Während meiner großen Afrikareise will ich die Sahara durchhqueren und lande in dem Ort Agadez im Niger, von wo ich mit Kamelen und Tuaregführer in das Aïr Gebirge aufbrechen möchte.
Wie schon
in Zinder, muß ich mich auch in Agadez bei der Polizei melden. Da
viele Reisende den Ort aufsuchen, handelt es sich um eine reine
Formalität, die schnell abgehakt ist.
Die
Touristen kommen größtenteils auf der Hoggarpiste hierher. Sie ist
die befahrenste Transsahararoute. Wegen der Touristen gibt es hier
sogar Campingplätze außerhalb der Stadtmauern.
Nachdem
Ibrahim mir versprochen hat, einen Führer für eine Kameltour zu
engagieren, lasse ich mich von einem Taxi zum Zeltplatz L ' Escale
bringen.
Die
Hauptsaison hier ist der Winter. Jetzt im Mai sind die Temperaturen
in der Sahara bereits sehr hoch, so daß nur noch wenige Reisende die
Wüstendurchquerung wagen. Daher habe ich den großen, staubigen
Platz auf dem es sogar Duschen gibt, fast ganz für mich alleine.
Nachmittags
mache ich mich zu Fuß wieder auf den Weg in die Stadt.
Etwas
abseits der Straße stehen überall die aus den Fasern der Dumpalme
geflochtenen Mattenzelte der Tuareg. Zahlreiche der einstigen Nomaden
haben in den Dürren der Siebziger und Achtziger Jahre ihr Vieh
verloren. In der Umgebung von Agadez haben sich viele von ihnen mehr
oder weniger fest niedergelassen. Die Stadt bietet immer
Gelegenheiten Geld zu verdienen und Hilfslieferungen kommen hier viel
früher an, als in den Weiten von Wüste und Steppe.
Der Name
der Stadt Agadez bedeutet übersetzt “Begegnung”. Er könnte kaum
treffender gewählt sein, denn hier, an der Nahtstelle zwischen
Sahelzone und Sahara, treffen die verschiedensten Kulturen
aufeinander. Für die hellhäutigen Tuareg, deren Vorfahren einst von
Norden hierher gekommen sind, ist es einer der wichtigsten
Handelsorte.
Die
ebenfalls nomadisch lebenden Woodabe oder Bororo habe ich bereits in
Kamerun kennengelernt. Sie ziehen durch weite Gebiete der Sahelzone,
haben sich hier aber äußerlich weitgehend den Tuareg angepasst.
Die
Stadtbevölkerung besteht dagegen großenteils aus schwarzen Haussa.
Aus ihren Reihen stammen auch die Sultane der Stadt. Die
untereinander arg zerstrittenen Tuareg konnten sich nie auf ein
gemeinsames Oberhaupt einigen. Daher setzten sie stets Schwarze als
neutrale Herrscher über die Stadt ein.
In Agadez
trafen schon immer Seßhafte und Nomaden aufeinander. Erst in
jüngerer Zeit sind zu der Mischung auch die weißen Touristen
hinzugekommen. Vor allem zur Zeit der Ralley Paris -Dakar, bei der
Agadez eine Etappe ist, wimmelt es hier von Fremden.
Kaum bin
ich in der Stadt angelangt, heften sich schon zwei Jugendliche an
meine Fersen. Sie sehen in mir eine Gelegenheit etwas Geld zu
verdienen. Obwohl ich freundlich ihre Führerdienste ablehne, weichen
sie mir nicht von der Seite.
Da mein
Bargeldvorrat langsam zur Neige geht, will ich zur Bank um einen
Travellerscheck einzutauschen. Leider ist das einzige “Geldinstitut”
des Ortes offenbar wegen krummer Geschäfte schon seit langem
geschlossen. Daher gehe ich zum großen Markt der Haussa. In den
verstopften Gassen gibt es Gewürz-, Tabak- und Teehändler neben
Schneidern und Fleischern. Auch westliche Erzeugnisse wie
Plastikgeschirr gibt es zu kaufen. Allerdings will zunächst niemand
etwas von meinen US-Dollar wissen. Schließlich kann ich aber doch
etwas Bargeld umtauschen, wenn auch zu einem schlechten Kurs.
Als
nächstes interessiert mich der außerhalb der Stadtmauern liegende
Kamelmarkt der Tuareg.
Die
schlanken Männer dort tragen meist lange dunkelblaue Gewänder und
haben ihr Turbantuch, den Chech, bis über die Nasenwurzel gezogen,
was ihnen ein geheimnisumwittertes, undurchschaubares Äußeres
verleiht. Warum sich bei den Tuareg die Männer verschleiern ist
unter den Fachleuten umstritten. Manche meinen es sei lediglich der
traditionelle Schutz gegen Sonne und Sand. Andere glauben der Chech
diente hauptsächlich als Maskierung bei den früher weit
verbreiteten Raubüberfällen und fand so seinen Eingang in die
Kultur.
Den
beiden Jugendlichen, die mich immer noch begleiten, habe ich von
meiner geplanten Kameltour erzählt. Sie bringen mich zu dem greisen
Chef des Marktes, der sicher einen Führer finden kann. Allerdings
bin ich von seiner aufdringlichen Art, mir Gri-Gri genannte Amulette
oder Silberschmuck zu verkaufen, etwas enttäuscht. Besonders die
Silberarbeiten der Tuareg sind weltberühmt. Das beliebteste Motiv
hier ist sicher das Kreuz von Agadez. Obwohl es an das christliche
Kreuz erinnert, hat es damit nichts zu tun. Vielmehr hatte diese Form
schon immer magische Bedeutung bei den Tuareg. Auch viele andere Orte
im Tuareggebiet wie beispielsweise Zinder oder Timia haben ein
eigenes, jeweils etwas anders gestaltetes Kreuzmotiv. Es gibt hier
zweifellos schönen Schmuck, aber ich habe weder Geld noch Interesse
mir jetzt Souvenirs zu kaufen.
Der Chef
kann mir offenbar nicht helfen, also gehe ich weiter. Obwohl alles
sehr provisorisch aussieht, hat sich hier wohl in den letzten Hundert
Jahren wenig geändert.
Zurück
in der Stadt treffe ich Ibrahim. Er hat auch noch keinen Führer
gefunden. Das macht aber nichts, da ich sowieso morgen erst zum
algerischen Konsulat will. Ich hoffe mein Algerienvisum ist dort
eingetroffen, wie man mir in N 'Djamena zugesagt hatte.
Am
nächsten Tag erfahre ich allerdings, daß es noch nicht aus Algier
angekommen ist. Das läßt mich vorerst relativ kalt, da ich ja noch
länger in der Gegend bin, wenn es mir gelingt einen Führer für die
geplante Kameltour zu finden.
Auf der
Straße treffe ich einen Lastwagenfahrer, der häufig nach
Tamanrasset fährt. Das ist eine Stadt an der Hoggarpiste in
Algerien, wohin ich auch noch will. Er bringt mich zu seinem Freund,
einem professionellen Führer. Der Schwarze zeigt mir seine Lizenz
und Fotos von seinen Ausflügen mit Touristen. Mein geplantes
Unternehmen scheint nicht so einfach zu verwirklichen zu sein, denn
ich benötige dazu die Erlaubnis von Polizei, Gendarmerie u.s.w..
Die
Beiden sind nett, versuchen mir aber penetrant eine alte Guerba zu
verkaufen. Eine Guerba ist eine Ziegenhaut, die als Wasserbehälter
dient. Durch die Verdunstungskälte bleibt das Wasser in ihr stets
kühl. Meine Gesprächspartner sind der Ansicht, daß ich unbedingt
so eine 35 Liter fassende Haut benötige, wenn ich auf einem LKW
durch die Wüste fahre. Mir erscheint ihr Preis aber viel zu hoch
und außerdem stinkt die Guerba ziemlich übel nach Ziege!
Nachdem
die Beiden mir das unscheinbare Lehmhaus von Heinrich Barth, gezeigt
haben, verabschieden wir uns. Der Deutsche Barth war einer der ersten
Forschungsreisenden in der Sahara und verbrachte 1850 längere Zeit
in Agadez.
Während
ich wieder über den Tuaregmarkt schlendere, spricht mich ein
hagerer, etwa 35-jähriger Targi an. Targi ist der Singular von
Tuareg. Die weibliche Form ist Targia. Unter seinem Gesichtsschleier
ist nur die Wurzel seiner Adlernase zu sehen. Obwohl er natürlich
auch Geld verdienen will, wirkt er im Gegensatz zu den anderen
Leuten, die ich bisher in Agadez getroffen habe, überhaupt nicht
aufdringlich. Daher nehme ich gerne an, als er mich zu sich nach
Hause einlädt.
Hinter
einer Mauer aus Banko, das ist das Gemisch aus Lehm, Stroh und Holz,
aus dem die meisten Gebäude hier errichtet sind, liegt kein Haus,
sondern ein an den Seiten offenes, großes Zelt aus Bastmatten!
Moussa Magas, so heißt der Targi, ist zwar seßhaft, hat das Zelt
als Erinnerung an das Nomadenleben aber noch nicht aufgegeben.
Als
erstes trinken wir Tee aus kleinen Gläsern, in die stets kunstvoll
dreimal hintereinander eingeschenkt wird. Einem Gast weniger als drei
Gläser anzubieten gilt als unhöflich. Der Bewirtete dagegen sollte
ebenfalls nicht mehr als dreimal von dem Getränk verlangen. Erst
seit Anfang dieses Jahrhunderts kennen die Tuareg den Tee, der immer
stark und zuckersüß getrunken wird.
Moussas
beide Frauen kochen Reis über dem offenen Feuer. Früher lebten die
Tuareg stets in Einehe, doch unter dem zunehmenden Einfluß des Islam
ist es mittlerweile nicht ungewöhnlich, daß ein Mann mehrere Frauen
hat. Obwohl die Frauen die Speisen zubereitet haben, dürfen sie erst
essen nachdem Moussa und ich fertig sind. Trotzdem haben sie größere
Freiheiten als die Frauen in anderen islamischen Gesellschaften. Sie
müssen sich nicht verschleiern und dürfen sich auch an der
Unterhaltung beteiligen.
Moussa
ist ein professioneller Führer, der häufig Touristen mit Autos
durch die Wüste begleitet Auf vielen Pisten im Niger ist die
Begleitung durch einen Einheimischen vorgeschrieben. Jetzt zu Beginn
des Saharasommers hat er aber kaum noch Kunden und ist daher an einer
Kameltour mit mir interessiert. Doch zunächst unterhalten wir uns
und ruhen nach dem Essen lange aus. Eine Toilette gibt es hier nicht.
Wen ein Bedürfnis plagt, geht in die Wüste, die unweit der Mauer
beginnt.
Später
versuche ich auf Moussas Rat hin im berühmten Hotel de l 'Air Geld
umzutauschen. Während dort heute die Touristen absteigen, residierte
hier 1917 Kaocen, der Kriegsherr der Tuareg in dem großen Aufstand
gegen die Franzosen.
Der
Portier wechselt DM gegen C.f.A und versucht mir gleich einen Führer
zu vermitteln, was ich ablehne.
Als ich
zu Fuß zum Campingplatz zurückgehe, bemerke ich wie plötzlich die
Leute auf der Straße zu laufen beginnen. Ich sehe mich um und
bemerke eine dunkle Mauer in rasender Geschwindigkeit auf mich
zukommen.
Ein
Sandsturm!
Ich renne
so schnell wie möglich vor den Staubmassen davon. Dennoch würde ich
es nie bis zum Campingplatz schaffen, bevor der Sand mich erreicht.
Aber ich habe Glück, ein Wagen nimmt mich mit zum Platz. Noch bevor
ich mein Zelt erreiche, bin ich von dichtem Staub eingehüllt, der
die Sichtweite auf wenige Schritte verringert. Der Sand dringt in
alle Poren und macht das Atmen schwer. Ich bin heilfroh, daß ich
mich vor dem tobenden Inferno ins Zelt verkriechen kann. Aber trotz
geschlossener Reißverschlüsse dringt der Sand auch hier ein. Nach
zwei Stunden läßt der Sturm nach und es fallen einige Regentropfen.
Danach ist die Atmosphäre wieder rein. Das scheint auch ein Skorpion
zu schätzen, den ich abends über den Platz huschen sehe.
Den
nächsten Tag verbringe ich größtenteils bei meinem neuen Freund
Moussa. Sein 2-jähriger Sohn hat Bauchschmerzen. Ich versuche ihm
mit einigen Tabletten aus meiner Reiseapotheke zu helfen. Natürlich
unterhalten wir uns hauptsächlich über die geplante Reise. Er
verlangt für sich als Führer wesentlich weniger als ich von allen
anderen gehört habe.
Auf dem
Campingplatz bin ich inzwischen nicht mehr der einzige Gast. Etliche,
meist deutsche “Autoschieber” sind eingetroffen. Viele von ihnen
finanzieren sich ihren Afrikaurlaub, indem sie Fahrzeuge in Europa
kaufen, durch die Sahara fahren, und dann versuchen den Wagen in
Schwarzafrika gut zu verkaufen. Das Geschäft scheint zu
funktionieren, da ich sogar Leute treffe, die diesen Handel
berufsmäßig betreiben. Vom normalen PKW über Reisebusse bis zu
Lastwagen sehe ich hier alle Arten von Fahrzeugen, die über die
relativ gute Hoggarpiste durch die Wüste gerollt sind.
Nähere
Bekanntschaft mit diesem Geschäft mache ich, als ich am nächsten
Morgen zwei deutsche Schieber treffe, die völlig Pleite sind.
Ursprünglich waren sie in zwei Mercedes-Limousinen unterwegs. Der
eine Wagen blieb vor Tamanrasset, der einige hundert Kilometer
entfernten nächsten Stradt in Algerien liegen. Das Abschleppen in
eine Werkstatt scheint ihre gesamte Barschaft aufgefressen zu haben.
Daher haben sie nun nicht mal mehr genug Geld zum Tanken, und bitten
mich um Hilfe. Die Beiden kommen mir gerade recht, da sie mich zur
nächsten Bank in das weit entfernte Tahoua mitnehmen können. Ich
hoffe, daß ich dort meine Travellerschecks einlösen kann. Wir
vereinbaren, daß ich ihnen zunächst mit Geld aushelfe, wofür sie
mich umsonst mitnehmen. Außerdem erklären sie sich bereit, alle
unterwegs anfallenden Spesen hinterher an mich zurückzuzahlen.
An der
Polizeisperre hinter Agadez taucht das erste Problem auf: Der
Mercedes hat keinen Auspuff mehr und macht dementsprechenden Lärm.
Ich hatte nicht erwartet, daß das die Polizei im Niger groß stören
würde, allerdings ist dieser Mangel natürlich ein willkommener
Anlaß für ein kleines Geschäft.
Nach
etwas Handeln, gibt sich der Uniformierte schließlich mit einer
Musikkassette zufrieden. Wahrscheinlich wird ihm die Punkmusik von
“Slime” aber kaum gefallen!
Die
Gegend durch die wir bis Tahoua fahren, erscheint völlig wüstenhaft.
Das täuscht jedoch, denn hier in der Sahelzone fällt während der
Sommermonate gewöhnlich etwas Niederschlag.
Mit der
Regelmäßigkeit ist es jedoch seit den schweren Dürren der
Siebziger und Achtziger Jahre nicht mehr weit her. Durch die
Abholzung der westafrikanischen Regenwälder scheint das regionale
Klima nachhaltig gestört worden zu sein. Das Leben für die Bewohner
des Sahel, was auf arabisch das “Ufer” des Sandmeeres Sahara
bedeutet, wird immer schwieriger.
Obwohl
die beiden Deutschen in Eile sind, nehmen sie sich die Zeit bei einem
liegengebliebenen Peugeot zu halten, dessen nigrischer Fahrer ratlos
neben seinem Wagen steht. Nach etwas Tüfteln ist die Panne behoben,
und der Afrikaner freut sich weiterfahren zu können.
Das der
Fahrzeughandel floriert, zeigt sich bei unserer Ankunft in Tahoua.
Sogleich fragen etliche Leute, ob wir den Mercedes verkaufen wollen.
Die Deutschen wollen jedoch nach Birni n ' Konni an der
nigerianischen Grenze, da sie dort einen besseren Preis erwarten. Die
meisten Wagen gehen ohnehin nach Nigeria, wo die “Autoschieberei”
aber verboten ist.
Für
unsere Verhältnisse weitgehend abgetakelte Fahrzeuge leisten in den
dortigen Städten als Taxen noch jahrelang ihren Dienst.
Da die
Bank erst um 16 Uhr öffnet, vertreiben wir uns die Wartezeit mit
einem ausgedehnten Mittagessen. Obwohl Spaghetti mit Fleischsoße
sicher nicht das ausgefallenste Mahl ist, bezahlen wir für die drei
Essen umgerechnet 40 DM. Für afrikanische Verhältnisse unglaublich
viel, aber was solls, die Beiden anderen zahlen die Spesen!
In der
Bank gelingt es mir glücklicherweise meine restlichen
Travellerschecks umzutauschen, dann fahren wir weiter.
Die
Gegend wird immer grüner und dichter besiedelt, je weiter wir nach
Süden fahren. Offenbar hat es hier schon geregnet. Dann erreichen
wir Birni n ' Konni, den Grenzort zu Nigeria. Auch hier sind sofort
Interessenten an dem Wagen zur Stelle. Die meisten wollen aber sicher
nur zum Spaß etwas Handeln und haben gar nicht das Geld für ein
Auto.
Bald
taucht aber ein ernstzunehmender potentieller Käufer auf, eine
würdevolle gut beleibte Gestalt im weißen Burnus. Er selbst führt
nicht die Verhandlungen, sondern hat etliche Helfer dafür. Mit den
vielen Schwarzen zu handeln ist nervenaufreibend. Aber schließlich
ist man sich einig. Umgerechnet 5500 DM in kleinen Scheinen wechseln
den Besitzer. Der ganze Handel findet auf offener Straße statt. Mir
wäre die Übergabe, einer für die hiesigen Verhältnisse riesigen
Geldsumme, unter den Augen zahlreicher Menschen viel zu unsicher. Die
Deutschen sind allerdings zunächst relativ gelassen. Entweder sind
sie naiv oder haben einfach die Ruhe weg. Als dann aber ein Streit
entbrennt, ob Werkzeug e.t.c. mitverkauft wurde, schnappen sich die
Beiden ihr Zeug und sehen zu, sich so schnell wie möglich zu
entfernen. Geld spielt hierbei keine Rolle und so chartern sie rasch
einen Privatwagen für über 200 DM der uns nach Agadez zurückbringen
soll.
Die Fahrt
gestaltet sich ziemlich schwierig. Erst setzt ein kurzer Sandsturm
ein, dann geht ein Gewitter mit heftigem Regen nieder. Mittlerweile
ist es stockdunkel, aber unsere Scheinwerfer funktionieren nicht, so
das wir nur langsam vorankommen. Zu all dem kommt noch hinzu, daß
wir zweimal einen Reifen wechseln müssen! Kein Vergnügen in Regen
und dunkler Nacht. Der Fahrer kann sich nicht einmal an seinem Lohn
ungeteilt erfreuen. An einer Straßensperre muß er viel Geld
bezahlen. Zur Begründung hört er, daß er kein Taxifahrer sei und
uns daher nicht befördern darf!
Früh am
nächsten Morgen erreichen wir Agadez. Die beiden Deutschen lassen
sich aber noch bis Arlit, der letzten Stadt im Niger, vor der
algerischen Grenze bringen.
Mein
Visum ist noch immer nicht eingetroffen, daher beantrage ich es hier
neu. Ich hoffe, daß ich es in zwei Wochen, wenn ich von meiner
geplanten Kameltour zurückkomme, in Empfang nehmen kann.
Vorbei an
der großen Moschee, dem schon im 14.Jahrhundert erbauten Wahrzeichen
der Stadt, gehe ich zum Tuaregmarkt. Bei dem hohen kegelförmigen
Gebäude aus Lehm, Mist und Stroh hat man das Baugerüst
miteingemauert, um so Reparaturen leichter erledigen zu können.
Daher sieht die Moschee von weitem wie ein stachliger, roter Kaktus
aus.
Auf dem
Markt treffe ich Moussa und sage ihm, daß ich abmarschbereit bin.
Wir gehen zum offiziellen Verkehrsbüro, um die Erlaubnis für die
Reise einzuholen. Der in traditionelle Gewänder gekleidete,
hochgewachsene Targi der in dem Büro arbeitet, erklärt, daß ich
die Erlaubnis nur erhalte, wenn ich die Reise mit einer zugelassenen
Agentur durchführe. Ich will anfangen mich mit ihm zu “unterhalten”.
Aber Moussa gibt mir zu verstehen, daß es besser ist zu schweigen.
Als wir
wieder bei ihm zu Hause sind, erklärt er, daß er umgerechnet 100 DM
benötigt um Verkehsbüro, Polizei, Gendarmerie und Präfektur für
die Reiseerlaubnis zu bestechen.
Mir ist
bewußt, daß ich jetzt ganz leicht auf einen Trick hereinfallen
kann. Dennoch gebe ich dem Targi das Geld, denn ich glaube
mittlerweile, daß ich ihm trauen kann.
Als ich
Moussa am nächsten Morgen wiedertreffe, hat er die benötigten
Papiere. Allerdings mußte er das ganze Geld ausgeben um sie zu
beschaffen. Unserem Abmarsch steht jetzt nichts mehr im Weg. Während
er Vorräte auf dem Markt einkauft, warte ich bei ihm zu Hause. Als
er zurückkehrt, ist er nicht nur mit dem Essen beladen, sondern
bringt auch einen Chech für mich mit. Der Targi meint, dieser etwa
zwei Meter lange dunkle Turbanstoff sei für mich als Schutz gegen
Sand und Sonne in der Wüste unentbehrlich. Natürlich gelingt es mir
nicht das lange Tuch vernünftig zu binden. Daher hilft mir Moussa.
Unter dem Turban ist es unglaublich heiß, aber ich denke ich werde
mich schon daran gewöhnen.
Am
Tuaregmarkt sehe ich zum ersten Mal unsere beiden Kamele. Moussa hat
sie von einem anderen Targi gemietet, da er selber keine besitzt.
Streng genommen sind unsere Reittiere gar keine Kamele sondern
Dromedare. Echte Kamele haben zwei Höcker und leben in Asien.
Dagegen verfügen die Dromedare nur über einen Höcker.
Die
beiden Tiere sind Wallache, die am häufigsten als Reittiere
verwendet werden. Nicht kastrierte Hengste sind zu temperamentvoll
und unberechenbar. Dagegen sind Stuten schwächer und dienen
überwiegend der Milchproduktion. Beide Tiere haben eine eher
grau-weiße Farbe, nicht das typische “Camelgelb”. Auffallend ist
der Größenunterschied zwischen den Beiden. Vor dem Höcker ist der
Sattel befestigt, eine Holzkonstruktion mit Rückenlehne. Zum
festhalten dient der in Kreuzform gearbeitete, lange Sattelknauf.
Beladen wird jedes der Tiere mit ledernen Packtaschen und einer 30
Liter fassenden Guerba.
Dann ist
der große Moment des Aufsitzens gekommen! Dazu liegen die Tiere. Auf
Kommando setzt sich dann ein zweistufiger "Fahrstuhl" in
Bewegung. Der erste Ruck erfolgt wenn die Vorderbeine hochgehen, der
zweite wenn die Hinterbeine ebenfalls aufrecht gestellt werden.
Obwohl ich auf dem kleineren Kamel sitze, kommt mir der Abstand zum
Erdboden beträchtlich groß vor!
Geritten
wird ohne Schuhe, indem die Füße auf dem Halsabsatz abgestellt
werden. Lenken kann man die Tiere sehr einfach mit dem Zügel, der an
einem Nasenring befestigt ist.
Zunächst
läuft mein Tier wie von selbst in dem charakteristischen,
schaukelnden Gang, den ich aber gut vertrage. Viele Leute sind schon
auf einem Kamel seekrank geworden!
Wenn der
Fleiß des Tieres nachläßt muß ich es durch leichte Tritte in die
Seite antreiben. Sollte das auch nichts nützen, bleibt noch die
meterlange Ledergerte, die ich aber zunächst nicht verwende.
Schon
nach einer Stunde halten wir zur Mittagsrast im spärlichen Schatten
einiger Akazien an. Bald taucht ein hagerer, etwa 16-jähriger Junge
auf. Er entpuppt sich als Amoul, der Sohn des Kamelbesitzers. Moussa
möchte, daß er uns begleitet. Ich bin zunächst etwas verwundert,
da von ihm vorher keine Rede war. Das erklärt Moussa damit, daß der
Junge krank war und er nicht glaubte, daß er mitkommen könne. Amoul
begleitet Moussa stets auf seinen Touren und ist angeblich ein guter
Koch. Als ich erkläre kein zusätzliches Geld ausgeben zu wollen,
sagt Moussa, daß er ihn von seinem Lohn bezahlen wird. Wir haben als
Führerlohn umgerechnet 30 DM pro Tag vereinbart. Das klingt viel für
afrikanische Verhältnisse, den Löwenanteil macht allerdings die
Kamelmiete aus.
Als die
Hitze etwas nachläßt ziehen wir weiter. Zunächst durchqueren wir
lichten Dornbusch, indem es sowohl von Vögeln als auch den Ziegen
der Bororo wimmelt. Dann erreichen wir einen Ziehbrunnen, wo wir die
Kamele tränken. Das hört sich einfach an, ist aber eine ziemlich
anstrengende Prozedur, da ein Dromedar in nur einer Viertelstunde die
unglaubliche Menge von 200 Litern Wasser trinken kann! Auch wenn
unsere jetzt weniger zu sich nehmen, müssen wir den Eimer doch viele
Male hochholen, bis ihr Durst gelöscht ist.
Um die
schwerbeladenen Tiere zu entlasten, will Moussa ab jetzt laufen..
Natürlich will ich ebenfalls mein Kamel schonen, aber Moussa meint,
ich solle weiter reiten. Er kann sich offenbar nicht vorstellen, daß
ein Weißer lange durch die kahle Steinwüste, die jetzt vor uns
liegt, marschieren kann. Dennoch gehe auch ich ab jetzt zu Fuß. Ein
Grund ist natürlich auch, daß ich meinem von dem harten Sattel arg
beanspruchten Hinterteil eine Atempause verschaffen will!
Nachdem
wir die Asphaltstraße Richtung Arlit überquert haben, erscheinen
bald die schroffen Vulkanzinnen des Air-Gebirges. Gegen 17.30
schlagen wir unser Lager in der Nähe einiger kahler Dornsträucher
auf. Den Kamelen binden wir die Hinterläufe zusammen, damit sie sich
beim Grasen nicht zu weit entfernen. Amoul kocht dann mit etwas Holz,
das wir in der Umgebung finden. Es zeigt sich, daß Moussa nicht
übertrieben hat, die Makkaroni mit einer Soße aus getrockneten
Tomaten sind wirklich lecker! Wir essen mit Löffeln gemeinsam aus
einem Topf.
Zum
Schlafen entrollt jeder einfach seine Matte und schläft unter dem
Sternenhimmel im warmen Sand. Leider bin ich mal wieder von Durchfall
geplagt.
Am
nächsten Tag scheint Moussa mir zeigen zu wollen, daß ein echter
Tuareg doch viel zäher ist, als die verweichlichten Europäer. Er
läuft nur von der Mittagspause unterbrochen, den ganzen Tag.
Wieder
treffen wir auf Bororo mit ihren relativ hellen, scharf geschnittenen
Gesichtern. Sie werden von dem Brunnen angezogen, den auch wir
ansteuern. Es ist für uns zwar nicht notwendig jeden Tag eine
Wasserstelle aufzusuchen. Aber es wäre dumm einfach an frischem
Wasser vorbeizugehen, das auf unserem Weg liegt. In diesem
Grenzgebiet zwischen Sahel und Sahara kann man sich nie völlig
sicher sein, ob die nächste Wasserquelle noch ergiebig ist. Daher
füllt man seine Vorräte auf, wann immer das möglich ist.
Diesmal
müssen wir den Eimer nicht selber hochziehen, sondern die Arbeit
wird von einem Esel erledigt. Das Seil gleitet über eine Rolle in
den tiefen Schacht. Natürlich zieht der Esel das Wasser nicht
freiwillig hoch, sondern muß von seinem Besitzer angetrieben werden.
Obwohl
die weiten Ebenen die wir durchziehen ziemlich trocken erscheinen,
sehen wir immer noch Vögel. Einmal beobachten wir sogar eine dunkle
Riesentrappe, die über den kahlen Sand läuft. Moussa erzählt zu
meiner Überraschung, daß es hier im Air sogar noch Strauße gibt.
Amoul ist
noch immer nicht gesund, wie sich jetzt zeigt. Er klagt über
Kopfschmerzen, hat Fieber und muß sich übergeben. Es hat keinen
Zweck in seinem Zustand weiterzuwandern, daher legen wir um die
Mittagszeit eine lange Rast ein. Ich weiß zwar nicht was ihm fehlt,
der Glaube an die Wirksamkeit westlicher Medikamente ist aber bei
allen Afrikanern stark ausgeprägt. So gebe ich ihm einige Aspirin in
dem Wissen, daß sie ihm auf keinen Fall schaden, vielleicht sogar
helfen können.
Es
klappt, als die Hitze nachmittags etwas nachläßt, ziehen wir
weiter. Den Chech habe ich längst wieder gegen meinen altbewährten
Hut vertauscht. Ein Turban mag zwar das perfekte Schutzmittel gegen
Sonne und Sand sein, mir ist es aber einfach zu heiß darunter.
Die
Landschaft wird zusehends steiniger und einige Felsberge kommen in
Sicht. Trotzdem ist dies keine absolute Wildnis. Selten überqueren
wir eine Piste und einmal sehen wir sogar eine Stromleitung. Im Air
werden verschiedene Mineralien abgebaut, wahrscheinlich führt sie zu
einer Mine.
Während
zuvor die Kamele immer mal anhielten um an den verstreut wachsenden
Pflanzen zu grasen, finden sie hier kein Futter mehr. Dennoch sind
sie jetzt langsamer. Besonders meines, das ich an einem Seil hinter
mir herführe, muß ständig angetrieben werden.
In einem
von niedrigen Bergen umgebenen Tal schlagen wir unser Nachtlager auf.
Da es auch hier nur wenig Pflanzen gibt, schwärmen die Tuareg zur
Futtersuche aus. Dabei sind die perfekt an die karge Wüste
angepassten Kamele keineswegs wählerisch. Sie können sogar die
dornigsten Akazienzweige durch ihren starken Speichelfluß
mundgerecht zerkleinern.
Da ich
mich mit den Kamelfutterpflanzen natürlich nicht auskenne, besteige
ich in der Zwischenzeit einen unweit des Lagers aufragenden Berg. Die
Aussicht über die, im milden rosigen Licht des Abends, still
daliegende Felswüste ist beeindruckend. Einige entfernt vorbei
ziehende Gazellen verraten, daß es auch hier durchaus noch Leben
gibt. Sie sind die Beutetiere einiger Geparden, die wohl noch im Air
leben. Um sie, sowie die seltenen Addaxantilopen zu schützen,
richtete die nigrische Regierung mit Unterstützung des WWF 1988 im
Air und der angrenzenden Wüste eines der größten Schutzgebiete der
Erde ein. Es ist immerhin doppelt so groß wie die Schweiz! Leider
wurde zunächst keine Rücksicht auf die hier traditionell lebenden
Tuaregnomaden genommen. Beispielsweise wurde ihnen das Holzsammeln
verboten und sogar der Zutritt zu bestimmten Gebieten verwehrt.
Inzwischen hat der WWF aber erkannt, daß ein Naturschutz ohne die
Menschen nicht funktionieren kann. So ist zu hoffen, daß es zu
Verbesserungen für die Tuareg kommt.
Heute
abend ist Moussa der Küchenchef. Aus Mehl, Wasser und etwas Salz
formt er dünne Fladen, die er dann unter der Glut des kleinen
Lagerfeuers backt. Anschließend muß nur noch der Sand abgekratzt
werden und man kann ein herrlich schmeckendes frisches Brot genießen!
Auch die
Kamele kommen nicht zu kurz. Die Tuareg lassen sie sich unmittelbar
bei uns hinlegen und füttern sie dann mit dem gesammelten Futter,
geradewegs ins Maul hinein. Ein romantisches Bild, das aber
schlichter Notwendigkeit entspringt. Kamele können zwar gut lange
ohne Wasser auskommen, bei Futtermangel läßt jedoch ihre
Leistungsfähigkeit schnell nach. Außerdem würden sie sich bei
selbstständiger Nahrungssuche trotz zusammen gebundenen Beinen weit
entfernen. Am Morgen müssten sie dann erst mühsam gesucht werden.
Am
nächsten Tag überqueren wir wieder die Asphaltstraße Richtung
Arlit. Das macht mich unzufrieden, denn eigentlich hatten wir
abgemacht so weit wie möglich ins Gebirge vorzustoßen. Aber auch
Moussas Laune ist schlecht, so daß sich irgendwann ein Streit
entwickelt. Er wirft mir vor zu lange zu marschieren, was nicht gut
für die Kamele sei. Ich hatte die Tiere als belastbarer
eingeschätzt, aber meines hat bereits eine kleine Fußverletzung.
Wahrscheinlich hat Moussa recht, schließlich ist er mit Kamelen
aufgewachsen und nicht ich.
Der wahre
Grund für seine Unzufriedenheit liegt aber wahrscheinlich woanders.
Bei seinen Touren ist er als der erfahrene Führer gewohnt stets den
Ton anzugeben. Dagegen rede ich über Pausenlänge und Lagerwahl
durchaus mit. Es scheint dem stolzen Targi nicht zu passen, daß ein
Europäer, der keine Ahnung von der Wüste hat, ihm Vorschriften
macht. Ich will nicht lange mit Moussa streiten und nehme mir vor
etwas einfühlsamer mit ihm umzugehen. Das scheint dann auch ganz gut
zu funktionieren, es kommt zu keinem weiteren ernsten Streit zwischen
uns.
Später
am Nachmittag beginnt sich das Wetter zu ändern. Es ist immer noch
heiß, doch dunkle Wolken verdüstern das Land. Es hat hier seit
einem Jahr keinen Niederschlag gegeben, dennoch glaubt Moussa heute
könne es regnen. Doch zunächst kommt starker Wind auf. Die
Sandkörner peitschen uns ins Gesicht und machen jeden Schritt zur
Qual. Die dunklen Lavaberge, die wir jetzt erreichen, lassen die
Szenerie noch düsterer erscheinen.
Die
Felsbilder, wegen denen wir hierhergezogen sind, schauen wir nur kurz
an und schlagen dann unser Lager oberhalb von einem hier Korry
genannten Trockenfluß auf. Obwohl die ebene Sandfläche im Korry auf
den ersten Blick einen viel besseren Platz ergeben würde, leuchtet
es sogar mir, als Wüstenanfänger, ein, daß dort zu schlafen leicht
zum tödlichen Fehler werden kann. Wenn es regnet, regnet es oft
heftig. Von keiner Vegetation festgehalten ergießen sich schnell
ungeheure Wassermassen in die Korrys. Selbst wenn es dort, wo man
übernachtet, trocken bleibt, können im Oberlauf niedergegangene
Regenfälle eine Flutwelle auslösen, die alles Leben im Bachbett
hinwegspült.
Moussa
behält recht. Nach Einbruch der Dunkelheit verraten überall
aufleuchtende Blitze das herannahende Gewitter. Als zwischen Blitz
und Donner kaum noch eine Pause ist, öffnen sich die Schleusen des
Himmels. Erst langsam, dann immer heftiger prasselnd gehen die
schweren Tropfen nieder. Auch Moussa hatte vor unserem Aufbruch nicht
mit Regen gerechnet. Wenn es hier Niederschläge gibt, dann meistens
im August, und jetzt ist erst Mai. Daher ließ ich mein Zelt zur
Gewichtsersparnis bei ihm zurück. Glücklicherweise haben wir noch
eine Plastikplane dabei, mit der wir uns zudecken, so daß wir den
Naturgewalten nicht völlig schutzlos ausgeliefert sind. Ich traue
meinen Augen kaum, als ich in einer Regenunterbrechung sehe, wie eine
Kröte sich unter der Plane verbergen will. Seit den letzten
Regenfällen vor vielen Monaten hat sie scheinbar leblos im Sand des
Korry ausgeharrt und wurde nun von den schweren Tropfen geweckt. Auch
eine große weiße Spinne sucht bei uns Schutz.
Am Morgen
hat sich die vorher so trockene Umgebung unseres Lagers radikal
verändert. Wo vorher das nackte Bett des Korry war, fließt jetzt
ein mehrere Meter breiter, gurgelnder Bach. In allen
Geländevertiefungen haben sich kleine, flache Seen gebildet, die
aber jetzt schon wieder am Austrocknen sind. Die Sonne ist noch immer
nicht zum Vorschein gekommen, ein bleigrauer Himmel wölbt sich über
uns.
Ich gehe
alleine zu den in den Fels geritzten Zeichnungen, die wir gestern nur
kurz gesehen hatten. Über eine Fläche von etwa 300 Metern verteilt,
oft unter Überhängen, finden sich die zum Teil noch gut
erkennbaren, zum Teil aber auch schon ziemlich ausgewaschenen
Ritzzeichnungen.
Sie
müssen aus einer Zeit vor über 5000 Jahren stammen, als die Sahara
noch grün war. Pollenanalysen haben gezeigt, daß damals hier eine
Flora lebte, wie etwa noch heute am Mittelmeer. Giraffen, Büffel,
Löwen und Antilopen sind dargestellt. Alles Tiere die jetzt in den
Savannen viel weiter südlich leben. Während die Schöpfer der
Zeichnungen sich bei den Tieren viel Mühe gegeben haben, sind die
Menschen nur als einfache Strichmännchen dargestellt. Die
unbekannten Künstler waren wahrscheinlich Jäger, die ihre Beute
darstellen wollten, ähnlich wie bei den Höhlenmalereien in Europa.
Auch dort ist die Darstellung der Beute viel wichtiger, als die der
Jäger. Vieleicht hatten die Zeichnungen kultische Bedeutung, aber
genau weiß das natürlich niemand.
Das, was
ich für Büffel halte, können aber auch langhörnige Rinder sein,
wie sie noch heute von den Bororo gezüchtet werden. Das würde
bedeuten, daß es hier Zeichnungen aus verschiedenen Epochen gibt,
denn Viehzüchter traten erst später auf. Manche Forscher sind der
Ansicht, daß die Vorfahren der Fulbe, zu denen auch die Bororo
gehören, aus Norden in ihre heutigen Lebensräume eingewandert sind.
Ihre, im Vergleich zu den Nachbarn, hellere Haut und die scharfen
Gesichtszüge deuten daraufhin, daß sie erst später in die Gebiete
jenseits der Wüste eingewandert sind. Außerdem gibt es
Übereinstimmungen zwischen ihren heutigen Riten und Zeremonien, die
auf algerischen Felsbildern dargestellt werden. Die zunehmende
Austrocknung der Sahara, ab dem 3. Jahrtausend vor Christi, zwang sie
wohl zu dem Rückzug nach Süden.
Kamele
fehlen auf den Zeichnungen. Allerdings gibt es im Tassili-Gebirge
Algeriens Stätten, wo auch diese Tiere abgebildet sind. Sie
gelangten erst mit den berberischen Vorfahren der Tuareg, die in der
Nähe des Mittelmeers lebten, in die Sahara.
Ich folge
dem Lauf des Korry über schwarze Lavablockfelder ins Gebirge. Der
Bach ist zum Teil noch immer hüfthoch.
Um nicht
denselben Weg zurückzugehen, schlage ich einen Bogen über eine
Ebene außerhalb der Berge. Der Segen des Regens macht sich hier
bereits bemerkbar. Über Nacht sind frische Grashalme gewachsen und
an den niedrigen Sträuchern zeigt sich zartes Grün. Auch die
Tierwelt ist aktiver als zuvor. Überall sehe ich kleine Ameisen.
Steinschmätzer, Tauben und Lerchen singen. Farbige Blauracken und
Zwergspinte jagen die jetzt reichlich in der Luft vorhandenen
Insekten. Die größte Überraschung erlebe ich allerdings, als ich
wieder am Korry in Lagernähe bin. Ein lautes Froschkonzert schallt
mir entgegen! Die Amphibien haben die trockene Zeit im Sand des Korry
verbracht und müssen sich nun mit ihrer Hochzeit beeilen, damit die
Entwicklung vom Laich zum ausgewachsenen Frosch beendet ist, ehe die
Trockenheit alles Wasser unbarmherzig wieder aufgesaugt hat.
Nachdem
wir Brot gebacken haben, ziehen wir weiter. Für die Kamele ist es
ein Tag der Extreme. Erst ziehen wir über Blockfelder mit
scharfkantigem Vulkangestein. Man merkt ihnen ihre Unsicherheit und
die Angst an, sich in diesem schwierigen Gelände zu verletzen. Wir
haben Glück! Alles läuft gut. Auch mein Kamel, auf dem ich kaum
noch reite, erleidet keine neue Verletzung. Dann waten die Tiere
buchstäblich im Schlamm einer Taloase, wo sie jeden Moment
auszugleiten drohen. Ziemlich seltene Erfahrungen für die
Wüstenschiffe!
Auf
meinem gewohnten Abendspaziergang habe ich einen faszinierenden
Anblick: Über den gezackten, schwarzen Vulkanbergen geht blutrot die
Sonne unter. Davor reitet ein einsamer, verschleierter Targi mit
umgehängtem Schwert auf seinem Kamel im Galopp über eine weite
Ebene.
Da wir
wissen, daß Menschen in der Nähe sind, werden die Kamele am Feuer
gefüttert. Ließen wir sie grasen, wäre die Gefahr zu groß, daß
sie gestohlen werden. Kamele haben im Gegensatz zu Pferden keine
Bindung an ihre Reiter. Es ist für jeden gleich einfach oder gleich
schwer mit ihnen klar zu kommen. Daher ist es leicht sie zu stehlen,
was wohl häufig vorkommt. Moussa trägt sein Schwert, die Takuba,
nicht nur zur Zierde, sondern auch als Waffe gegen Kameldiebe.
Zahlreiche
Fledermäuse, die die gefiederten Insektenfresser ablösen, jagen im
Zick-Zackflug über unserem Feuer. Später mache ich dann noch eine
etwas unheimliche Beobachtung: Ein Skorpion verharrt einige Zeit am
Rand meiner Matte bis er verschwindet.
Am
nächsten Tag gibt es auf den weiten Ebenen kaum noch Spuren des
Regens. Dafür ist in dem großen Korry, dem wir fast den ganzen Tag
folgen der "Frühling" eingekehrt. Die Akazien blühen mit
herrlichem Duft und überall singen Vögel. Zahlreiche Wasserstellen
sind hier zurückgeblieben, und so ist es mir zunächst
unverständlich, daß wir dort, wo die Kamele ins Wasser gepinkelt
haben, unsere Guerbas auffüllen! Moussa meint lediglich gleichmütig,
daß das Wasser hier sowieso überall gleich verschmutzt sei. Damit
hat er wahrscheinlich recht, denn in dem breiten Korry leben etliche
Tuareg. Deren Ziegen und Kamele haben wahrscheinlich bereits vor
unseren eigenen Tieren die Wasserlöcher verschmutzt. Allerdings ist
der strenge Uringeschmack unverkennbar. Glücklicherweise können wir
abends neues Wasser aus einer klaren Bergquelle aufnehmen.
Die
Tuareg leben auch hier in Mattenzelten. Meist werden die Ziegen von
Frauen gehütet. Im Gegensatz zu den Männern sind sie immer
unverschleiert. Oft sind sie hübsch, immer aber haben sie starke,
ausdrucksvolle Gesichter. Ihr selbstbewußtes, sicheres Auftreten
fällt auf, weil es in einer moslemischen Gesellschaft ziemlich
ungewöhnlich ist. Alte berberische Traditionen haben hier die
Jahrhunderte der Islamisierung unbeschadet überstanden.
Die
Männer sind häufig mit einer Karawane unterwegs oder arbeiten in
einer weit entfernten Stadt, um Geld zu verdienen. Tuareg sind
beispielsweise als Leibwächter bei weißen Entwicklungshelfern in
ganz Westafrika beliebt.
Abends am
Lagerfeuer erzählt Moussa etwas über die Situation seines Volkes
hier im Niger. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts lebten fast alle
Tuareg als Nomaden, die wegen ihren häufigen Überfällen, bei den
seßhaften, schwarzen Nachbarn gefürchtet waren. Oft wurden auch
Sklaven bei diesen Raubzügen gemacht. Das hörte erst auf, als
Frankreich am Ende des ersten Weltkriegs die Tuareg nach zahlreichen
zermürbenden Auseinandersetzungen endgültig unterworfen hatte.
Danach wurden sie von den Franzosen aber recht gut behandelt, da
viele Kolonialbeamte Symphatie für die stolzen Nomaden entwickelten.
1960 wurde die heutige Republik Niger in die Unabhängigkeit
entlassen. Die Regierung bildeten die Angehörigen der weit
überwiegenden schwarzen Bevölkerungsmehrheit, bei denen die Tuareg
wegen der früheren Überfälle natürlich nicht besonders beliebt
waren. Doch bis zu den verheerenden Dürren der Siebziger und
Achtziger ging alles relativ gut. Danach hatten viele Nomaden ihre
Herden verloren, der Hunger ging um und die Hilfslieferungen
bereicherten meist nur die Taschen der Regierungsbeamten. Viele
flohen vor dem Hunger in das reichere Algerien. Zahlreiche junge
Tuareg gingen nach Lybien, wo sie als Kämpfer in Ghaddafis
islamischer Legion willkommen waren. 1989 startete die nigrische
Regierung ein Programm zur Reintegration der Flüchlinge. Doch
wiederum versickerte die Hilfe und es kam zu Protesten, die
schließlich in einem Massaker mit Hunderten von Toten auf Seiten der
Tuareg endeten. Das war der Beginn der Rebellion. Viele der
ehemaligen Kämpfer Ghadaffis schlossen sich dem Aufstand an. Sie
sind gut ausgebildet, z.T. kriegserfahren und werden von Lybien mit
Waffen unterstützt. Ihre beliebtesten Schlupfwinkel liegen hier in
den zerklüfteten Schluchten des Air. Sie haben bereits Geländewagen
von motorisierten Touristen beschlagnahmt, erzählt Moussa. Denn
anders als ihre Vorfahren kämpfen sie nicht vom Kamelrücken mit
Schwert und Lanze, sondern mit schnellen Geländewagen und
aufmontierten Maschinengewehren. Erst vor kurzem haben sie den Posten
Assamakka an der algerischen Grenze angegriffen. Noch halten sich
ihre Aktionen in Grenzen. Sie sind aber sicher ein ernstzunehmender
Gegner für die Armee des Niger. Die Rebellen fordern weitgehende
Autonomie und mehr Unterstützung durch die Zentralregierung.
Natürlich wollen sie auch an den Erträgen der auf Tuareggebiet
liegenden Uranmine Arlit beteiligt werden. Manche träumen auch von
einem eigenen Staat. Hierzu wollen sie sich mit den malischen Tuareg,
die ebenfalls gegen ihre Regierung rebellieren verbünden.
Moussa
meint, daß uns hier keine Gefahr droht. Aber das Wissen um die
irgendwo in den Tiefen des Gebirges versteckten Rebellen, verleiht
unserem Unternehmen zusätzlichen Reiz.
Nach
weniger als zwei Stunden Marsch im Bett des Korry, schlagen wir am
nächsten Morgen ein neues Lager auf. Wir befinden uns in der Nähe
der heißen Thermalquellen von Taffadek. Mein Tuaregführer sagt, sie
seien sehr gesund und das Wasser könne alle möglichen Krankheiten
heilen. Die Quelle liegt in einem kleinen Lehmgebäude vor dem ein
Wärter ein geringes Eintrittsgeld kassiert. Moussa und ich gehen
zusammen hinein, aber ich lasse dem Tuareg gerne den Vortritt. Das
Wasser ist nämlich kochend heiß. Erst nach langsamer Gewöhnung
klettere ich in das Becken, verlasse es aber auch gleich wieder.
Moussa dagegen ist von der heilenden Wirkung so überzeugt, daß er
minutenlang in dem heißen Wasser verharrt.
In der
Nähe der Quelle stehen einige Häuser und es gibt sogar einen
kleinen Laden. Mich reizt es aber nicht besonders hier länger zu
verweilen, daher unternehme ich eine Wanderung in die Berge, während
die Tuareg den Ruhetag genießen. Die braun-schwarzen Felsen sind
ziemlich eindrucksvoll aber außerhalb des Korry gibt es wenig Leben.
Die Ruhe meiner Begleiter wird allerdings auch gestört. Die Kamele
haben sich beim Grasen entfernt und müssen gesucht werden. Erst
lange nach Einbruch der Dunkelheit kehren die Tuareg mit ihnen
zurück.
Schon
früh am nächsten Morgen folgen wir dem Korry weiter. Noch vor 20-30
Jahren waren alle diese Trockentäler grüne Paradiese voller
verschiedener Sträucher und Palmen. Jetzt dagegen ist Vegetation nur
noch an manchen Stellen vorhanden. Immer wieder sehen wir abgeholzte
Palmen und Buschbestände. Dies hat sicher verschiedene Ursachen: Das
immer stärker austrocknende Land bietet immer weniger Futter
außerhalb der Korrys. Das führt dazu, daß die Tuareg immer
seltener die Täler mit ihrem besseren Futterangebot verlassen.
Gekocht wird über dem Holzfeuer. Wenn also ein Lager lange an einer
Stelle bleibt, werden alle Gehölze langsam aber sicher "verheizt".
Hinzu kommt, daß das Vieh, in erster Linie die Ziegen, mit Vorliebe
junge Schößlinge fressen. Daher können junge Bäume und Sträucher
kaum noch hochwachsen. Die Gehölze bieten aber in Dürrejahren die
letzte Futterreserve. Vor allem die Ziegen können mit
heruntergeschnittenen Zweigen gefüttert werden. Das wird allerdings
von vielen Sträuchern nicht vertragen, die dadurch nicht mehr neu
ausschlagen. Den meisten Tuareg sind die Probleme wohl bewußt, sie
wissen aber keinen Ausweg. Natürlich können die Ziegen
zerstörerisch auf die Vegetation wirken. Sie sind aber
anspruchsloser als alle anderen Weidetiere und daher für die
Nomaden unentbehrlich.
Immer
wieder begegnen uns Tuareg, vor allem Frauen. Einmal sehen wir, wie
ein ganzer Haushalt umzieht. Vom Zelt bis zur letzten Schüssel ist
die ganze Gerätschaft auf einem Esel festgebunden. Die zähen
Grautiere schleppen klaglos ungeheure, sich hoch auftürmende Lasten.
Daneben werden sie von den Frauen auch gerne als Reittiere genutzt.
Unsere
Mittagsrast ist, wie meistens, sehr ausgedehnt. Dennoch essen wir zu
dieser Tageszeit nur sehr wohlschmeckende süße Datteln, das
Haupterzeugnis der Palmenoasen. Unangenehm ist es allerdings wenn man
auf einen Wurm beißt, der ab und zu in einer der Früchte sitzt.
Gekocht wird fast immer abends von Amoul, der seine Krankheit
offenbar überstanden hat. Die Portionen aus Reis und Nudeln sind
stets sehr üppig bemessen. Nach dem Essen folgt dann immer eine
ausgiebige Teezeremonie, bei der wir uns unterhalten.
Leider
werde ich noch immer von heftigen Durchfällen geplagt, die mich auch
in der Nacht einige Male in die oft nicht vorhandenen Büsche
treiben. Meine selbstaufblasbare Matte ist natürlich längst von den
allgegenwärtigen Dornen durchlöchert. Dennoch liege ich auf ihr
bequemer, als auf dem nackten Boden.
Nachdem
es in der Nacht einige Tropfen geregnet hat, nutze ich am nächsten
Morgen die unter dem wolkenverhangenem Himmel angenehmeren
Temperaturen zu einer Wanderung in die Berge. Ich würde zu gerne die
nur in den Gebirgen der Sahara, also auch im Air, beheimateten
Mähnenschafe einmal beobachten. Auf Bildern wirken die Wildschafe
mit ihren gedrehten Hörnern und dem dichten Fell sehr eindrucksvoll.
Ich sehe aber nur einige einzeln oder paarweise auftretende
Dorcasgazellen. Sie sind sehr scheu, wohl weil sie eine beliebte
Jagdbeute sind.
Ich bin
noch nicht sehr lange unterwegs als ein Gewitter aufzieht. Kaum bin
ich zurück im Lager, als das Unwetter mit heftigem Regen
hereinbricht. Fast den ganzen Tag verbringen wir unter der Plane. Ich
hatte mir eine Wüstentour anders vorgestellt und habe langsam genug
vom Regen!
Die
beiden Tuareg, die abends frisches Trinkwasser holen, sehen dann
tatsächlich einige Mähnenschafe. Glück muß man haben!
Nachdem
es am folgenden Morgen aufgehört hat zu regnen, will ich es aber
auch noch einmal probieren die scheuen Tiere zu beobachten.
Tatsächlich, entfernt auf einem Bergkamm, regt sich etwas. Da die
Schafe extrem gut sehen, schleiche ich unter Ausnutzung jeder Deckung
mühsam näher. Leider entpuppen sich die Mähnenschafe aus der Nähe
als zwei gewöhnliche Esel!
Zurück
im Lager beladen wir die Kamele zum weiterziehen. Wie immer helfe ich
so gut es geht mit. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn
es ist sehr wichtig, daß die Last auf beiden Körperseiten gleich
schwer ist. Über den Höcker gelegte Decken sollen verhindern, daß
Sattel oder Last die Haut aufscheuern. Manchmal sind die Tiere
ziemlich bockig, und es dauert sehr lange, bis wir abmarschbereit
sind. Als ich eines Morgens einem Kamel die Fußfesseln abnehmen
will, verpasst es mir einen Tritt, daß ich im hohen Bogen durch die
Luft segele! Glücklicherweise lande ich sanft im Sand.
Wir
folgen zunächst dem Korry weiter. Stellenweise ist noch Wasser
zurückgeblieben. In einem Tümpel entdecken wir einige rote
Kaulquappen, obwohl seit dem ersten Regen noch keine Woche vergangen
ist. Das zeigt mir wieder einmal, wie schnell die Entwicklung des
Lebens hier ablaufen muß, um der schon bald wieder drohenden
Trockenheit zu entgehen.
Dann
verlassen wir das Tal und kommen zum schönsten Abschnitt unserer
Reise. Mein Kamel hat seine Fußverletzung ausgeheilt, so daß wir
wieder häufiger reiten können. Es geht durch die wilde Bergwelt aus
scharfgezackten Lavafelsen. Oft reiten wir steile Abhänge hinauf und
hinunter. Rauf geht ja noch, aber bei den Abstiegen rechne ich jeden
Augenblick damit, daß mein Kamel stolpert und ich aus dem Sattel
geschleudert werde. Die Trittsicherheit der Wüstenschiffe in diesem
steinigen Gelände ist wirklich nicht sehr hoch, wie auch Moussa
zugibt. Tatsächlich kommt es in so einem Terrain immer mal wieder zu
Unfällen. Trotz meiner Unsicherheit reite ich weiter. Einerseits
will ich mir vor Moussa keine Blöße geben, andererseits macht es
wirklich Spaß ohne eigene Anstrengung durch diese phantastische,
schwarze Landschaft zu reiten.
Schließlich
erreichen wir das Korry von Dabago, wo wir unser Lager aufschlagen.
Anschließend spaziere ich mit Moussa durch die Gärten der Oase zu
einem kleinen Ort. Zahlreiche Dattelpalmen spenden Schatten für die
Beete, wo Weizen, Hirse, Tomaten und anderes Gemüse angebaut werden.
Überall verlaufen von Hand gegrabene Bewässerungskanäle.
Dunkelhäutige, muskulöse Männer bestellen mit einfachen Hacken
mühevoll die Gärten. Ich halte sie zunächst für ehemalige
Sklaven. Aber abgesehen von ihrer Hautfarbe unterscheiden sie sich in
ihrer Kleidung nicht von Tuareg die ich bisher gesehen habe. Moussa
erzählt, daß sie tatsächlich echte Tuareg sind. Allerdings gibt es
bei den Kel Ewei, so heißt diese Untergruppe seines Volkes, einige
Besonderheiten. Alle anderen Konföderationen der Tuareg sind streng
hierarchisch gegliedert. An erster Stelle steht der Adel, die
Imascheren. Ihre Vasallen, die Imrad sind ebenfalls hellhäutig.
Dagegen sind die Iklan genannten, ehemaligen Sklaven dunkelhäutig.
Mischehen zwischen den sozialen Schichten kommen kaum vor. Bei den
Kel Ewei existiert dagegen keine Hierarchie und Mischehen zwischen
Freien und Sklavinnen kamen schon immer vor. Daher sind sie sehr
dunkel. Ebenso ist der Gartenbau, den andere Tuareg nach Möglichkeit
vermeiden, bei ihnen weit verbreitet. Das heißt aber nicht, daß
Nomadentraditionen bei ihnen völlig verschüttet sind, denn sie
halten Vieh und sind die Spezialisten für die Karawanen zu den über
500 Kilometer entfernten Salinen Fachi und Bilma. Früher tauschten
die Bewohner dieser Oasen ihr im ganzen Sahel begehrtes Salz
überwiegend gegen Hirse. Dieser Teil des Karawanenhandels ist
inzwischen aber erloschen, da das Grundnahrungsmittel jetzt auf LKW
in die entfernten Oasen gebracht wird. Wenn der Lastwagentransport
nicht durch den Staat und Hilfsorganisationen subventioniert würde,
wäre er aber auch heute noch nicht gegen die Kamelkarawanen mit
ihren geringeren Betriebskosten konkurrenzfähig. Glücklicherweise
wurde der Karawanenhandel durch diese Eingriffe nicht vernichtet. Die
Tuareg, in deren Händen die Transporte liegen, stiegen einfach auf
andere Waren um, wie z.B getrocknete Tomate. In Bilma und Fachi
mangelt es schließlich an fast allem.
Der Ort
in dem die Gärtner wohnen besteht aus korbähnlichen Hütten und
einigen Lehmhäusern. Es gibt hier sogar drei Autos. Wir trinken Tee
mit einigen Männern, die sich nach dem Verlauf unserer Reise
erkundigen und kaufen frische Datteln.
Die Nacht
wird allerdings etwas unangenehm, da die Bewässerungskanäle eine
ideale Moskitobrutstätte sind. Besonders Moussa ist den Mücken
gegenüber ziemlich empfindlich.
Den
ganzen nächsten Tag ziehen wir wieder durch die nur von einigen
Tälern unterbrochene Bergwildnis, in denen summende Bienen die
blühenden Akazien umschwärmen. Das Gewirr der dunklen Felsen
gleicht häufig einem gigantischen Labyrinth.
Der
Kontakt zu Moussa ist inzwischen intensiver geworden, und so erzählt
er abends am Feuer mehr aus seinem Leben: Eine Schule hat er nur drei
Jahre lang besucht. Seine gute Kenntnis des Air und der Ténéré,
das ist die Wüste zwischen Agadez und Fachi, hat er sich als
Angestellter von Texaco bei der Ölsuche erworben. Dort lernte er
viel über Autos, was ihn heute befähigt, auch motorisierte
Touristen zu begleiten. Die müssen dafür jedoch dreimal soviel wie
ich bezahlen.
Moussa
macht jetzt gar keinen Hehl mehr aus seiner Ablehnung der schwarzen
Nigerregierung und gibt seine Symphatie für die Rebellen offen zu.
Von den staatlichen Schulen hält er auch nichts. Deshalb sollen
seine Kinder auch nur die Koranschule besuchen.
Als ich
von meinem Morgenspaziergang zurückkehre, haben wir Besuch. Ein etwa
20-jähriger Targi und seine Schwester hüten ihre Ziegen in der Nähe
unseres Lagers. Er staunt sehr über mein Fernglas. Offenbar hat er
so ein Instrument, das seine entfernt grasenden Tiere nah erscheinen
läßt, noch nie gesehen. Ich glaube, er möchte das Glas gerne
besitzen, weshalb er mir auch seine hübsche Schwester anbietet!
Wahrscheinlich meint er das Angebot aber nicht ganz ernst.
Schließlich ist bei den Tuareg der Mann keineswegs der unumschränkte
Herrscher über die Frauen, wie in anderen islamischen
Gesellschaften.
Daß es
durchaus seinen Sinn hat die Ziegen ständig zu beaufsichtigen, zeigt
sich etwas später. Plötzlich hören wir großes Geschrei und sehen
dann gleich einen Schakal, der sich der Herde genähert hat, sicher
um ein Zicklein zu erbeuten. Das gelingt ihm aber nur, wenn er
unbemerkt bleibt. Jetzt, wo er erkannt ist, flüchtet er so schnell
er kann.
Bei
meinen nächtlichen Durchfallattacken muß ich mich manchmal so
schnell wie möglich vom Schlafplatz entfernen. Meistens reicht die
Zeit nicht einmal mehr, um mir Schuhe anzuziehen. Das rächt sich
jetzt. Offenbar habe ich mir einen kleinen Dorn tief in den Fuß
getreten. Die Tuareg können zwar nichts finden. Der linke Fuß
schmerzt aber sehr, so daß das Laufen keinen Spaß mehr macht.
Nachdem wir unser Nachtlager am Berg Amalgu aufgeschlagen haben,
beschließen wir morgen nach Agadez zurückzukehren. Ein letztes Mal
unternehme ich einen Abendspaziergang in die schwarzen Felsen.
Auf
unserer letzten Etappe begegnen uns wieder viele Leute. Kurz vor
Agadez sehen wir sogar eine lange Salzkarawane, aus über 100 Tieren
bestehend in der Ferne vorbeiziehen. Es wird einer der letzten
Kamelzüge der Saison sein. Im Sommer ist es auf der 600 Kilometer
langen Strecke zu den Salinen viel zu heiß. Die Durchführung von
Karawanen zu dieser Jahreszeit ist fast unmöglich.
Ich
möchte unsere Reise nicht einfach so beenden und will ein Schaf
kaufen, das wir abends essen können. Es stellt sich dann aber
heraus, daß Schafe auf dem Markt viel zu teuer sind. Daher fällt
meine Wahl auf eine Ziege, die auch noch soviel wie ein Tageslohn
Moussas kostet.
Auf dem
Markt treffe ich einen bayerischen Entwicklungshelfer. Ich bin
erstaunt zu hören, daß er Förster ist, schließlich gibt es hier
keinen Wald. Dennoch macht seine Anwesenheit natürlich Sinn. Es
gibt wenig, was die Sahelzone dringender braucht als Bäume, die die
fortschreitende Verwüstung aufhalten können.
Abends
gibt es dann das Festmahl bei Moussa. Zunächst essen wir Mechui,
eine Art Makkaroniauflauf, danach gibt es Ziegenfleisch. Es ist
allerdings ziemlich zäh und hat einen strengen Geschmack, so daß
ich nur davon probiere. Den anderen schmeckt es dagegen sichtlich.
Obwohl die Tuareg zum Teil noch immer große Herden haben, ist das
Essen von Fleisch eine Seltenheit. Auch die Ziegen sind in erster
Linie Milchlieferant.
Nachdem
wir uns beim Tee noch lange unterhalten, verbringe ich die Nacht bei
Moussa.
Der erste
Weg am nächsten Morgen führt mich zum algerischen Konsulat. Ich
habe Glück, nach einigem Warten, erhalte ich tatsächlich mein
Visum. Nun ist der Weg zum Mittelmeer frei von bürokratischen
Hindernissen, so hoffe ich. Beim Verlassen des Gebäudes treffe ich
drei junge Deutsche. Sie haben einen Landrover und wollen so schnell
wie möglich nach Hause. Ich wittere eine gute Mitfahrgelegenheit.
Leider werde ich enttäuscht. Sie murmeln etwas von kein Platz und
Fahrzeugüberladung und lassen mich dann stehen.
Zurück
in der Stadt, treffe ich dagegen gleich nettere Leute: Tony und Anett
kommen aus Schweden bzw, Finnland und sind auf dem Landweg von Kenia
bis hierher gereist Sie verfügen zwar nicht über ein Fahrzeug, aber
für heute Abend haben sie den Transport auf einem LKW nach
Tamanrasset vereinbart. Das Pärchen ist mir gleich symphatisch. Wir
beschließen zusammen weiterzureisen. Tony hat schon viele Reisen
hinter sich und verdient das Geld zwischen seinen Touren mit
Reserveübungen als Offizier in schwedischen Armee. Dagegen ist es
Anetts erste große Reise, die sie trotz aller Strapazen genießt.
Ich hole
mein Gepäck und verabschiede mich herzlich von Moussa und seiner
Familie. Trotz der anfänglichen Spannungen, ist er nun mehr ein
Freund als ein bezahlter Führer für mich geworden.
Den Rest
des Tages warte ich mit Tony und Anett vor dem Hotel Greboun auf den
LKW. Wir haben uns soviel zu erzählen, daß die Zeit wie im Flug
vergeht. Wieder einmal merke ich, daß es für mich immer noch
wesentlich einfacher ist Unterhaltungen auf Englisch, statt auf
Französisch zu führen.
Plötzlich
entbrennt vor unseren Augen ein Streit: Ein schlanker Woodabe und
ein kräftigerer Haussa stehen sich gegenüber. Die Beiden
beschimpfen sich und werden sogar handgreiflich. Der Woodabe versucht
den Haussa zu treten und ist dabei sein Schwert, das er nach
Tuaregart umgehängt trägt, zu ziehen. Ich halte es für besser mich
nicht in solche Auseinandersetzungen einzumischen, doch Tony geht
beherzt dazwischen und kann die Kontrahenten zunächst einmal
beruhigen.
Wir
warten bis 22 Uhr, ohne daß der LKW kommt. Schließlich nehme auch
ich für etwa 10 DM ein Zimmer in dem Hotel. Es gibt Duschen und eine
Toilette mit Wasserspülung. Eine Seltenheit in Afrika!
Da wir
nicht mehr auf den Laster warten wollen, gehen wir am nächsten
Morgen gleich zum Busbahnhof. Es gibt zwar keine Verbindung nach
Algerien, aber immerhin finden wir einen Bus nach Arlit. Bevor es
dann endlich losgeht, vergehen wieder einmal Stunden. Offenbar ist
die Polizei hier ziemlich nervös, wegen der Tuaregrebellen. Gleich
zweimal wird das gesamte Gepäck aller Reisenden untersucht. Auch wir
Europäer müssen unsere Rucksäcke öffnen. Vielleicht erklärt aber
auch unser Ziel, die Uranminenstadt Arlit, die umständliche
Prozedur.
Wir
wundern uns, daß sich unter den Passagieren viele englischsprachige
Schwarze aus Ghana und Nigeria finden. Erst später sollte uns klar
werden, wohin sie wollen.
Schließlich
beginnt die Fahrt auf der guten Asphaltpiste, die die Franzosen zum
Abtransport des Urans gebaut haben. Die Vegetation wird immer
kärglicher, bis kurz vor Arlit die Sahelzone definitiv endet und die
fast vegetationslose "richtige" Sahara beginnt. In der
Stadt erfahren wir, daß wir uns unbedingt sofort bei der Polizei
melden müssen. Wir denken, es handelt sich nur um die übliche
Formalität, sind aber unangenehm überrascht, als wir unsere Pässe
abgeben müssen. Angeblich geschieht das zu unserer Sicherheit. Man
erhält die Dokumente nämlich erst zurück, wenn man der Behörde
mitteilt, wie man von hier aus weiterreist. So soll verhindert
werden, daß Reisende auf der 600 Kilometer langen Piste bis
Tamanrasset verschwinden, ohne das eine Hilfsaktion eingeleitet
werden kann. Das System würde aber nur funktionieren, wenn zumindest
von der Grenzstation Assamakka die sichere Ankunft der in Arlit
abgefahrenen Wüstenfahrer zurückgemeldet würde. Daß das
tatsächlich geschieht, bezweifeln wir sehr.
Zunächst
gehen wir in ein kleines Restaurant essen. Wir bestellen Spaghetti
Bolognese, Anett allerdings ohne Fleisch, da sie Vegetarierin ist. Es
befindet sich dann aber doch etwas Fleisch in der Soße, deshalb ißt
sie lieber gar nichts. Sie erzählt, daß es ihr bis jetzt auf dieser
Reise nicht schwer viel sich vegetarisch zu ernähren. Die meisten
Afrikaner essen auch wenig Fleisch, allerdings nicht aus moralischen
Gründen, sondern weil sie es sich nicht leisten können. Hunger
entsteht in Afrika, von Krisengebieten abgesehen, nicht aus Mangel an
Lebensmitteln. Oft haben die Leute einfach zu wenig Geld um sich
Essen zu kaufen. Wer eine gefüllte Brieftasche hat, kann unterwegs
an vielen Stellen einen Braten essen. Die an der Straße zubereiteten
Stücke sind natürlich meistens von Fliegen übersät. Nicht gerade
ein appetitanregender Anblick!
Während
meine Freunde noch sitzenbleiben, mache ich mich auf die Suche nach
einer Mitfahrgelegenheit. Wieder einmal habe ich Glück und entdecke
einen LKW, der bis zur Grenze fährt. Mit dem Fahrer und den Tickets
gehe ich zur Polizei, wo ich unsere Pässe zurückerhalte.
Tony will
noch einen Wasserkanister kaufen. Er ist ganz froh, daß ich bei
Anett bleibe, die sich schon auf die Ladefläche gesetzt hat.
Schließlich scheint die hübsche, blonde Finnin der Traum aller
männlichen Passagiere zu sein! Wieder wundere ich mich, daß die
Leute auf der Ladefläche sich fast ausschließlich auf Englisch
unterhalten.
Bevor wir
losfahren, kaufe ich ebenfalls einen 20-Literkanister und fülle ihn
auf. Ich weiß, daß ich bei den jetzt Ende Mai herrschenden
Temperaturen mindestens 7 Liter pro Tag trinken muß. Ein
20-Literkanister ist im Fall einer Panne schnell ausgetrunken. Mit
noch weniger Wasser unterwegs zu sein, kann leicht fatal enden.
An dem
ausgedehnten Urantagebau vorbei, verlassen wir erst um 18 Uhr den
Ort. Seitdem Frankreich Atommacht ist, gilt die Mine als der bei
weitem wichtigste Devisenbringer des Niger. Nach wie vor kommt ein
Großteil des für Franreichs Atomwaffen und Kernkraftwerke
benötigten Urans von hier.
Kurz vor
Sonnenuntergang, etwa 20 Kilometer von Arlit entfernt, wird die Wüste
plötzlich lebendig. Etliche schnelle Geländewagen rasen in die Nähe
unseres Lastwagens. Fast alle Passagiere verlassen die Ladefläche
und steigen um auf die Wüstenflitzer, die ebenso schnell wie sie
gekommen waren, auch wieder verschwinden.
Jetzt
wird uns klar, was die vielen englischsprachigen Afrikaner hierher
gebracht hat. Lybien ist ein bevölkerungsarmes Land mit großem
Reichtum aus dem Ölverkauf. Sein Diktator Ghadaffi läßt zahlreiche
große Bauprojekte durchführen, für die er offenbar nicht genug
Leute im eigenen Land findet. Daher sind arbeitswillige Schwarze in
Lybien willkommen. Wegen des angespannten Verhältnisses zwischen
Lybien und dem Niger ist ein normaler Grenzübertritt nicht möglich,
was den von uns erlebten Menschenschmuggel erklärt.
Wir
genießen den Fahrtwind auf der Ladefläche. Die Skandinavier
schützen sich mit Tüchern und Sonnenbrillen, aber mir reicht, wie
immer, mein schon in Zimbabwe gekaufter Baumwollhut.
Auf der
unendlich erscheinenden Kiesebene kommen wir gut voran. Nur einmal
bleiben wir im Sand stecken. Mit unter die Reifen geschobenen Blechen
gelangen wir aber schnell wieder heraus.
Eindrucksvoll
ist, wie die moslemischen Mitreisenden ihre vorgeschriebenen Gebete
mitten in der Unendlichkeit der Wüste vornehmen. Für die
obligatorischen Waschungen wird Sand verwendet, was der Koran bei
Wassermangel ausdrücklich erlaubt.
Wir sind
schon ziemlich müde, als der LKW gegen Mitternacht endlich zu einer
Pause anhält. Bis morgens schlafen wir im warmen Sand.
Bei
Sonnenaufgang setzen wir die Fahrt fort. Doch schon nach kurzer Zeit
halten wir wieder. Das Unglaubliche ist geschehen: Unserem LKW ist
mitten in der Wüste der Sprit ausgegangen! Man sollte glauben, daß
so etwas routinierten einheimischen Fahrern, die die Strecke sicher
schon viele Male zurückgelegt haben, nicht passieren kann. Aber
jetzt stehen wir und Ratlosigkeit breitet sich aus. Wir erfahren, daß
es noch etwa 15 Kilometer bis zum Grenzposten Assamakka sind. Eine
Strecke, die auch zu Fuß, mit Anstrengung zu bewältigen ist. Das
denkt auch der Fahrer und macht sich mit seinen Helfern auf, die
Reservekanister zu füllen. Die Skandinavier und ich beraten unsere
Lage. Das einfachste wäre wahrscheinlich hier am LKW auf die
Rückkehr der Besatzung zu warten. Allerdings weiß man in Afrika nie
was passiert, und es ist schwer einzuschätzen, wann die Leute mit
dem Sprit zurückkommen. Das denken offenbar auch einige andere
Passagiere, die sich ebenfalls auf den Weg machen. Nach kurzem
Zögern, schließen wir uns ihnen an. Mit jeder Minute, die wir am
Fahrzeug warten, steigt die Temperatur. Daher ist es sehr wichtig
keine Zeit mehr zu verlieren, um die relative Kühle des Morgens zum
Marschieren auszunutzen. Unsere schweren Wasserkanister, die noch
kaum leichter geworden sind, schleppen wir mit. Das erschwert zwar
den Marsch, ist aber unsere Lebensversicherung für den Fall von
Verirren oder Erschöpfung, so denken wir. Diese Strategie halten wir
natürlich nicht lange durch. Unsere Rucksäcke und Kanister sind
einfach zu schwer. So gießen wir bei jeder Pause etwas Flüssigkeit
aus.
Mir fällt
leider erst jetzt auf, daß ich einen Fehler beim Kauf des
Plastikbehälters gemacht habe. Wohlwissend, daß unter Umständen
vor meinem Kauf ganz andere Flüssigkeiten in dem Kanister waren,
nahm ich erst einmal einen Probeschluck. Dabei bemerkte ich keinen
negativen Geschmack. Das täuschte mich allerdings. Denn jetzt stinkt
jedes Schlückchen Wasser, nachdem ich bald lechze, nach Sprit!
Ziemlich unangenehm. Trotzdem muß ich weiter aus dem Kanister
trinken, wenn ich nicht Gefahr laufen will, daß mein Körper bald
völlig ausgetrocknet ist.
Die
Landschaft durch die wir wandern, ist wieder eine leblose Steinwüste,
die sich bis zum Horizont erstreckt. Einige Fahrzeuge fahren in
einiger Entfernung vorbei, ohne von uns Notiz zu nehmen. Das hebt
unsere Stimmung natürlich auch nicht gerade!
Doch wir
haben Glück! Nach einigen Kilometern, gerade rechtzeitig bevor der
Marsch zur echten Qual wird, hält ein Toyota. Es ist ein
Wüstentaxi. Wir erfahren, daß es den LKW-Fahrer bereits mit neuem
Sprit versehen zu seinem Fahrzeug zurückgebracht hat. Das Taxi ist
spezialisiert auf Transporte im Niemandsland zwischen Niger und
Algerien. Wir geben dem Fahrer unsere Pässe, damit er in Assamakka,
dem nigrischen Grenzposten, den die Tuaregrebellen vor kurzem
angegriffen hatten, unsere Ausreisestempel besorgt. Dann brausen wir
weiter zu der algerischen Station In Guezzam.
Hier wird
mir mit einem Schlag bewußt, daß Schwarzafrika mit all seinen
Improvisationen und Unzulänglichkeiten, an die ich mich aber ganz
gut angepasst hatte, nun hinter mir liegt. Statt Bretter-, oder
Wellblechbaracken erwartet uns eine moderne, gerade erst erbaute
Grenzstation. Die Abfertigung geschieht schnell, freundlich und
professionell. Der Rucksack wird zwar kurz durchsucht, das war es
dann aber auch. Meine skandinavischen Freunde haben allerdings
weniger Glück. Seit dem Golfkrieg benötigen auch Finnen ein Visum.
Anett wußte davon nichts und ist daher in dem Glauben, daß ihr Paß
reicht, hier angekommen. Das stellt sich aber als falsch heraus. Alle
Überredungs-, und selbst Bestechungsversuche stellen sich als
nutzlos heraus. Die Beiden müssen zurück nach Niger und beschließen
von Niamey, der Hauptstadt, nach Hause zu fliegen.
Neben dem
Grenzposten gibt es auch einen Ort In Guezzam, der aber ein Stück
entfernt liegt. Man kann von der Station aus die ersten Häuser
sehen, es scheint nicht sehr weit bis dorthin zu sein.
Ohne
meine neuen Freunde, fühle ich mich zunächst etwas allein. Aber da
sind noch einige Studenten von der Elfenbeinküste. Sie studieren in
Stockholm und waren in den Semesterferien zu Hause. Jetzt wollen sie,
wie ich, auf dem Landweg nach Algier, von wo man billig nach Europa
fliegen kann.
Obwohl es
nun zur Mittagszeit brennend heiß ist, beschließen wir, die
scheinbar kurze Entfernung nach In Guezzam zu Fuß hinter uns zu
bringen.
Wieder
schleppe ich meinen Kanister. Schon nach wenigen Schritten merke ich,
daß das Laufen jetzt viel anstrengender ist als heute Morgen.
Ständig muß ich zu einer Pause anhalten. Die Afrikaner sind
offenbar viel fitter als ich und lassen mich schließlich hinter sich
zurück.
Alleine
kämpfe ich mich weiter, immer mit den rettenden Häusern vor Augen.
Dieses
Ziel erweist sich aber als trügerisch, je näher ich an die Häuser
herankomme. Die Sahara hat gewonnen. Schon seit langem liegen die
Gebäude unter den vorrückenden Dünen begraben. Hier wohnt niemand
mehr.
Ich bin
der Verzweifelung nahe, denn mein Kreislauf scheint der Hitze nicht
mehr gewachsen zu sein. Wenn ich nach einer Pause aufstehe, wird mir
schwarz vor Augen, und es dauert einige Zeit, bis ich mich soweit
gefangen habe, daß ich meinen Weg fortsetzen kann.
Doch
wieder einmal habe ich Glück. Ich höre Motorengeräusche, und bald
erscheinen zwei Geländewagen und ein Motorrad. Auf mein Winken
halten die vier Franzosen bei mir. Offenbar sehe ich ziemlich fertig
aus. Ohne viel zu fragen, nehmen sie mich mit. Mit dem Auto sind wir
in wenigen Minuten in In Guezzam. Doch mir ist klar, daß die Strecke
zu Fuß zu einer Tortur für mich geworden wäre.
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