihr oranger Augenstreif, der eine tolle farbliche Ergänzung zu den roten Heidelbeerblättern darstellt.
Ein Stück weiter beobachte ich einen anderen Vogel, der versucht sich in der Bodenvegetation zu verbergen und nicht abfliegt. Fast würde ich vermuten, dass der unscheinbare Vogel, wahrscheinlich eine Ammer-Art noch Junge im Nest hat, aber dafür ist es eigentlich viel zu spät im Jahr. Als er die schützenden Blätter verlässt, gelingt es mir ihn zu fotografieren.

                                                    Eine Ammer bleibt vor mir am Boden sitzen

Am Nachmittag verlasse ich das Haupttal des Trail River und marschiere ein Seitental aufwärts zurück in die Berge. Mittlerweile ist es so warm, dass ich lediglich mit dünnem Fleece und Trekkinghose laufen kann. Meine Schuhe, in denen ich Neoprensocken trage, sind aber immer noch sehr nass.
Ich kann mich gar nicht an der Landschaft satt sehen, und bleibe häufig stehen um zu fotografieren.

                                                               Ein herrlicher Tag!

Allerdings gibt es auch in diesem Tal tiefe Schluchten die ich durchqueren muss. Dabei gehe ich äußerst vorsichtig vor, denn ein Sturz in der abgeschiedenen Wildnis hätte möglicherweise fatale Folgen, da ich kein Satellitentelefon mitführe mit dem ich Hilfe herbeirufen könnte.

                                                              Manchmal muss ich Schluchten durchqueren

Schließlich schlage ich mein Zelt an einer idyllischen Stelle oberhalb des Bachs auf. Endlich ist es so warm und trocken, dass ich meinen Rucksacks auspacken, und den ganzen Inhalt an der Luft trocknen lassen kann.

                                                          Endlich kann ich meine Sachen trocknen lassen

Es ist ein herrlicher, windstiller Abend an dem ich bis zum Sonnenuntergang draußen sitzen bleibe. Obwohl ich heute nur etwas über 8 Kilometer Luftlinie zurückgelegt habe, bin ich zufrieden und denke, dass ich es rechtzeitig bis zum Dempster Highway schaffen kann. Morgen liegt die Schlüsseletappe dazu vor mir, bei der ich den Kamm der Richardson Mountains nach Westen überqueren muss.
Nachdem die Sonne verschwunden ist, wird es schnell bitter kalt. Inzwischen sind die Nächte wieder richtig dunkel, was am Beginn meiner Yukon Reise noch nicht der Fall war. Aber schließlich geht der August seinem Ende entgegen. Nichts desto trotz sind die Tage noch länger als in Deutschland.
Als ich in der Nacht aus dem Zelt schaue, erstreckt sich über mir in herrlicher Pracht das Band der Milchstraße mit ihren unzähligen Sternen.
Am nächsten Morgen möchte ich meine Stiefel anziehen, die im Vorzelt standen. Das ist zunächst aber nicht möglich, denn sie sind bretthart gefroren! Erst nachdem ich die Stiefel mit in den Schlafsack genommen habe und eine Zeit lang liebevoll knete, kann ich meine Füße langsam hineinzwängen.
Obwohl die Nacht klar war, wabern jetzt Nebel, hinter denen aber bereits die Sonne auf ihren Einsatz wartet.




                                              Sonne und Nebel streiten um die Vorherrschaft

Zunächst wandere ich im Bachtal aufwärts, bis ich schließlich weiter oben die steilen Hänge erklimme. Dabei wird mir so warm, dass ich nur mit dem leichten Fleece laufe.
Während hier oben bereits die Sonne aus einem strahlend blauen Himmel brennt, hängt in den Tälern noch der Nebel fest.

        
                               

                                            Der Nebel hält sich in den Tälern

Manchmal scheint es, als würden die Nebelschleier förmlich gegen die Berghänge branden.


Kurzzeitig hüllt der Nebel mich wieder ein. Dabei entdecke ich ein noch nie zuvor von mir wahr genommenes Phänomen: Einen Nebelbogen!

                                                Der Nebelbogen - Ein faszinierendes Naturphänomen

Aber bald ist der Nebel endgültig verschwunden und es herrschen hervorragende Sichtverhältnisse, die die Orientierung auf dem weiten Hochplateau einfach machen.
Allerdings bin ich froh, diesmal nicht im Nebel wandern zu müssen. Das was als gleichförmige Hochebene erscheint, ist in Wirklichkeit immer wieder von tiefen Tälern zerteilt, die zu umgehen bei schlechteren Verhältnissen sicher nicht einfach wäre.
Kothaufen zeigen, dass auch hier oben Bären unterwegs sind, allerdings habe ich wieder nicht das Glück einen Beeren sammelnden Bären anzutreffen.

                                                    Mit Beerenresten durchsetzter Bärenkot

Trotz strahlendem Sonnenschein weht ein eiskalter Wind, so dass ich zeitweise Handschuhe und sogar meine Kopfhaube trage. Nichts desto trotz bin ich völlig von den einsamen Weiten fasziniert. Oft sind tafelförmige Berge mein nächstes Ziel, die sich beim Näher kommen in der klaren Luft oft als bescheidene Hügel entpuppen. Sumpfige Ebenen voll gelbem Gras wechseln sich mit kargen, steinigen Graten ab.
Gegen Mittag denke ich, dass ich auch heute nur langsam vorwärts komme, aber hier auf der Hochebene werde ich schneller.
Schließlich habe ich die letzte Wasserscheide erklommen, und sehe unter mir bereits das Tal des Vyah Kit Creek, der nach Westen zum Eagle River fließt, der später den Dempster Highway kreuzt.
Beim Abstieg nehme ich in einem Seitental eine Bewegung wahr: Karibus! Fünf Hirsche mit imposanten Geweihen äsen an einer geschützten Stelle und werfen auf, als sie mich bemerken. Dennoch kann ich mich auf etwa 70 Meter an sie anschleichen und einige Fotos machen. Schließlich entfernen sie sich aber doch, blicken vom Grat aber noch einmal auf mich zurück.




                                                                 Karibus

Als ich bereits ein ganzes Stück weiter gegangen bin, bemerke ich, dass ich mein kleines Taschenfernglas verloren habe! Beim Anpirschen der Karibus hatte ich Rucksack und Fernglas abgelegt um mich mit der Kamera besser bewegen zu können. Offenbar habe ich hinterher vergessen, das Fernglas wieder umzuhängen. Ich überlege kurz zurück zu gehen um nach dem Glas zu suchen, aber mir ist klar, dass das gleichbedeutend mit der Fahndung nach einer Stecknadel im Heuhaufen wäre, daher wandere ich traurig weiter.
Manchmal verschönen die weißen Wattetupfer von Weidensamen die Landschaft.

                              Die Samen der Weiden haben sich erst jetzt, kurz vor dem Winter entwickelt

Gegen 19 Uhr schlage ich mein Lager am Bach auf. Hier wachsen wieder einige Schwarzfichten, daher ist das Kochen auf meinem Hobo kein Problem. Nach dem Verlust des Fernglases gibt es jetzt den nächsten Materialschaden: Mein Löffel aus dem superstabilen Kunststoff Lexan zeigt erst Risse und bricht dann endgültig ab!
Ohne Löffelstiel zu essen, kann eine ganz schöne Schweinerei sein, aber meine Hände sind bedingt durch das ständige Hantieren mit Feuer und dem rußgeschwärztem Topf ohnehin mehr schwarz als weiß!
Ich habe heute 16 Kilometer zurückgelegt und damit ist das rechtzeitige Erreichen des Dempster Highway kein Problem mehr. Einerseits bin ich erleichtert, andererseits wird mir aber auch bewusst, dass sich die Wildniswanderung dem Ende zuneigt, ausgerechnet jetzt, wo das Wetter endlich stabil und schön ist.


                                                                Farbige Tundra

Nach einer frostigen Nacht bricht ein weiterer herrlicher Tag an. Zunächst folge ich dem Bachtal. Eine Geweihstange zeugt davon, dass Karibus häufiger die Gegend frequentieren. Das Tal, in dem bald vermehrt Nadelbäume auftauchen, ist fast lieblich zu nennen.
Nach 243 Bildern muss ich den ersten Akku meiner digitalen Spiegelreflexkamera Canon Eos 400 D wechseln. Wegen dem meist schlechten Wetter habe ich bisher nur relativ wenig Fotos gemacht, daher war es bei dieser Tour überflüssig 4 Reserveakkus mitzuführen.
Obwohl ich mein GPS nur selten nutze, benötigt es bereits den dritten Satz aus 2 AA Batterien.
Als der Bewuchs im Tal wieder dichter wird, lege ich meinen Kurs über die Hügel, wo die Vegetation spärlicher ist, und ich daher leichter vorankomme. Allerdings gilt es auch hier immer wieder die Gürtel aus dichtestem Weidendschungel entlang der Nebenbäche zu durchqueren. Verglichen mit dem Beginn meiner Tour, haben die Weiden allerdings schon einen Großteil ihres Laubs verloren.
Irgendwann sehe ich von einem Hügel in der Ferne ein geradliniges Band das auf eine Anhöhe führt. Der Blick durchs Teleobjektiv bestätigt, dass es der Dempster Highway ist, der in 12 Kilometern Entfernung verläuft!
Einerseits freue ich mich ein wenig, bald wieder zu den Annehmlichkeiten der Zivilisation zurückzukehren, andererseits wird mein „Wildnisgefühl“ durch die Nähe der Straße ziemlich gestört.
Bald wandere ich durch richtigen Wald, in Verbindung mit den kahlen Bergen eine sehr abwechslungsreiche Landschaft.

                                            Abwechslungsreiche Landschaft aus Wald und Bergen

Zahlreiche goldgefärbten Lärchen sind in die bläulich erscheinenden Weißfichten eingesprengt, die auf den trockenen Hängen wachsen. Dagegen sind die weiten Moore von den düster wirkenden Schwarzfichten geprägt.
Obwohl ich gut vorankomme lasse ich mir Zeit um noch einmal das Unterwegs sein in dieser fantastischen Landschaft zu genießen. Zum Fotografieren ist das Licht jetzt um die Mittagszeit leider zu grell.
Einmal muss ich in ein tiefer eingekerbtes Tal klettern, durch das ein größerer Bach in einer felsigen Schlucht fließt.

                                                
Nach kurzer Kletterpartie bin ich wieder in ebenerem Waldgelände. Häufig höre ich ein hohes Piepsen und sehe fette Wühlmäuse oder Lemminge in ihren Löchern verschwinden. Obwohl ich mich mit auslösebereiter Kamera einige Zeit lang still vor den Wohnungen der Nager postiere, schaut keiner noch einmal aus seinem Loch heraus.
Später am Nachmittag erklimme ich eine unbewachsene Hügelkette von der ich noch einmal die Ausblicke in die grenzenlose Wildnis genieße.
In einem Bachtal schlage ich schließlich mein letztes Lager auf.


Mittlerweile sind meine Hände durch die Kämpfe mit dem Busch und das Brechen des Feuerholzes von Wunden übersät. Es wäre keine schlechte Idee auf so einer Querfeldeintour leichte Arbeitshandschuhe dabei zu haben, um solche Verletzungen zu vermeiden.
Nach dem Essen gehe ich noch einmal auf einen Hügel, wo die milde Abendsonne die Landschaft in rosiges Licht taucht.
Allerdings weht hier oben ein scharfer, kalter Wind, der mich bald zurück zum Zelt treibt.

                                                        Im Licht der Abendsonne

Hier im Tal hat es in der Nacht nicht gefroren, auf den offenen Moorflächen die ich später überquere allerdings schon. Da es die ganze Nacht sehr windig war, konnte sich kein Kondenswasser an Zelt und Schlafsack absetzen, daher kann ich sie gleich schön trocken verpacken.

Ein weiterer wunderschöner Morgen bricht an.

                                                                       Ein schöner Morgen bricht an

Zunächst wandere ich über Kämme und durch Täler, stehe dann aber am Rand einer weiten, goldenen Moorfläche, an deren Ende der Dempster Highway auf einem Hügelkamm verläuft.
Bald hat die Sonne an Kraft gewonnen und ich trage nur noch meinen leichten Fleece. So kurz vor dem Ende der Wandertour passiert mir aber noch ein weiteres Missgeschick: Bei einem Fotostopp lasse ich die Objektivkappe liegen. Das bemerke ich zwar schon bald, aber da ich keine Chance sehe, die kleine Kappe wieder zu finden, muss ich einen weiteren Verlust verbuchen.

Zurück nach Whitehorse

Nach drei Stunden erreiche ich den Dempster Highway und sehe Schilder auf einem Parkplatz an der Straße. Als ich dort ankomme, stelle ich fest, dass hier der Polarkreis verläuft! Die Schilder geben interessante Informationen zur Arktis.

                                                  Meine Wanderung endet am Polarkreis

Ich hatte meine Tour bei Kilometer 145 am Blackstone River begonnen. Der Polarkreis liegt bei Kilometer 403 der Straße. Eine ganz schöne Entfernung die ich in den 16 Tagen zurückgelegt habe!
Es sind bereits einige Touristen da, die ich frage ob sie mich mitnehmen können. Leider fahren sie Richtung Norden. Anschließend führe ich eine nette Unterhaltung mit einem amerikanischen Pärchen und einem Tschechen, die auf ihren Motorrädern unterwegs sind.
Meinen Rucksack stelle ich an die Straße. Wenn ein Fahrzeug auftaucht, sprinte ich schnell zu ihm, wobei ich davon ausgehe, dass die Touristen alle hier am Polarkreis halten.
Eine indianische Familie ist mit ihrem Pick-up auf der Jagd. Sie fragen ob ich Karibus gesehen habe. Offenbar hat die riesige 180.000- köpfige Porcupine River Herde bereits den Dempster Highway überquert. Normalerweise sind sie zwei Monate später hier, aber das kühle, nasse Wetter in diesem Sommer hat sie wohl schon vorzeitig ihre Wanderung antreten lassen.
Als sich ein riesiger Truck nähert, renne ich zu meinem Rucksack, obwohl meiner Erfahrung nach Lkw fast nie Anhalter mitnehmen. Allerdings hält der Laster. Offenbar denken die beiden Fahrer ich wäre in einer Notlage, weil sie gesehen haben, wie ich zum Highway gesprintet bin. Eigentlich verbietet ihre Firma Anhalter mitzunehmen, daher sagen sie gleich, dass ich nur bis Eagle Plains mit darf. Die Beiden fahren ständig die Strecke von Edmonton nach Inuvik. 5 Tage Non- Stop!
Die Fahrt führt durch weite, eintönige Schwarzfichtenwälder. Allerdings erzählen die Trucker, dass Sie hier manchmal Grizzlys sehen. Einmal sei einer bei einem Halt sogar bis an ihre Tür gekommen, wohl um nach Nahrung zu betteln.

                                       Die Trucker nehmen micht mit

Schließlich erreichen wir Eagle Plains, wo die Beiden im Cafe etwas essen wollen.
Neben Hotel, Tankstelle und Campingplatz gibt es hier auch einen Reparaturstützpunkt für den Highway. Es herrscht etwas Betrieb, daher hoffe ich bald einen weiteren Lift zu finden.
Allerdings bleibe ich zunächst erfolglos, obwohl ich die Menschen direkt ansprechen kann. Nach einer Stunde gehe ich zum Campingplatz, wo gerade zwei junge Pärchen zusammenpacken. Ohne zu zögern willigen sie ein mich mitzunehmen. Ich fahre bei Chris und Teresa in ihrem großen Geländewagen mit.
Die beiden Paare wohnen in Inuvik und haben sich spontan entschlossen, das lange Wochenende des Labour Day Feiertags zu einem Ausflug nach Dawson City zu nutzen.

                                Mit 160Km/h brettern wir mit diesem Wagen stundenlang über die Piste!

Chris ist 24 und hat gerade seinen kommerziellen Pilotenschein gemacht. Seine Mutter ist Schwedin und sein Vater Eskimo, hier Inuvialuit genannt. Da er als Eingeborener gilt, treffen für ihn die normalen Jagdbestimmungen nicht zu, weshalb er überall frei jagen kann. Allerdings gilt auf einer Meile beiderseits des Dempster Jagdverbot, wohl weniger aus Angst, dass das Wild hier ausgerottet werden könnte, als um der Unfallgefahr vorzubeugen.
Mir fällt auf, dass wir ziemlich flott unterwegs sind, aber als ich einen Blick auf den Tacho werfe, kann ich der Anzeige kaum glauben: Wir fliegen mit 160 Stundenkilometern über die unbefestigte Piste nach Süden!
Bei der Geschwindigkeit nehmen wir die Bodenwellen nicht mehr war, und die mit 60 gemütlich über den Highway rollenden Camper müssen denken von einem UFO überholt zu werden.
Dabei dröhnt Rockmusik aus den Boxen und wir sind guter Stimmung bei dem herrlichen Wetter. Chris ist ein guter Fahrer, so dass ich mich nicht unsicher fühle, allerdings darf bei der Geschwindigkeit nichts Überraschendes passieren…
Teresa scheint nicht so gut mit dem Geschwindigkeitsrausch ihres Freundes klar zu kommen, da ihr schlecht wird und sie ihn bittet anzuhalten.
Wir unterhalten uns sehr gut. Es ist interessant etwas über die Jagd im Yukon und das Leben in Inuvik zu erfahren. Obwohl fast jeder dort ein Boot hat, und häufig damit zum Jagen oder Fischen fährt, kann fast niemand schwimmen. Daher passieren häufig Unfälle bei denen Leute ertrinken. Inzwischen gibt es aber ein Hallenbad, damit die Kinder Schwimmen lernen können.
Teresa ist schon viel herumgekommen und hat in sozialen Projekten sowohl in Afrika, Indien als auch Guyana gearbeitet.
Nachdem wir die weiten Wälder der Eagle Plains hinter uns gelassen haben, wird die Gegend offener und immer schöner. Wir genießen noch einmal den Farbrausch des herbstlichen Nordens. Immer wieder halten wir an schönen Plätzen und gehen ein Paar Schritte in die Tundra. Danach geht es aber mit 160 km/h weiter!

                                               Am Dempster Highway

Aufgrund des Feiertags sind recht viele Leute unterwegs oder haben ihre Wagen an der Straße abgestellt.
Schließlich geht es vor Dawson City durch die weite Schutthaldenlandschaft des Goldabbaus, dann erreichen wir die Stadt. Kurioserweise gibt es hier ein Besucherzentrum für das Nordwestterritorium gegenüber dem Dawson Visitor Center.
Nachdem ich erfahren habe, welches Hotel ein halbwegs günstiges Zimmer verfügbar hat, schreibe ich aus einem Internet Cafe erst einmal einige e- mails.
Dann miete ich mich für 70 $ im Midnight Sun Hotel ein. Stundenlang hocke ich in der Badewanne um die Dreckkruste loszuwerden die sich in der Wildnis gebildet hat.
Bevor die Sonne untergeht, gehe ich los um mir die Stadt anzuschauen.
Nachdem 1893/1894 das erste Gold in der Gegend gefunden wurde, gelang 1896 der große Fund, der den Goldrausch auslöste. Noch im selben Jahr wurde Dawson City gegründet, und hatte bald 5000 Einwohner, versorgte außerdem weitere 30.000 die verstreut um die Stadt auf ihren Claims lebten. Zwar war der große Goldrausch schon wenige Jahre später wieder vorbei, aber noch heute werden hier die Goldvorkomen ausgebeutet. Dawson City war von 1897 bis 1951 die Hauptstadt des Yukon Territoriums und wurde erst danach von Whitehorse abgelöst.
Heute leben hier nur noch etwa 2000 Einwohner und die Haupteinnahmequelle ist nicht mehr das Gold, sondern die zahlreichen Touristen die auf den Spuren Jack Londons hier her kommen.
Dementsprechend hat die Stadt allerhand zu bieten. Von geführten Touren durch die Goldfelder bis zu einigen Museen, kann man sich hier in die Zeit des Goldrausches zurück versetzen lassen. Daher erinnert das heutige Aussehen des Ortes mit malerischen Holzhäusern und unbefestigten Straßen an eine alte Westernstadt. Nachdem ich mich einige Zeit umgesehen habe, gehe ich zu einem Restaurant, dass mir Chris und Teresa empfohlen haben.
Das Essen ist auch tatsächlich sehr gut, leider tauchen meine Freunde aus Inuvik nicht auf. Allerdings ist der Raum gut gefüllt mit Touristen. Neben mir geben zwei Deutsche endlose Zahlenreihen in ihren Laptop ein. Ich sollte sie später wieder treffen und dann erfahren was es damit auf sich hat…
Nachdem ich das abwechslungreiche Essen, nach der doch ziemlich eintönigen Nudeldiät der letzten Wochen genossen habe, will ich mir noch den Saloon „Diamond Tooth Gertie“ anschauen. Dieses Etablissement wird von dem örtlichen Tourismusverband betrieben, und ist einer Kneipe der Goldgräberzeit nachempfunden mit Pianospieler und Personal in historischem Outfit. Natürlich kann man hier auch sein Geld bei Black Jack und Roulette loswerden…
Mir reicht allerdings ein kurzer Besuch. Nachdem ich ein Bier getrunken habe, trete ich den Rückweg zum Hotel an, und genieße die erste Nacht in einem weichen Bett, nach den zahlreichen Übernachtungen im Schlafsack.
Am nächsten Morgen verspeise ich mein letztes Müsli auf dem Zimmer, und koche mir dazu Kaffee auf der Maschine, die den Gästen kostenlos zur Verfügung steht.
Der Morgen ist frisch und klar. Als ich durch die Stadt laufe, um zu einem Ausgangspunkt für das Trampen zu kommen, treffe ich Dave, den Prospektor, der mich vor Beginn meiner Tour zum Dempster Highway mitgenommen hatte.
So klein ist die Welt! Wir unterhalten uns kurz, dann laufe ich weiter. Auch morgens macht Dawson den Eindruck einer sehr sympathischen Kleinstadt. Erstaunlich viele Leute sind mit dem Fahrrad unterwegs. Ein Stück außerhalb der Stadt kann ich noch einmal den Blick auf den morgendlichen Yukon genießen.
Nachdem ich 20 Minuten gewartet habe, nimmt mich ein junger Kanadier mit. Leider fährt er nur bis in die Nähe des Flughafens. Aber immerhin habe ich es bereits geschafft, den direkten Umkreis der Stadt zu verlassen.
Der Morgen ist sonnig und nicht zu kalt, daher ist es durchaus nicht unangenehm in der Stille des Waldes an der Straße auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Oft tut sich 10 Minuten lang gar nichts, bis mal wieder ein Auto vorbei kommt.
Statt dessen trippelt ein neugieriger Unglückshäher bis auf einen Meter an mich heran, und ein Rotfuchs taucht kurz an der Straße auf, vielleicht sucht er nach Unfallopfern?
Nachdem ich eineinhalb Stunden gewartet habe, nimmt mich ein interessanter Kanadier mit. Er ist Biologe und hat schon viele Untersuchungen, hauptsächlich über Fische für die Behörden durchgeführt. Daneben hat er aber auch schon als Trapper gearbeitet. Als wir eine Elchkuh an der Straße sehen, erzählt er, dass er in jedem Herbst einen Elch schießt. Das viele Fleisch teilt er sich mit einem Freund, dennoch gibt es wenigstens an jedem zweiten Tag Elchfleisch auf den Teller!
Sehr viele Einwohner des Yukon versorgen sich noch heute durch die Jagd mit Fleisch.
Er erzählt, dass zur Zeit die Pelzpreise recht gut sind, und die Trapper eine Menge verdienen können, wenn es gut läuft. Dabei ist das ganze Land in Distrikte aufgeteilt, in denen jeweils nur ein Trapper seine Fallen stellen darf. Die so genannten „Traplines“ sind oft 100 Kilometer lang und man benötigt auch mit dem Schneemobil mehrere Tage um die Fallen zu kontrollieren.
Er erzählt, dass man die trockene Kälte im Yukon gut aushalten kann. Der März sei beispielsweise ein perfekter Monat für Skitouren. Am stärksten gefroren habe er in seinem Leben bei 0 Grad in der feuchten Kälte an der Pazifikküste von British Columbia.
Als ich ihn frage, was er von Bärenspray hält, erzählt er, dass sie in einem Lager, wo die Fischabfälle ständig Schwarzbären angelockt haben, mal einen Versuch mit Bärenspray gestartet haben. Manche der Schwarzbären hätten unglaublich empfindlich auf das Besprühen reagiert und seien schreiend geflüchtet. Andere dagegen hätten gar keine Reaktion gezeigt!
An der Tankstelle von Stewart Crossing, wo er nach Mayo abbiegt, verabschieden wir uns. Kaum bin ich ausgestiegen, als ich eine ältere, sportlich und sympathisch aussehende Frau frage, ob sie mich mitnimmt. Da sie drei Hunde dabei hat, weiß sie zunächst nicht, ob für mich und meinen Rucksack genügend Platz da ist. Schließlich willigt sie aber ein. Bald entdecken wir, dass wir uns auf Deutsch unterhalten können!
Maria stammt nämlich aus Sankt Gallen in der Schweiz, ist aber bereits 1967 in den Yukon ausgewandert!
Einer ihrer Hunde ist ein ehemaliger Schlittenhund, der dafür allerdings ausgemustert wurde, weil er recht klein ist. Maria lässt sich aber manchmal von ihm ziehen, wenn sie auf ihren Schiern steht. Das klappt prima!
Sie ist sehr an meiner Wanderung interessiert und erzählt mir von jemand, der den ganzen Yukon zu Fuß durchquert hat. Als ich wieder zu Hause bin, kaufe ich mir das Buch, das der Engländer Chris Townsend über dieses Abenteuer geschrieben hat.
Obwohl Maria noch einige Male in der Schweiz war, hat sie es nie bedauert ausgewandert zu sein. Sie genießt vor allem die weite Natur des Nordens.
Das Wetter ist perfekt, warum konnte es nicht auf meiner Wanderung auch immer so sein? Einmal fahren wir von der Straße runter in einen Weg ein, an dessen Ende das Freizeitgelände der Familie ihrer Tochter liegt. Komplett mit eigenem See, Boot und Sauna! Ein wahres Paradies!
Da Maria nicht mehr in den vergleichsweise dichten Verkehr von Whitehorse fahren will, nimmt sie mich bis zum Haus ihrer Tochter im Vorort Porter Creek mit. Dort wimmelt es von 17-jährigen die gerade eine Party zum Beginn des Schuljahres feiern.
Marias Tocher Heidi lädt mich kurzerhand zum Essen ein, was ich gerne annehme! Ihre Tochter Cristal studiert Ressource Management, und hat im Sommer ein Praktikum in den Tombstone Mountains gemacht, daher haben wir gleich ein Gesprächsthema.
Aber die nette Familie will mich nicht hier im Vorort stranden lassen, daher fahren mich Cristal und ihr Freund runter in die Stadt, wo ich wieder ins Hostel „Hide on Jeckell“ gehe.
Diesmal sind die deutschen Besitzer Detlev und Renate da. Sie haben die Herberge vor 8 Jahren aufgebaut, würden das Haus jetzt aber gerne verkaufen um wieder zu reisen und noch einmal etwas anderes zu machen.
Ein Kanadier der mit mir im Zimmer schläft, schnarcht unglaublich. Auch auf laute Ansprache reagiert er nicht! Wie geruhsam waren doch die Nächte im Zelt!
Am nächsten Morgen entdecke ich, dass man sich beim Hostel ein Fahrrad leihen kann, und noch nicht mal etwas dafür bezahlen muss!
Zunächst radle ich in die Stadt, wo es mir tatsächlich gelingt, Ersatz für meinen am letzten Wandertag verlorenen Objektivdeckel zu finden. Anschließend stöbere ich noch ein wenig in Mac’s Bookstore herum. Besonders faszinieren mich die zahlreichen Bücher über fatale Begegnungen mit Grizzly Bären.
Schließlich reiße ich mich von der Stadt los, und fahre zum Yukon. Es ist ziemlich kühl und bedeckt, definitiv hat auch hier der Herbst bereits seinen Einzug gehalten. Am Ufer des großen Flusses entdecke ich ein fettes Erdhörnchen, das sich offenbar an die zahlreichen Menschen auf dem neben seinem Revier verlaufenden Radweg gewöhnt hat. Da es überhaupt nicht scheu ist, kann ich mich ihm bis auf wenige Meter nähern und eine ganze Reihe von Fotos aufnehmen.

                                                       Erdhörnchen am Ufer des Yukon

Am Staudamm treffe ich Christoph und Bettina, die ebenfalls im Hostel abgestiegen sind und sich Räder ausgeliehen haben. Bald beschließen wir zusammen eine Runde zu fahren. Hier in der Gegend des Lake Schwatka, der nach einem amerikanischen Offizier benannt wurde, der 1883 als erster Weißer den Yukon in seiner ganzen Länge erkundet hat, gibt es zahlreiche Rundwege, die im Winter als Skiloipen genutzt werden.
Um diese Zeit sind es hervorragende Mountainbikerouten, die oft sehr schmal über zahlreiche Wurzeln und kleine Steigungen führen. Ich merke bald wie klein die Welt ist, da Christoph und Bettina im letzten Jahr ebenfalls in Ladakh waren und Berwang gut kennen.
Die beiden fotografieren auch gerne und betreiben eine Seite mit Outdoorthemen im Internet, daher haben wir viel Gesprächsstoff.
Als Abschiedsessen will ich mir am Abend eine Pizza gönnen. Aber bei der Fahrt in die Stadt treffe ich Lars, der von dem Restaurant „Steak and Halibut“ schwärmt. Da er sich mir anschließen will, begeben wir uns kurzerhand zu dem Restaurant im Zentrum von Whitehorse.
Das Essen dort muss einfach gut sein, denn es hat sich eine lange Schlange bis auf die Straße gebildet. Lars, der mit einer Reisegruppe schon einmal hier gegessen hat, erzählt, dass die Leute fast immer auf den Einlass warten müssen!
Nach einer Dreiviertelstunde sitzen wir schließlich drinnen und ich bestelle mir ein Kilogramm Rippchen!

                           Mein Abschiedsessen in Whitehorse- ein Kilogramm Rippchen

Das Essen ist hervorragend und mir ausgehungertem Wanderer fällt es nicht gerade schwer die Portion zu verdrücken. Allerdings benötige ich danach keinen Nachtisch…
Am nächsten Morgen teile ich mir mit Lars das Taxi zum Flughafen. Die gut gelaunte Taxifahrerin zeigt uns noch einmal, wie locker und offen hier viele Menschen sind.
Das nette Paar, das mich am Anfang der Reise im Wohnmobil auf dem Dempster Highway mitgenommen hatte, ist auch da. Als ich sie nach dem Verlauf ihrer Reise frage, geben sie mir prompt meinen Hut zurück, den ich vor dem Aufbruch am Blackstone in ihrem Camper liegen gelassen hatte!
Mit einer Stunde Verspätung fliegen wir schließlich gegen 14 Uhr los. Bereits nach zwei Stunden haben wir Fairbanks in Alaska erreicht, wo wir zwischenlanden.
Zwar hatten uns die Kanadier vor dem Abflug Einreiseformulare für die USA gegeben, aber bald stellt sich heraus, dass wir diese als Transitpassagiere gar nicht hätten ausfüllen müssen. Dafür wird allerdings von jedem ein Foto gemacht und die Fingerabdrücke genommen. Die Gelegenheit Informationen zu erhalten lässt sich der amerikanische Staat nicht entgehen!
Auf dem Weiterflug sitze ich neben Richard, der als Kind mit seiner Mutter nach Kanada ausgewandert war, und dort zahlreiche Jobs, unter anderem auch als Feuerwächter ausgeübt hatte. Seit 9 Jahren lebt er in Berlin, und war jetzt nur für eine Kanutour auf dem Wind River im Yukon. Allerdings zieht es ihn doch wieder nach Kanada. Im nächsten Jahr will er zurück nach Whitehorse und dort als Yogalehrer arbeiten.
Auf der anderen Gangseite sitzt ebenfalls ein Bekannter: Er hatte in Dawson City im Restaurant am Nachbartisch gesessen! Als ich neugierig frage, was für eine Art von Zahlen er an dem Abend in den Laptop eingetippt hat, erfahre ich, das er eigentlich Deutschlehrer ist, aber ein geophysikalisches Verfahren zur Goldsuche anwendet.
Aus dem anfänglichen Hobby ist inzwischen eine kleine Firma geworden!
Über dem Eis des Polarmeers sehen wir die Sonne untergehen. Es wird aber nicht dunkel, sondern gleich darauf geht sie wieder auf!
Am fünften September gegen 11 Uhr erreichen wir den Frankfurter Flughafen. Damit ist mein Yukon Abenteuer leider zu Ende.
Obwohl das Wetter wie geschildert über weite Zeit ziemlich schlecht war, war es eine faszinierende Erfahrung alleine durch die Wildnis des Yukon zu wandern und zu paddeln.

Ich kann mir gut vorstellen wiederzukommen!

2 Kommentare:

  1. Klasse Bilder! Werde diesen Sommer nach Kanada fahren und die Bilder machen defintiv Freude auf die Reise. In Kanada kann ich nur empfehlen mit dem Boot unterwegs zu sein!

    LG

    Johannes von http://www.de.galaxykayaks.eu/de

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  2. Ohne Zweifel gibt es in Kanada fantastische Möglichkeiten mit dem Boot unterwegs zu sein. Aber was mich angeht, Packraft hin oder her, halte ich das Wandern für die schönste Reiseart!

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