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25.11.2013

Durch Wüsten und Canyons des Colorado Plateaus 1

Vorbereitungen

Meine Yukon- Tour im Jahr 2008 war ein schönes, aber nass- kaltes Vergnügen.
Daher suche ich für 2009 eine Gegend die deutlich wärmer und trockener ist.
Ohne bereits ein konkretes Ziel vor Augen zu haben, entdecke ich eines Tages im Internet eine Seite, die Fernwanderwege in den USA auflistet. Einer der Trails fesselt mich sofort: Dieser sogenannte „Hayduke Trail“ führt über mehr als 1000 Kilometer durch den Süden Utahs und die Grand Canyon Region Arizonas. Abenteuergeist und Fantasie entflammen, als ich lese, dass es sich dabei keineswegs um einen markierten Wanderweg handelt, sondern lediglich um eine imaginäre Route, die viele der größten Naturschönheiten der Region miteinander verbindet. Ein Großteil der Strecke muss weglos zurück gelegt werden, wobei häufig in Schluchten gewandert wird.
Die Idee ist geboren, aber vor der Umsetzung muss noch eine ganze Reihe von Problemen gelöst werden….

Gute Karten sind natürlich bei einer weglosen Route in der Wüste extrem wichtig. Möchte man allerdings topographische Karten für die gesamte lange Strecke kaufen, kostet das ein Vermögen, abgesehen davon würde das Volumen der Karten auch den Rucksack sprengen…
Würde ich immer genug Wasser finden? Wie kann ich die wertvolle Flüssigkeit für wasserlose Abschnitte von zwei Tagen im Rucksack verstauen?
Welches ist die beste Reisezeit? Werde ich andere Hayduke- Wanderer treffen?
Welche Schuhe sind in der Hitze noch halbwegs angenehm zu tragen und können dem rauen Gelände Stand halten?
Fragen über Fragen für deren Beantwortung mir noch einige Monate bleiben...
Nachdem ich mich etwas mit dem Thema beschäftigt habe,erfahre ich was die besten Zeiten für eine Wanderung auf dem Hayduke sind: Es kommen das zeitige Frühjahr oder der frühe Herbst in Frage. Im Frühling sind die Temperaturen noch nicht zu hoch und in einigen Canyons fließt Wasser aus der Schneeschmelze auf den umliegenden Bergen. Im Herbst sollen dagegen die Wasserstellen von den Gewitterregen des Hochsommers wieder aufgefüllt sein. Nun, für das Frühjahr würde die Vorbereitungszeit nicht reichen, also läuft alles auf einen Start im September hinaus.
In der Zwischenzeit habe ich auch eine Lösung für das Kartenproblem gefunden. Statt unzähligen Papierkarten kaufe ich mir eine CD des Bundesstaates Utah, die einen Großteil meiner geplanten Strecke abdeckt. Daraus die Route zu basteln und dann schließlich auszudrucken bedarf unzähliger Stunden am PC. Ich plane nach wie vor lieber auf Papier!
Schließlich habe ich die Planung abgeschlossen.
Am 29.8 2009 startet schließlich mein Flug in die USA.

Vor dem Start

Als ich an der Tankstelle von Green River aus dem klimatisierten Greyhound Bus steige, trifft mich die Hitze wie ein Hammer. Unvorstellbar hier mit schwerem Rucksack über 1000 Kilometer zu laufen! Na gut, der Mensch kann sich an vieles gewöhnen und ich bin ja nicht zum ersten Mal unter heißen Bedingungen unterwegs.
Schon der Flug in die USA war eher ungewöhnlich. Aus Kostengründen bin ich mit Indian Airlines geflogen, was an sich nichts Besonderes ist.
Aber außer mir sind eigentlich nur Inder an Bord! So verwundert es mich dann auch nicht weiter, dass es indisches Essen und Bollywood Filme gibt.
In Chikago muss ich umsteigen und durchlaufe mal wieder die kompletten amerikanischen Einreiseprozeduren inklusive Foto und Erstellung von Fingerabdrücken. Dabei sind die Grenzbeamten aber typisch amerikanisch freundlich und locker, so dass das Ganze nicht wirklich unangenehm ist.
Nachdem Chikago von oben noch Grün und „europäisch“ wirkt, fliegen wir über die flachen Weiten des Mittleren Westens mit den riesigen, schachbrettförmig angeordneten Farmen. Erst kurz vor Salt Lake City, der Hauptstadt Utahs lichten sich die Wolken dann wieder und geben Blicke frei auf das von hohen Bergen umgebene, dicht besiedelte große Becken in dem die Stadt liegt.
Als ich mit dem Taxi die vorgebuchte Unterkunft erreiche, erwarten mich zwei Überraschungen: Ein Zettel in deutscher Sprache in meinem Rucksack verrät, dass meine beiden Feuerzeuge aus Sicherheitsgründen konfisziert wurden! Nicht weiter schlimm, Feuerzeuge lassen sich überall auf der Welt kaufen.
Nerviger finde ich, dass mein Ladegerät für die Fotoakkus nicht an die amerikanischen Steckdosen passt, und ich auch keinen Adapter dabei habe. Da ich Salt Lake City früh am nächsten Morgen verlassen will, kann ich nur hoffen, in Moab, dem Startpunkt meiner Wanderung einen Adapter zu finden.
Noch im Dunkeln bringt mich ein Taxi am nächsten Morgen zur Greyhound Busstation. Alle Schalter sind geschlossen, aber etliche Menschen haben es sich auf den Holzbänken bequem gemacht und offenbar dort die Nacht verbracht.
Viele der Leute wirken auf den ersten Blick nicht gerade vertrauenerweckend, was nicht weiter verwunderlich ist. Im autoverliebten Amerika fahren nur die ärmsten Leute mit dem Bus. Die Greyhoundbusse verbinden die größten Städte und halten unterwegs auch an einigen Punkten, ansonsten ist es mit dem öffentlichen Nahverkehr nicht weit her.
Schließlich kann ich mein Ticket kaufen und bin froh, dass ich meinen Rucksack nicht abgeben muss. Bei einer anderen Tour in Texas vor einigen Jahren, bei der ich den Rio Grande im Schlauchkajak befahren wollte, kam mein Boot, dass ich an der Busstation abgeben musste erst zwei Tage später an…
Dass hier raue Sitten herrschen, merke ich auch beim Einsteigen in den Bus. Ein Schild verkündet, dass die Passagiere jederzeit durchsucht werden können….
Wir fahren zunächst durch die Ausläufer der Wasatch Range, und bei einer Pause auf einem Parkplatz weht ein erstaunlich kühler Wind.
Wie eingangs geschildert, sieht das in Green River aber ganz anders aus. Ab hier muss ich per Anhalter weiter fahren und bitte daher PKW Fahrer an der Tankstelle um eine Mitfahrgelegenheit. Die uniformierte Fahrerin des Greyhound Busses bemerkt meine erfolglosen Bemühungen und bietet mir an, mich noch ein Stück weit zum Highway mitzunehmen, wo meine Chancen per Anhalter weiterzukommen besser stünden.
Als ich wieder im Bus sitze erweist sich die Fahrerin dann sogar als noch großzügiger und nimmt mich bis Crescent Junction mit, von wo es nicht mehr weit bis Moab ist. Kaum vorstellbar, dass ein deutscher Busfahrer von der Autobahn abfährt um einem Passagier einen guten Standort zum Trampen zu verschaffen!
Mein Glück setzt sich fort, kaum stehe ich an der Straße als ein Pick-up anhält. Der Fahrer, ein Navajo- Indianer mit seiner Familie war in Idaho und ist jetzt auf dem Rückweg nach Arizona. Neben der Mitfahrgelegenheit schenken mir die freundlichen Leute sogar noch eine Apfelsine. Nachdem wir eine staubige Ebene durchfahren haben, überqueren wir den Colorado River und sind bald darauf in Moab angelangt.
An einer Tankstelle verlasse ich den Pick- up und sehe mich etwas um. Der Ort erstreckt sich über Kilometer entlang der Straße, aber ein Zentrum kann ich zunächst nicht ausmachen. Jetzt gegen Mittag Ende August ist es hier glühend heiß, daher will ich nicht lange nach einer Unterkunft suchen.
Ein kleines Motel namens Adventure Inn, das offenbar zu keiner Kette gehört sticht mir ins Auge. Da Jim, der freundliche Besitzer gerade keine anderen Gäste zu bedienen hat, unterhalten wir uns ein wenig. Zwar hat er noch nie etwas vom Hayduke Trail gehört, obwohl dieser doch offiziell ganz in der Nähe, im Arches Nationalpark beginnt, aber er ist auch gerne draußen und liebt das Reisen.
So nutzt er auch die vier Monate im Jahr, in denen sich nur wenige Touristen nach Moab verirren zu Touren in Länder wie Thailand und Neuseeland, wo er auch Klettern geht.
Ein Jahr lang hat er sogar mal Wanderungen mit kriminellen Jugendlichen in den Henry Mountains unternommen, die auch auf meiner Route liegen.
Meist ging es dabei recht friedlich zu, einmal gab es allerdings eine Revolte, bei der die Jugendlichen ihre Betreuer fesselten…
Jim hat ein Zimmer für mich, und gibt mir auch Tipps, wo ich meine Vorräte einkaufen und den fehlenden Adapter erwerben kann.
Als ich später in den Ort gehe, stelle ich fest, dass es doch ein deutlich erkennbares Zentrum voller Cafes, Bücherläden und kleiner Geschäfte gibt. Klar ist Moab sehr touristisch geprägt, aber hat auch eine wirklich nette Atmosphäre in der man durchaus eine Zeit lang „abhängen“ könnte.
Der Citymarkt des Ortes ist erstaunlich groß und gut sortiert. So etwas sollte ich auf meiner Tour so schnell nicht wieder finden…
Neben den Vorräten erwerbe ich im Visitor Center auch noch einige Karten die meine Ausdrucke ergänzen sollen.
Nachdem ich in kurzer Zeit meine Besorgungen erledigt und mir eine große Pizza gegönnt habe, breche ich zu einer Erkundung der Umgebung des Ortes auf, vor allem auch um morgen früh gleich ohne langes Suchen unmittelbar auf den Hayduke Trail zu laufen.
Es dauert nicht lange, bis ich die letzten Holzhäuser des zwar ausgedehnten aber recht kleinen Orts hinter mir gelassen habe. Ich gelange zu einem Hinweisschild über die „Mather Wetlands“. Hier in unmittelbarer Nähe von Moab liegt das größte Feuchtgebiet des Colorado Plateaus. Der Kontrast der hohen grünen Pappeln und üppigen Weidendickichte zu der staubtrockenen Umgebung ist frappierend. Schmale Pfade durchziehen das Gebiet, welches bis an den Colorado reicht. Stellenweise wachsen viele wilde Sonnenblumen.
Zweimal beobachte ich Maultierhirsche ganz in der Nähe. Sie ähneln den europäischen Rehen, sind aber viel größer. Ihren Namen verdanken sie ihren großen Ohren.
Schließlich gelange ich ans Ufer des Colorado, wo morgen meine Hayduke Trail Wanderung beginnen soll. In der Ferne ragen die hohen Gipfel der La Sal und Abajo Mountains auf.
Zwar ist die Hitze ziemlich intensiv, aber ich bin jetzt schon etwas optimistischer, dass ich mit ihr klar kommen werde.
Zurück in Moab genieße ich noch einmal die Annehmlichkeiten der Zivilisation mit Eiscreme und gutem Essen in einem Straßenrestaurant. Überall höre ich deutsche Stimmen. Die Gegend ist offenbar bei meinen Landsleuten ziemlich beliebt. Aber man sieht auch am Straßenrand geparkte Harleys, mit denen meist ältere Amerikaner ihr Land erkunden.

                                                                  Moab

Von Moab zur Needles Outpost

Nachdem ich auf dem Zimmer mein Müslifrühstück gegessen habe, verlasse ich das Motel noch vor Sonnenaufgang. Ein halber Mond strahlt von einem klaren Himmel. Noch wirkt Moab wie ausgestorben, aber schon bald treffe ich einige Walkerinnen die die Morgenkühle zu einem Spaziergang nutzen.
Nach weniger als einer Stunde bin ich wieder am Colorado, an der Stelle bis wohin ich gestern bei meiner Erkundung gekommen war.
Es macht zwar nicht besonders viel Spass, auf der das Ufer begleitenden, asphaltierten Kane Creek Road zu laufen, aber zumindest sind noch kaum Autos unterwegs.
Der Uferbewuchs wird von den ursprünglich aus Asien stammenden Tamarisken gebildet, die fast undurchdringliche Dickichte bilden können, wie ich heute noch erfahren sollte…
Da sie auch alle anderen Pflanzen verdrängen, versucht man sie zu bekämpfen. Zu diesem Zweck wurde hier das Coloradoufer stellenweise abgebrannt.
Vieles hat in der Umgebung Moabs mit dem Tourismus zu tun, ob markierte Mountainbiketrails, einfache Campingplätze des BLM (Bureau of Land Management, eine Behörde die dem Staat gehörende Offenlandflächen verwaltet), oder eine Farm auf deren Weiden Lamas grasen.
Es gibt hier aber auch sehr überraschende Nutzungen. Ein Mann mit dem ich mich kurz unterhalte, erzählt mir, dass er einen großen Felsüberhang zu einer Höhle ausgebaut hat, in der er 2500 Hühner hält!
Als die Sonne schließlich das Flusstal erreicht, erstrahlen die gegenüberliegenden, glatten Felswände in einem warmen Rot.

                                                                Morgen am Colorado

Nachdem die Straße sich vom Colorado in einen Seitencanyon abwendet, ist sie nicht mehr asphaltiert. Leider scheint der Schotter an einigen Stellen ausgebessert zu werden, denn gelegentlich donnern Lastwagen mit Steinmaterial an mir vorbei.
Der Hayduke Trail wurde von den Amerikanern Mike Coronella und Joe Mitchell entwickelt. Nach zwei jeweils über drei Monate langen Erkundungstouren in den Jahren 1998 und 2000 stand ihr Konzept für eine 1300 Kilometer lange Wildnisroute vom Arches Nationalpark in der Nähe von Moab quer über das Coloradoplateau bis zum Zion Nationalpark. Wasser ist der Schlüsselfaktor in dieser wüstenhaften Region, daher legten die Beiden die Route so, dass sie halbwegs verlässliche Wasserstellen miteinander verbindet. Ein Großteil der Strecke verläuft dabei abseits von Wegen, häufig in Canyons, Teilstücke wurden aber auch über vorhandene Wege, meist einsame Schotterpisten geführt.
Teile der Etappe von Moab zum Canyonlands Nationalpark verlaufen über solche Schotterpisten, was ich zwar zum Laufen langweilig, aber zum Eingewöhnen an die Bedingungen des Hayduke Trails ganz gut finde.
Den Führer den Mitchelll und Coronella geschrieben haben, führe ich als Kopie mit mir, daher bin ich schon auf eine Sehenswürdigkeit am Wegrand gespannt, von der sie schreiben.
Schließlich habe ich den Felsen unmittelbar am Rand der Schotterstraße entdeckt, der von Anasazi Zeichnungen übersät ist. Die Anasazi waren Indianer die das Colorado Plateau besiedelt hatten, aber um das Jahr 1200 aus bislang nicht völlig erklärten Ursachen die Gegend verließen.
Offenbar wird hier eine Geburtszene dargestellt, daher auch der Name „Birthing Scene Pictograph“. Ich kann mir nicht helfen, auf mich wirken die Zeichnungen ziemlich merkwürdig und makaber. Aber man muss wohl ein Kenner der Anasazi Kunst sein, um sie richtig zu interpretieren….

                                                        Anasazi Felskunst

Aus Moab hatte ich nur 2,5 l Wasser mitgenommen, daher bin ich froh, als ich an die
erste Wasserstelle meiner Tour gelange. Bei den Kane Springs rinnt herrlich kühles Wasser direkt aus der Sandsteinwand. Solche „Dripping Springs“ entstehen, wenn Wasser in der Wand auf eine Stauschicht trifft. Kaum zu glauben, welch herrliches Grün aus Moosen und Farnen ein bischen Wasser bewirken kann! Besonders schön finde ich auch den Namen „hängende Gärten“ für solche Wunder der Natur.
Nachdem ich meinen Wasservorrat wieder auf 2,5 Liter aufgefüllt habe, gehe ich weiter. Bis zurück zum Colorado hinter dem Hurrah Pass sind es nur einige Kilometer, daher gehe ich davon aus, dass mir das Wasser reicht. Darin sollte ich mich täuschen…
Bald lasse ich Kane Canyon hinter mir und gerate in die unbarmherzig brennende Sonne. Ausgerechnet jetzt ab 10.30 steht mir der lange Aufstieg zum Hurrah Pass bevor. In langen Serpentinen klettert die Piste empor. Ich war davon ausgegangen, dass hier in der Nähe von Moab viele Mountainbiker, Jeepfahrer etc. unterwegs sind, aber nur selten passiert mich ein motorisiertes Vehikel.
Was auf den ersten Blick als relativ gleichförmige Sandsteinebene wirkt, entpuppt sich von oben als Labyrinth ineinander verschlungener Canyons. Und in solchem Gelände soll ich häufig ohne Weg und Steg querfeldein laufen?
Gegen Mittag habe ich den Pass erreicht, einen Einschnitt zwischen den Sandsteinfelsen.

                                               Hurrah Pass

Die Gegend wirkt unter der grellen Mittagssonne ziemlich leblos. Umso erstaunlicher finde ich, dass in der Colorado Ebene ein großer, blauer See zu schimmern scheint. Erst später erfahre ich, dass es sich um ein ausgedehntes Gelände handelt, in dem Pottasche gewonnen wird, Kaliumcarbonat, das als Rohstoff beispielsweise für die Farbherstellung dient.
Bevor ich mich an den Abstieg mache, lasse ich es mir aber nicht nehmen, den in der Umgebung des Passes versteckten Geocache zu suchen. In Deutschland hatte ich meine Route auf solche „Schätze“ untersucht und festgestellt, dass es abseits der Orte nur sehr wenige gibt. Gut, der Hurrah Pass ist jetzt nicht soweit von Moab entfernt, daher wird er wohl auch ab und zu mal gefunden. Nachdem ich einige Zeit gesucht habe, gelingt es auch mir das Röhrchen in seinem Felsversteck zu finden.
Bis auf einen geringen Rest habe ich bereits mein Wasser ausgetrunken, was solls, der Colorado ist ja bereits in Sichtweite…
Die Piste führt auf der anderen Passseite bergab. Bald gelange ich an eine Kreuzung. Ist es die im Führer genannte? Jedenfalls verläuft der Weg weiter Richtung Colorado. Der Führer beschreibt, dass man hier an den Colorado gelangen kann, um Wasser zu schöpfen.
Bald finde ich auch tatsächlich eine Stelle die günstig erscheint. Es geht nur ein Stück weit runter, dann gelange ich in eine staubige Ebene unweit des Colorado. Das einzige Problem ist, dass zwischen mir und dem Fluss noch ein breiter Gürtel von Tamarisken erstreckt. Noch bin ich zuversichtlich, bald eine Lücke zu finden um zum Fluss zu gelangen. Aber egal in welche Richtung ich laufe, überall erweist sich das Buschwerk als ernste Barriere.
Schließlich stürze ich mich in das Gebüsch hinein. Nach wenigen Metern muss ich erkennen, dass ich hier nicht weiter komme. Zu dicht verwachsen sind die Tamarisken. Dazu kommen viele umgebrochene oder am Boden entlang kriechende Büsche, die das Ganze in einen absoluten Hindernisparcours verwandeln. Zwar erscheint der Fluss ziemlich nah, aber auch nur 100 Meter des Tamariskengebüsches zu durchqueren erscheint als fast unmögliche Kraftanstrengung.
Immer wieder unternehme ich Versuche den Buschgürtel zu durchqueren, gebe aber jedes Mal wieder rasch auf. Klar, wenn es gar nicht anders geht und ich kurz vorm Verdursten wäre, gäbe es irgendwie ein Vorwärts Kommen, trotz blutiger Beine. Doch zunächst entferne ich mich wieder vom Fluss und laufe auf den Sandsteinfelsen oberhalb des Colorado. Ich hoffe einen Einschnitt zu finden, der mich zum Fluss bringt. Inzwischen habe ich kein Wasser mehr und werde in der sengenden Hitze immer durstiger.
Ich finde auch einige Seitencanyons die zum Fluss führen, aber auch ihre Mündungen sind voll von den undurchdringlichen Gebüschen. Nach unzähligen Versuchen ans Wasser zu gelangen, fällt mir schließlich ein, dass ich beim Abstieg vom Hurrah Pass ein Gebäude in Flussnähe gesehen habe.
Also gehe ich ein weites Stück zurück bis zu dem ersten Abzweig von der Piste. Die Anstrengungen haben mich stark austrocknen lassen und der letzte Tropfen ist schon vor langer Zeit durch meine Kehle geflossen.
Schließlich gelange ich in die Nähe der Gebäude.Tom Higginson, der Besitzer der Base Camp Lodge, um die es sich hier handelt, bedeutet mir näher zu kommen und bietet mir erst einmal Wasser an. Meine Kehle ist so ausgetrocknet, dass ich zunächst nur noch Krächzen kann, bis ich einige Liter Wasser runtergespült habe.

                                                       Base Camp Lodge

Tom hat zur Zeit keine Gäste, daher lädt er mich ein, bei ihm zu übernachten, was ich gerne annehme. Bei einem kleinen Rundgang durch sein Gelände erzählt er mir etwas über sein Leben. Tom ist siebenundfünfzig und hat 23 Jahre damit verbracht, als selbstständiger Unternehmer Hallenfußballplätze zu bauen. Während dieser Zeit hat er sich kaum einen Tag Urlaub gegönnt. Dann hat er vor drei Jahren die Lodge gekauft und sich hier in der Wüste nieder gelassen. Eigentlich will er keine Touristen mehr unterbringen und macht daher auch keine Werbung für sein Unternehmen, dennoch hat er häufig Gäste. Mit denen durchstreift er die Umgebung auf der Suche nach Bighornschafen, verleiht Kajaks und Geländemotorräder. Seiner Frau war die Gegend zu einsam, weshalb Tom jetzt geschieden ist. Immerhin teilen sich ein zutrauliches Kaninchen und eine große, aus Afrika importierte Schildkröte die Umgebung mit ihm.
Obwohl er ja eigentlich nur noch die Ruhe genießen will, bastelt er ständig etwas Neues. So hat er mittlerweile auch einige Lehmhäuser gebaut, die den Hogans der Navajoindianer nachempfunden sind.
Dass Tom sich in der Natur der Canyons auskennt, merke ich bald an seinen kundigen Erläuterungen über versteinertes Holz und Pflanzen die Wasser enthalten.
Häufig sieht er Bighornschafe in der Umgebung. Dann und wann heulen Coyoten und einmal konnte er sogar einen Puma beobachten.
Unmittelbar vor Sonnenuntergang nehme ich ein Bad im herrlich kühlen Colorado und wasche mir Schweiß und Staub des Tages ab.
Die Luft kühlt sich kaum ab, daher genießen wir die herrliche Umgebung umflattert von Fledermäusen mit einem Bier aus Toms Vorrat. Da Tom auch Telefon, Fernsehen und Internet hat, ist er doch nicht ganz so isoliert wie mir zunächst schien.
Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber doch: Tom hat mich zum Abendessen eingeladen und angekündigt, dass es Fischstäbchen gibt. Die sind zwar o.k, aber nur Fisch ohne jede Beilage ist denn doch etwas dürftig für einen hungrigen Wanderermagen.
Tom erzählt, dass er schon dann und wann Wanderer aufgenommen hat. Aber in diesem Herbst bin ich offenbar der erste Hayduke Wanderer der hier vorbei kommt.
Da es Tom zu Folge auf dem nächsten Abschnitt des Hayduke kein Wasser gibt, und auch der Führer nur eine sehr unsichere Wasserstelle beschreibt, mache ich mir große Sorgen, insbesondere nach der Erfahrung des heutigen Nachmittags, die mir gezeigt hat, wie schnell man hier vollkommen austrocknen kann. Als Tom mir anbietet mit seinem Geländemotorrad etwas Wasser für mich zu deponieren, nehme ich sein Angebot gerne an.
Am nächsten Morgen möchte ich meine leichten Platyphus Wasserbehälter füllen. Dabei stelle ich fest, dass einer der Säcke bereits jetzt ein Loch hat und daher unbrauchbar ist. Wenn diese Behälter sich als so empfindlich erweisen, habe ich ein ernstes Problem, denn auf dem Hayduke Trail werde ich häufig darauf angewiesen sein, viel Trinkwasser für lange wasserlose Abschnitte zu transportieren.
Ich starte mit 5,5 Litern Wasser im Rucksack, Tom will weitere zwei Säcke mit 5 Litern auf dem Trail für mich deponieren. Nachdem ich mein Müslifrühstück gegessen habe, starte ich noch in der Dämmerung um die relative Kühle des Morgens voll auszunutzen.
Bald ist es hell und ich kann noch einmal Ausblicke auf den Colorado genießen.


Die Piste verläuft zunächst auf einer Terrasse oberhalb des Flusses. Überall ragen die Sandsteintafelberge auf. Irgendwann entdecke ich auch das Autowrack in einem trockenen Bachbett, wo Tom zu Folge der Zugang zum Colorado möglich ist. Allerdings ist die Stelle erheblich weiter entfernt als im Führer beschrieben.
Nach einiger Zeit überholt mich Tom mit seinem Geländemotorrad. Ich kann nur hoffen, dass ich die Stelle finden werde, wo er meine Beutel deponiert. Denn als sich die Piste vom Fluss entfernt ist ihr Verlauf plötzlich nicht mehr zu erkennen! Obwohl mir Tom davon erzählt hatte, und ich eigentlich die Motorradspuren sehen müsste, benötige ich einige Zeit bis ich den richtigen Weg in einen Canyon hinein gefunden habe. Häufig verläuft die Piste hier über den nackten Fels ausgetrockneter Bachbetten, daher ist ihr Verlauf oft kaum zu erkennen. Wahrscheinlich fährt auch nur höchst selten hier jemand entlang, und schon gar nicht zu dieser heißen Jahreszeit.
Noch im Canyon begegne ich Tom, der bereits auf der Rückfahrt ist. Seine Fahrt verlief nicht ganz ereignislos: Als er los fahren wollte, riss ihm der Benzinschlauch ab, glücklicherweise konnte er ihn mit Duct Tape wieder befestigen, traute seiner Konstruktion aber wohl nicht ganz, da er mit meinem Wasser nicht sehr weit gefahren ist. Wäre er nicht losgekommen, wäre ich irgendwann wohl umgekehrt, denn meine 5,5 Liter hätten niemals für die zwei wasserlosen Tage mit denen ich rechne gereicht…
Schon gegen Mittag erreiche ich das Depot. Tom hatte die beiden Säcke einfach unmittelbar neben der Piste deponiert. Bis jetzt habe ich erst einen Liter Wasser getrunken. Ich möchte so eine Situation wie gestern, bei der ich am Ende ohne einen Schluck Wasser dastand nicht noch einmal erleben, und teile mir die Flüssigkeit daher sehr sorgfältig ein. Am Ende jeder Stunde trinke ich einen Schluck.
Die Blicke auf „Island in the Sky“, einen Bezirk des Canyonland Nationalparks über dem Zusammenfluß von Green River und Colorado wären sicher atemberaubend, leider ist die Atmospäre ziemlich dunstig, was Tom zu Folge an großen Waldbränden in Kalifornien liegt.
Stunde um Stunde quäle ich mich über die langweilige Piste. Wie gesagt, dies ist einer der wenigen Abschnitte mit ausgedehnter Streckenführung über Pisten. Zum Einlaufen vielleicht nicht schlecht, und wenigstens gibt es hier keinen Verkehr, aber dennoch kann ich kaum erwarten weglos die Wildnis zu durchqueren.
Gegen 16.30 verlasse ich die Staubpiste und gelange bald in einen kleinen Canyon, der zunehmend an Tiefe gewinnt. Laut Führer soll es hier eine Quelle geben, aber ich entdecke nicht einmal die Spuren einiger Wassertropfen. Damit hatte ich gerechnet, also kein Grund zur Panik.

                                                       Kein Wasser!

Ein Stück weiter schlage ich bei einer überhängenden Felswand mein Lager auf. Es sieht nicht nach Regen aus, daher beschließe ich einfach auf meiner Matte im Sand zu schlafen. Etwas Feuerholz für meinen Hobo- Kocher ist rasch gefunden, so dass ich mir bald eine gute Portion Spaghetti kochen kann.

                                                       Einfache Wildnisküche

Auch als es dunkel wird, ist es noch so warm, dass mir das Inlett meines Schlafsacks als Decke reicht.
Mein GPS zeigt an, dass ich heute 28 Kilometer in Luftlinie von der Basecamp Lodge zurück gelegt habe. Da die tatsächlich gelaufene Strecke natürlich viel länger war, bin ich zufrieden mit dem Tag, obwohl ich jetzt totmüde bin.
Als ich nach meinem Müslifrühstück zusammen packe, habe ich noch drei Liter Wasser. Nicht viel, aber die nächste Quelle in Lockhart Canyon ist nach dem Führer nicht allzu weit entfernt...
Zunächst komme ich gut im Canyon voran, bis ich an einen steilen Absturz gelange. Ist das schon die Stelle von der es im Führer heißt, man soll nicht hinab klettern, sondern nach oben zum Canyonrand steigen? Ich bin nicht sicher, aber eigentlich dürfte der besagte Steilabfall noch ein Stück entfernt sein. Also suche ich mir eine Route, auf der ich den senkrechten Absturz umgehen kann und setze bald darauf meinen Weg im Canyon fort. Kurz danach stehe ich aber schon am Rand der nächsten Steilstufe.
Eigentlich hatte ich ja die Koordinaten des Punktes an dem ich den Canyon verlassen muss in meinem GPS gespeichert, aber jetzt mache ich den Fehler mein Navigationssystem nicht anzuschalten. Nun, ich kann keine gangbare Route ausmachen, also denke ich dies wird schon der Absturz sein, an dem ich den Canyon verlassen soll.

                                                  Keine Route nach unten…

Der Führer sagt, dass die Route auf einer Stufe oberhalb des Canyons weitergeht. Zunächst folge ich auch dem Verlauf der relativ ebenen Stufe oberhalb des Talgrunds. Aber bald komme ich auch hier nicht mehr weiter. Immer wieder versperren mir senkrechte Wände den Weg. Ich klettere mühevoll weiter nach oben bis zur nächsten Stufe. So geht es mir auch hier. Zunächst scheint es, ich käme weiter, aber dann endet auch dieses Band. Nach weiteren Klettereien bei denen ich einmal sogar meinen Rucksack abnehmen muss, erreiche ich schließlich tatsächlich das Plateau oberhalb der Schlucht, deren Verlauf bis zur Einmündung in den Lockhart Canyon ich von oben nachverfolgen kann.

                                                           Mühsames aus dem Canyon klettern

Nirgendwo kann ich auch nur eine eventuell mögliche Route in den jetzt sehr tief unter mir liegenden Canyon ausmachen. Aber dort unten liegt die nächste Quelle, die ich jetzt dringend benötige, da ich nur noch zwei Liter Wasser habe. Ich unterdrücke Anflüge von Panik und wäge meine Optionen ab. Versuche ich doch noch einen Weg nach unten zu finden, ist das sicher mit großer Gefahr abzustürzen verbunden. Außerdem würde ich bei einem Scheitern soviel Wasser verbraucht haben, dass ich meine zweite Option nur unter großen Schwierigkeiten umsetzen könnte.

                                                  Wie komme ich da wieder runter?


1 Kommentar:

  1. Toll, eine schöne Beschreibung mit allen Höhen und Tiefen!

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