Translate

15.09.2018

Durch die Wildnisse Skandinaviens 18 - Kilpisjärvi- Kautokeino



Auf dieser Etappe passiere ich den höchsten Berg Finnlands, durchstreife das eindrucksvolle Reisatal und gelange schließlich in die Weiten der norwegischen Finnmark.

Bevor ich am nächsten Morgen weiter wandere, genieße ich das üppige Frühstücksbuffet des Hiking Centers. Sogar Maximilian, ein deutscher Weitwanderer, der den Nordkalottleden von Kautokeino aus läuft, staunt über die Mengen an Rührei, die ich mit dicken Backen verzehre. Na ja, danach gibt es ja auch wieder meine übliche, karge Wandererkost für 8 Tage...


                                                        Kilpisjärvi Hikingcenter

Im nächsten Abschnitt ist der Nordkalottleden hervorragend markiert, und mir begegnen mehr Leute an einem Tag, als sonst in Wochen! Viele finnische Wanderer gehen von hier aus zum Halti, dem mit 1324 Meter höchstem Berg ihres Landes. Na ja, in diesem Jahr feiert Finnland sein 100- jähriges Bestehen und zu diesem Anlass wollte Norwegen ein ganz besonderes Geschenk überreichen: Den Gipfel des Berges, der gar nicht auf finnischem, sondern norwegischem Territorium liegt! Aber wie man sich denken kann, können Politiker nicht einmal einen winzigen Teil ihres Landes an einen befreundeten Staat verschenken...
Jetzt zur Zeit der "Ruska" wie in Finnland die Zeit der herbstlichen Laubverfärbung genannt wird, sind besonders viele Leute unterwegs. Ich treffe sogar eine ganze Schulklasse, die für mehrere Tage wandernd unterwegs war! Keine Ahnung ob das den jugendlichen Schülern gefallen hat, aber zumindest kann ich mir vorstellen, dass der Eine oder Andere durch dieses kleine Abenteuer zu eigenen Touren inspiriert wird. 
Noch lange dominiert der Saana, ein langgestreckter Bergrücken, der 1029 Meter Höhe erreicht, den Blick. Gut vorstellbar, dass dieser markante Berg den Sami als heilig galt!
Das dritte Schuhpaar dieser Tour, welches ich mir gestern in Kilpisjärvi gekauft hatte, passt wie angegossen! Ein wenig hatte ich ja darüber nachgedacht, ob ich angesichts des kommenden Herbstes nicht besser auf Gummistiefel umsteige, bin dann aber doch bei Trailrunningschuhen geblieben. Hinter Kautokeino werde ich sehr lange weglos durch ausgedehnte Moorgebiete laufen, ich hoffe dass ich dort meine Entscheidung nicht bereuen werde...

                                       Blick zurück zum Saana

Der gute Pfad und die hügelige Landschaft ohne große Höhenunterschiede lassen mich rasch vorankommen. An der Saarijavrihütte lege ich eine Pause ein und steige dann langsam auf ein weites, steiniges Hochplateau, was an die Hardangervidda ohne Schnee erinnert. Mittlerweile dominieren Brauntöne die Landschaft, der Herbst hält jetzt, Ende August sichtbar seinen Einzug...
Die Hütte Kuomajoki wäre eigentlich ein gutes Tagesziel, mir ist dort aber zu viel los, daher laufe ich weiter in den Abend hinein und genieße es, alleine im sanften Licht des Tagesendes die weite Landschaft zu durchstreifen.

            Der Nordkalottleden oder "Kalottireitti" ist in Finnland        hervorragend markiert


                                Ich laufe in den Abend

Als ich schon früh am nächsten Morgen loslaufen will, stürmt und regnet es heftig. Da drehe ich mich doch lieber noch einmal im Schlafsack herum!
Zwei Stunden später hat der Regen aufgehört und die Sonne kommt raus. Dabei fühlen sich die vier Grad Außentemperatur in dem nach wie vor heftig blasendem Wind ziemlich kalt an...
Aber als ein Regenbogen vor dem Hintergrund der abziehenden Wolken erscheint, ist die Kälte gleich vergessen, und ich mache ein Foto nach dem Anderen. Ein tolles Schauspiel!

            
                            Regenbogen vor abziehenden Sturmwolken

Die inzwischen schon stärker gelb verfärbten Zwergbirken leuchten regelrecht in der Morgensonne. 


                                  Herbstliche Zwergbirken

Als ich an der Meekonjärvihütte eine Kaffeetasse aus Birkenholz, eine sogenannte "Kuksa" entdecke, freue ich mich besonders auf das heiße Getränk, dass ich mir auf dem Kocher zubereite. Leider muss ich feststellen, dass die Tasse undicht ist...
Ein Stück hinter der herrlich gelegenen Hütte treffe ich auf eine Gruppe von 4 Männern und drei Frauen. Bald erfahre ich, dass die Leute aus Island, den USA, Dänemark und Deutschland stammen. Sie haben sich vorgenommen, die höchsten Berge jedes skandinavischen Landes zu besteigen und auf dem Gipfel Alphorn zu spielen! Das sperrige Instrument, dass sie dabei haben, ist glücklicherweise zerlegbar und wiegt stolze 5 kg. Wenn ich mir das Bild anschaue, wird mir klar, dass ich nach jetzt drei Monaten unterwegs, einen Haarschnitt bitter nötig habe...

                                           Interessante Begegnung

Auch heute treffe ich etliche nette Finnen, mit denen ich mich gut unterhalte, natürlich wollen sie alle zum Halti!
An der Pihtusjärvihütte verlässt der Nordkalottleden die Route zum Halti. Ab jetzt treffe ich nur noch wenige Wanderer und der Pfad ist deutlich weniger ausgetreten...

                            Bach auf dem Weg zum Pihtsusjärvi

Nachmittags hat es sich wieder zugezogen, es ist kalt, ungemütlich und ein scharfer Wind fegt über die leeren Weiten. 
Ich verlasse ein Tal und wandere über eine steinige Hochebene. 
Heute dauert es ziemlich lange, bis ich einen halbwegs geschützten, Lagerplatz ohne Steine finde. Die Temperatur beträgt lediglich noch zwei Grad, daher koche ich, wie meistens, mein Abendessen im Zelt.

                                      Ein kaltes Lager

Am nächsten Morgen ist mein Zelt von Eis bedeckt, und das Thermometer zeigt kuschelige - 7 Grad! Ein passender Auftakt zum Septemberanfang... Allerdings zeigt sich bald die Sonne für kurze Zeit und es wird deutlich wärmer. Dennoch habe ich bei diesen Temperaturen wenig Lust in nassen Schuhen zu laufen, daher ziehe ich es vor, zwei Bäche die meinen Weg kreuzen, barfuß zu durchqueren. 
Ich verlasse Finnland einstweilen und erreiche schon bald die bereits in Norwegen gelegene, kleine Somashytta, die ungewöhnlich für Norwegen, umsonst benutzt werden darf.
Während ich Kaffee auf meinem Kocher zubereite, lese ich die Einträge im Hüttenbuch. Etliche Norge pa langs Wanderer waren hier, darunter Kaja, die ich ja persönlich kennen gelernt hatte. 
Ein Wanderer hat im Juli in der Nähe sogar einen Vielfraß gesehen, wofür ich ihn echt beneide!

                                                                      Somashytta

Die Sonne hat sich bereits wieder verzogen, es ist bedeckt und eine düstere Stimmung liegt über dem weiten Land. Die Stille ist regelrecht fühlbar und ich habe das Gefühl, jetzt wieder zurück in richtiger, einsamer Wildnis zu sein. 
Dann habe ich aber doch noch eine interessante Begegnung: Der Däne Martin fährt auf breiten Reifen mit einem Mountainbike durch das Fjell! Zwar ist mir diese Art der Fortbewegung zu technisch, dennoch bin ich fasziniert, dass es möglich ist, selbst weglose Abschnitte mit einem solchen Rad zu befahren. Martin hat seine Ausrüstung konsequent minimiert und ist nur mit Tarp und Tent unterwegs. Er meint dass er heute einen Schnitt von etwa 4,4 km/h erreicht, schneller als zu Fuß...
Nach einem Unfall änderte er sein Leben und wohnt jetzt in Finnland in einer Hütte ohne Strom und Wasser. Im Winter arbeitet er als Schlittenhundeführer und im Sommer unternimmt er eigene Touren. Sehr beeindruckend!


                                         Mit dem Fatbike im Fjell

Es regnet jetzt zeitweise, glücklicherweise nicht sehr stark. Unter mir sehe ich eine tief eingeschnittene Schlucht, die wohl bereits zum Reisadalen, meinem nächsten Ziel, führt.

                 Typisch skandinavisches, wechselhaftes Wetter

Nach einer weiteren Frostnacht, verspricht ein schöner, klarer Tag aufzuziehen. Nachdem ich knapp zwei Stunden gewandert bin, setze ich mich in die nun bereits wärmende Sonne und koche mir erst einmal einen Kaffee. Auf Wanderungen bereite ich normalerweise nie Heißgetränke zu, aber jetzt mit den kühleren Herbsttemperaturen, ist das Kaffee trinken für mich ein schöner Genuss auf den ich mich freuen kann!


                                             Kaffeepause in der Morgensonne

Schließlich beginne ich den langen Abstieg ins Reisadalen. Bei 500 Meter Meereshöhe erscheinen die ersten Birken, zu denen sich weitere 150 Meter tiefer auch Kiefern gesellen.
Es ist schön im Wald die Herbstfarben zu bewundern.

                                               Herbstfarben

Bevor ich in das Haupttal erreiche, gelange ich an die Oberkante des spektakulären Sarafoss, der sich hier seinen Weg durch den Granit bahnt. Ein toller Platz lädt zum Lagern ein, aber dafür ist es mir natürlich noch viel zu früh...









                                                                              Sarafoss

Der Talboden des Reisadalen liegt auf nur 150 Meter und beeindruckt mit üppiger, so weit im Norden ziemlich unerwarteter Vegetation. Das Tal ist das Herzstück des über 800 Quadratkilometer umfassenden Reisa Nationalparks, der auch die umliegende Landschaft schützt.

             Dichter Birkenwald mit sich färbenden Farnen

Eine Schotterstraße führt in das Tal, endet aber glücklicherweise bald an einem Parkplatz. Es gibt hier auch einen Bootsanleger, da die Reisa vor allem für Lachsangler ein sehr beliebter Fluss ist. 

                                                    Reisa

Ab dem Parkplatz beginnt ein sehr schöner Pfad, der auch immer wieder einmal an den Fluss führt. Martin hatte mich gebeten, darauf zu achten ob er mit seinen breiten Reifen Spuren hinterlassen hat. Davon sehe ich fast nichts, allerdings ist er hier wahrscheinlich auch zu 99 % geschoben, da der Pfad selbst für sein geländegängiges Rad nicht geeignet ist...
Es ist jetzt angenehm warm und einerseits tummelt sich noch das Insektenleben des Sommers mit summenden Bienen und auch einigen Mücken, andererseits verraten Früchte, verfärbte Blätter und Pflanzen, das hier so hoch im Norden der Herbst da ist.

                                             Vogelbeeren


                                Summende Bienen an Distelblüten


                                       Zitterpappelblatt

                              Intensiv rote Blätter der Weidenröschen

An einem Picknickplatz treffe ich Pauline und Lewis. Während die deutsche Ökologin eigentlich vom Sarek aus Richtung Norden unterwegs ist, und der britische Ingenieur von Alta Richtung Süden läuft, beschlossen die Beiden nachdem sie sich in Kautokeino getroffen hatten, nun gemeinsam Richtung Süden zu laufen! Seit 6 Tagen sind sie zusammen unterwegs, genießen das Leben, sammeln Beeren und versuchen zu angeln. 
Ich bin zwar sehr gerne alleine unterwegs aber fast könnte ich ein bisschen neidisch werden!

                                        Pauline und Lewis

Ich schlage recht früh mein Zelt auf und stromere noch ein wenig am Fluss umher, der sich mal ruhig und sanft, dann wieder etwas wilder gibt. Ein toller Tag in einem wunderschönen Tal!













                                                         Abend an der Reisa

Auch am nächsten Tag folge ich der Reisa weiter aufwärts. Obwohl die Höhenunterschiede gering sind, komme ich auf dem oft durch dichte Vegetation führenden Pfad nur langsam voran. Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich. Das mir gegenüberliegende Ufer fällt meist steil ab. Wasserfälle wie der 263 Meter hohe Mollisfossen stürzen die Felswände herab. Oft teilt sich der Fluss in verschiedene Arme, die kleine Inseln bilden. Später laufe ich einige Zeit auf einer Terrasse über dem Fluss.




                                               Abwechslungsreiche Reisa

Ich passiere die kleine, offene Hütte Vuomatakka, die sicher ein gutes Erkundungsquartier ergäbe, und erfreue mich in der milden Sonne an der Üppigkeit von Pilzen und Beeren.


                                                    Herbstlicher Segen

Erst am Nachmittag an der DNT- Nedrefosshytta treffe ich die ersten Leute, die zum größten Teil per Motorboot hierher gelangt sind. 
Über eine kühne Hängebrücke wechsle ich zum anderen Ufer.



                                         Hängebrücke an der Nedrefosshytta

Der Fluss ist jetzt deutlich wilder, und der Pfad verläuft teilweise ausgesetzt über dem Fluss. Eine Stelle ist sogar mit Drahtseil gesichert!


                                                             Über der Reisa

Als ich zurück an den Fluss gelange, schlage ich mein Zelt in einem schönen Kiefernwald am Ufer auf. Bald danach breche ich zu einem Nachmittagsspaziergang in Richtung des Imofoss Wasserfalls auf, der abseits des Hauptpfades liegt. 
Im Felsgewirr oberhalb der Reisa verliere ich bald den undeutlichen Weg, suche aber nicht lange, sondern marschiere weglos durch den lichten Kiefernwald weiter. 
Ein deutliches Rauschen verrät, dass ich mich meinem Ziel nähere, und dann habe ich den eindrucksvollsten Wasserfall dieser Tour erreicht. Die Reisa ist hier in eine glatte Granitschlucht eingezwängt und fällt gischtend über eine Kante. Höher und noch eindrucksvoller ist aber der gegenüberliegende, steile Wasserfall eines Nebenbaches. 
Ein faszinierender Ort!




                                  Der eindrucksvolle Imofoss

Nachdem ich auf den Felsen oberhalb der Schlucht zurück gewandert bin, treffe ich Tune und Solveig, zwei junge Norwegerinnen, die seit dreieinhalb Monaten von Trondheim aus zu Fuß unterwegs sind. Ihre Rucksäcke sind unglaublich groß und schwer. Damit kommen sie natürlich nur langsam voran...
Für die Wanderung haben sie ihre Jobs als Krankenschwestern gekündigt. Bevor sie ihre neuen Stellen antreten, wollen sie in der Finnmark noch ein Standlager für drei Wochen aufschlagen, um Schneehühner zu jagen!
Ich finde immer wieder toll, wie sich auch junge Norweger für Outdooraktivitäten begeistern!


                                           Tune und Solveig

Als ich aufwache, beträgt die Temperatur 4 Grad und es verspricht ein herrlicher, klarer Tag zu werden. Bereits um 6 Uhr bin ich wieder unterwegs und verlasse über das Tal eines Nebenbaches die Reisa. Der Anstieg durch trockenen Kiefern- und dann Birkenwald ist nicht zu steil und bald kann ich zurück in das Reisadalen schauen.

                              Das Reisatal liegt hinter mir

In der Ferne sehe ich noch die Gipfel der Skanden, während voraus die unendliche Weite der Finnmark mit goldenen Birkenwäldern und weiten Tundren liegt. Ein bisschen wehmütig bin ich ja schon, dass ich die spektakulären Berge verlassen habe, aber da ich ein großer Freund der "Leere" bin, und nicht verstehe, wie man die weite Landschaft der Finnmark langweilig finden kann, freue ich mich schon sehr auf den nächsten Abschnitt, vor allem da ich weiß, dass hinter Kautokeino der wahrscheinlich abenteuerlichste Teil dieser Wanderung beginnt.


                               Frühherbst in der Finnmark

Obwohl ja bereits September ist, und einige Frostnächte schon hinter mir liegen, wird heute einer der sonnigsten und wärmsten Tage der ganzen Reise! Ich laufe im T-Shirt und kann mich mittags richtig sonnen!
Am großen Reisajavri stehen einige Häuser, die wohl von den Sami als Stützpunkte zum Fischen genutzt werden. Ansonsten sind hier offenbar Quads die beliebtesten Transportmittel. Stellenweise ist der Pfad regelrecht zerwühlt und einmal laufe ich eine lange Schlammstrecke barfuß, kein Problem bei dem schönen Wetter!
Stellenweise sind Plastikmatten ausgelegt, die wohl verhindern sollen, dass die ATV's im Schlamm versinken. Für einen Fußgänger bringen sie nur wenig...

                                 Samihäuser am Reisajavri

                                        Flache Weiten

Ich schlage mein Nachtlager unmittelbar am See auf. Es ist fast windstill und so warm, dass mich die "Knotts" ärgern! Zum ersten Mal seit Mittelnorwegen...


                                   Sonnenuntergang am Reisajavri

Inzwischen sind auch hier weit nördlich des Polarkreises die Tage wieder kürzer und es gibt eine richtige Nacht. Heute spiegelt sich der volle Mond in den sanften Wellen des Reisajavri.

                                               Vollmond am See

Am Morgen liegt kalter Nebel über dem See. Wieder verlaufen häufig Quadspuren auf dem Trail und ich passiere Rentierzäune. Als ich zu einem Hügel auf ca. 600 Meter aufsteige, bläst ein heftiger, kalter Wind die Nebelschwaden davon und ich kann den Ausblick über das weite Land genießen.

                                Blick zurück Richtung Reisajavri

Zu meiner Überraschung treffe ich hier oben einen Wanderer. Thomas will in 14 Tagen von Kautokeino nach Kilpisjärvi wandern. Er ist dick vermummt und schwer bepackt. Tatsächlich scheinen meiner Meinung nach über 90 % der Wanderer noch mit "traditioneller" Ausrüstung unterwegs zu sein, Stiefel, schwere Kleidung und überdimensionierte Rucksäcke. Natürlich kann jeder so laufen wie er möchte, aber für mich überwiegen die Vorzüge des "Leichtgewichtwanderns" die leichten Komforteinbussen bei weitem!

                                           Schwer bepackt

               Auch  so kann man in Lappland wandern...

Leider gibt es in diesem Jahr nur wenig von einer der großen Köstlichkeiten Lapplands, aber heute kann ich mich an einigen überreifen Moltebeeren laben!

                                       Moltebeeren

Irgendwann verliere ich die rote Markierung des Nordkalottleden und wandere weglos über Sümpfe und trockene Hänge weiter, bis ich schließlich wieder auf den Weg stoße, der gleichzeitig mal wieder eine Quadspur ist.
Ich höre Motorengeräusche und bald darauf erscheint Mikkell, ein 32-jähriger Sami auf seinem ATV.

Der Sami Mikkel

Er hat mich dabei beobachtet, wie ich weglos durch die Gegend gestreift bin, und schaut mich zunächst ein wenig misstrauisch an. Aber schnell kann ich seine Bedenken zerstreuen und wir unterhalten uns gut, als ein weiterer Sami auf seinem Quad erscheint. Früher unternahmen die Sami weite Wanderungen mit ihren Rentieren zwischen Küste und Inland, dagegen lebt die Herde der Beiden ganzjährig in dem weiträumig eingezäunten Gelände. Als ich nachfrage, wie groß ihre Herde ist, erfahre ich, dass sich diese Frage nicht gehört, es sei genauso als würde man jemand nach seinem Kontostand fragen!
In diesem Jahr sei der Sommer erst sehr spät gekommen, weshalb sie einige Rentiere verloren haben, dagegen wären die Winter davor eher mild und schneearm gewesen, ganz anders als ich das aus dem norwegisch- schwedischen Grenzgebirge gehört hatte.
Die Hauptarbeit der beiden Sami ist, den Zaun zu kontrollieren, was komplett von ihrem geländegängigen Fahrzeug aus geschieht. 
In Kautokeino gibt es einen Schlachthof an den sie lebende Rentiere verkaufen. Da das Fleisch dieser Hirschart in Skandinavien als Delikatesse gilt, bekommen sie 120 Kronen pro Kilogramm Fleisch!
Zwar hat Mikkel ein Gewehr auf seinem Quad, allerdings kommen Bären und Wölfe nur noch ganz selten in diese Gegend, Vielfrasse seien dagegen etwas häufiger. 
Schließlich verabschieden wir uns und ich laufe auf den Fahrspuren weiter. Natürlich kann man von den Sami nicht verlangen, dass sie noch wie vor 70 Jahren leben, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die "Zaunhaltung" der Rentiere auf relativ engem Raum langfristig nachhaltig ist. Auch dass oft der Weg total zerfahren ist, gefällt mir hier nicht wirklich...









                                                    Quads und Wanderer teilen sich den Weg

Glücklicherweise ist die Gegend aber insgesamt ziemlich trocken, daher gibt es nur relativ wenig "Schlammstellen"
Meist laufe ich durch eine nur locker von wenigen niedrigen Birken, Heide und Flechten bewachsene, offene Landschaft.

                          Trockene "Heidelandschaft"

Dagegen sind die Birkenwälder an den Bächen ziemlich dicht. Als ich am nächsten Morgen ein Gewässer durchwate, bleibt die untere Hälfte eines meiner Wanderstöcke kurz im Bachgrund stecken, aber  bevor ich sie bergen kann, schwimmt sie auch schon davon!
Da ich stets mit Stöckern laufe, bleibt mir nichts anderes übrig, als mir aus einer Birke einen Ersatz zu schnitzen...

                              Ein Birkenstock als Ersatz

Vor Kautokeino laufe ich noch eine Weile auf der Straße, dann habe ich den mit 4000 Einwohnern größten, samischen Ort erreicht. Ich beziehe eine Hütte auf einem der Campingplätze, und bereite mich auf die nächste Etappe vor, die weglos durch die Wildnis der Nationalparks Anarjokka in Norwegen und Lemmenjoki in Finnland führen soll!

                                  Campingplatz in Kautokeino



































































2 Kommentare:

  1. Hallo Gerald,

    schön, dass der Norwegen-Bericht weitergeht! Für mich geht's nächstes Jahr wahrscheinlich Mitte August auf eine meist weglose Tour zwischen Mo i Rana und Narvik, deshalb verfolge ich gerade deine Bemerkungen zu Temperatur, Tagesdauer, Schneefeldern und Mücken mit Interesse.

    Übrigens scheint die E-Mail-Benachrichtigung über neue Beiträge von dir schon seit einiger Zeit nicht mehr zu funktionieren. Gerade weil du aufgrund deiner Touren ja längere Pausen zwischen deinen Berichten hast, ist das sehr schade.

    Wie zufrieden bist du denn mit deinem Rucksack (ULA Catalyst, oder?) im Vergleich zu deinem alten HMG? Bevorzugst du einen von den beiden vom Tragesystem?
    Bist du noch mit deinem AsTucas-Quilt unterwegs? -7 Grad in einem 200er-Apex-Quilt stelle ich mir ziemlich ungemütlich vor.

    Vielen Dank und beste Grüße

    Jan

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Jan, leider habe ich deinen Kommentar gerade erst gesehen, antworte dafür aber auch gleich: Genau, der Rucksack den ich in Skandinavien dabei hatte ist ein Catalyst. Ich finde ihn super und würde ihn wieder kaufen! Im direkten Vergleich zum HMG finde ich ihn sogar besser! Den Quilt hatte ich zuletzt im Frühjahr noch in Schottland dabei, er ist aber auch schon ziemlich hinüber. Mit Daunenjacke und Mütze beim Schlafen geht das schon, ist aber nicht optimal...

      Viel Spass auf deiner Tour!

      Löschen