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12.06.2014

Wie ich lernte nasse Füsse zu lieben 2 - 460 Kilometer durch die schottischen Highlands

Morgens ist es zwar zunächst noch leicht bedeckt, aber ein weiterer freundlicher, nicht gerade "schottlandtypischer" Tag scheint mich zu erwarten.
Die gestern erkundete Abstiegsroute ins Glenn Taodhait entpuppt sich als zwar steil, aber machbar. Unten wachsen dann auch schon wieder die ersten Birken.

                                                    Birken im Glenn Taodhait



Bald stoße ich auf einen schmalen Pfad, der mich zum Ufer des großen Loch Morar bringt und auch noch weiter der Uferlinie folgt.

                                                 Loch Morar

Unweit des östlichen Endes des Sees stoße ich auf die herrlich abgelegene, zweistöckige Oban Bothy. Es wäre sicher eine tolle Erfahrung, mit der Hütte als Basis einige Tage lang diese schöne Gegend zu erkunden.
Am Ostufer des Sees gibt es keinen Weg, statt dessen müssen einige zum Ufer steil abfallende Klippen umklettert werden. Das entpuppt sich als unproblematisch, aber bei meiner Planung in Google Earth war ich mir nicht sicher gewesen, ob es möglich ist, hier einen Weg zu finden.
Bei zunehmend schöner werdendem Wetter folge ich dem Tal des Adhainn Ceann Loch Morar.


                                   Im Tal des Adhainn Ceann Loch Morar

Zu meiner Überraschung stoße ich im oberen Abschnitt des Tales auf zwei ältere Schweizer Paare, die glauben auf der Hauptroute des Cape Wrath Trail zu sein. Als ich sie darüber aufkläre, dass sie wohl ins falsche Tal abgebogen sind, kommt vor allem bei den Damen leichter Ärger auf, da sie ein Stück den selben Weg zurück gehen müssen…
Im Glen Dessary gelange ich wieder auf den Trail. Allerdings gefällt mir die Gegend gar nicht: Monotone Sitkafichtenplantagen und schlammige, breite Wege. Glücklicherweise lasse ich diese Zone schon bald hinter mir.
Im Finiskaig Tal treffe ich den einzigen Wanderer auf der ganzen Tour, der bis zum Cape Wrath wandern will. Er hat eine Angelroute dabei, mit der er hofft seinen Speiseplan aufbessern zu können…

                                     See im Finiskaig Tal

Aber es gibt hier nicht nur Seen, abrupt verengt sich das Tal zu einer kurzen, aber nicht ganz einfach zu  passierenden Schlucht.

                                            Schlucht am Finiskaig River

In Schottland ist das Wetter selten stabil, daher wundert es mich auch nicht, als am späten Nachmittag dunkle Wolken aufziehen und der Regen jeden Moment zu beginnen scheint. Gerade rechtzeitig entdecke ich einen toll gelegenen Zeltplatz oberhalb einer Klamm, mit Aussicht bis zum Meer.

                             Toller Zeltplatz am Finiskaig River

Als der Regen aufhört, ist es immer noch warm, so dass ich draußen kochen kann. Anschließend unternehme ich noch einen Spaziergang in die Umgebung. Der Birkenwald am Fluss wirkt schön frisch nach dem Regen.

                                    Birkenwald

Aber der Blick zurück zum Lager erinnert auch daran, dass Bäume hier nur an geschützten Stellen wachsen können.

                                                Wer findet mein Zelt?

Die Nacht ist mild und feucht, daher wundert es mich nicht, dass einige der berüchtigten Midges, dass sind kleine, schwarze Stechfliegen, versuchen durch das Moskitonetz zu gelangen. Allerdings bleibt das auch der einzige Kontakt mit den Plagegeistern auf der ganzen Wanderung. Offenbar bin ich zum richtigen Zeitpunkt unterwegs…
Als ich kurz nach sechs am nächsten Morgen los wandere, verschleiert leichter Dunst die Konturen der Landschaft.

                                                Früh morgens

In der flachen Ebene am Loch Nevis treffe ich auf ein 6- köpfiges Rudel Rotwild. Es wirkt ungewöhnlich auf mich, die Hirsche in der Nähe von Ruinen am Meer in der gespenstischen Atmosphäre des Morgennebels anzutreffen.


                                                    Rotwild am Meer

An der Sourlies Bothy die ich bald darauf passiere, scheint noch niemand wach zu sein. Offenbar wurde drinnen kräftig geschnarcht, denn zwei Leute haben sich in ihren Schlafsäcken unter den freien Himmel zurück gezogen…

                                                             Loch Nevis und Sourlies Bothy


                                                     Morgennebel über Loch Nevis

Ich umgehe die steil zum See abfallenden Uferklippen und stehe dann bald am Rand der weiten, flachen Sumpfebene des River Carnoch.

 
                                                    Die Sumpfebene des River Carnoch

Hier trockene Füße zu behalten ist völlig unmöglich, aber es gibt auch eine ganze Reihe von Stellen an denen man deutlich tiefer einsacken kann, als nur bis über die Füße…
Zwar gefallen mir Landschaften bei Sonne und blauem Himmel grundsätzlich besser, aber die leicht mystische Atmosphäre, die der Morgennebel der Landschaft verleiht,  passt durchaus hierher…
Um auf die andere Seite des Flusses zu gelangen, muss ich den Carnoch durchwaten. Hier zeigt sich ein weiterer Vorteil des Laufens in Trailrunningschuhen. Es ist nicht notwendig zeitaufwendig erst einmal die Watschuhe wie Crocs etc. anzuziehen, man läuft einfach hindurch und normalerweise sind die Schuhe dann auch rasch wieder trocken, natürlich nicht in Schottland…

                                              Im Carnoch Tal

Als ich das Carnoch Tal weiter hoch laufe, treffe ich den französischen Wanderer von gestern. Obwohl er bereits in Alaska und im Yukon unterwegs war, hätte er sich Schottland nicht so nass und schwierig vorgestellt…
Später treffe ich ihn ein letztes Mal: Ich rieche ein Feuer und denke, dass es ihm gelungen ist, einen Fisch zu angeln. Das entpuppt sich aber als Fehleinschätzung, zwar stammt das rauchige Feuer tatsächlich von ihm, aber statt einen Fisch zu grillen, versucht er mit dem Qualm seine Stiefel zu trocknen! Zwar sage ich ihm, dass ich das für ziemlich sinnlos halte, weil selbst wenn die Prozedur erfolgreich ist, dann nur für sehr überschaubare Zeit, aber natürlich lässt sich der tapfere Gallier nicht von mir abhalten…
Ein Stück weiter steige ich steil, weglos hoch zum Pass Mam Unndalain. Glücklicherweise gibt es zwischen den Granitrippen immer wieder Grasbänder, so dass der Aufstieg kein Problem darstellt.



                                    Aufstieg zum Pass Mam Unndalain

Oben angelangt, reißen die Wolken auf, und es wird so angenehm warm, dass man sich sogar sonnen kann. Vom Pass kann ich bereits die Meeresbucht Loch Hourn sehen.

                                    Blick vom Pass 

Ein guter Weg führt abwärts ins Glenn Unndalain, und bald habe ich das Gut Barisdale erreicht, wo man campen oder in einer Bothy übernachten kann.


                                  Barisdale bietet Übernachtungsmöglichkeiten

Weiter folge ich einem tollen Pfad, der oberhalb des Südostufers der Meeresbucht Loch Hourn verläuft. Die Vegetation ist mit hoher Heide, Ginster, Birken und Kiefern erstaunlich dicht. Die Ausblicke über den von Bergen eingefassten Meeresarm sind fantastisch!


                              Am Loch Hourn


                                                  Blühender Ginster


                                        Ein toller Pfad führt durch die recht üppige Vegetation

Gegen 18 Uhr schlage ich mein Lager bei einem Hügel unterhalb der Bucht auf. Heute koche ich Kartoffelbrei, verfeinert mit 50 Gramm Butter und zwei Brühwürfeln. Mein kleiner Titantopf kann diese Menge so gerade aufnehmen, aber beim Umrühren muss ich aufpassen, dass nichts neben den Topf fällt. Mehr als 160 Gramm Kartoffelbrei lassen sich in dem 900 ml Topf nicht zubereiten.
Nach dem Essen unternehme ich noch einen Spaziergang. Als ich zurückkomme, glaube ich meinen Augen nicht zu trauen, ein junger Hirsch befindet sich unmittelbar in der Nähe meines Zeltes!

                                      Ein junger Hirsch besucht mein Zelt!

Ein Engländer und zwei Schottinnen haben den Hirsch ebenfalls gesehen und unterhalten sich eine Weile mit mir. Die sympathischen Leute können überhaupt nicht glauben, dass man in Deutschland nur auf Campingplätzen zelten darf!
Später genieße ich die fantastischen Lichtstimmungen des Sonnenuntergangs von meinem "Aussichtshügel" aus.



                                    Tolle Sonnenuntergangsstimmungen über Loch Hourn

Bei herrlichem Wetter laufe ich am nächsten Morgen noch ca. 1,5 Stunden bis nach Kinlochhourn, einem Ort der nur aus wenigen Häusern besteht. Allerdings ist es mittlerweile sehr windig.



                                        Morgen am Loch Hourn

Hinter Kinlochhourn verlasse ich den Cape Wrath Trail und steige weglos in Richtung des 918 m hohen Creag nan Damh auf.



                                   Weglos Richtung Creag nan Damh

Das Wetter verschlechtert sich zusehends, was sehr schade ist, da ich mich auf den vor mir liegenden Gratabschnitt gefreut hatte. Am Grat angekommen tauche ich in dichten Nebel ein, aus dem es dann immer stärker zu regnen beginnt. Dennoch folge ich der weitgehend schneefreien Kammlinie weiter. Allerdings verraten ausgedehnte Schneefelder an den Hängen, dass der Winter noch lange nicht vorbei ist. An einer eigentlich einfachen Kletterstelle kehre ich um. Das Wetter wird mit heftigem Regen, Nebel  und peitschendem Wind immer ungemütlicher. Es hat keinen Sinn dem Grat weiter aufwärts zu folgen. Nur wo steigen ich ab? Nach Süden zurück zu gehen, kommt für mich nicht in Frage, also muss ich eine Route zum Glen Shiel finden. Ein sehr steiles Gras- und Blockfeld erscheint mir machbar, aber ich gehe wie auf rohen Eiern um auf den glitschigen Steinen nicht abzurutschen. Meine Trailrunningschuhe mit ihrem grobem Profil bestehen hier eine Bewährungsprobe grandios. Mit Stiefeln wäre ich nicht besser klar gekommen!

                                                          Blockfeld

Nachdem ich den Abstieg vom Grat bewältigt habe, liegt das gröbste Stück Arbeit zwar hinter mir, aber die darauf folgenden, tief eingeschnittenen Schluchten sind bei der Nässe ebenfalls nur mit großer Konzentration zu bewältigen.
Schließlich habe ich die Straße im Glen Shiel erreicht, der ich Richtung Osten folge. Heute noch in die steilen Hänge auf der anderen Seite einzusteigen ist sinnlos, da der Regen sogar noch an Stärke zulegt. Schließlich entdecke ich einen zum Lagern geeigneten Platz unmittelbar am River Shiel.
Ein Nachteil meines Zeltes ist, dass zunächst das Innenzelt aufgebaut werden muss. Im Regen wird es dabei zwangsläufig nass. Das ist aber nicht weiter schlimm, da der Aufbau schnell geht, und ich hinterher halt das Innenzelt auswische. Meine Sachen, die von einem Müllsack im Inneren des Rucksacks geschützt werden, sind trocken geblieben. Kameraausrüstung und Quilt sind allerdings extra noch in Trockensäcke verpackt.
Beim Abwaschen rutsche ich aus, und lande fast im Bach. Das bleibt mir zwar erspart, dafür liegt mein Löffel aber im Wasser. Glücklicherweise entdecke ich ihn nach einiger Suche und kann ihn bergen...











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