Als ich wieder bis auf 500 Meter aufsteige, gelange ich zu einem "Flugplatz" mit einem kleinen, offenen Gebäude in dem zahlreiche Bücherregale stehen. Offenbar wurde das Gelände hauptsächlich zur Versorgung der nahegelegenen Goldfelder genutzt.
Es dauert dann auch nicht mehr lange, bis ich die ersten Hütten, zerwühlte Flächen und gelbe Bagger sehe. Obwohl mitten im Nationalpark Lemmenjoki gelegen, wird auch heute noch hier nach Gold gesucht. Offensichtlich hat das aber nichts mehr mit der Jack London Goldgräberomantik zu tun, wo man mit der Pfanne an einem Bach steht, und versucht etwas von dem glänzenden Element auszuwaschen...
Es gibt hier ein Netz von Fahrwegen und ich stoße noch auf eine ganze Reihe von Claims, die aber, wahrscheinlich aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit ziemlich verlassen wirken.
Schließlich erreiche ich die Hütte Morgamojan Kultala wo Schilder und ein Buch etwas über die Geschichte des Goldrausches verraten: Bereits im 19. Jahrhundert war bekannt, dass es hier Gold gibt, aber erst 1947 gelang zwei Brüdern in der Nähe der Hütte ein spektakulärer Fund, woraufhin in den nächsten Jahren bis zu 500 Digger in die Gegend strömten. Nach 10 Jahren hatten die meisten Leute Lemmenjoki wieder verlassen und erst ab den 80 'er Jahren erlebte die Goldsuche eine zweite Auflage, aber jetzt mit moderner Technik. Heute werden noch etwa 10 Claims betrieben, allerdings nur im Sommer.
Zwar beschränkt sich das Goldgebiet nur auf eine kleine Fläche, aber ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, hier die Tundra mit schwerem Gerät umzugraben. Aber die Claims waren halt schon vor der Ausweisung des Nationalparks 1956 eingetragen...
Morgamojan Kultala
Am nächsten Morgen folge ich für drei Kilometer einem ausgeschilderten Weg, der zum Schauplatz des großen Goldfundes führt. Eine Holzrinne in der Nähe haben wohl moderne Goldsucher gebaut, die davon träumen, auch fündig zu werden...
Markierte Wege um den großen Goldfund
Bald sehe ich den Lemmenjoki unter mir, der hier durch eine Schlucht fließt. Für den Rest des Tages folge ich weglos seinem Lauf, und hoffe eine Stelle zu entdecken, an dem ich den etwa 10 Meter breiten Fluss durchwaten kann!
Die Schlucht des Lemmenjoki
Der Wald hier ist stellenweise erstaunlich dicht mit Birken bewachsen, aber es gibt auch alte Kiefern mit über 60 Zentimeter Durchmesser. Recht häufig muss ich steil auf- und absteigen, um die Schluchten von tief eingeschnittenen Seitenbächen zu überwinden.
Irgendwann denke ich, dass ich abseits des Lemmenjoki einfacher voran komme, was sich auch bestätigt. Lediglich ein kurzes Stück von der geschützten Schlucht entfernt, wachsen hier nur noch Birken!
Die Aspen haben schon ihr Laub verloren
Am Nachmittag wird es dann spannend, als ich direkt zum Lemmenjoki absteige, um eine Überquerungsstelle zu finden. Tatsächlich entdecke ich keine wirklich gute Stelle, will es aber dennoch probieren...
Ich verstaue alles was nicht feucht werden darf in wasserdichten Säcken und entkleide mich, damit ich gleich trockenes Zeug anziehen kann, sollte mich die Strömung umwerfen...
Natürlich lasse ich die Schuhe an und meine Wanderstöcke sollen mir Stabilität verleihen. Zunächst komme ich ganz gut vorwärts aber an der tiefsten Stelle, als mich die volle Strömung trifft, muss ich entschlossen kämpfen, wenn glücklicherweise auch nur kurz, bis der Fluss wieder flacher und langsamer wird. Ich habe es geschafft!
Der Lemmenjoki ist nicht einfach zu durchwaten...
Etwas später schlage ich auf einer ebenen Terrasse oberhalb des Flusses mein Lager auf. Zwar ist es bedeckt, aber mit 12 °C angenehm warm. Sogar Mücken und Knotts fliegen noch!
Ich unternehme später einen Abendspaziergang. Zunächst bin ich enttäuscht, dass ich nirgendwo einen Blick auf den Fluss erhaschen kann, aber irgendwann sehe ich von oben zumindest ein kleines Stück vom Lemmenjoki...
Seltener Ausblick in die Lemmenjoki Schlucht
Morgens wirkt die Landschaft wie in Watte gepackt, als ich aus dem Lemmenjoki Tal aufsteige. Erst als ich die baumlosen Höhen auf knapp 500 Meter erreiche, schiebt sich der Nebelvorhang zeitweise beiseite, und gibt Blicke in das bewaldete Tal frei.
Der Nebelvorhang hebt sich
Nebel am Morgen
Ich treffe hier oben auf etliche Gruppen von Rentieren, die Ersten seit dem ich Kautokeino verlassen habe!
Um die größten Moore zu vermeiden, möchte ich eine Route über die höher gelegenen, trockenen Hügel einschlagen. Ich bin inzwischen weit ab von meiner ursprünglich geplanten Route. Zur Groborientierung nutze ich die Karte, die ich vor 25 Jahren in Finnland gekauft hatte, ergänzt von einer von mir auf das GPS gespielten, umsonst aus dem Internet heruntergeladenen Karte aus dem Open Street Map Projekt.
Route über die trockenen Hügel
Gegen 11 zeigt sich die Sonne für kurze Zeit und bringt die roten Beeren der Ebereschen zum Leuchten.
Vogelbeeren
Es gibt im Lemmenjoki Nationalpark auch Bären. Leider bekomme ich keinen der zotteligen Pelzträger zu Gesicht, immerhin finde ich frische Losung eines "Beerenliebhabers"
Hier war ein Braunbär!
Schließlich muss ich aber doch die trockenen Hügel verlassen und einige ausgedehnte Moorgebiete durchqueren. Es gibt zwar auch hier morastige Bereiche, aber insgesamt fand ich die Moorquerungen im Anarjokka Nationalpark schwieriger.
Weite Moore
An einem See entdecke ich zwei Singschwäne die mit ihren gelben Schnäbeln gut von den häufigen Höckerschwänen, deren Schnäbel orange sind, unterschieden werden können. Leider sind sie zu weit entfernt für ein gutes Bild...
Singschwäne
Ein hier Lavvu genanntes Zelt weist darauf hin, dass die Seen wahrscheinlich ab und zu von Sami zum Fischen aufgesucht werden.
Lavvu der Sami
Ich bin erstaunt, als ich in diesem Labyrinth aus Seen und Mooren auf den eingeschnittenen, recht breiten und tiefen Saalijoki stoße, dessen Durchwatung mir aber kein Problem bereitet.
Salijoki
Mein Ziel, den bewaldeten Hügel Saalitunturi mache ich schon aus großer Entfernung aus, aber die weitere Durchwanderung der Moore, von Bülte zu Bülte, ist anstrengend und dauert länger als gedacht...
Unwegsame Moore
Schließlich erreiche ich Sallivaara, wo ich zwar keinen Menschen antreffe, aber einige Hütten und ausgedehnte, eingezäunte Bereiche eine mit Infotafeln schön aufgemachte, alte Geschichte erzählen. Bis 1963 wurde Sallivaara als Rentierscheideplatz genutzt, wohin die Sami einmal im Jahr ihre Tiere aus weiter Entfernung trieben und einige zum Verkauf aussonderten. Das war jeweils ein großes Ereignis, das festlich begangen wurde.
Sallivaara
Da ich hier kein Wasser entdecke, folge ich einem Pfad noch einige Kilometer, bis ich mein Zelt aufschlage.
Am nächsten Morgen sieht es zunächst nach einem schönen Tag aus, aber bald dominiert wieder das Grau, was mich schon seit längerer Zeit begleitet...
Ich folge dem Pfad weiter über Moore und lichten Wald bis zur Straße bei Repojoki.
Waldmoore
Auf meiner alten Karte ist ein Pfad eingezeichnet, der von hier zum Ivalojoki und weiter nach Kuttura führt. Zwar stehen an der Straße einige Häuser aber ich sehe auch hier keinen Menschen.
Bald tauche ich wieder in den Wald ein.
Entlang des Ivalojoki nach Kuttura
Tatsächlich finde ich den Pfad der zunächst durch forstwirtschaftlich genutztes Gebiet führt, recht bald. Auf den Kahlschlägen wird etwa alle 10 Meter ein Baum stehen gelassen, wohl in erster Linie als Samenproduzent für die nächste Waldgeneration. Wie ich feststelle, erholt sich der Wald recht gut von diesen brachialen Operationen, allerdings sind die daraus entstehenden Bestände viel einförmiger als die unberührten Taigawälder in die ich bald wieder gelange.
Bewirtschafteter Wald
Diese sind Teil der 1800 qkm großen Hammastunturi Wildnis, die zwischen den Lemmenjoki und Urho Kekkonen Nationalparks liegt.
Obwohl bereits 1991 ausgewiesen war es noch 1996 höchst umstritten, ob nicht Teile des Gebietes für den Holzeinschlag frei gegeben werden sollen. Zu dieser Zeit befuhr ich den Ivalojoki, den ich bald erreichen werde, mit einem Schlauchkajak.
Während hier zu einem kleineren Teil auch reine Birkenwälder wachsen, durchquere ich größtenteils Bestände aus Kiefern und Fichten, in denen aber auch stets die mit ihrem goldenen Laub aus dem Grün leuchtenden Birken vorkommen. Die Fichten, die ich hier zum ersten Mal seit langer Zeit in größerer Zahl antreffe, verleihen dem Wald einen dichteren, düstereren Eindruck.
Unberührte Taiga am Ivalojoki
Schon recht früh schlage ich mein Lager an einem ebenen Platz im moosigen Kiefernwald auf und durchstreife dann noch länger die Gegend, in der Hoffnung auf Beobachtungen. Leider entdecke ich nichts Spektakuläres, aber dennoch empfinde ich diese schönen Wälder zu durchstreifen als wahr gewordenen Waldläufertraum!
Ein tolles Waldlager
Am nächsten Tag kann ich auch einige Blicke auf den Ivalojoki erhaschen. Diesem Fluss war ich damals bis zum Inarisee gefolgt, auf dem ich die Tour dann weiter fortsetzte.
Ivalojoki
Im Wald beobachte ich einen Elchschaufler der sich leider nicht fotografieren lässt, und zweimal fliegen Auerhühner vor mir auf. Hier sicher keine seltenen Vögel, aber in Deutschland sehr selten!
Der Wald bietet Elchen und Auerhühnern eine Heimat
Bereits vor Mittag erreiche ich Kuttura, ein kleines, isoliertes Dorf am Ivalojoki. Als ich die ersten Holzhäuser passiere, winkt mir ein älteres Paar zu, woraufhin ich mich zu den offensichtlich sehr freundlichen Leuten begebe. Als ich erzähle, was ich mache, werde ich von Eila, die sehr gut deutsch spricht und ihrem samischen Mann Veikko, der hier aufgewachsen ist, ins Haus gebeten. Es dauert nicht lange bis ich mich an Kaffee und Butterbroten laben kann. Tolle Gastfreundschaft!
So langsam nähert sich meine Zeit in Skandinavien dem Ende, aber ich will noch längere Zeit im Urho Kekkonen Nationalpark verbringen. Ich denke, dass ich die 50 Kilometer bis dort durch Wirtschaftswald laufen muss, daher freue ich mich, als mir Veikko anbietet, mich nach Saariselkä am Nationalpark zu fahren!
Meine netten Gastgeber Eila und Veikko
1985 auf meiner ersten größeren Reise trampte ich mit meinem Freund Werner zum Nordkap. Damals verbrachten wir einige Tage in Saariselkä, wo man uns sogar in einem Hotel umsonst duschen ließ! Als wir den Ort erreichen, trifft mich ein wahrer Kulturschock: Auf der ganzen Reise war ich in keinem Ort der auch nur annähernd so touristisch ist! Machte Saariselkä früher eher einen verschlafenen Eindruck, ist es heute offensichtlich ein touristisches Mekka! Ausserdem ist die Zeit der Laubfärbung, "Ruska" bei den Finnen beliebt, um hier Urlaub zu machen. Daher muss ich mich nicht weiter wundern, dass hier viel los ist!
Immerhin finde ich rasch ein Zimmer in der offenbar günstigsten Unterkunft des Ortes und plane den letzten Abschnitt dieser Reise, der mich zur russischen Grenze führen soll!
Saariselkä ist ein Touristenort
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