Übersichtskarte der Via Dinarica
Nun, wegen der kurzfristigen Änderung meines Alaskaplans brauche ich etwas, was mich stark reizt, rasch zu organisieren ist, und idealerweise nicht allzu teuer. Ich muss nicht lange nachdenken, in dem Moment wo mein Entschluss fällt, nicht nach Nordamerika zu fahren, weiß ich auch schon, was ich machen möchte: Die Via Dinarica wandern!
Die Via Alpina, ein Netzwerk aus fünf langen Wanderwegen, die die Alpen durchkreuzen, besteht schon seit etlichen Jahren und ist relativ bekannt. Aber was ist die Via Dinarica?
Bereits vor drei Jahren hatte mir meine Freundin Christine von dem Projekt erzählt, einen durchgehenden Wanderweg zu schaffen, der von Slowenien nach Albanien führt. Ca. 1300 Kilometer durch das Dinarische Gebirge, sehr dünn besiedelte Berglandschaften mit bizarren Karstformationen, tollen Wäldern in denen Bären und Wölfe leben und eine Hirtenkultur wie es sie in den Alpen im 19. Jahrhundert gegeben hat... Das hörte sich für mich so interessant an, dass ich ein wenig im Internet recherchierte und, da es bereits eine Webseite gab, ich eine email an das Projekt schrieb, mit dem Wunsch mehr über dieses spannende Vorhaben zu erfahren. Allerdings bekam ich nie eine Antwort...
Dennoch verlor ich die Via Dinarica nie ganz aus den Augen. Obwohl der Weg noch gar nicht existierte, wurde er schon 2014 von dem bekannten amerikanischen Magazin Outside zum Wanderweg des Jahres gekürt. Dann las ich im letzten Jahr mehrere Artikel von dem bekannten Blogger Hendrik Morkel über den Trail, was meine Lust den Weg selber zu entdecken weiter anfachte.
Allerdings war mir stets nicht ganz klar, ob die Via Dinarica nun fertig entwickelt ist oder nicht...
Dann erzählte mir wiederum Christine, von der ich als erstes etwas über die Via Dinarica erfahren hatte, dass der Weg nun fertig sei, und die Etappen samt GPS- Track im Internet zu finden sind!
Als ich mir das angeschaut hatte, zog ich bereits ernsthaft in Erwägung, den Weg im nächsten Jahr zu laufen. Nun, durch meinen Entschluss, in diesem Jahr nicht nach Alaska zu fahren, würde ich halt die Via Dinarica schon in diesem Jahr laufen!
Genau gesagt habe ich vor den "Weißen Weg" zu erwandern. Dieser führt über die höchsten Gipfel der Dinariden und ist wohl derjenige, der teilweise in die Kategorie "alpin" fällt. Daneben soll es in Zukunft noch einen "Grünen Weg" geben, der durch die Mittelgebirgslandschaften Ex-Jugoslawiens führen soll, sowie einen "Blauen Weg" an der Küste und auf den Inseln Kroatiens.
Ich benötige nur ein Wochenende um An- und Abreise zu organisieren und die Tracks der insgesamt 45 Etappen auf mein GPS zu laden. Jetzt brauche ich nur noch hinfahren und loslaufen!
Mit dem Nachtzug aus Frankfurt komme ich um 7.30 morgens in München an. Ich nehme eine S-Bahn zur Busstation an der Hackerbrücke, wo schon bald der IC Bus nach Ljubljana losfährt. Die komplette Fahrt von Marburg zu der slowenischen Hauptstadt hat mich gerade mal 49 Euro gekostet!
Per Bus von München nach Ljubljana
Schon um 13 Uhr sind wir am Busbahnhof in der größten Stadt Sloweniens. Es dauert nur 20 Minuten bis von dort ein weiterer Bus nach Postojna, meinem Ausgangspunkt abfährt. Dieser kostet 7,50 Euro.
Auf der Pfad erhalte ich schon einen Vorgeschmack auf die weiten Wälder des Landes.
Bereits gegen 15 Uhr erreichen wir den 14.000 Einwohner zählenden Ort Postojna. Die Via Dinarica beginnt offiziell ca. 10 Kilometer entfernt bei der Burg Predjamski Grad, aber ich habe wenig Lust zunächst in die falsche Richtung zu laufen und dann den selben Weg zurück zu nehmen, daher verlasse ich die touristisch geprägte Stadt mit Hotels und Restaurants gleich und breche auf in Richtung Süden. Allerdings sind die Burg und die riesige Höhle in der Nähe wohl sehr sehenswert...
Ich habe keine Papierkarten dabei, sondern benutze lediglich mein GPS mit den Tracks des Weges und einer Karte, die das ganze ehemalige Jugoslawien abdeckt.
Es gibt nirgendwo einen Hinweis auf die Via Dinarica geschweige denn eine Markierung. Tatsächlich sollte ich die ersten Schilder des Trails in Bosnien- Herzegowina sehen...
Nach einer halben Stunde habe ich das Stadtgebiet verlassen, und gelange zu einem asphaltierten Waldweg, wo ich dann auch die erste Wanderwegemarkierung sehe. Diese runden, rot- weißen Zeichen findet man überall im ehemaligen Jugoslawien.
Mächtiger Braunbär
Er unterhält eine Futterstelle für die Bären, wo sich vier Individuen regelmäßig einfinden. Aber auch junge Wölfe kann er von seinem Walddomizil aus oft hören.
Da es schon spät ist, laufe ich nicht mehr sehr viel weiter und schlage mein Lager ein Stück abseits des Weges auf. Das Wetter ist so warm und stabil, dass ich lediglich das Innenzelt mit dem Moskitonetz aufbaue. Obwohl es hier kein Wasser gibt, schwirren recht viele Mücken durch die Luft...
Mein erstes Lager
Ich bin sehr zufrieden mit dem Tag, vor allem da die Anreise so gut geklappt hat, dass ich noch loslaufen konnte. Der riesige, einsame Wald gefällt mir auch sehr gut. Nur würde ich lieber über Straßen, als Forstwege laufen...
Bevor ich am nächsten Morgen aufbreche unternehme ich einen kleinen Spaziergang um nach Möglichkeit Tiere zu fotografieren. Zwar läuft mir kein Bär über den Weg, immerhin kann ich aber einen Rehbock aus der Nähe beobachten. Er weiß nicht so recht etwas mit mir anzufangen und läuft schließlich laut "bellend" davon.
Rehbock
Obwohl es sich hier um keinen Urwald handelt, wirkt der Wald sehr natürlich, bunt gemischt nach Arten, Alter und Größe. Toll!
Jetzt, Anfang Juli blühen auch noch einige Orchideen.
Weißes Waldvöglein
Als ich dann später nach meinem Müslifrühstück aufbreche, zaubert die Sonne bereits Lichtflecke in den dunklen Wald.
Die ersten Sonnenstrahlen
Tolle Blumen, wie die leuchtend- orangen Feuerlillien erstrahlen im Morgenlicht.
Feuerlillie
Auch heute bleibe ich in dem großen, geschlossenen Waldgebiet. Nur selten komme ich mal an einem einsamen Haus oder einer Kapelle vorbei. Manche der Gebäude stehen leer, sind aber gut erhalten, andere werden wahrscheinlich als Forsthäuser genutzt. Wer weiß, in der Zukunft vielleicht schöne Übernachtungs- und Einkehrmöglichkeiten auf der Via Dinarica?
Einsame Häuser und kleine Kapellen mitten im Wald
Verstreute Waldwiesen sind von summendem Insektenleben erfüllt.
Waldwiesen sind ein Blumen- und Insektenparadies
Libelle
Anders als bei uns steht nicht an jeder Ecke ein Hochsitz, dafür gibt es wunderbar getarnte Verstecke für die Jagd.
Tolles Versteck
Die Bären leben hier nicht nur in den Erzählungen von Alex, sondern hinterlassen nicht zu übersehende Spuren mitten auf dem Forstweg...
Das erste Zeichen der Bären
An vielen Stellen leuchtet fast weißes Kalkgestein aus dem Wald hervor.
Kalkfelsen sind typisch für das Dinarische Gebirge
Als es Zeit für die Mittagspause ist, folge ich ein Stück weit einem alten Rückeweg um ein nettes Plätzchen zu finden. Zu meiner Freude entdecke ich eine große, tiefe Pfütze mit klarem Wasser. Nein, ich will nicht aus dem Wasserloch trinken, aber abgekocht dürfte das Wasser kein Problem machen. Kurzerhand entfache ich meinen Holzkocher und bereite mir Kartoffelbrei auf dem Bushbuddy zu. Obwohl es heute bislang klar und schön war, gehen Nachmittags einige kurze Schauer nieder.
Neben den allgegenwärtigen Buchen und Tannen gibt es hier aber auch relativ seltene Baumarten wie die Bergulme.
Wie ich erst jetzt aus dem Internet erfahre gibt es in Masun eine Burg und ein Restaurant, dass Bärenbraten anbietet, aber da ich eine Abkürzung nehme, komme ich nicht durch den Ort. Der Berg Sneznik ist offenbar ein beliebtes Wanderziel, da ich auf Wegetafeln treffe, die auf den Weg zu ihm hinweisen.
Wanderweg zum Sneznik
Nach 24 Kilometern verlasse ich endlich die Forstwege und wandere auf einem schönen, schmalen Pfad bergauf. Die Etappe von Postojna zum Sneznik war das erste Stück der Via Dinarica was bereits 2013 erkundet wurde. Auf der Webseite ist erwähnt, dass der Weg in diesem Abschnitt eventuell noch verlegt wird. Das wäre sehr wünschenswert, da die Wälder zwar sehr beeindruckend sind, es aber viel schöner wäre, nicht die ganze Zeit auf Forststraßen zu wandern...
Plötzlich sehe ich eine Bewegung im Hang, jenseits eines schmalen Tales. Eine Hirschkuh zieht langsam bergauf. Ich setze meinen Rucksack ab und versuche das Tier vorsichtig anzupirschen. Als sie noch einmal verhofft, gelingt es mir tatsächlich einige Bilder zu machen!
Hirschkuh
Bald darauf schlage ich im Buchenwald mein Lager auf. Da ich ja schon Mittags etwas Warmes gegessen hatte, gibt es zum Abendbrot lediglich zwei Tafeln Schokolade. So habe ich noch Zeit zu einem kleinen Erkundungsgang. Besonders gefallen mir die hier reichlich vorkommenden Orchideen.
Knabenkraut
Obwohl es erst gegen 21 Uhr dunkel wird, habe ich auf dieser Wanderung zum ersten Mal einen e- Bookreader dabei, den ich sehr schätzen lerne! Auch in der Vergangenheit war meistens ein Taschenbuch im Rucksack dabei. Das war natürlich schnell ausgelesen und ich konnte wieder von vorne anfangen. Mit einem e- Bookreader verfügt man über fast unendlichen Lesestoff bei geringem Gewicht!
Am nächsten Morgen ist die Welt feucht, neblig und grau, was sehr gut zu den slowenischen Wäldern passt!
Es dauert nicht mehr allzu lange, bis die ersten Latschen auftauchen und bald danach sind auch die letzten Buchen zurück geblieben.
Zu meiner Freude wachsen hier Brillenschötchen, kleine gelbe Blumen, die essbar sind und einen angenehm nussigen Geschmack haben. Diese pflanzliche Delikatesse kenne ich aus Tirol, eine weitere Gemeinsamkeit mit den Alpen!
Die ersten Latschenkiefern
Ohne Nebel wäre die Aussicht bestimmt toll...
Vom kleinen Sneznik geht es über einen Rücken zu seinem großen Bruder. Aber bevor ich zum Gipfel gelange, darf ich noch in ein bodenloses Loch schauen. Durch die Verwitterung entstehen im Kalkstein bei ausreichendem Niederschlag alle möglichen bizarren, geologischen Formen, wovon die Tropfsteinhöhlen wohl am bekanntesten sind.
Bereits gegen 10 Uhr habe ich den Gipfel des Sneznik (Schneeberg) erreicht, der 1796 Meter hoch ist. Da heute Sonntag ist, ist die Hütte offen und gut besucht.
Die Hütte auf dem Sneznik
Als ich mich als Via Dinarica Wanderer zu erkennen gebe, setzt sich Slavko, der nette Wirt zu mir. Wahrscheinlich könnte ich jetzt einen Schnaps nach dem anderen trinken, aber mir reicht die Limonade zu der er mich einlädt, voll und ganz. Die Hütte ist von Mai bis Ende Oktober an Wochenenden und Feiertagen geöffnet, im August sogar auch in der Woche. Im Winter nur bei guten Schneeverhältnissen. 28 Leute können hier übernachten, was 12 Euro kostet, als DAV- Mitglied nur die Hälfte! Es wird Essen zubereitet, man kann aber auch selber kochen. Und für die Freunde der ständigen mobilen Kommunikation: Es gibt hier sogar w-lan...
Irgendwann muss sich Slavko wieder um seine Gäste kümmern, dafür teilen meine Tischnachbarn, die auch englisch sprechen, Brot, Zwiebeln, Tomaten und Schmalz mit mir! Genau das Richtige für einen hungrigen Wanderer!
In der Hütte geht es hoch her
Doch nach einer Stunde heißt es Abschied nehmen, da es für mich noch viel zu früh zum Hierbleiben ist!
Freundlicherweise macht jemand das obligatorische Gipfelfoto von mir, dann geht es weiter durch den Nebel, den auch der pfeifende, kalte Wind nicht vertreibt.
Tolle Tour, ich freue mich auf eine Fortsetzung!
AntwortenLöschenIch war bisher nur im Velebit, hat mir sehr gut gefallen und kann mir daher sehr gut vorstellen auch mal die Via wie du zu laufen.
Danke!
Ja, ich glaube du darfst auf die weiteren Berichte gespannt sein! Ich fand die Via Dinarica wirklich sehr gut, auch oder vielleicht gerade, weil noch nicht alles perfekt ist...
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