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27.11.2013

Durch Wüsten und Canyons des Colorado Plateaus 3

Noch vor Sonnenaufgang bin ich wieder unterwegs, zunächst wieder querfeldein über die weite Ebene am Salt Creek. Der Bewuchs ist stellenweise erstaunlich dicht.
Die Felsmassive der Umgebung erstrahlen im sanften Morgenlicht.




Als ich die Salt Creek Road, eine Sandpiste erreiche, kommt bald ein Jeep des Nationalparkservice vorbei. Drinnen sitzt Brad, der Ranger der mir gestern mein Permit ausgestellt hat. Er lässt sich am Ende der Piste absetzen und will dann ebenfalls den Salt Creek hoch wandern.
Häufig verrät mir ein tiefes Brummen, dass winzige Kolibris, die ich manchmal auch ausmachen kann, vor Blüten im Schwebflug in der Luft stehen. Eine dünne, schwarze Schlange mit Zick- Zack Zeichnung auf dem Rücken schlängelt sich vor mir über die Piste.
Am Peekaboo Zeltplatz endet die Piste, lediglich ein schmaler Pfad führt weiter. Obwohl auch der Salt Creek trocken ist, kann man die Vegetation hier fast üppig nennen. Eine Vielzahl bunter Blumen und blühender Sträucher erfreut meine Augen.



Der Weg ist sehr abwechslungsreich. Eher trockene Abschnitte wechseln sich mit fast dschungelartigem Bewuchs aus Weiden, Schilf und hohem Schachtelhalm ab.
Immer wieder eröffnen sich schöne Aussichten auf die bizarren, braun- beigen Felsformationen.

                                     Im dschungelartigen Bewuchs ist der Pfad oft kaum zu erkennen

Obwohl dieser fantastische Weg im Canyonlands Nationalpark verläuft und gut zu erreichen ist, treffe ich heute nur dreimal andere Wanderer. Einer davon ist ein etwas aufgebrachter Engländer. Ranger Brad wollte sein Permit kontrollieren, da er keines hatte, erhielt er eine Strafe von 100 Dollar. Das Permit hätte ihn nur 5 oder 10 Dollar gekostet!
Gegen Mittag färbt sich der Himmel dunkel und es beginnt zu donnern. Kommt jetzt endlich die Regenzeit? Es regnet etwa eine Stunde lang, immerhin so stark, dass ich mir meine leichte Regenjacke überziehe, aber schon bald ist das Gewitter weitergezogen, und rasch ist es ebenso trocken wie zuvor.
Nach dem Regen erstrahlt die Landschaft in klaren Farben.

                                             Nach dem Regen

Immer wieder verblüffen mich die Kontraste zwischen üppiger Blütenpracht und stachligen Kakteen in unmittelbarer Nachbarschaft.

                                                            Kakteenfrüchte

Am späten Nachmittag erreiche ich den in meinem Permit für die heutige Übernachtung vorgesehenen Zeltplatz S 4. Hier wartet zu meiner Überraschung der Ranger Brad Masterson, den ich gestern im Besucherzentrum getroffen hatte. Dort hatte er mir erklärt, dass es an dem Zeltplatz Wasser gäbe. Als er heute hier eingetroffen war, musste er leider feststellen, dass das ein Irrtum war, trotz der vorhandenen üppigen Vegetation ist das Bachbett völlig ausgetrocknet. Tatsächlich hatte ich heute bisher nur eine gute Wasserstelle entdeckt.
Nun, es ist noch nicht sehr spät, daher schlage ich vor, dass ich zu einem anderen Zeltplatz mit sicherem Wasservorkommen weiter gehe. Das lehnt Brad allerdings ab, da der Platz schon an eine andere Gruppe vergeben worden ist.
Der Ranger besteht darauf, dass ich hier zelte, bietet mir aber an, meine Wasserbehälter irgendwo aufzufüllen und dann zurückzukehren. Das kommt für mich nicht in Frage, daher deponiere ich den größten Teil meines Gepäcks in dem vorhandenen bärensicheren Container aus Stahl und folge dann Brad den Salt Creek weiter aufwärts. Zu meinem Erstaunen erfahre ich, dass es hier tatsächlich Schwarzbären gibt, die besonders die Kakteenfrüchte als Delikatesse schätzen, wie uns ihre Hinterlassenschaften auf dem Pfad manchmal verraten.

                                                Schwarzbärenkot voller Kakteensamen

Brad hofft, dass wir an der Einmündung des West Fork Salt Creek Wasser finden. Leider ist es auch dort völlig trocken. In der Nähe kontrolliert der Ranger eine Fotofalle. In erster Linie sollen mit den Bildern Informationen über die Schwarzbären des Salt Creek gesammelt werden, aber auch jedes andere Tier, das die Infrarotschranke durchquert wird aufgenommen.
Der Hayduke Trail verläuft ab der Outpost auf einer anderen Route, aber das was ich über den Salt Creek im Internet gelesen hatte klang so interessant, dass ich es vorzog ihm zu folgen und dann später wieder auf den Hayduke zu stoßen. Ursprünglich hatte ich vorgehabt dem West Fork zu folgen, aber Brad rät mir davon ab. Es gibt kein Wasser und ihm sind zwei Gruppen bekannt, die den schwierigen Ausstieg aus dem Canyon nicht geschafft haben, und daher umkehren mussten.
Brad ist ebenso alt wie ich und wir verstehen uns gleich sehr gut. Nachdem er vier Jahre in Japan englisch unterrichtet hatte, arbeitet er jetzt bereits seit einigen Jahren für den Nationalpark Service, und hat als Ranger schon einige Parks kennen gelernt.
Im Herbst möchte er mit seiner Frau, die auch im Nationalpark arbeitet nach Europa. Ich gebe ihm meine e- mail Adresse, und tatsächlich, im November besuchen mich die Beiden in Hessen!

                                                 Der Ranger Brad

Schließlich erreichen wir Lower Jump, dieser tiefe Pool trocknet Brad zufolge niemals aus! Ein riesiger, schwarzer Salamander schwimmt darin.
Nachdem wir unsere Wasservorräte aufgefüllt haben, treten wir den langen Rückweg an. Wir müssen uns etwas beeilen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit zurück zu sein. Es ist ein herrlicher Abend, an dem die untergehende Sonne die Felswände erglühen lässt.



Brad will sein Lager in der Nähe der Fotofalle aufschlagen, daher lege ich das letzte Stück des Weges alleine zurück. Zwar ist es bereits fast dunkel, als ich S 4 erreiche, aber bald geht der volle Mond auf. Das Zelt aufschlagen erspare ich mir, koche aber natürlich noch auf meinem Hobo.


Ein schöner, abwechslungsreicher Tag geht zu Ende.
Noch vor Sonnenaufgang will ich wieder aufbrechen, doch leider leuchtet meine Stirnlampe nur noch schwach, die Batterien sind wohl erschöpft.
Nach einer Stunde bin ich wieder an der Wasserstelle Lower Jump, in dessen Nähe drei Amerikaner zelten, mit denen ich mich kurz unterhalte.
Heute ist die Landschaft zunächst viel offener und weniger dicht bewachsen als gestern. Ich kann mich kaum an der herrlichen Landschaft mit ihren kühnen Felsen satt sehen.

                                                Im oberen Salt Creek Tal

Die Camper hatten mir von Anasazi Ruinen und Felszeichnungen erzählt, die ich jetzt ansteuern möchte. Doch zunächst gelange ich zum Upper Jump, wo fließendes Wasser eine wunderschöne Oase hervorgezaubert hat. Bald danach treffe ich auf eine Anasazi Behausung.

                                               Anasazi Behausung

Kaum zu glauben, dass diese Behausung schon vor 800 Jahren aufgegeben wurde. Die Anasazi bauten Mais an, ergänzten aber ihre Nahrung auch durch Früchte und Wildfleisch. An andern Orten veranlasste wohl die zunehmende Trockenheit ihre Abwanderung. Aber was war in diesem üppigen Tal mit seinen permanenten Wasserstellen die Ursache? Man kann nur spekulieren. Die Hopi Indianer in Arizona und New Mexico sind offenbar die Nachfahren der Anasazi.
Der Pfad verlässt das Tal und führt bergaufwärts. Als ich bei einem natürlichen Felsbogen ankomme, frage ich mich zunächst wo der Weg weiter führt. Natürlich mitten durch den Bogen hindurch!
Wenig später gelange ich an eine Felswand vor der eine Munitionskiste im Sand steht. Solche Kisten werden häufig als Verstecke für Geocaches benutzt, also öffne ich sie. Zu meiner Überraschung enthält die Kiste die Beschreibung für die berühmte Felszeichnung „All American Man“ von der mir die Camper erzählt hatten. Ich folge der Beschreibung und sehe dann das Bild hoch oben in einer Felsnische.
Meine Verblüffung kennt keine Grenzen, diese Zeichnung ähnelt wirklich sehr stark der amerikanischen Nationalflagge. Und was soll die Antenne am runden Kopf der marsmännchenähnlichen Figur? Das Ganze ist sehr erstaunlich, aber es ist erwiesen, dass die Zeichnung von den Anasazi vor hunderten von Jahren gemalt wurde, und nicht etwas ein Alien Freak sich hier einen Scherz erlaubt hat!

                                                      "All american Man"

Ich habe gelesen, dass es im Salt Creek Tal noch zahlreiche weitere Hinterlassenschaften der Anasazi gibt. Es wäre sicher faszinierend hier länge Zeit zu verbringen und nach den Spuren der rätselhaften Indianer zu suchen.
Der Weg führt zurück in das offene Tal und gegen Mittag gelange ich an „Kirks Cabin“. Ein früher Pionier hat an diesem wunderschönen mit fließendem Wasser gesegneten Platz seine Blockhütte errichtet. Zwar lebt auch Tom Higginson als Einsiedler in der Wüste, aber immerhin verfügt er über Motorfahrzeuge, Strom und Internet. Wie die Isolation wohl auf diesen frühen Siedler im 19. Jahrhundert gewirkt hat?
Ich nutze die Gelegenheit zu einem Bad im herrlich frischen Wasser und koche während meiner langen Mittagsrast. Während Wasser hier im Salt Creek Tal kein großes Problem war, wird es jetzt wieder längere Zeit dauern bis ich an die nächste Wasserstelle gelange. Daher fülle ich meine Behälter mit 10,5 Litern Wasser auf.
Doch zunächst gelange ich keineswegs in trockene Wüste, sondern in ein üppiges Sumpfgebiet voller Riedwiesen und hoher Schachtelhalme.
Offenbar fühlen sich die Schwarzbären hier besonders wohl, denn überall stoße ich auf Fährten und Kot von ihnen. Dagegen ist der Pfad über weite Strecken kaum mehr zu erkennen. Einmal schlage ich offenkundig einen falschen Weg ein, und lande in fast undurchdringlichem Gehölz. Doch schließlich habe ich den Bereich mit der dichten Vegetation durchquert und gelange an die Grenze des Canyonlands Nationalparks worauf ein Schild hinweist.
Laut meiner Karte soll von hier ein Wanderweg etwa fünf Kilometer weit zu einer Forststraße auf einem Plateau führen. Allerdings ist von einem Wanderweg nichts zu sehen. Was solls, in dem trockenen Bachbett eines Nebenarms des Salt Creek komme ich gut vorwärts, nur an 2 Abstürzen ist eine kleine Kletterpartie gefragt.
Dann endet das gemächlich ansteigende Tal aber vor einer ziemlich steilen Wand, so dass es zunächst scheint, als wäre hier ein Weiterkommen nicht möglich. Nun, so einfach gebe ich nicht auf, und lasse zunächst meinen Rucksack zurück um vielleicht doch eine mögliche Route zu finden. Was von unten kaum möglich erschien, entpuppt sich dann aber als doch gar nicht so schwer. Schon beim ersten Versuch finde ich eine Route auf das Plateau, die auch mit meinem schweren Rucksack gangbar ist.
Obwohl ich nur einige Höhenmeter zurückgelegt habe, wächst hier oben bereits eine andere Vegetation, ein lichter Wald aus niedrigen Utah Wacholdern und Pinyon Pines.

                                                     Niedriger Nadelwald wächst auf den Plateaus

Ich laufe noch ein Stück nach Kompass in „meine“ Richtung und schlage dann erstmals auf der Wanderung mein Zelt auf. Na ja, eigentlich ist es eher ein Tarp, da es weder Moskitonetz noch Boden hat, und auch die Seiten offen sind. Dafür ist es mit nur einem Bogen und vier Häringen rasch aufgestellt und wiegt nur wenig.
Am nächsten Morgen stoße ich einige Male auf Steinmännchen, die zeigen, dass hier offenbar doch eine Wanderroute verläuft. Diese scheint aber nicht mehr benutzt zu werden, denn obwohl ich sorgfältig danach Ausschau halte, verliere ich die Steinmarkierungen immer wieder.
Irgendwann gelange ich wieder in eine Schlucht, die sich immer mehr verengt. Nach den Erfahrungen von gestern bin ich mir keineswegs sicher, ob es gelingen wird, hier einen Ausstieg zu finden. An einer Seitenschlucht lasse ich meinenRucksack zurück und beginne einen Weg nach oben zu suchen. Aber bald breche ich dieses Unterfangen ab, da es mir zu schwierig erscheint. Zurück im Schatten des Canyons wachsen hier in der geschützten Umgebung sogar einige größere Kiefern. Dann kommt was kommen musste, die Schlucht endet vor einer Steilwand!

                                             Die Schlucht endet vor einer Steilwand


Hier führt definitiv kein Weg empor, daher beschließe ich zurück zu der Stelle zu gehen, wo ich vor einiger Zeit meine Erkundung abgebrochen hatte. Zunächst komme ich auch ganz gut voran, und es ist nur noch ein kurzes Stück bevor der Hang abflacht, aber bevor ich in Sicherheit bin, liegt noch eine Herausforderung vor mir. Um zu den nächsten Felsen zu gelangen, an denen ich mich fest halten kann, muss ich über ein super steiles, bröckelndes Geröllfeld, das unversehens ins Nichts abstürzt. Komme ich mit dem Hang ins Rutschen gelange ich schneller als mir lieb ist zurück in den Canyon…
Allerdings habe ich auch keine Lust umzukehren und womöglich einen riesigen Umweg in Kauf zu nehmen...
Mit äußerster Vorsicht taste ich mich Schritt für Schritt voran. Zum Glück muss ich nur einige Meter auf diese Weise bewältigen, aber diese reichen mir auch…
Ich hatte die Koordinaten einer Forststraße aus der Karte abgelesen und in meinem GPS gespeichert. Und tatsächlich, ich gelange genau dort auf die Straße wo ich wollte.
Zu meinem Erschrecken endet die Piste nach wenigen Metern offenbar schon wieder! An einem trockenen Bachbett hört die Fahrspur einfach auf. Zunächst denke ich, dass es vielleicht ein Stück weit in der Ablaufrinne weiter geht, aber egal in welche Richtung ich erkunde, es gibt kein Zeichen, dass auf die Piste hinweist. Schließlich durchquere ich das Bachbett und laufe ein Stück bergauf. Zwar erscheint es kaum vorstellbar, dass ein Fahrzeug über die zahlreichen großen Felsbrocken hier fahren kann, aber schließlich entdecke ich doch alte Reifenspuren und einige Zeit später bin ich auf der breiteren, gut gepflegten Forststraße 100.
Wahnsinn, wie stark dieses Gelände von zahlreichen tiefen Schluchten durchfurcht wird. Aber ich habe Spass! Die Herausforderung in Verbindung mit dem strahlenden, klaren Wetter macht mich zufrieden. Eigentlich hatte ich vor die Straße lediglich zu überqueren und dann ca. 5 Kilometer Luftlinie weglos bis in Beef Basin zu laufen. Allerdings halte ich es nach den Erfahrungen von gestern und heute Morgen für besser, zunächst auf der Piste zu bleiben.
Ich komme gut voran und gelange aus dem dichten Kiefern- Wacholder Wald schließlich in offenere, offenbar beweidete Bereiche, obwohl ich kein Vieh sehe.

Irgendwann gelange ich an eine Kreuzung wo unter einem Schild ein Kasten mit einem Fragebogen hängt. Hier möchte das BLM, das die Gegend verwaltet mit einem Fragebogen etwas über die Besucher des Beef Basin erfahren. Außer mir sind offenbar alle anderen Besucher im Auto unterwegs. Da es hier etliche Anasazi Stätten gibt, verirrt sich der eine oder andere hierher, insgesamt ist die Zahl der Besucher sehr überschaubar. Daher wundert es mich auch nicht weiter, dass ich heute niemand begegne.
Mittlerweile habe ich bereits wieder einen Großteil des gestern Mittag an Kirks Cabin geschöpften Wassers verbraucht, und steuere daher die in meiner Karte eingezeichnete Beef Basin Spring an. Zunächst erschließt sich mir aus der Topographie nicht ganz, wo hier eine Quelle sein könnte, aber doch, nur wenige Meter abseits einer Fahrspur gelange ich dann an die Wasserstelle, die zu meiner Überraschung erst gerade in einen Viehtrog geleitet wurde.

                                            Die perfekte Badewanne!

Zunächst ergänze ich meine Wasservorräte, aber dann lass ich es mir nicht nehmen, in dem noch völlig sauberen Bassin ein Vollbad zu nehmen!
Weiter gehe ich etwa fünf Kilometer weglos von hier über das offene Weideland des Beef Basin. Ich sehe nur einige wenige Kühe, aber die Gegend ist so, wie man sich den Wilden Westen vorstellen kann. Weites Land über das weiße Wolken ziehen.

                                                  Die Weite des Beef Basin

Ich komme gut vorwärts und erreiche schließlich den Ausgangspunkt des Wanderweges zum Fable Valley, womit ich wieder auf der Originalroute des Hayduke Trails angelangt bin. Auch hier gibt es eine Box mit Bögen auf der sich Wanderer eintragen sollen. Allerdings bin ich offenbar der Erste, es gibt sonst noch keine Eintragungen!
Ein Stück weiter schlage ich oberhalb von einem trockenen Bachbett mein Lager auf. Ich habe heute 19 Kilometer Luftlinie zurückgelegt, fühle mich gut und bin zufrieden mit dem Tag.
Am Morgen denke ich zunächst, auf dem Trail ins Fable Valley zu sein. Lediglich die Quad Spuren verwundern mich ein wenig, denn der Weg ist für motorisierten Verkehr gesperrt. Aber bei den wenigen potenziellen Besuchern hier achtet wahrscheinlich niemand darauf.
Tief unter mir liegt ein Canyon, in dem zu meiner Überraschung ein Wasserfall rauscht. Leider hört der vermeintliche Weg irgendwann an einer Felswand auf, und so sehr ich auch nach dem weiteren Wegeverlauf suche, an dieser Stelle geht es nicht weiter! 
Natürlich hatte ich mir wieder mal nicht die Mühe gemacht, vor dem Aufbruch die Karte genau zu studieren, der Weg war ja offensichtlich eindeutig zu erkennen…
Nun gut, zu meiner Schande muss ich nach der Kartenkonsultation in Verbindung mit dem GPS erkennen, dass ich in die falsche Richtung gelaufen bin, was mich mal wieder eineinhalb Stunden gekostet hat! Es hilft aber nichts, mir bleibt nichts anderes übrig als denselben Weg zu meinem Lagerplatz zurück zu gehen.
Dort angekommen suche ich eine ganze Zeit lang nach dem richtigen Pfad, schließlich weist die Tafel doch ganz deutlich auf den Fable Valley Trail hin. Aber zunächst entdecke ich nicht den Hauch eines Weges. Schließlich gehe ich weglos in die richtige Richtung und entdecke nach einiger Zeit sowohl Spuren von Mulis als auch Steinmännchen. Endlich bin ich auf dem richtigen Pfad, dem ich dann etwa sechs Kilometer weit folge. Zeitweise ergeben sich imposante Ausblicke in Gypsum Canyon, tief unter mir. Eine sehr abweisende Umgebung!

                                                           Gypsum Canyon

Lange Zeit kann ich dem Pfad ohne Probleme folgen, aber dann, an einem trockenen Bachbett kann ich keine Steinmännchen mehr finden, die bislang den Wegeverlauf zuverlässig angezeigt haben. Ich bin verwirrt, sollte das Bachbett schon das Fable Valley sein? Nein, dazu ist es noch zu früh. Schließlich gehe ich ohne Pfad weiter und stoße irgendwann auch wieder auf Steinmännchen.
Bald erreiche ich tatsächlich das Fable Valley. Im Gegensatz zu den tief eingeschnittenen Canyons der Umgebung ist dies ein breites, offenes Tal, das man geradezu lieblich nennen kann. Von dem fließenden Wasser, das es hier zu anderen Zeiten gibt, ist leider mal wieder kaum eine Spur zu sehen. Ein Loch mit stinkendem Brackwasser ist sicher selbst für einen abgehärteten Magen nicht genießbar.
Das Seitental in das ich bald abbiege, ist im Führer nur knapp beschrieben, so dass ich keine Vorstellung von der Tortur habe, die jetzt vor mir liegt. Zunächst ist der Bewuchs aus Dornsträuchern in dem schattigen, geschützten Canyon stellenweise so dicht, dass ich nur mit erheblichem Körpereinsatz mich hindurch zwängen kann und ich sowohl in der Kleidung als auch in der Haut einige Risse davon trage.
Schwieriger als die Vegetation sind aber die zahlreichen Abstürze in diesem Canyon. Etliche der Kletterpartien sind dabei alles andere als einfach. Spätestens jetzt denke ich, dass der Hayduke Trail nur für schwindelfreie Leute, die auch mit Gepäck gerne klettern geeignet ist. Wer größere Distanzen auf einem ausgetretenen Pfad zurück legen möchte, ist hier ganz sicher falsch.
Es sind so viele Abstürze zu überwinden, dass ich irgendwann aufhöre sie zu zählen. Natürlich gibt es auch besonders gemeine Kombinationen aus dorniger Vegetation in Verbindung mit schwieriger Kletterei.
Schon recht weit oben in der Schlucht verlasse ich das Tal und will mir durch den Wachholder- Kiefernwald des Dark Canyon Plateaus selber meinen Weg suchen. Auf diese Weise möchte ich mir weitere zeitraubende Kletterpartien sparen.
Plötzlich durchfährt mich ein großer Schreck. Meine Kartentasche mit drei Ausdrucken ist nicht mehr da! Normalerweise trage ich die Tasche an einer Kordel um den Hals, aber da das bei den Klettereien sehr störend war, hatte ich die durchsichtige Plastiktasche in meine Hose gesteckt. Eine kurze Zeit lang versuche ich meinen Weg zurück zu verfolgen, um die Tasche mit den kostbaren Karten wieder zu finden, muss aber schnell erkennen, dass es mir nicht gelingt auf dem selben Weg zurück zu gehen, und es daher sehr unwahrscheinlich ist, dass ich die Tasche wieder finde.
Glücklicherweise habe ich bereits einige Wegpunkte für den nächsten Abschnitt in mein GPS einprogrammiert, daher kann ich meinen Weg fortsetzen. Zwar habe ich ein komisches Gefühl so ohne Karte ins Blaue zu marschieren, aber zunächst komme ich auf dem Plateau recht gut voran. Offene Grasflächen erlauben mir erste Ausblicke zu den noch fernen Henry Mountains, über die der Hayduke Trail führt.
Ich kreuze eine Sandpiste und tauche dann in den Horse Pasture Canyon ein.
Auch hier gibt es einige Abstürze. Offenbar hat es vor nicht allzu langer Zeit geregnet, denn einige Felslöcher sind mit Wasser gefüllt. Endlich kann ich meine Wasservorräte wieder auffüllen, ein wahrer Glücksfall wie ich später noch feststellen sollte…

                               Das Wasserloch entpuppt sich später als wahrer Glücksfall…

Irgendwann stehe ich am Rand eines Absturzes, der viel höher ist, als alle die ich zuvor gesehen habe. Mittlerweile bin ich im Johns Canyon, und diese Stufe ist auch im Führer beschrieben. Es heißt, man soll aus dem Canyon klettern und erst ein ganzes Stück weiter auf einer anderen Route zurück in Johns Canyon gelangen.
Zunächst versuche ich in der Nähe des Absturzes eine Route zu finden. Zunächst komme ich auch ganz gut voran, aber schließlich erscheint es mir doch zu gefährlich, weiter zu klettern. Wie im Führer empfohlen, gehe ich etwa einen Kilometer weit zurück und finde dort eine nicht allzu schwere Route auf der ich zum Canyon Rand gelange.
Mittlerweile ist es schon recht spät, so dass ich hier, oberhalb der Schlucht mein Lager aufschlage. Ein spannender, fordernder zum Teil frustrierender Tag geht zu Ende.
Voller Spannung ob ich den Weg zurück in den Canyon finden werde, bin ich schon bei Sonnenaufgang unterwegs. Aufgrund der höheren Lage ist es noch recht frisch, so dass ich zum ersten Mal auf dieser Tour zunächst mit dünnem Fleece und langer Hose laufe.
Da ich ja keine Karte mehr habe, bin ich auf die Beschreibung im Führer angewiesen um die Stelle zu finden, bei der der Abstieg möglich ist. Etwas einen Kilometer weit laufe ich oberhalb des Canyonrands und prüfe immer wieder die Gegend im Hinblick auf eine Möglichkeit in die Schlucht hinein zu gelangen. Doch die fast senkrechten Wände lassen vorerst keinen Gedanken an einen Abstieg aufkommen.
Dann entdecke ich ein Steinmännchen! Das kann kein Zufall sein, sollte dies der Routenbeginn sein? Und tatsächlich entdecke ich weitere von Menschen aufgeschichtete kleine Steinhaufen, die mich zu einem Seitental führen, dass sehr steil und Ehrfurcht gebietend zur tiefen Schlucht des Johns Canyon abfällt.
Zunächst gelange ich ohne größere Probleme ein ganzes Stück tiefer. Doch dann enden die Steinmännchen an einer Schuttzone, die bald in hellen, senkrechten, glatten Felsen übergeht. Hier geht es nicht um eine Frage des Muts eine Kletterpartie zu wagen. Es ist schlichtweg unmöglich diese Wand hinab zu gelangen, obwohl der Canyongrund so nah ist, dass ich bereits das Fließen des Wassers hören kann.
Aber nach der Beschreibung des Führers bin ich hier richtig und die Steinmännchen sollten nach aller Logik auch nicht einfach ins Nirgendwo führen.
Zwei Stunden lang suche ich weiter nach einer Abstiegsroute. Dazu folge ich einem schmalen Felsband, auf dem ich mich oberhalb der Schlucht balanciere. Der trockene Fels ist zwar griffig, aber stellenweise ist das Band so schmal, dass ich mir unter keinen Umständen einen Fehltritt erlauben darf.

                                          In der Wand von Johns Canyon

Kein Spaß für Leute die nicht schwindelfrei sind. Immer noch hoffe ich, irgendwo auf eine Stelle zu stoßen, an der ein Stück der Wand abgebrochen ist.
Aber meine Hoffnung erfüllt sich nicht und ich sehe schließlich keine andere Möglichkeit als den Rückzug anzutreten.
Was sind meine Optionen? Ich könnte versuchen dem Canyonrand weiter zu folgen in der Hoffnung doch noch eine Stelle zu finden, an der ich in die Schlucht hinabsteigen kann. Nach dem gerade erlebten Misserfolg bin ich zu demoralisiert dazu, ausserdem fehlt mir ja dummerweise das nächste Kartenblatt…
Ich könnte der Sandpiste die ich überquert hatte folgen, in der Hoffnung, dass ich so irgendwie in die richtige Richtung gelange. Da ich nicht weiß, wohin der Weg führt und, wie reichlich erfahren, die Gegend ziemlich wasserarm ist, möchte ich auch kein solches Vabanquespiel eingehen.
Schließlich bleibt als letzte Möglichkeit nur noch ein Stück weit die selbe Route zurückzulaufen um schließlich den Canyonlandsnationalpark auf einer anderen Route zu durchqueren.
Gesagt getan. Am Wasserloch über das ich gar nicht dankbar genug sein kann, fülle ich all meine Wasserbehälter auf. Schließlich überquere ich wieder Kiefernwälder und Grasflächen des Dark Canyon Plateaus und muss mich dann erneut durch das schwierige Seitental des Fable Valley mit seinen Abstürzen und dornigen Gebüschen quälen.
Während mich auf dem Hinweg noch die Herausforderung des Unbekannten lockte, nerven mich die zahlreichen Hindernisse der Schlucht nur noch.
Zurück im Fable Valley finde ich einige Kühe, deren Ende wohl mit dem letzten Schluck Wasser gekommen war…

                                                     Land ohne Wasser

Glücklicherweise hatte ich meine Wasservorräte wieder aufgefüllt, daher kann ich mir einen idyllischen Lagerplatz in dem schönen Tal suchen.

                                               Im Fable Valley

Am nächsten Morgen benötige ich zwei Stunden bis ich den Fable Valley Trail wieder gefunden habe. Auf dem Hinweg hatte ich den Weg irgendwann verloren und war das letzte Stück bis zum Fable Valley weglos gelaufen. Daher habe ich jetzt einige Mühen den Trail wieder zu finden.
Gegen 11 bin ich wieder am Trailhead und durchquere das Beef Basin erneut. Obwohl ich diesmal auf den Sandpisten laufe, begegnen mir lediglich einige Kühe, keine Menschen.
An der Beef Basin Quelle fülle ich erneut 10,5 Liter Wasser auf. Von gestern hatte ich lediglich noch 2 Liter über behalten. Natürlich lasse ich mir auch ein erneutes Bad nicht nehmen.
Schon seit einiger Zeit ist es ziemlich windig, Donnergrollen ertönt und der Himmel um mich herum wirkt bedrohlich, wenn auch schön.

                                                         

                                          Gewitterstimmung im Beef Basin

Obwohl es so stark nach einem Unwetter aussieht, gehen bei mir lediglich einige wenige Tropfen nieder.
Als ich weiter laufe, kommt mir tatsächlich ein Mann mit einem weißen Pick- up entgegen. Er hat den weiten Weg hierher zurückgelegt, da er an den zahlreichen Anasaziwohnstätten der Gegend interessiert ist.
Ich komme auch immer wieder an einigen ehemaligen Behausungen vorbei. Nicht zuletzt heißt die Gegend „Ruin Park“.
Als ich schon aus einiger Entfernung einen ziemlich hoch wirkenden Turm erspähe, glaube ich meinen Augen kaum zu trauen.
Allerdings wirkt das Gebäude aus der Nähe betrachtet schon viel weniger gigantisch.

                                                  Anasazi Ruine

Welche Mischung aus Überbevölkerung, Dürre, selbst verursachten Umweltschäden und Feinddruck war es, die die Anasazi schließlich zum Verlassen der Region brachten? Es gibt viele Theorien, aber genaues weiß man bis heute nicht.
Die Hopi und andere Stämme in Arizona und New Mexico sehen sich als Nachfahren der Anasazi.
Als die Gewitter endgültig abgezogen sind, ergeben sich herrliche Stimmungen im Spiel zwischen Wolken und zurückkehrender Sonne.
Gruppen von bizarren Felsen verraten, dass ich mich wieder dem Needles District nähere.
Ich hatte für diesen Abschnitt lediglich mit fünf Tagen kalkuliert, mittlerweile ist aber schon der sechste Tag, daher habe ich kaum noch etwas zu essen.
Das trübt aber keineswegs meine Stimmung, im Gegenteil die herrliche Landschaft versetzt mich in Hochstimmung.

                                          
                                             Bizarre Felsformationen kündigen den Needles Distrikt an

Gerade noch rechtzeitig bevor die letzten Sonnenstrahlen die Felsen zum Leuchten bringen schlage ich mein Lager auf.
Die Stimmung ändert sich von Minute zu Minute und ich komme aus dem Fotografieren gar nicht mehr raus…


                                                     Die letzten Sonnenstrahlen lassen die Felsen leuchten

Wie so oft auf dem Coloradoplateau präsentiert sich nach dem Sonnenuntergang ein wunderschöner Sternenhimmel.
Der Morgen beginnt lustig: Ein Schild weist darauf hin, dass man ohne Allrad die Straße nicht befahren kann. Die „Straße“ ist ein Haufen großer Felsbrocken, von dem ich mir eigentlich nicht vorstellen kann, dass irgendein Auto diese steile Rampe ins Tal hinab befahren kann!
Etwa zwei Stunden laufe ich durch Täler voll gelbem Gras zwischen Felswänden. Ganz nett, aber auf die Dauer etwas eintönig. Ich bin jetzt wieder im Canyonlands Nationalpark und bald erscheinen dann auch die Sandsteintürme die dem Needles District seinen Namen gegeben haben. Ich kann es kaum erwarten in das Labyrinth der bizarren, vielfarbigen Felsen vorzudringen.

                                               Die Türme der Needles sind jetzt zum Greifen nah

Schließlich verlasse ich die Piste und folge schmalen Trails in Richtung Chesler Park. Es gibt keine Markierungen, besonders auf den weiten Felsbereichen muss ich stets nach dem nächsten Steinhaufen Ausschau halten, der den Weg kennzeichnet. Mal geht es über weite sonnige Plateaus, dann gilt es extrem schmale Durchgänge zwischen den Türmen zu entdecken.
Da ich noch weit vom nächsten Parkplatz entfernt bin, habe ich die grandiose Landschaft an diesem strahlenden Morgen für mich.
Ich bin kein Esoteriker, aber wenn es irgendwo so etwas wie einen Kraftort gibt, dann hier.
Noch ist das Licht klar und ideal zum Fotografieren. Daher komme ich kaum dazu meine Kamera einmal abzusetzen.

                                                  Erstaunliche Erosionsgebilde

Wo sich nur ein wenig Erde auf den Felsen gebildet hat, ist dieser von einer dunklen mikrobiotischen Kruste aus Flechten überzogen. Da diese leicht geschädigt werden kann und unter den Bedingungen der Wüste nur sehr langam wächst, darf sie nicht betreten werden.
Dafür ist es eine Lust über die warmen, oft glatt poliert erscheinenden Felsen zu laufen. Der Sandstein ist so griffig, dass man auf ihm auch erstaunlich steile Passagen ohne Probleme bewältigen kann.
Die hellen Schichten die immer wieder in den dunkelrot bis schokoladenbraun gefärbten Sandstein eingestreut sind, bewirken die erstaunliche Farbigkeit dieser Gegend.

                                          Den Steinpyramiden folgend über die Felsen

Erst als ich nur noch 8 Kilometer vom Campingplatz Squaw Flat entfernt bin, treffe ich die ersten Touristen. Bald stelle ich fest, dass mindestens 50 % von ihnen Deutsche sind. Nach der Zeit in der Einsamkeit genieße ich es mich ausgiebig in meiner Muttersprache zu unterhalten. Ich denke ich habe bei manchen Leuten bestimmt blutende Ohren verursacht…
Gegen 15 Uhr erreiche ich den Parkplatz Elephant Hill. Erstaunlich wie viele Autos hier stehen! Aber gut, zwar ereilt mich hier ein kleiner Kulturschock nach der langen Zeit in der Einsamkeit, wenigstens sollte ich hier schnell eine Mitfahrgelegenheit finden.
Und tatsächlich, dass erste Paar das ich anspreche nimmt mich gleich mit. Natürlich entpuppen sich die Beiden rasch als Deutsche! Ganz im Gegenteil zu mir sind sie von den Needles etwas enttäuscht. Sie fanden die Wege zu anstrengend und schlecht markiert, daher haben sie sich nicht sehr weit vom Parkplatz entfernt. Jetzt wird mir auch die Diskrepanz zwischen den relativ wenigen Menschen die mir begegneten und den zahlreichen Benzinkutschen auf dem Parkplatz klar: Die meisten Leute halten nur relativ kurz und fahren dann weiter. Umso besser für die Fußgänger die mit wenig Mühe diese herrliche Gegend genießen können.
Nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichen wir Monticello. Der Ort ist viel kleiner als Moab, dennoch gibt es hier etliche Unterkünfte und ich finde auch bald ein relativ günstiges Motelzimmer.
Jetzt gerate ich ganz schön in Stress, denn ich möchte nicht länger als nötig hier bleiben. Nach ausgiebiger Dusche und Wäsche waschen per Hand steuere ich den relativ gut sortierten Supermarkt des Ortes an um meine Vorräte für den nächsten Abschnitt einzukaufen.
Dann kommt der Höhepunkt des Abends in einem typisch amerikanischen Restaurant. Eigentlich ist die Portion Steak mit Salat und Pommes schon ziemlich üppig. Dennoch muss ich mir eine weitere Portion Pommes und ein großes Eis bestellen um die Leere in meinem Bauch zu füllen.
Die Bedienungen sehen allerdings so aus, als ob sie jeden Tag so ein Festmahl genießen würden ohne allerdings mehr als nötig zu laufen…

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