Unsere geplante Route
"Ihr seid doch Lemminge". Das sind die Worte eines ausgewiesenen Islandkenners, als er sieht mit wie wenig Ausrüstung wir durch Island wandern. Zunächst ist mir nicht ganz klar, was er damit meint, ich habe bei Lemmingen lediglich kleine, süße Nager vor Augen, die sich sehenden Auges in ihren Untergang stürzen...
Während bei unserem Start in Reykjavik das Wetter noch recht freundlich ist, setzen später auf der Kaldidalur Route Regen und Wind ein, die die karge Landschaft noch abweisender als normal erscheinen lassen. Was machen wir hier bloss?
Wie geschrieben, steht Island schon lange weit oben auf meiner "Wanderwunschliste". Den Ausgangspunkt dafür, dass ich in diesem Jahr meinen Traum verwirklichen kann, liefert allerdings mein Freund Vincent. Zwei Jahre zuvor, musste er eine andere anspruchsvolle Wanderung auf Island abbrechen. Diese "Schmach" ließ ihn nicht los, und so plant er zunächst eine Wiederholung des Vorhabens von 2013. Da er die Tour nicht alleine machen möchte, fragt er mich, ob ich Interesse habe. Klar, allerdings möchte ich nicht lediglich ein bereits schon einmal durchgeführtes Unternehmen genau so wiederholen. Also überlegen wir gemeinsam, was für eine Wanderung auf Island uns beide reizen würde. Dabei haben wir die selben Ansprüche: Die Tour sollte lang genug sein, dass sie uns eine Herausforderung für drei Wochen bietet, durch möglichst abgelegene Gegenden mit wenig Zivilisationsspuren führen und einen guten Eindruck vom isländischen Hochland liefern. Dabei wollen wir so wenig wie möglich auf Pisten und Fahrspuren wandern, was ansonsten im Hochland recht häufig gemacht wird. Zunächst bietet sich für eine so lange Tour eine Nordsüddurchquerung an. Allerdings ist man dabei nie wirklich weit von den Hauptpisten des Hochlands entfernt, die auch den Korridor zwischen Vatna- und Hofsjökull nutzen.
Andererseits wollen wir aber unbedingt die bunten Berge im Gebiet südlich von Landmannalaugar in die Route integrieren. Nach ausführlicher Recherche hat Vincent schließlich eine zündende Idee: Wir wollen eine Wanderung machen, die alle großen Gletscher Islands miteinander verbindet!
Da die meisten Flüsse auf Island allerdings entgegengesetzt zu unserer geplanten Route fließen, ist klar, dass das ein Problem sein kann. Durch reissende, eiskalte Gewässer zu waten ist stets eine Herausforderung und hat schon so manches Wandervorhaben auf Island scheitern lassen. Aber uns fällt rasch eine Lösung für dieses Problem ein: Wir werden Packrafts mitnehmen, im Wesentlichen für die Überquerungen der Flüsse, aber vielleicht können wir ja auch mal ein längeres Stück paddeln...
Packrafts mitnehmen? Als ich mit Jana auf Islands Flughafen Keflavik ankomme, und meinen Rucksack auf dem Gepäckband sehe, bekomme ich einen kleinen Schock: Das außen festgemachte Boot fehlt. Leider führen weder meine Reklamation bei Icelandair noch alle Nachforschungen zum Ziel, das Packraft bleibt verschwunden... Glücklicherweise kommt Vincent erst zwei Wochen später. In der Zwischenzeit gelingt es ihm, ein Leihboot vom Packraftingstore zu organisieren, mit der Option es nach der Tour zu kaufen. Während unserer Tour auf der Ringstraße verfolgen wir wenn möglich stets den Wetterbericht. Nach einem kalten Frühjahr will der Schnee einfach nicht tauen. So werden auch die Hochlandpisten erst ganz kurz vor unserem Start frei gegeben... Da es uns unter diesen Umständen unsicher erscheint, ob wir per Anhalter zu unserem Startpunkt an der Kaldidalur-Piste gelangen können, organisiert Vincent per Internet eine Transportmöglichkeit. Stefanie und ihr holländischer Freund haben gerade erst ein kleines Reiseunternehmen gestartet, daher bieten sie uns einen sensationell guten Preis für die Fahrt zum Ausgangspunkt unserer Wanderung. Als wir aus dem VW- Bus steigen, erwarten uns Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, gepaart mit etwas Regen und dem islandtypischen unangenehmen Wind. Egal, nachdem wir unser Gepäck arrangiert haben, laufen wir los. Immerhin tragen wir neben Ausrüstung und Packraft Proviant für zwei Wochen! Zwar ist es bereits 20 Uhr, aber egal, auf Island wird es im Juli nicht wirklich dunkel! Bald verzieht sich der Regen, es klart auf und wir wandern in den wunderschönen Abend hinein. Dabei könnte man allerdings glauben, dass wir eher im Vorfrühling als im Sommer unterwegs sind... |
Wir laufen in den AbendErst gegen 23 Uhr versinkt die Sonne langsam hinter den Bergen. |
Da wir langsam an Höhe gewonnen haben, gibt es kaum noch schneefreie Flächen, aber schließlich werden wir doch fündig und bauen unsere Zelte auf.
Das Einpacken unserer Rucksäcke dauert morgens lange, wir haben halt noch keine Routine. Zum ersten Mal auf einer Tour setze ich einen Ultraleichtrucksack aus der "Wunderfaser" Cuben ein. Obwohl der HMG Windrider 70 Liter Volumen fasst, wiegt er weniger als ein Kilo und verfügt über ein gutes Tragesystem!
Auf dem Weg zum Pass |
Auf der anderen Passseite öffnet sich der Blick über die Weite des Langjökull, aus der zwei Berge, sogenannte Nunatakker, ragen.
Nunatakker auf dem Langjökull
Der Abstieg auf der anderen Seite ist zwar steil aber machbar. Weiter stapfen wir durch eine endlose Winterlandschaft. Dabei ist es heute nicht besonders kalt, zeitweise können wir sogar ohne Jacke laufen. Aber natürlich hat der Schnee bald meine Schuhe durchweicht. Das führt zu nassen Füssen, die ich aber als nicht weiter schlimm empfinde, solange wir in Bewegung bleiben. Glücklicherweise schafft die Sonne heute nicht wirklich den Durchbruch durch die Wolken, aber auch so ist die gleissende Helle anstrengend für die Augen. Irgendwann sieht Vincent farbige Pünktchen, höchste Zeit die Gletscherbrille aufzusetzen! Allerdings habe nur ich eine Brille dabei, die ich meinem Partner aber gerne leihe.
Ein großer See ist noch fast komplett zugeschneit und gefroren. Wenn wir zurück schauen, können wir unseren heute zurückgelegten Weg durch die Berge nachvollziehen.
Als die Wolken später am Nachmittag ein wenig aufreissen, ergeben sich herrliche Aussichten in die Weite der schneebedeckten Vulkane.
Ein mächtiger Vulkan
Wir suchen lange nach einem geschützten Lagerplatz, allerdings ohne Erfolg. Damit unsere Zelte sturmstabiler sind, befestigen wir sie so gut wie möglich mit dicken Steinen. Zwar ist es beim Lageraufbau ziemlich windig, glücklicherweise bleibt uns aber ein Sturm erspart...
Kein geschützter Lagerplatz
Nach dem wir uns eingerichtet haben, kümmere ich mich um meine Füße: Damit sie nicht völlig aufweichen und blasenanfällig werden, schmiere ich sie mit Vaseline ein. Nachdem das Fett eingezogen ist, schlüpfe ich dann in meine trockenen, wasserdichten Seal Skinz Socken.
Anschließend koche ich eine üppige Mahlzeit Kartoffelbrei mit reichlich Butter.
Vincent bevorzugt dagegen schwedische Fertigmahlzeiten.
Wir sind heute ein ordentliches Stück vorangekommen und konnten die "winterlichen Verhältnisse" gut bewältigen.
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