Translate

01.08.2014

Die schwarzen Berge der Sahara - Auf Kamelrücken durch das Aïr 1991



Während meiner großen Afrikareise will ich die Sahara durchhqueren und lande in dem Ort Agadez im Niger, von wo ich mit Kamelen und Tuaregführer in das Aïr Gebirge aufbrechen möchte.



Wie schon in Zinder, muß ich mich auch in Agadez bei der Polizei melden. Da viele Reisende den Ort aufsuchen, handelt es sich um eine reine Formalität, die schnell abgehakt ist.
Die Touristen kommen größtenteils auf der Hoggarpiste hierher. Sie ist die befahrenste Transsahararoute. Wegen der Touristen gibt es hier sogar Campingplätze außerhalb der Stadtmauern.
Nachdem Ibrahim mir versprochen hat, einen Führer für eine Kameltour zu engagieren, lasse ich mich von einem Taxi zum Zeltplatz L ' Escale bringen.
Die Hauptsaison hier ist der Winter. Jetzt im Mai sind die Temperaturen in der Sahara bereits sehr hoch, so daß nur noch wenige Reisende die Wüstendurchquerung wagen. Daher habe ich den großen, staubigen Platz auf dem es sogar Duschen gibt, fast ganz für mich alleine.
Nachmittags mache ich mich zu Fuß wieder auf den Weg in die Stadt.
Etwas abseits der Straße stehen überall die aus den Fasern der Dumpalme geflochtenen Mattenzelte der Tuareg. Zahlreiche der einstigen Nomaden haben in den Dürren der Siebziger und Achtziger Jahre ihr Vieh verloren. In der Umgebung von Agadez haben sich viele von ihnen mehr oder weniger fest niedergelassen. Die Stadt bietet immer Gelegenheiten Geld zu verdienen und Hilfslieferungen kommen hier viel früher an, als in den Weiten von Wüste und Steppe.
Der Name der Stadt Agadez bedeutet übersetzt “Begegnung”. Er könnte kaum treffender gewählt sein, denn hier, an der Nahtstelle zwischen Sahelzone und Sahara, treffen die verschiedensten Kulturen aufeinander. Für die hellhäutigen Tuareg, deren Vorfahren einst von Norden hierher gekommen sind, ist es einer der wichtigsten Handelsorte.
Die ebenfalls nomadisch lebenden Woodabe oder Bororo habe ich bereits in Kamerun kennengelernt. Sie ziehen durch weite Gebiete der Sahelzone, haben sich hier aber äußerlich weitgehend den Tuareg angepasst.
Die Stadtbevölkerung besteht dagegen großenteils aus schwarzen Haussa. Aus ihren Reihen stammen auch die Sultane der Stadt. Die untereinander arg zerstrittenen Tuareg konnten sich nie auf ein gemeinsames Oberhaupt einigen. Daher setzten sie stets Schwarze als neutrale Herrscher über die Stadt ein.
In Agadez trafen schon immer Seßhafte und Nomaden aufeinander. Erst in jüngerer Zeit sind zu der Mischung auch die weißen Touristen hinzugekommen. Vor allem zur Zeit der Ralley Paris -Dakar, bei der Agadez eine Etappe ist, wimmelt es hier von Fremden.
Kaum bin ich in der Stadt angelangt, heften sich schon zwei Jugendliche an meine Fersen. Sie sehen in mir eine Gelegenheit etwas Geld zu verdienen. Obwohl ich freundlich ihre Führerdienste ablehne, weichen sie mir nicht von der Seite.
Da mein Bargeldvorrat langsam zur Neige geht, will ich zur Bank um einen Travellerscheck einzutauschen. Leider ist das einzige “Geldinstitut” des Ortes offenbar wegen krummer Geschäfte schon seit langem geschlossen. Daher gehe ich zum großen Markt der Haussa. In den verstopften Gassen gibt es Gewürz-, Tabak- und Teehändler neben Schneidern und Fleischern. Auch westliche Erzeugnisse wie Plastikgeschirr gibt es zu kaufen. Allerdings will zunächst niemand etwas von meinen US-Dollar wissen. Schließlich kann ich aber doch etwas Bargeld umtauschen, wenn auch zu einem schlechten Kurs.
Als nächstes interessiert mich der außerhalb der Stadtmauern liegende Kamelmarkt der Tuareg.
Die schlanken Männer dort tragen meist lange dunkelblaue Gewänder und haben ihr Turbantuch, den Chech, bis über die Nasenwurzel gezogen, was ihnen ein geheimnisumwittertes, undurchschaubares Äußeres verleiht. Warum sich bei den Tuareg die Männer verschleiern ist unter den Fachleuten umstritten. Manche meinen es sei lediglich der traditionelle Schutz gegen Sonne und Sand. Andere glauben der Chech diente hauptsächlich als Maskierung bei den früher weit verbreiteten Raubüberfällen und fand so seinen Eingang in die Kultur.
Den beiden Jugendlichen, die mich immer noch begleiten, habe ich von meiner geplanten Kameltour erzählt. Sie bringen mich zu dem greisen Chef des Marktes, der sicher einen Führer finden kann. Allerdings bin ich von seiner aufdringlichen Art, mir Gri-Gri genannte Amulette oder Silberschmuck zu verkaufen, etwas enttäuscht. Besonders die Silberarbeiten der Tuareg sind weltberühmt. Das beliebteste Motiv hier ist sicher das Kreuz von Agadez. Obwohl es an das christliche Kreuz erinnert, hat es damit nichts zu tun. Vielmehr hatte diese Form schon immer magische Bedeutung bei den Tuareg. Auch viele andere Orte im Tuareggebiet wie beispielsweise Zinder oder Timia haben ein eigenes, jeweils etwas anders gestaltetes Kreuzmotiv. Es gibt hier zweifellos schönen Schmuck, aber ich habe weder Geld noch Interesse mir jetzt Souvenirs zu kaufen.
Der Chef kann mir offenbar nicht helfen, also gehe ich weiter. Obwohl alles sehr provisorisch aussieht, hat sich hier wohl in den letzten Hundert Jahren wenig geändert.
Zurück in der Stadt treffe ich Ibrahim. Er hat auch noch keinen Führer gefunden. Das macht aber nichts, da ich sowieso morgen erst zum algerischen Konsulat will. Ich hoffe mein Algerienvisum ist dort eingetroffen, wie man mir in N 'Djamena zugesagt hatte.
Am nächsten Tag erfahre ich allerdings, daß es noch nicht aus Algier angekommen ist. Das läßt mich vorerst relativ kalt, da ich ja noch länger in der Gegend bin, wenn es mir gelingt einen Führer für die geplante Kameltour zu finden.
Auf der Straße treffe ich einen Lastwagenfahrer, der häufig nach Tamanrasset fährt. Das ist eine Stadt an der Hoggarpiste in Algerien, wohin ich auch noch will. Er bringt mich zu seinem Freund, einem professionellen Führer. Der Schwarze zeigt mir seine Lizenz und Fotos von seinen Ausflügen mit Touristen. Mein geplantes Unternehmen scheint nicht so einfach zu verwirklichen zu sein, denn ich benötige dazu die Erlaubnis von Polizei, Gendarmerie u.s.w..
Die Beiden sind nett, versuchen mir aber penetrant eine alte Guerba zu verkaufen. Eine Guerba ist eine Ziegenhaut, die als Wasserbehälter dient. Durch die Verdunstungskälte bleibt das Wasser in ihr stets kühl. Meine Gesprächspartner sind der Ansicht, daß ich unbedingt so eine 35 Liter fassende Haut benötige, wenn ich auf einem LKW durch die Wüste fahre. Mir erscheint ihr Preis aber viel zu hoch und außerdem stinkt die Guerba ziemlich übel nach Ziege!
Nachdem die Beiden mir das unscheinbare Lehmhaus von Heinrich Barth, gezeigt haben, verabschieden wir uns. Der Deutsche Barth war einer der ersten Forschungsreisenden in der Sahara und verbrachte 1850 längere Zeit in Agadez.
Während ich wieder über den Tuaregmarkt schlendere, spricht mich ein hagerer, etwa 35-jähriger Targi an. Targi ist der Singular von Tuareg. Die weibliche Form ist Targia. Unter seinem Gesichtsschleier ist nur die Wurzel seiner Adlernase zu sehen. Obwohl er natürlich auch Geld verdienen will, wirkt er im Gegensatz zu den anderen Leuten, die ich bisher in Agadez getroffen habe, überhaupt nicht aufdringlich. Daher nehme ich gerne an, als er mich zu sich nach Hause einlädt.
Hinter einer Mauer aus Banko, das ist das Gemisch aus Lehm, Stroh und Holz, aus dem die meisten Gebäude hier errichtet sind, liegt kein Haus, sondern ein an den Seiten offenes, großes Zelt aus Bastmatten! Moussa Magas, so heißt der Targi, ist zwar seßhaft, hat das Zelt als Erinnerung an das Nomadenleben aber noch nicht aufgegeben.
Als erstes trinken wir Tee aus kleinen Gläsern, in die stets kunstvoll dreimal hintereinander eingeschenkt wird. Einem Gast weniger als drei Gläser anzubieten gilt als unhöflich. Der Bewirtete dagegen sollte ebenfalls nicht mehr als dreimal von dem Getränk verlangen. Erst seit Anfang dieses Jahrhunderts kennen die Tuareg den Tee, der immer stark und zuckersüß getrunken wird.
Moussas beide Frauen kochen Reis über dem offenen Feuer. Früher lebten die Tuareg stets in Einehe, doch unter dem zunehmenden Einfluß des Islam ist es mittlerweile nicht ungewöhnlich, daß ein Mann mehrere Frauen hat. Obwohl die Frauen die Speisen zubereitet haben, dürfen sie erst essen nachdem Moussa und ich fertig sind. Trotzdem haben sie größere Freiheiten als die Frauen in anderen islamischen Gesellschaften. Sie müssen sich nicht verschleiern und dürfen sich auch an der Unterhaltung beteiligen.
Moussa ist ein professioneller Führer, der häufig Touristen mit Autos durch die Wüste begleitet Auf vielen Pisten im Niger ist die Begleitung durch einen Einheimischen vorgeschrieben. Jetzt zu Beginn des Saharasommers hat er aber kaum noch Kunden und ist daher an einer Kameltour mit mir interessiert. Doch zunächst unterhalten wir uns und ruhen nach dem Essen lange aus. Eine Toilette gibt es hier nicht. Wen ein Bedürfnis plagt, geht in die Wüste, die unweit der Mauer beginnt.
Später versuche ich auf Moussas Rat hin im berühmten Hotel de l 'Air Geld umzutauschen. Während dort heute die Touristen absteigen, residierte hier 1917 Kaocen, der Kriegsherr der Tuareg in dem großen Aufstand gegen die Franzosen.
Der Portier wechselt DM gegen C.f.A und versucht mir gleich einen Führer zu vermitteln, was ich ablehne.
Als ich zu Fuß zum Campingplatz zurückgehe, bemerke ich wie plötzlich die Leute auf der Straße zu laufen beginnen. Ich sehe mich um und bemerke eine dunkle Mauer in rasender Geschwindigkeit auf mich zukommen.
Ein Sandsturm!
Ich renne so schnell wie möglich vor den Staubmassen davon. Dennoch würde ich es nie bis zum Campingplatz schaffen, bevor der Sand mich erreicht. Aber ich habe Glück, ein Wagen nimmt mich mit zum Platz. Noch bevor ich mein Zelt erreiche, bin ich von dichtem Staub eingehüllt, der die Sichtweite auf wenige Schritte verringert. Der Sand dringt in alle Poren und macht das Atmen schwer. Ich bin heilfroh, daß ich mich vor dem tobenden Inferno ins Zelt verkriechen kann. Aber trotz geschlossener Reißverschlüsse dringt der Sand auch hier ein. Nach zwei Stunden läßt der Sturm nach und es fallen einige Regentropfen. Danach ist die Atmosphäre wieder rein. Das scheint auch ein Skorpion zu schätzen, den ich abends über den Platz huschen sehe.
Den nächsten Tag verbringe ich größtenteils bei meinem neuen Freund Moussa. Sein 2-jähriger Sohn hat Bauchschmerzen. Ich versuche ihm mit einigen Tabletten aus meiner Reiseapotheke zu helfen. Natürlich unterhalten wir uns hauptsächlich über die geplante Reise. Er verlangt für sich als Führer wesentlich weniger als ich von allen anderen gehört habe.
Auf dem Campingplatz bin ich inzwischen nicht mehr der einzige Gast. Etliche, meist deutsche “Autoschieber” sind eingetroffen. Viele von ihnen finanzieren sich ihren Afrikaurlaub, indem sie Fahrzeuge in Europa kaufen, durch die Sahara fahren, und dann versuchen den Wagen in Schwarzafrika gut zu verkaufen. Das Geschäft scheint zu funktionieren, da ich sogar Leute treffe, die diesen Handel berufsmäßig betreiben. Vom normalen PKW über Reisebusse bis zu Lastwagen sehe ich hier alle Arten von Fahrzeugen, die über die relativ gute Hoggarpiste durch die Wüste gerollt sind.
Nähere Bekanntschaft mit diesem Geschäft mache ich, als ich am nächsten Morgen zwei deutsche Schieber treffe, die völlig Pleite sind. Ursprünglich waren sie in zwei Mercedes-Limousinen unterwegs. Der eine Wagen blieb vor Tamanrasset, der einige hundert Kilometer entfernten nächsten Stradt in Algerien liegen. Das Abschleppen in eine Werkstatt scheint ihre gesamte Barschaft aufgefressen zu haben. Daher haben sie nun nicht mal mehr genug Geld zum Tanken, und bitten mich um Hilfe. Die Beiden kommen mir gerade recht, da sie mich zur nächsten Bank in das weit entfernte Tahoua mitnehmen können. Ich hoffe, daß ich dort meine Travellerschecks einlösen kann. Wir vereinbaren, daß ich ihnen zunächst mit Geld aushelfe, wofür sie mich umsonst mitnehmen. Außerdem erklären sie sich bereit, alle unterwegs anfallenden Spesen hinterher an mich zurückzuzahlen.
An der Polizeisperre hinter Agadez taucht das erste Problem auf: Der Mercedes hat keinen Auspuff mehr und macht dementsprechenden Lärm. Ich hatte nicht erwartet, daß das die Polizei im Niger groß stören würde, allerdings ist dieser Mangel natürlich ein willkommener Anlaß für ein kleines Geschäft.
Nach etwas Handeln, gibt sich der Uniformierte schließlich mit einer Musikkassette zufrieden. Wahrscheinlich wird ihm die Punkmusik von “Slime” aber kaum gefallen!
Die Gegend durch die wir bis Tahoua fahren, erscheint völlig wüstenhaft. Das täuscht jedoch, denn hier in der Sahelzone fällt während der Sommermonate gewöhnlich etwas Niederschlag.
Mit der Regelmäßigkeit ist es jedoch seit den schweren Dürren der Siebziger und Achtziger Jahre nicht mehr weit her. Durch die Abholzung der westafrikanischen Regenwälder scheint das regionale Klima nachhaltig gestört worden zu sein. Das Leben für die Bewohner des Sahel, was auf arabisch das “Ufer” des Sandmeeres Sahara bedeutet, wird immer schwieriger.
Obwohl die beiden Deutschen in Eile sind, nehmen sie sich die Zeit bei einem liegengebliebenen Peugeot zu halten, dessen nigrischer Fahrer ratlos neben seinem Wagen steht. Nach etwas Tüfteln ist die Panne behoben, und der Afrikaner freut sich weiterfahren zu können.
Das der Fahrzeughandel floriert, zeigt sich bei unserer Ankunft in Tahoua. Sogleich fragen etliche Leute, ob wir den Mercedes verkaufen wollen. Die Deutschen wollen jedoch nach Birni n ' Konni an der nigerianischen Grenze, da sie dort einen besseren Preis erwarten. Die meisten Wagen gehen ohnehin nach Nigeria, wo die “Autoschieberei” aber verboten ist.
Für unsere Verhältnisse weitgehend abgetakelte Fahrzeuge leisten in den dortigen Städten als Taxen noch jahrelang ihren Dienst.
Da die Bank erst um 16 Uhr öffnet, vertreiben wir uns die Wartezeit mit einem ausgedehnten Mittagessen. Obwohl Spaghetti mit Fleischsoße sicher nicht das ausgefallenste Mahl ist, bezahlen wir für die drei Essen umgerechnet 40 DM. Für afrikanische Verhältnisse unglaublich viel, aber was solls, die Beiden anderen zahlen die Spesen!
In der Bank gelingt es mir glücklicherweise meine restlichen Travellerschecks umzutauschen, dann fahren wir weiter.
Die Gegend wird immer grüner und dichter besiedelt, je weiter wir nach Süden fahren. Offenbar hat es hier schon geregnet. Dann erreichen wir Birni n ' Konni, den Grenzort zu Nigeria. Auch hier sind sofort Interessenten an dem Wagen zur Stelle. Die meisten wollen aber sicher nur zum Spaß etwas Handeln und haben gar nicht das Geld für ein Auto.
Bald taucht aber ein ernstzunehmender potentieller Käufer auf, eine würdevolle gut beleibte Gestalt im weißen Burnus. Er selbst führt nicht die Verhandlungen, sondern hat etliche Helfer dafür. Mit den vielen Schwarzen zu handeln ist nervenaufreibend. Aber schließlich ist man sich einig. Umgerechnet 5500 DM in kleinen Scheinen wechseln den Besitzer. Der ganze Handel findet auf offener Straße statt. Mir wäre die Übergabe, einer für die hiesigen Verhältnisse riesigen Geldsumme, unter den Augen zahlreicher Menschen viel zu unsicher. Die Deutschen sind allerdings zunächst relativ gelassen. Entweder sind sie naiv oder haben einfach die Ruhe weg. Als dann aber ein Streit entbrennt, ob Werkzeug e.t.c. mitverkauft wurde, schnappen sich die Beiden ihr Zeug und sehen zu, sich so schnell wie möglich zu entfernen. Geld spielt hierbei keine Rolle und so chartern sie rasch einen Privatwagen für über 200 DM der uns nach Agadez zurückbringen soll.
Die Fahrt gestaltet sich ziemlich schwierig. Erst setzt ein kurzer Sandsturm ein, dann geht ein Gewitter mit heftigem Regen nieder. Mittlerweile ist es stockdunkel, aber unsere Scheinwerfer funktionieren nicht, so das wir nur langsam vorankommen. Zu all dem kommt noch hinzu, daß wir zweimal einen Reifen wechseln müssen! Kein Vergnügen in Regen und dunkler Nacht. Der Fahrer kann sich nicht einmal an seinem Lohn ungeteilt erfreuen. An einer Straßensperre muß er viel Geld bezahlen. Zur Begründung hört er, daß er kein Taxifahrer sei und uns daher nicht befördern darf!
Früh am nächsten Morgen erreichen wir Agadez. Die beiden Deutschen lassen sich aber noch bis Arlit, der letzten Stadt im Niger, vor der algerischen Grenze bringen.
Mein Visum ist noch immer nicht eingetroffen, daher beantrage ich es hier neu. Ich hoffe, daß ich es in zwei Wochen, wenn ich von meiner geplanten Kameltour zurückkomme, in Empfang nehmen kann.
Vorbei an der großen Moschee, dem schon im 14.Jahrhundert erbauten Wahrzeichen der Stadt, gehe ich zum Tuaregmarkt. Bei dem hohen kegelförmigen Gebäude aus Lehm, Mist und Stroh hat man das Baugerüst miteingemauert, um so Reparaturen leichter erledigen zu können. Daher sieht die Moschee von weitem wie ein stachliger, roter Kaktus aus.
Auf dem Markt treffe ich Moussa und sage ihm, daß ich abmarschbereit bin. Wir gehen zum offiziellen Verkehrsbüro, um die Erlaubnis für die Reise einzuholen. Der in traditionelle Gewänder gekleidete, hochgewachsene Targi der in dem Büro arbeitet, erklärt, daß ich die Erlaubnis nur erhalte, wenn ich die Reise mit einer zugelassenen Agentur durchführe. Ich will anfangen mich mit ihm zu “unterhalten”. Aber Moussa gibt mir zu verstehen, daß es besser ist zu schweigen.
Als wir wieder bei ihm zu Hause sind, erklärt er, daß er umgerechnet 100 DM benötigt um Verkehsbüro, Polizei, Gendarmerie und Präfektur für die Reiseerlaubnis zu bestechen.
Mir ist bewußt, daß ich jetzt ganz leicht auf einen Trick hereinfallen kann. Dennoch gebe ich dem Targi das Geld, denn ich glaube mittlerweile, daß ich ihm trauen kann.
Als ich Moussa am nächsten Morgen wiedertreffe, hat er die benötigten Papiere. Allerdings mußte er das ganze Geld ausgeben um sie zu beschaffen. Unserem Abmarsch steht jetzt nichts mehr im Weg. Während er Vorräte auf dem Markt einkauft, warte ich bei ihm zu Hause. Als er zurückkehrt, ist er nicht nur mit dem Essen beladen, sondern bringt auch einen Chech für mich mit. Der Targi meint, dieser etwa zwei Meter lange dunkle Turbanstoff sei für mich als Schutz gegen Sand und Sonne in der Wüste unentbehrlich. Natürlich gelingt es mir nicht das lange Tuch vernünftig zu binden. Daher hilft mir Moussa. Unter dem Turban ist es unglaublich heiß, aber ich denke ich werde mich schon daran gewöhnen.
Am Tuaregmarkt sehe ich zum ersten Mal unsere beiden Kamele. Moussa hat sie von einem anderen Targi gemietet, da er selber keine besitzt. Streng genommen sind unsere Reittiere gar keine Kamele sondern Dromedare. Echte Kamele haben zwei Höcker und leben in Asien. Dagegen verfügen die Dromedare nur über einen Höcker.
Die beiden Tiere sind Wallache, die am häufigsten als Reittiere verwendet werden. Nicht kastrierte Hengste sind zu temperamentvoll und unberechenbar. Dagegen sind Stuten schwächer und dienen überwiegend der Milchproduktion. Beide Tiere haben eine eher grau-weiße Farbe, nicht das typische “Camelgelb”. Auffallend ist der Größenunterschied zwischen den Beiden. Vor dem Höcker ist der Sattel befestigt, eine Holzkonstruktion mit Rückenlehne. Zum festhalten dient der in Kreuzform gearbeitete, lange Sattelknauf. Beladen wird jedes der Tiere mit ledernen Packtaschen und einer 30 Liter fassenden Guerba.
Dann ist der große Moment des Aufsitzens gekommen! Dazu liegen die Tiere. Auf Kommando setzt sich dann ein zweistufiger "Fahrstuhl" in Bewegung. Der erste Ruck erfolgt wenn die Vorderbeine hochgehen, der zweite wenn die Hinterbeine ebenfalls aufrecht gestellt werden. Obwohl ich auf dem kleineren Kamel sitze, kommt mir der Abstand zum Erdboden beträchtlich groß vor!
Geritten wird ohne Schuhe, indem die Füße auf dem Halsabsatz abgestellt werden. Lenken kann man die Tiere sehr einfach mit dem Zügel, der an einem Nasenring befestigt ist.
Zunächst läuft mein Tier wie von selbst in dem charakteristischen, schaukelnden Gang, den ich aber gut vertrage. Viele Leute sind schon auf einem Kamel seekrank geworden!
Wenn der Fleiß des Tieres nachläßt muß ich es durch leichte Tritte in die Seite antreiben. Sollte das auch nichts nützen, bleibt noch die meterlange Ledergerte, die ich aber zunächst nicht verwende.
Schon nach einer Stunde halten wir zur Mittagsrast im spärlichen Schatten einiger Akazien an. Bald taucht ein hagerer, etwa 16-jähriger Junge auf. Er entpuppt sich als Amoul, der Sohn des Kamelbesitzers. Moussa möchte, daß er uns begleitet. Ich bin zunächst etwas verwundert, da von ihm vorher keine Rede war. Das erklärt Moussa damit, daß der Junge krank war und er nicht glaubte, daß er mitkommen könne. Amoul begleitet Moussa stets auf seinen Touren und ist angeblich ein guter Koch. Als ich erkläre kein zusätzliches Geld ausgeben zu wollen, sagt Moussa, daß er ihn von seinem Lohn bezahlen wird. Wir haben als Führerlohn umgerechnet 30 DM pro Tag vereinbart. Das klingt viel für afrikanische Verhältnisse, den Löwenanteil macht allerdings die Kamelmiete aus.
Als die Hitze etwas nachläßt ziehen wir weiter. Zunächst durchqueren wir lichten Dornbusch, indem es sowohl von Vögeln als auch den Ziegen der Bororo wimmelt. Dann erreichen wir einen Ziehbrunnen, wo wir die Kamele tränken. Das hört sich einfach an, ist aber eine ziemlich anstrengende Prozedur, da ein Dromedar in nur einer Viertelstunde die unglaubliche Menge von 200 Litern Wasser trinken kann! Auch wenn unsere jetzt weniger zu sich nehmen, müssen wir den Eimer doch viele Male hochholen, bis ihr Durst gelöscht ist.
Um die schwerbeladenen Tiere zu entlasten, will Moussa ab jetzt laufen.. Natürlich will ich ebenfalls mein Kamel schonen, aber Moussa meint, ich solle weiter reiten. Er kann sich offenbar nicht vorstellen, daß ein Weißer lange durch die kahle Steinwüste, die jetzt vor uns liegt, marschieren kann. Dennoch gehe auch ich ab jetzt zu Fuß. Ein Grund ist natürlich auch, daß ich meinem von dem harten Sattel arg beanspruchten Hinterteil eine Atempause verschaffen will!
Nachdem wir die Asphaltstraße Richtung Arlit überquert haben, erscheinen bald die schroffen Vulkanzinnen des Air-Gebirges. Gegen 17.30 schlagen wir unser Lager in der Nähe einiger kahler Dornsträucher auf. Den Kamelen binden wir die Hinterläufe zusammen, damit sie sich beim Grasen nicht zu weit entfernen. Amoul kocht dann mit etwas Holz, das wir in der Umgebung finden. Es zeigt sich, daß Moussa nicht übertrieben hat, die Makkaroni mit einer Soße aus getrockneten Tomaten sind wirklich lecker! Wir essen mit Löffeln gemeinsam aus einem Topf.
Zum Schlafen entrollt jeder einfach seine Matte und schläft unter dem Sternenhimmel im warmen Sand. Leider bin ich mal wieder von Durchfall geplagt.
Am nächsten Tag scheint Moussa mir zeigen zu wollen, daß ein echter Tuareg doch viel zäher ist, als die verweichlichten Europäer. Er läuft nur von der Mittagspause unterbrochen, den ganzen Tag.
Wieder treffen wir auf Bororo mit ihren relativ hellen, scharf geschnittenen Gesichtern. Sie werden von dem Brunnen angezogen, den auch wir ansteuern. Es ist für uns zwar nicht notwendig jeden Tag eine Wasserstelle aufzusuchen. Aber es wäre dumm einfach an frischem Wasser vorbeizugehen, das auf unserem Weg liegt. In diesem Grenzgebiet zwischen Sahel und Sahara kann man sich nie völlig sicher sein, ob die nächste Wasserquelle noch ergiebig ist. Daher füllt man seine Vorräte auf, wann immer das möglich ist.
Diesmal müssen wir den Eimer nicht selber hochziehen, sondern die Arbeit wird von einem Esel erledigt. Das Seil gleitet über eine Rolle in den tiefen Schacht. Natürlich zieht der Esel das Wasser nicht freiwillig hoch, sondern muß von seinem Besitzer angetrieben werden.
Obwohl die weiten Ebenen die wir durchziehen ziemlich trocken erscheinen, sehen wir immer noch Vögel. Einmal beobachten wir sogar eine dunkle Riesentrappe, die über den kahlen Sand läuft. Moussa erzählt zu meiner Überraschung, daß es hier im Air sogar noch Strauße gibt.
Amoul ist noch immer nicht gesund, wie sich jetzt zeigt. Er klagt über Kopfschmerzen, hat Fieber und muß sich übergeben. Es hat keinen Zweck in seinem Zustand weiterzuwandern, daher legen wir um die Mittagszeit eine lange Rast ein. Ich weiß zwar nicht was ihm fehlt, der Glaube an die Wirksamkeit westlicher Medikamente ist aber bei allen Afrikanern stark ausgeprägt. So gebe ich ihm einige Aspirin in dem Wissen, daß sie ihm auf keinen Fall schaden, vielleicht sogar helfen können.
Es klappt, als die Hitze nachmittags etwas nachläßt, ziehen wir weiter. Den Chech habe ich längst wieder gegen meinen altbewährten Hut vertauscht. Ein Turban mag zwar das perfekte Schutzmittel gegen Sonne und Sand sein, mir ist es aber einfach zu heiß darunter.
Die Landschaft wird zusehends steiniger und einige Felsberge kommen in Sicht. Trotzdem ist dies keine absolute Wildnis. Selten überqueren wir eine Piste und einmal sehen wir sogar eine Stromleitung. Im Air werden verschiedene Mineralien abgebaut, wahrscheinlich führt sie zu einer Mine.
Während zuvor die Kamele immer mal anhielten um an den verstreut wachsenden Pflanzen zu grasen, finden sie hier kein Futter mehr. Dennoch sind sie jetzt langsamer. Besonders meines, das ich an einem Seil hinter mir herführe, muß ständig angetrieben werden.
In einem von niedrigen Bergen umgebenen Tal schlagen wir unser Nachtlager auf. Da es auch hier nur wenig Pflanzen gibt, schwärmen die Tuareg zur Futtersuche aus. Dabei sind die perfekt an die karge Wüste angepassten Kamele keineswegs wählerisch. Sie können sogar die dornigsten Akazienzweige durch ihren starken Speichelfluß mundgerecht zerkleinern.
Da ich mich mit den Kamelfutterpflanzen natürlich nicht auskenne, besteige ich in der Zwischenzeit einen unweit des Lagers aufragenden Berg. Die Aussicht über die, im milden rosigen Licht des Abends, still daliegende Felswüste ist beeindruckend. Einige entfernt vorbei ziehende Gazellen verraten, daß es auch hier durchaus noch Leben gibt. Sie sind die Beutetiere einiger Geparden, die wohl noch im Air leben. Um sie, sowie die seltenen Addaxantilopen zu schützen, richtete die nigrische Regierung mit Unterstützung des WWF 1988 im Air und der angrenzenden Wüste eines der größten Schutzgebiete der Erde ein. Es ist immerhin doppelt so groß wie die Schweiz! Leider wurde zunächst keine Rücksicht auf die hier traditionell lebenden Tuaregnomaden genommen. Beispielsweise wurde ihnen das Holzsammeln verboten und sogar der Zutritt zu bestimmten Gebieten verwehrt. Inzwischen hat der WWF aber erkannt, daß ein Naturschutz ohne die Menschen nicht funktionieren kann. So ist zu hoffen, daß es zu Verbesserungen für die Tuareg kommt.
Heute abend ist Moussa der Küchenchef. Aus Mehl, Wasser und etwas Salz formt er dünne Fladen, die er dann unter der Glut des kleinen Lagerfeuers backt. Anschließend muß nur noch der Sand abgekratzt werden und man kann ein herrlich schmeckendes frisches Brot genießen!
Auch die Kamele kommen nicht zu kurz. Die Tuareg lassen sie sich unmittelbar bei uns hinlegen und füttern sie dann mit dem gesammelten Futter, geradewegs ins Maul hinein. Ein romantisches Bild, das aber schlichter Notwendigkeit entspringt. Kamele können zwar gut lange ohne Wasser auskommen, bei Futtermangel läßt jedoch ihre Leistungsfähigkeit schnell nach. Außerdem würden sie sich bei selbstständiger Nahrungssuche trotz zusammen gebundenen Beinen weit entfernen. Am Morgen müssten sie dann erst mühsam gesucht werden.
Am nächsten Tag überqueren wir wieder die Asphaltstraße Richtung Arlit. Das macht mich unzufrieden, denn eigentlich hatten wir abgemacht so weit wie möglich ins Gebirge vorzustoßen. Aber auch Moussas Laune ist schlecht, so daß sich irgendwann ein Streit entwickelt. Er wirft mir vor zu lange zu marschieren, was nicht gut für die Kamele sei. Ich hatte die Tiere als belastbarer eingeschätzt, aber meines hat bereits eine kleine Fußverletzung. Wahrscheinlich hat Moussa recht, schließlich ist er mit Kamelen aufgewachsen und nicht ich.
Der wahre Grund für seine Unzufriedenheit liegt aber wahrscheinlich woanders. Bei seinen Touren ist er als der erfahrene Führer gewohnt stets den Ton anzugeben. Dagegen rede ich über Pausenlänge und Lagerwahl durchaus mit. Es scheint dem stolzen Targi nicht zu passen, daß ein Europäer, der keine Ahnung von der Wüste hat, ihm Vorschriften macht. Ich will nicht lange mit Moussa streiten und nehme mir vor etwas einfühlsamer mit ihm umzugehen. Das scheint dann auch ganz gut zu funktionieren, es kommt zu keinem weiteren ernsten Streit zwischen uns.
Später am Nachmittag beginnt sich das Wetter zu ändern. Es ist immer noch heiß, doch dunkle Wolken verdüstern das Land. Es hat hier seit einem Jahr keinen Niederschlag gegeben, dennoch glaubt Moussa heute könne es regnen. Doch zunächst kommt starker Wind auf. Die Sandkörner peitschen uns ins Gesicht und machen jeden Schritt zur Qual. Die dunklen Lavaberge, die wir jetzt erreichen, lassen die Szenerie noch düsterer erscheinen.
Die Felsbilder, wegen denen wir hierhergezogen sind, schauen wir nur kurz an und schlagen dann unser Lager oberhalb von einem hier Korry genannten Trockenfluß auf. Obwohl die ebene Sandfläche im Korry auf den ersten Blick einen viel besseren Platz ergeben würde, leuchtet es sogar mir, als Wüstenanfänger, ein, daß dort zu schlafen leicht zum tödlichen Fehler werden kann. Wenn es regnet, regnet es oft heftig. Von keiner Vegetation festgehalten ergießen sich schnell ungeheure Wassermassen in die Korrys. Selbst wenn es dort, wo man übernachtet, trocken bleibt, können im Oberlauf niedergegangene Regenfälle eine Flutwelle auslösen, die alles Leben im Bachbett hinwegspült.
Moussa behält recht. Nach Einbruch der Dunkelheit verraten überall aufleuchtende Blitze das herannahende Gewitter. Als zwischen Blitz und Donner kaum noch eine Pause ist, öffnen sich die Schleusen des Himmels. Erst langsam, dann immer heftiger prasselnd gehen die schweren Tropfen nieder. Auch Moussa hatte vor unserem Aufbruch nicht mit Regen gerechnet. Wenn es hier Niederschläge gibt, dann meistens im August, und jetzt ist erst Mai. Daher ließ ich mein Zelt zur Gewichtsersparnis bei ihm zurück. Glücklicherweise haben wir noch eine Plastikplane dabei, mit der wir uns zudecken, so daß wir den Naturgewalten nicht völlig schutzlos ausgeliefert sind. Ich traue meinen Augen kaum, als ich in einer Regenunterbrechung sehe, wie eine Kröte sich unter der Plane verbergen will. Seit den letzten Regenfällen vor vielen Monaten hat sie scheinbar leblos im Sand des Korry ausgeharrt und wurde nun von den schweren Tropfen geweckt. Auch eine große weiße Spinne sucht bei uns Schutz.
Am Morgen hat sich die vorher so trockene Umgebung unseres Lagers radikal verändert. Wo vorher das nackte Bett des Korry war, fließt jetzt ein mehrere Meter breiter, gurgelnder Bach. In allen Geländevertiefungen haben sich kleine, flache Seen gebildet, die aber jetzt schon wieder am Austrocknen sind. Die Sonne ist noch immer nicht zum Vorschein gekommen, ein bleigrauer Himmel wölbt sich über uns.
Ich gehe alleine zu den in den Fels geritzten Zeichnungen, die wir gestern nur kurz gesehen hatten. Über eine Fläche von etwa 300 Metern verteilt, oft unter Überhängen, finden sich die zum Teil noch gut erkennbaren, zum Teil aber auch schon ziemlich ausgewaschenen Ritzzeichnungen.
Sie müssen aus einer Zeit vor über 5000 Jahren stammen, als die Sahara noch grün war. Pollenanalysen haben gezeigt, daß damals hier eine Flora lebte, wie etwa noch heute am Mittelmeer. Giraffen, Büffel, Löwen und Antilopen sind dargestellt. Alles Tiere die jetzt in den Savannen viel weiter südlich leben. Während die Schöpfer der Zeichnungen sich bei den Tieren viel Mühe gegeben haben, sind die Menschen nur als einfache Strichmännchen dargestellt. Die unbekannten Künstler waren wahrscheinlich Jäger, die ihre Beute darstellen wollten, ähnlich wie bei den Höhlenmalereien in Europa. Auch dort ist die Darstellung der Beute viel wichtiger, als die der Jäger. Vieleicht hatten die Zeichnungen kultische Bedeutung, aber genau weiß das natürlich niemand.
Das, was ich für Büffel halte, können aber auch langhörnige Rinder sein, wie sie noch heute von den Bororo gezüchtet werden. Das würde bedeuten, daß es hier Zeichnungen aus verschiedenen Epochen gibt, denn Viehzüchter traten erst später auf. Manche Forscher sind der Ansicht, daß die Vorfahren der Fulbe, zu denen auch die Bororo gehören, aus Norden in ihre heutigen Lebensräume eingewandert sind. Ihre, im Vergleich zu den Nachbarn, hellere Haut und die scharfen Gesichtszüge deuten daraufhin, daß sie erst später in die Gebiete jenseits der Wüste eingewandert sind. Außerdem gibt es Übereinstimmungen zwischen ihren heutigen Riten und Zeremonien, die auf algerischen Felsbildern dargestellt werden. Die zunehmende Austrocknung der Sahara, ab dem 3. Jahrtausend vor Christi, zwang sie wohl zu dem Rückzug nach Süden.
Kamele fehlen auf den Zeichnungen. Allerdings gibt es im Tassili-Gebirge Algeriens Stätten, wo auch diese Tiere abgebildet sind. Sie gelangten erst mit den berberischen Vorfahren der Tuareg, die in der Nähe des Mittelmeers lebten, in die Sahara.
Ich folge dem Lauf des Korry über schwarze Lavablockfelder ins Gebirge. Der Bach ist zum Teil noch immer hüfthoch.
Um nicht denselben Weg zurückzugehen, schlage ich einen Bogen über eine Ebene außerhalb der Berge. Der Segen des Regens macht sich hier bereits bemerkbar. Über Nacht sind frische Grashalme gewachsen und an den niedrigen Sträuchern zeigt sich zartes Grün. Auch die Tierwelt ist aktiver als zuvor. Überall sehe ich kleine Ameisen. Steinschmätzer, Tauben und Lerchen singen. Farbige Blauracken und Zwergspinte jagen die jetzt reichlich in der Luft vorhandenen Insekten. Die größte Überraschung erlebe ich allerdings, als ich wieder am Korry in Lagernähe bin. Ein lautes Froschkonzert schallt mir entgegen! Die Amphibien haben die trockene Zeit im Sand des Korry verbracht und müssen sich nun mit ihrer Hochzeit beeilen, damit die Entwicklung vom Laich zum ausgewachsenen Frosch beendet ist, ehe die Trockenheit alles Wasser unbarmherzig wieder aufgesaugt hat.
Nachdem wir Brot gebacken haben, ziehen wir weiter. Für die Kamele ist es ein Tag der Extreme. Erst ziehen wir über Blockfelder mit scharfkantigem Vulkangestein. Man merkt ihnen ihre Unsicherheit und die Angst an, sich in diesem schwierigen Gelände zu verletzen. Wir haben Glück! Alles läuft gut. Auch mein Kamel, auf dem ich kaum noch reite, erleidet keine neue Verletzung. Dann waten die Tiere buchstäblich im Schlamm einer Taloase, wo sie jeden Moment auszugleiten drohen. Ziemlich seltene Erfahrungen für die Wüstenschiffe!
Auf meinem gewohnten Abendspaziergang habe ich einen faszinierenden Anblick: Über den gezackten, schwarzen Vulkanbergen geht blutrot die Sonne unter. Davor reitet ein einsamer, verschleierter Targi mit umgehängtem Schwert auf seinem Kamel im Galopp über eine weite Ebene.
Da wir wissen, daß Menschen in der Nähe sind, werden die Kamele am Feuer gefüttert. Ließen wir sie grasen, wäre die Gefahr zu groß, daß sie gestohlen werden. Kamele haben im Gegensatz zu Pferden keine Bindung an ihre Reiter. Es ist für jeden gleich einfach oder gleich schwer mit ihnen klar zu kommen. Daher ist es leicht sie zu stehlen, was wohl häufig vorkommt. Moussa trägt sein Schwert, die Takuba, nicht nur zur Zierde, sondern auch als Waffe gegen Kameldiebe.
Zahlreiche Fledermäuse, die die gefiederten Insektenfresser ablösen, jagen im Zick-Zackflug über unserem Feuer. Später mache ich dann noch eine etwas unheimliche Beobachtung: Ein Skorpion verharrt einige Zeit am Rand meiner Matte bis er verschwindet.
Am nächsten Tag gibt es auf den weiten Ebenen kaum noch Spuren des Regens. Dafür ist in dem großen Korry, dem wir fast den ganzen Tag folgen der "Frühling" eingekehrt. Die Akazien blühen mit herrlichem Duft und überall singen Vögel. Zahlreiche Wasserstellen sind hier zurückgeblieben, und so ist es mir zunächst unverständlich, daß wir dort, wo die Kamele ins Wasser gepinkelt haben, unsere Guerbas auffüllen! Moussa meint lediglich gleichmütig, daß das Wasser hier sowieso überall gleich verschmutzt sei. Damit hat er wahrscheinlich recht, denn in dem breiten Korry leben etliche Tuareg. Deren Ziegen und Kamele haben wahrscheinlich bereits vor unseren eigenen Tieren die Wasserlöcher verschmutzt. Allerdings ist der strenge Uringeschmack unverkennbar. Glücklicherweise können wir abends neues Wasser aus einer klaren Bergquelle aufnehmen.
Die Tuareg leben auch hier in Mattenzelten. Meist werden die Ziegen von Frauen gehütet. Im Gegensatz zu den Männern sind sie immer unverschleiert. Oft sind sie hübsch, immer aber haben sie starke, ausdrucksvolle Gesichter. Ihr selbstbewußtes, sicheres Auftreten fällt auf, weil es in einer moslemischen Gesellschaft ziemlich ungewöhnlich ist. Alte berberische Traditionen haben hier die Jahrhunderte der Islamisierung unbeschadet überstanden.
Die Männer sind häufig mit einer Karawane unterwegs oder arbeiten in einer weit entfernten Stadt, um Geld zu verdienen. Tuareg sind beispielsweise als Leibwächter bei weißen Entwicklungshelfern in ganz Westafrika beliebt.
Abends am Lagerfeuer erzählt Moussa etwas über die Situation seines Volkes hier im Niger. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts lebten fast alle Tuareg als Nomaden, die wegen ihren häufigen Überfällen, bei den seßhaften, schwarzen Nachbarn gefürchtet waren. Oft wurden auch Sklaven bei diesen Raubzügen gemacht. Das hörte erst auf, als Frankreich am Ende des ersten Weltkriegs die Tuareg nach zahlreichen zermürbenden Auseinandersetzungen endgültig unterworfen hatte. Danach wurden sie von den Franzosen aber recht gut behandelt, da viele Kolonialbeamte Symphatie für die stolzen Nomaden entwickelten. 1960 wurde die heutige Republik Niger in die Unabhängigkeit entlassen. Die Regierung bildeten die Angehörigen der weit überwiegenden schwarzen Bevölkerungsmehrheit, bei denen die Tuareg wegen der früheren Überfälle natürlich nicht besonders beliebt waren. Doch bis zu den verheerenden Dürren der Siebziger und Achtziger ging alles relativ gut. Danach hatten viele Nomaden ihre Herden verloren, der Hunger ging um und die Hilfslieferungen bereicherten meist nur die Taschen der Regierungsbeamten. Viele flohen vor dem Hunger in das reichere Algerien. Zahlreiche junge Tuareg gingen nach Lybien, wo sie als Kämpfer in Ghaddafis islamischer Legion willkommen waren. 1989 startete die nigrische Regierung ein Programm zur Reintegration der Flüchlinge. Doch wiederum versickerte die Hilfe und es kam zu Protesten, die schließlich in einem Massaker mit Hunderten von Toten auf Seiten der Tuareg endeten. Das war der Beginn der Rebellion. Viele der ehemaligen Kämpfer Ghadaffis schlossen sich dem Aufstand an. Sie sind gut ausgebildet, z.T. kriegserfahren und werden von Lybien mit Waffen unterstützt. Ihre beliebtesten Schlupfwinkel liegen hier in den zerklüfteten Schluchten des Air. Sie haben bereits Geländewagen von motorisierten Touristen beschlagnahmt, erzählt Moussa. Denn anders als ihre Vorfahren kämpfen sie nicht vom Kamelrücken mit Schwert und Lanze, sondern mit schnellen Geländewagen und aufmontierten Maschinengewehren. Erst vor kurzem haben sie den Posten Assamakka an der algerischen Grenze angegriffen. Noch halten sich ihre Aktionen in Grenzen. Sie sind aber sicher ein ernstzunehmender Gegner für die Armee des Niger. Die Rebellen fordern weitgehende Autonomie und mehr Unterstützung durch die Zentralregierung. Natürlich wollen sie auch an den Erträgen der auf Tuareggebiet liegenden Uranmine Arlit beteiligt werden. Manche träumen auch von einem eigenen Staat. Hierzu wollen sie sich mit den malischen Tuareg, die ebenfalls gegen ihre Regierung rebellieren verbünden.
Moussa meint, daß uns hier keine Gefahr droht. Aber das Wissen um die irgendwo in den Tiefen des Gebirges versteckten Rebellen, verleiht unserem Unternehmen zusätzlichen Reiz.
Nach weniger als zwei Stunden Marsch im Bett des Korry, schlagen wir am nächsten Morgen ein neues Lager auf. Wir befinden uns in der Nähe der heißen Thermalquellen von Taffadek. Mein Tuaregführer sagt, sie seien sehr gesund und das Wasser könne alle möglichen Krankheiten heilen. Die Quelle liegt in einem kleinen Lehmgebäude vor dem ein Wärter ein geringes Eintrittsgeld kassiert. Moussa und ich gehen zusammen hinein, aber ich lasse dem Tuareg gerne den Vortritt. Das Wasser ist nämlich kochend heiß. Erst nach langsamer Gewöhnung klettere ich in das Becken, verlasse es aber auch gleich wieder. Moussa dagegen ist von der heilenden Wirkung so überzeugt, daß er minutenlang in dem heißen Wasser verharrt.
In der Nähe der Quelle stehen einige Häuser und es gibt sogar einen kleinen Laden. Mich reizt es aber nicht besonders hier länger zu verweilen, daher unternehme ich eine Wanderung in die Berge, während die Tuareg den Ruhetag genießen. Die braun-schwarzen Felsen sind ziemlich eindrucksvoll aber außerhalb des Korry gibt es wenig Leben. Die Ruhe meiner Begleiter wird allerdings auch gestört. Die Kamele haben sich beim Grasen entfernt und müssen gesucht werden. Erst lange nach Einbruch der Dunkelheit kehren die Tuareg mit ihnen zurück.
Schon früh am nächsten Morgen folgen wir dem Korry weiter. Noch vor 20-30 Jahren waren alle diese Trockentäler grüne Paradiese voller verschiedener Sträucher und Palmen. Jetzt dagegen ist Vegetation nur noch an manchen Stellen vorhanden. Immer wieder sehen wir abgeholzte Palmen und Buschbestände. Dies hat sicher verschiedene Ursachen: Das immer stärker austrocknende Land bietet immer weniger Futter außerhalb der Korrys. Das führt dazu, daß die Tuareg immer seltener die Täler mit ihrem besseren Futterangebot verlassen. Gekocht wird über dem Holzfeuer. Wenn also ein Lager lange an einer Stelle bleibt, werden alle Gehölze langsam aber sicher "verheizt". Hinzu kommt, daß das Vieh, in erster Linie die Ziegen, mit Vorliebe junge Schößlinge fressen. Daher können junge Bäume und Sträucher kaum noch hochwachsen. Die Gehölze bieten aber in Dürrejahren die letzte Futterreserve. Vor allem die Ziegen können mit heruntergeschnittenen Zweigen gefüttert werden. Das wird allerdings von vielen Sträuchern nicht vertragen, die dadurch nicht mehr neu ausschlagen. Den meisten Tuareg sind die Probleme wohl bewußt, sie wissen aber keinen Ausweg. Natürlich können die Ziegen zerstörerisch auf die Vegetation wirken. Sie sind aber anspruchsloser als alle anderen Weidetiere und daher für die Nomaden unentbehrlich.
Immer wieder begegnen uns Tuareg, vor allem Frauen. Einmal sehen wir, wie ein ganzer Haushalt umzieht. Vom Zelt bis zur letzten Schüssel ist die ganze Gerätschaft auf einem Esel festgebunden. Die zähen Grautiere schleppen klaglos ungeheure, sich hoch auftürmende Lasten. Daneben werden sie von den Frauen auch gerne als Reittiere genutzt.
Unsere Mittagsrast ist, wie meistens, sehr ausgedehnt. Dennoch essen wir zu dieser Tageszeit nur sehr wohlschmeckende süße Datteln, das Haupterzeugnis der Palmenoasen. Unangenehm ist es allerdings wenn man auf einen Wurm beißt, der ab und zu in einer der Früchte sitzt. Gekocht wird fast immer abends von Amoul, der seine Krankheit offenbar überstanden hat. Die Portionen aus Reis und Nudeln sind stets sehr üppig bemessen. Nach dem Essen folgt dann immer eine ausgiebige Teezeremonie, bei der wir uns unterhalten.
Leider werde ich noch immer von heftigen Durchfällen geplagt, die mich auch in der Nacht einige Male in die oft nicht vorhandenen Büsche treiben. Meine selbstaufblasbare Matte ist natürlich längst von den allgegenwärtigen Dornen durchlöchert. Dennoch liege ich auf ihr bequemer, als auf dem nackten Boden.
Nachdem es in der Nacht einige Tropfen geregnet hat, nutze ich am nächsten Morgen die unter dem wolkenverhangenem Himmel angenehmeren Temperaturen zu einer Wanderung in die Berge. Ich würde zu gerne die nur in den Gebirgen der Sahara, also auch im Air, beheimateten Mähnenschafe einmal beobachten. Auf Bildern wirken die Wildschafe mit ihren gedrehten Hörnern und dem dichten Fell sehr eindrucksvoll. Ich sehe aber nur einige einzeln oder paarweise auftretende Dorcasgazellen. Sie sind sehr scheu, wohl weil sie eine beliebte Jagdbeute sind.
Ich bin noch nicht sehr lange unterwegs als ein Gewitter aufzieht. Kaum bin ich zurück im Lager, als das Unwetter mit heftigem Regen hereinbricht. Fast den ganzen Tag verbringen wir unter der Plane. Ich hatte mir eine Wüstentour anders vorgestellt und habe langsam genug vom Regen!
Die beiden Tuareg, die abends frisches Trinkwasser holen, sehen dann tatsächlich einige Mähnenschafe. Glück muß man haben!
Nachdem es am folgenden Morgen aufgehört hat zu regnen, will ich es aber auch noch einmal probieren die scheuen Tiere zu beobachten. Tatsächlich, entfernt auf einem Bergkamm, regt sich etwas. Da die Schafe extrem gut sehen, schleiche ich unter Ausnutzung jeder Deckung mühsam näher. Leider entpuppen sich die Mähnenschafe aus der Nähe als zwei gewöhnliche Esel!
Zurück im Lager beladen wir die Kamele zum weiterziehen. Wie immer helfe ich so gut es geht mit. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn es ist sehr wichtig, daß die Last auf beiden Körperseiten gleich schwer ist. Über den Höcker gelegte Decken sollen verhindern, daß Sattel oder Last die Haut aufscheuern. Manchmal sind die Tiere ziemlich bockig, und es dauert sehr lange, bis wir abmarschbereit sind. Als ich eines Morgens einem Kamel die Fußfesseln abnehmen will, verpasst es mir einen Tritt, daß ich im hohen Bogen durch die Luft segele! Glücklicherweise lande ich sanft im Sand.
Wir folgen zunächst dem Korry weiter. Stellenweise ist noch Wasser zurückgeblieben. In einem Tümpel entdecken wir einige rote Kaulquappen, obwohl seit dem ersten Regen noch keine Woche vergangen ist. Das zeigt mir wieder einmal, wie schnell die Entwicklung des Lebens hier ablaufen muß, um der schon bald wieder drohenden Trockenheit zu entgehen.
Dann verlassen wir das Tal und kommen zum schönsten Abschnitt unserer Reise. Mein Kamel hat seine Fußverletzung ausgeheilt, so daß wir wieder häufiger reiten können. Es geht durch die wilde Bergwelt aus scharfgezackten Lavafelsen. Oft reiten wir steile Abhänge hinauf und hinunter. Rauf geht ja noch, aber bei den Abstiegen rechne ich jeden Augenblick damit, daß mein Kamel stolpert und ich aus dem Sattel geschleudert werde. Die Trittsicherheit der Wüstenschiffe in diesem steinigen Gelände ist wirklich nicht sehr hoch, wie auch Moussa zugibt. Tatsächlich kommt es in so einem Terrain immer mal wieder zu Unfällen. Trotz meiner Unsicherheit reite ich weiter. Einerseits will ich mir vor Moussa keine Blöße geben, andererseits macht es wirklich Spaß ohne eigene Anstrengung durch diese phantastische, schwarze Landschaft zu reiten.
Schließlich erreichen wir das Korry von Dabago, wo wir unser Lager aufschlagen. Anschließend spaziere ich mit Moussa durch die Gärten der Oase zu einem kleinen Ort. Zahlreiche Dattelpalmen spenden Schatten für die Beete, wo Weizen, Hirse, Tomaten und anderes Gemüse angebaut werden. Überall verlaufen von Hand gegrabene Bewässerungskanäle. Dunkelhäutige, muskulöse Männer bestellen mit einfachen Hacken mühevoll die Gärten. Ich halte sie zunächst für ehemalige Sklaven. Aber abgesehen von ihrer Hautfarbe unterscheiden sie sich in ihrer Kleidung nicht von Tuareg die ich bisher gesehen habe. Moussa erzählt, daß sie tatsächlich echte Tuareg sind. Allerdings gibt es bei den Kel Ewei, so heißt diese Untergruppe seines Volkes, einige Besonderheiten. Alle anderen Konföderationen der Tuareg sind streng hierarchisch gegliedert. An erster Stelle steht der Adel, die Imascheren. Ihre Vasallen, die Imrad sind ebenfalls hellhäutig. Dagegen sind die Iklan genannten, ehemaligen Sklaven dunkelhäutig. Mischehen zwischen den sozialen Schichten kommen kaum vor. Bei den Kel Ewei existiert dagegen keine Hierarchie und Mischehen zwischen Freien und Sklavinnen kamen schon immer vor. Daher sind sie sehr dunkel. Ebenso ist der Gartenbau, den andere Tuareg nach Möglichkeit vermeiden, bei ihnen weit verbreitet. Das heißt aber nicht, daß Nomadentraditionen bei ihnen völlig verschüttet sind, denn sie halten Vieh und sind die Spezialisten für die Karawanen zu den über 500 Kilometer entfernten Salinen Fachi und Bilma. Früher tauschten die Bewohner dieser Oasen ihr im ganzen Sahel begehrtes Salz überwiegend gegen Hirse. Dieser Teil des Karawanenhandels ist inzwischen aber erloschen, da das Grundnahrungsmittel jetzt auf LKW in die entfernten Oasen gebracht wird. Wenn der Lastwagentransport nicht durch den Staat und Hilfsorganisationen subventioniert würde, wäre er aber auch heute noch nicht gegen die Kamelkarawanen mit ihren geringeren Betriebskosten konkurrenzfähig. Glücklicherweise wurde der Karawanenhandel durch diese Eingriffe nicht vernichtet. Die Tuareg, in deren Händen die Transporte liegen, stiegen einfach auf andere Waren um, wie z.B getrocknete Tomate. In Bilma und Fachi mangelt es schließlich an fast allem.
Der Ort in dem die Gärtner wohnen besteht aus korbähnlichen Hütten und einigen Lehmhäusern. Es gibt hier sogar drei Autos. Wir trinken Tee mit einigen Männern, die sich nach dem Verlauf unserer Reise erkundigen und kaufen frische Datteln.
Die Nacht wird allerdings etwas unangenehm, da die Bewässerungskanäle eine ideale Moskitobrutstätte sind. Besonders Moussa ist den Mücken gegenüber ziemlich empfindlich.
Den ganzen nächsten Tag ziehen wir wieder durch die nur von einigen Tälern unterbrochene Bergwildnis, in denen summende Bienen die blühenden Akazien umschwärmen. Das Gewirr der dunklen Felsen gleicht häufig einem gigantischen Labyrinth.
Der Kontakt zu Moussa ist inzwischen intensiver geworden, und so erzählt er abends am Feuer mehr aus seinem Leben: Eine Schule hat er nur drei Jahre lang besucht. Seine gute Kenntnis des Air und der Ténéré, das ist die Wüste zwischen Agadez und Fachi, hat er sich als Angestellter von Texaco bei der Ölsuche erworben. Dort lernte er viel über Autos, was ihn heute befähigt, auch motorisierte Touristen zu begleiten. Die müssen dafür jedoch dreimal soviel wie ich bezahlen.
Moussa macht jetzt gar keinen Hehl mehr aus seiner Ablehnung der schwarzen Nigerregierung und gibt seine Symphatie für die Rebellen offen zu. Von den staatlichen Schulen hält er auch nichts. Deshalb sollen seine Kinder auch nur die Koranschule besuchen.
Als ich von meinem Morgenspaziergang zurückkehre, haben wir Besuch. Ein etwa 20-jähriger Targi und seine Schwester hüten ihre Ziegen in der Nähe unseres Lagers. Er staunt sehr über mein Fernglas. Offenbar hat er so ein Instrument, das seine entfernt grasenden Tiere nah erscheinen läßt, noch nie gesehen. Ich glaube, er möchte das Glas gerne besitzen, weshalb er mir auch seine hübsche Schwester anbietet! Wahrscheinlich meint er das Angebot aber nicht ganz ernst. Schließlich ist bei den Tuareg der Mann keineswegs der unumschränkte Herrscher über die Frauen, wie in anderen islamischen Gesellschaften.
Daß es durchaus seinen Sinn hat die Ziegen ständig zu beaufsichtigen, zeigt sich etwas später. Plötzlich hören wir großes Geschrei und sehen dann gleich einen Schakal, der sich der Herde genähert hat, sicher um ein Zicklein zu erbeuten. Das gelingt ihm aber nur, wenn er unbemerkt bleibt. Jetzt, wo er erkannt ist, flüchtet er so schnell er kann.
Bei meinen nächtlichen Durchfallattacken muß ich mich manchmal so schnell wie möglich vom Schlafplatz entfernen. Meistens reicht die Zeit nicht einmal mehr, um mir Schuhe anzuziehen. Das rächt sich jetzt. Offenbar habe ich mir einen kleinen Dorn tief in den Fuß getreten. Die Tuareg können zwar nichts finden. Der linke Fuß schmerzt aber sehr, so daß das Laufen keinen Spaß mehr macht. Nachdem wir unser Nachtlager am Berg Amalgu aufgeschlagen haben, beschließen wir morgen nach Agadez zurückzukehren. Ein letztes Mal unternehme ich einen Abendspaziergang in die schwarzen Felsen. 
Auf unserer letzten Etappe begegnen uns wieder viele Leute. Kurz vor Agadez sehen wir sogar eine lange Salzkarawane, aus über 100 Tieren bestehend in der Ferne vorbeiziehen. Es wird einer der letzten Kamelzüge der Saison sein. Im Sommer ist es auf der 600 Kilometer langen Strecke zu den Salinen viel zu heiß. Die Durchführung von Karawanen zu dieser Jahreszeit ist fast unmöglich.
Ich möchte unsere Reise nicht einfach so beenden und will ein Schaf kaufen, das wir abends essen können. Es stellt sich dann aber heraus, daß Schafe auf dem Markt viel zu teuer sind. Daher fällt meine Wahl auf eine Ziege, die auch noch soviel wie ein Tageslohn Moussas kostet.
Auf dem Markt treffe ich einen bayerischen Entwicklungshelfer. Ich bin erstaunt zu hören, daß er Förster ist, schließlich gibt es hier keinen Wald. Dennoch macht seine Anwesenheit natürlich Sinn. Es gibt wenig, was die Sahelzone dringender braucht als Bäume, die die fortschreitende Verwüstung aufhalten können.
Abends gibt es dann das Festmahl bei Moussa. Zunächst essen wir Mechui, eine Art Makkaroniauflauf, danach gibt es Ziegenfleisch. Es ist allerdings ziemlich zäh und hat einen strengen Geschmack, so daß ich nur davon probiere. Den anderen schmeckt es dagegen sichtlich. Obwohl die Tuareg zum Teil noch immer große Herden haben, ist das Essen von Fleisch eine Seltenheit. Auch die Ziegen sind in erster Linie Milchlieferant.
Nachdem wir uns beim Tee noch lange unterhalten, verbringe ich die Nacht bei Moussa.
Der erste Weg am nächsten Morgen führt mich zum algerischen Konsulat. Ich habe Glück, nach einigem Warten, erhalte ich tatsächlich mein Visum. Nun ist der Weg zum Mittelmeer frei von bürokratischen Hindernissen, so hoffe ich. Beim Verlassen des Gebäudes treffe ich drei junge Deutsche. Sie haben einen Landrover und wollen so schnell wie möglich nach Hause. Ich wittere eine gute Mitfahrgelegenheit. Leider werde ich enttäuscht. Sie murmeln etwas von kein Platz und Fahrzeugüberladung und lassen mich dann stehen.
Zurück in der Stadt, treffe ich dagegen gleich nettere Leute: Tony und Anett kommen aus Schweden bzw, Finnland und sind auf dem Landweg von Kenia bis hierher gereist Sie verfügen zwar nicht über ein Fahrzeug, aber für heute Abend haben sie den Transport auf einem LKW nach Tamanrasset vereinbart. Das Pärchen ist mir gleich symphatisch. Wir beschließen zusammen weiterzureisen. Tony hat schon viele Reisen hinter sich und verdient das Geld zwischen seinen Touren mit Reserveübungen als Offizier in schwedischen Armee. Dagegen ist es Anetts erste große Reise, die sie trotz aller Strapazen genießt.
Ich hole mein Gepäck und verabschiede mich herzlich von Moussa und seiner Familie. Trotz der anfänglichen Spannungen, ist er nun mehr ein Freund als ein bezahlter Führer für mich geworden.
Den Rest des Tages warte ich mit Tony und Anett vor dem Hotel Greboun auf den LKW. Wir haben uns soviel zu erzählen, daß die Zeit wie im Flug vergeht. Wieder einmal merke ich, daß es für mich immer noch wesentlich einfacher ist Unterhaltungen auf Englisch, statt auf Französisch zu führen.
Plötzlich entbrennt vor unseren Augen ein Streit: Ein schlanker Woodabe und ein kräftigerer Haussa stehen sich gegenüber. Die Beiden beschimpfen sich und werden sogar handgreiflich. Der Woodabe versucht den Haussa zu treten und ist dabei sein Schwert, das er nach Tuaregart umgehängt trägt, zu ziehen. Ich halte es für besser mich nicht in solche Auseinandersetzungen einzumischen, doch Tony geht beherzt dazwischen und kann die Kontrahenten zunächst einmal beruhigen.
Wir warten bis 22 Uhr, ohne daß der LKW kommt. Schließlich nehme auch ich für etwa 10 DM ein Zimmer in dem Hotel. Es gibt Duschen und eine Toilette mit Wasserspülung. Eine Seltenheit in Afrika!
Da wir nicht mehr auf den Laster warten wollen, gehen wir am nächsten Morgen gleich zum Busbahnhof. Es gibt zwar keine Verbindung nach Algerien, aber immerhin finden wir einen Bus nach Arlit. Bevor es dann endlich losgeht, vergehen wieder einmal Stunden. Offenbar ist die Polizei hier ziemlich nervös, wegen der Tuaregrebellen. Gleich zweimal wird das gesamte Gepäck aller Reisenden untersucht. Auch wir Europäer müssen unsere Rucksäcke öffnen. Vielleicht erklärt aber auch unser Ziel, die Uranminenstadt Arlit, die umständliche Prozedur.
Wir wundern uns, daß sich unter den Passagieren viele englischsprachige Schwarze aus Ghana und Nigeria finden. Erst später sollte uns klar werden, wohin sie wollen.
Schließlich beginnt die Fahrt auf der guten Asphaltpiste, die die Franzosen zum Abtransport des Urans gebaut haben. Die Vegetation wird immer kärglicher, bis kurz vor Arlit die Sahelzone definitiv endet und die fast vegetationslose "richtige" Sahara beginnt. In der Stadt erfahren wir, daß wir uns unbedingt sofort bei der Polizei melden müssen. Wir denken, es handelt sich nur um die übliche Formalität, sind aber unangenehm überrascht, als wir unsere Pässe abgeben müssen. Angeblich geschieht das zu unserer Sicherheit. Man erhält die Dokumente nämlich erst zurück, wenn man der Behörde mitteilt, wie man von hier aus weiterreist. So soll verhindert werden, daß Reisende auf der 600 Kilometer langen Piste bis Tamanrasset verschwinden, ohne das eine Hilfsaktion eingeleitet werden kann. Das System würde aber nur funktionieren, wenn zumindest von der Grenzstation Assamakka die sichere Ankunft der in Arlit abgefahrenen Wüstenfahrer zurückgemeldet würde. Daß das tatsächlich geschieht, bezweifeln wir sehr.
Zunächst gehen wir in ein kleines Restaurant essen. Wir bestellen Spaghetti Bolognese, Anett allerdings ohne Fleisch, da sie Vegetarierin ist. Es befindet sich dann aber doch etwas Fleisch in der Soße, deshalb ißt sie lieber gar nichts. Sie erzählt, daß es ihr bis jetzt auf dieser Reise nicht schwer viel sich vegetarisch zu ernähren. Die meisten Afrikaner essen auch wenig Fleisch, allerdings nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie es sich nicht leisten können. Hunger entsteht in Afrika, von Krisengebieten abgesehen, nicht aus Mangel an Lebensmitteln. Oft haben die Leute einfach zu wenig Geld um sich Essen zu kaufen. Wer eine gefüllte Brieftasche hat, kann unterwegs an vielen Stellen einen Braten essen. Die an der Straße zubereiteten Stücke sind natürlich meistens von Fliegen übersät. Nicht gerade ein appetitanregender Anblick!
Während meine Freunde noch sitzenbleiben, mache ich mich auf die Suche nach einer Mitfahrgelegenheit. Wieder einmal habe ich Glück und entdecke einen LKW, der bis zur Grenze fährt. Mit dem Fahrer und den Tickets gehe ich zur Polizei, wo ich unsere Pässe zurückerhalte.
Tony will noch einen Wasserkanister kaufen. Er ist ganz froh, daß ich bei Anett bleibe, die sich schon auf die Ladefläche gesetzt hat. Schließlich scheint die hübsche, blonde Finnin der Traum aller männlichen Passagiere zu sein! Wieder wundere ich mich, daß die Leute auf der Ladefläche sich fast ausschließlich auf Englisch unterhalten.
Bevor wir losfahren, kaufe ich ebenfalls einen 20-Literkanister und fülle ihn auf. Ich weiß, daß ich bei den jetzt Ende Mai herrschenden Temperaturen mindestens 7 Liter pro Tag trinken muß. Ein 20-Literkanister ist im Fall einer Panne schnell ausgetrunken. Mit noch weniger Wasser unterwegs zu sein, kann leicht fatal enden.
An dem ausgedehnten Urantagebau vorbei, verlassen wir erst um 18 Uhr den Ort. Seitdem Frankreich Atommacht ist, gilt die Mine als der bei weitem wichtigste Devisenbringer des Niger. Nach wie vor kommt ein Großteil des für Franreichs Atomwaffen und Kernkraftwerke benötigten Urans von hier.
Kurz vor Sonnenuntergang, etwa 20 Kilometer von Arlit entfernt, wird die Wüste plötzlich lebendig. Etliche schnelle Geländewagen rasen in die Nähe unseres Lastwagens. Fast alle Passagiere verlassen die Ladefläche und steigen um auf die Wüstenflitzer, die ebenso schnell wie sie gekommen waren, auch wieder verschwinden.
Jetzt wird uns klar, was die vielen englischsprachigen Afrikaner hierher gebracht hat. Lybien ist ein bevölkerungsarmes Land mit großem Reichtum aus dem Ölverkauf. Sein Diktator Ghadaffi läßt zahlreiche große Bauprojekte durchführen, für die er offenbar nicht genug Leute im eigenen Land findet. Daher sind arbeitswillige Schwarze in Lybien willkommen. Wegen des angespannten Verhältnisses zwischen Lybien und dem Niger ist ein normaler Grenzübertritt nicht möglich, was den von uns erlebten Menschenschmuggel erklärt.
Wir genießen den Fahrtwind auf der Ladefläche. Die Skandinavier schützen sich mit Tüchern und Sonnenbrillen, aber mir reicht, wie immer, mein schon in Zimbabwe gekaufter Baumwollhut.
Auf der unendlich erscheinenden Kiesebene kommen wir gut voran. Nur einmal bleiben wir im Sand stecken. Mit unter die Reifen geschobenen Blechen gelangen wir aber schnell wieder heraus.
Eindrucksvoll ist, wie die moslemischen Mitreisenden ihre vorgeschriebenen Gebete mitten in der Unendlichkeit der Wüste vornehmen. Für die obligatorischen Waschungen wird Sand verwendet, was der Koran bei Wassermangel ausdrücklich erlaubt.
Wir sind schon ziemlich müde, als der LKW gegen Mitternacht endlich zu einer Pause anhält. Bis morgens schlafen wir im warmen Sand.
Bei Sonnenaufgang setzen wir die Fahrt fort. Doch schon nach kurzer Zeit halten wir wieder. Das Unglaubliche ist geschehen: Unserem LKW ist mitten in der Wüste der Sprit ausgegangen! Man sollte glauben, daß so etwas routinierten einheimischen Fahrern, die die Strecke sicher schon viele Male zurückgelegt haben, nicht passieren kann. Aber jetzt stehen wir und Ratlosigkeit breitet sich aus. Wir erfahren, daß es noch etwa 15 Kilometer bis zum Grenzposten Assamakka sind. Eine Strecke, die auch zu Fuß, mit Anstrengung zu bewältigen ist. Das denkt auch der Fahrer und macht sich mit seinen Helfern auf, die Reservekanister zu füllen. Die Skandinavier und ich beraten unsere Lage. Das einfachste wäre wahrscheinlich hier am LKW auf die Rückkehr der Besatzung zu warten. Allerdings weiß man in Afrika nie was passiert, und es ist schwer einzuschätzen, wann die Leute mit dem Sprit zurückkommen. Das denken offenbar auch einige andere Passagiere, die sich ebenfalls auf den Weg machen. Nach kurzem Zögern, schließen wir uns ihnen an. Mit jeder Minute, die wir am Fahrzeug warten, steigt die Temperatur. Daher ist es sehr wichtig keine Zeit mehr zu verlieren, um die relative Kühle des Morgens zum Marschieren auszunutzen. Unsere schweren Wasserkanister, die noch kaum leichter geworden sind, schleppen wir mit. Das erschwert zwar den Marsch, ist aber unsere Lebensversicherung für den Fall von Verirren oder Erschöpfung, so denken wir. Diese Strategie halten wir natürlich nicht lange durch. Unsere Rucksäcke und Kanister sind einfach zu schwer. So gießen wir bei jeder Pause etwas Flüssigkeit aus.
Mir fällt leider erst jetzt auf, daß ich einen Fehler beim Kauf des Plastikbehälters gemacht habe. Wohlwissend, daß unter Umständen vor meinem Kauf ganz andere Flüssigkeiten in dem Kanister waren, nahm ich erst einmal einen Probeschluck. Dabei bemerkte ich keinen negativen Geschmack. Das täuschte mich allerdings. Denn jetzt stinkt jedes Schlückchen Wasser, nachdem ich bald lechze, nach Sprit! Ziemlich unangenehm. Trotzdem muß ich weiter aus dem Kanister trinken, wenn ich nicht Gefahr laufen will, daß mein Körper bald völlig ausgetrocknet ist.
Die Landschaft durch die wir wandern, ist wieder eine leblose Steinwüste, die sich bis zum Horizont erstreckt. Einige Fahrzeuge fahren in einiger Entfernung vorbei, ohne von uns Notiz zu nehmen. Das hebt unsere Stimmung natürlich auch nicht gerade!
Doch wir haben Glück! Nach einigen Kilometern, gerade rechtzeitig bevor der Marsch zur echten Qual wird, hält ein Toyota. Es ist ein Wüstentaxi. Wir erfahren, daß es den LKW-Fahrer bereits mit neuem Sprit versehen zu seinem Fahrzeug zurückgebracht hat. Das Taxi ist spezialisiert auf Transporte im Niemandsland zwischen Niger und Algerien. Wir geben dem Fahrer unsere Pässe, damit er in Assamakka, dem nigrischen Grenzposten, den die Tuaregrebellen vor kurzem angegriffen hatten, unsere Ausreisestempel besorgt. Dann brausen wir weiter zu der algerischen Station In Guezzam.
Hier wird mir mit einem Schlag bewußt, daß Schwarzafrika mit all seinen Improvisationen und Unzulänglichkeiten, an die ich mich aber ganz gut angepasst hatte, nun hinter mir liegt. Statt Bretter-, oder Wellblechbaracken erwartet uns eine moderne, gerade erst erbaute Grenzstation. Die Abfertigung geschieht schnell, freundlich und professionell. Der Rucksack wird zwar kurz durchsucht, das war es dann aber auch. Meine skandinavischen Freunde haben allerdings weniger Glück. Seit dem Golfkrieg benötigen auch Finnen ein Visum. Anett wußte davon nichts und ist daher in dem Glauben, daß ihr Paß reicht, hier angekommen. Das stellt sich aber als falsch heraus. Alle Überredungs-, und selbst Bestechungsversuche stellen sich als nutzlos heraus. Die Beiden müssen zurück nach Niger und beschließen von Niamey, der Hauptstadt, nach Hause zu fliegen.
Neben dem Grenzposten gibt es auch einen Ort In Guezzam, der aber ein Stück entfernt liegt. Man kann von der Station aus die ersten Häuser sehen, es scheint nicht sehr weit bis dorthin zu sein.
Ohne meine neuen Freunde, fühle ich mich zunächst etwas allein. Aber da sind noch einige Studenten von der Elfenbeinküste. Sie studieren in Stockholm und waren in den Semesterferien zu Hause. Jetzt wollen sie, wie ich, auf dem Landweg nach Algier, von wo man billig nach Europa fliegen kann.
Obwohl es nun zur Mittagszeit brennend heiß ist, beschließen wir, die scheinbar kurze Entfernung nach In Guezzam zu Fuß hinter uns zu bringen.
Wieder schleppe ich meinen Kanister. Schon nach wenigen Schritten merke ich, daß das Laufen jetzt viel anstrengender ist als heute Morgen. Ständig muß ich zu einer Pause anhalten. Die Afrikaner sind offenbar viel fitter als ich und lassen mich schließlich hinter sich zurück.
Alleine kämpfe ich mich weiter, immer mit den rettenden Häusern vor Augen.
Dieses Ziel erweist sich aber als trügerisch, je näher ich an die Häuser herankomme. Die Sahara hat gewonnen. Schon seit langem liegen die Gebäude unter den vorrückenden Dünen begraben. Hier wohnt niemand mehr.
Ich bin der Verzweifelung nahe, denn mein Kreislauf scheint der Hitze nicht mehr gewachsen zu sein. Wenn ich nach einer Pause aufstehe, wird mir schwarz vor Augen, und es dauert einige Zeit, bis ich mich soweit gefangen habe, daß ich meinen Weg fortsetzen kann.
Doch wieder einmal habe ich Glück. Ich höre Motorengeräusche, und bald erscheinen zwei Geländewagen und ein Motorrad. Auf mein Winken halten die vier Franzosen bei mir. Offenbar sehe ich ziemlich fertig aus. Ohne viel zu fragen, nehmen sie mich mit. Mit dem Auto sind wir in wenigen Minuten in In Guezzam. Doch mir ist klar, daß die Strecke zu Fuß zu einer Tortur für mich geworden wäre.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen