Da ich den Ort meines "Schreckens" eher früher als später verlassen möchte, unternehme ich am nächsten Morgen keinen Erkundungsgang, sondern fahre rasch weiter.
An vielen Stellen passiere ich jetzt steile rote Klippen die sehr schön mit dem Grün des Waldes kontrastieren. Die Strömung ist nach meinem Gefühl jetzt insgesamt zwar etwas schwächer, aber ich komme immer noch gut voran.
Rote Klippen prägen die Landschaft
Bei der Mittagspause auf einer Sandbank beobachte ich einen Kiebitz und es sind auch mal wieder viele Schmetterlinge zugegen.
Kiebitz
Schmetterlinge im Sand
Am späten Nachmittag ist das Licht oft sehr schön
Am Rande eines traumhaften, langen Sandstrandes schlage ich mein Nachtlager auf, und breche bald zu einem längeren Erkundungsgang auf.
Der Lagerplatz lädt zu einer Erkundungstour ein
Leider beobachte ich außer einem Affen, den ich kurz sehe, und einem tollen, schillernden Schmetterling kaum etwas. Das Ausflugsboot der Chalalan Lodge kehrt abends von einer Fahrt nach San José zurück.
Interessanterweise wurde Chalalan von Jossi Ghinsberg gegründet, der nach seiner Errettung nach dem Disaster auf dem Tuichi der Region etwas zurück geben wollte. In den achtziger Jahren stand es gar nicht gut um den ökologischen Zustand von Madidi. Holzeinschlag und Wilderei waren weit verbreitet. Chalalan war dann die erste von etwa 8 Touristenlodges im Nationalpark, die der indianischen Bevölkerung heute Einkunftsmöglichkeiten bieten, und sicher mit zu der heute offenbar guten Situation in Madidi beitragen.
Dem Boot war ich bereits gegen Mittag begegnet. Netterweise hatte mich der "Kapitän" gefragt, ob bei mir alles in Ordnung ist!
Ausflugsboot
Faszinierender Schmetterling
Zurück im Lager erlebe ich wie das letzte Licht der untergehenden Sonne, die Flusslandschaft in traumhaftes Licht taucht.
Sonnenuntergang am Tuichi
Die Nacht beginnt
Am Morgen nehme ich einige Zerstörungen an meinem Zelt wahr: Zwei runde Löcher im Moskitonetz des Eingangs, ein kleines Loch im Zeltboden, und der Aufbewahrungssack den ich in der Apsis liegen gelassen hatte, ist regelrecht durchlöchert. Ich nehme an, dass hier Blattschneiderameisen am Werk waren. Zwar hält sich der Schaden in Grenzen, das sollte sich leider ändern...
Ameisen?
Bei herrlichem Wetter setze ich meine Fahrt fort. Ich hatte angenommen, dass es hier auch in der Trockenzeit schon mal regnet, aber bis auf die wenigen Tropfen am ersten Tag, hat es noch keinen Niederschlag gegeben. Der Fluss bleibt weiterhin abwechslungsreich und darf nicht unterschätzt werden. Das bekomme ich in einer Stromschnelle zu spüren, die mit einer scharfen Linkskurve auf mich wartet. Zwar manövriere ich ohne Probleme um die Kurve, dahinter kann ich jedoch einem großen Loch, dass von einem Felsen knapp unter Wasser hervorgerufen wird, nicht mehr ausweichen und werde umgeworfen. Diesmal kann ich allerdings nicht rasch an Land gelangen, da ich mich im Hauptzug der Strömung befinde. An mein kieloben treibendes Boot geklammert, schieße ich mehr oder weniger hilflos dahin. Mit den Beinen mache ich Schwimmbewegungen, doch zunächst ohne sichtbaren Erfolg. Nachdem ich so erstaunlich lange im Fluss schwimmen muss, schaffe ich es schließlich doch das Ufer zu erreichen. Alles nicht weiter schlimm in dem warmen Wasser des Tuichi, aber doch ein Signal, dass ich nicht in meiner Aufmerksamkeit nachlassen darf.
Morgen am Tuichi
Gegen Mittag erspähe ich ein Holzschild unterhalb einer Böschung, dass auf ein touristisches Unternehmen hinweist. Ich bin neugierig, daher lege ich an, und bewältige die Holzstufen einer Treppe um nach oben zu gelangen.
Ich erreiche ein Touristencamp
Auf dem festen Grund oberhalb des Flusses treffe ich Pepe, einen 49-jährigen Spanier, der hier einige Tage mit seiner Frau Lola verbringt. Was er über das Camp erzählt, hört sich für mich interessant an, daher beschließe ich mich hier etwas näher umzusehen. Ausserdem ist der Blick von der Böschung über den Fluss fantastisch...
Aussicht vom Camp
Im Küchenbereich treffe ich Marcos, den 28- jährigen Bruder des Chefs Pedro, der das Camp hier leitet. Marcos ist freundlich und relaxt. Er freut sich darüber, dass ich auf eher ungewöhnliche Art hier angekommen bin. Er lädt mich ein, ohne irgendwelche Kosten zu bleiben und den Wald über das ausgedehnte Trailsystem des Camps auf eigene Faust zu erkunden. Da es mich aber interessiert, was hier den Kunden geboten wird, frage ich, was es denn kostet, wenn ich als richtiger Gast hier bleibe. Zunächst möchte er 50 $, da er außer Pepe und Lola zur Zeit keine weiteren Gäste hat, geht er dann aber auf meinen Vorschlag lediglich die Hälfte zu bezahlen sofort ein...
Nach meiner etwas eintönigen Kost in der letzten Zeit, ist das Mittagessen aus Suppe, frisch gefangenem Fisch, Gemüse, Reis, frittierten Bananen und sogar einem Pudding ein Gedicht! Erfrischender Saft aus der Kühltruhe einfach herrlich! Ich merke schnell, dass es sich hier aushalten lässt, zumal sowohl das Personal als auch die Gäste nett und entspannt sind.
Der Küchenbereich des Camps
Ich schlage mein Zelt auf und trockne meine Sachen, ja, ja die Kenterung...Wenn es nur das Wasser wäre...Leider ist mir ein viel schlimmeres Malheur unterlaufen: Meine Ölflasche hat geleckt, und einige Sachen wie meine Regenjacke mit einem schleimigen Überzug versehen...Lecker! Glücklicherweise betrifft das nur die kleine Hecktasche, nicht aber den Rucksack.
Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, beginnt auch schon der Nachmittagsspaziergang.
Ich schlage mein Zelt im Camp auf
Juan, dem man seine 65 Jahre nicht ansieht, ist mein Begleiter. Um das Camp herum, wurden eine Reihe von Wegen angelegt, die man zu verschiedenen Runden verknüpfen kann. Dabei lassen sich durchaus Wanderungen von mehr als vier Stunden realisieren. Auf den schmalen, aber gut geöffneten Wegen ist die Erkundung des Waldes ein Vergnügen. Man kann so viel mehr auf die Umgebung achten, als wenn man sich auf eigene Faust mühsam durchs Unterholz quält. Im Gegensatz zu Marcos, der gut englisch spricht, kann ich mich mit Juan nur auf spanisch verständigen. Dennoch verstehe ich viele seiner Erklärungen, sei es über eine Liane, die gutes Trinkwasser liefert, wenn man sie mit der Machete durchtrennt, oder über Pflanzen mit Heilwirkung. Natürlich fehlt dabei auch nicht der Hinweis, auf die Rinde eines Baumes, die offenbar sagenhafte Wirkungen hat. O.K, Juan ist Vater von 10 Kindern...
Mein Führer Juan
Die Waldapotheke bietet vielfältige Möglichkeiten
Der Wald ist sonnendurchflutet und wirkt ziemlich ausgetrocknet, offenbar hat es auch hier schon lange nicht mehr geregnet. Größere Tiere zu beobachten, ist nach Juans Worten zwar stets möglich, aber Glückssache, zu mal das Laub ziemlich raschelt.
Dafür zeigt Juan mir aber viele kleinere, ebenfalls interessante Dinge, wie eine poppige Raupe oder das Schlafnest eines Kolibri.
Wer mich frisst, dem geht es übel...
Kolibrinest
Der Wald hier ist einer der schönsten Regenwälder die ich bisher kennen gelernt habe. Zwar gibt es auch dichtes Gebüsch, aber meist ist der Dschungel relativ offen, mit einer Vielzahl majestätischer Baumgiganten, die man einfach nur bewundern kann...
Wir erreichen eine schlammige Lichtung, an der eine in drei Meter Höhe sich befindende, offene Plattform errichtet wurde.
Idealer Ansitzplatz
Immer wieder hören wir Aras und andere Vögel ganz in der Nähe und hoffen, dass sie sich in unserer Nähe niederlassen. Das erfüllt sich zwar nicht, dafür müht sich eine große Schildkröte durch den Schlamm. Obwohl sie sich dort bestimmt wohl fühlt, scheint sie sich tatsächlich dabei anzustrengen...
Schildkröte im Schlamm
Da es noch weit bis zum Camp ist, müssen wir unseren Ansitz schon bald verlassen und laufen in den Abend hinein zurück zum Lager. Das grelle Licht der Mittagszeit ist verschwunden und der Wald wirkt jetzt in warme Farben gehüllt, schön und mysteriös zugleich.
Bevor es ganz dunkel ist, sind wir zurück und ich nehme noch eine schon seit langem ziemlich nötige Dusche in dem sauberen, modernen Sanitärbereich des Camps.
Danach gibt es ein köstliches Abendessen, wobei ich ein bischen über das Camp erfahre: Berraco del Madidi ist die am weitesten von dem Touristenort Rurrenabaque entfernte Touristenunterkunft im Madidi Nationalpark. Sowohl Marcos als auch Pedro, sein Bruder waren schon lange im Geschäft mit den Fremden, bis sie vor 5 Jahren das Camp eröffneten. Die beiden Brüder stammen, wie auch alle anderen Leute die hier arbeiten, aus San José de Uchapiomas, dem Dorf am Tuichi, dass ich in einiger Entfernung passiert hatte.
Da wir bereits um 2.40 aufstehen wollen, begeben wir uns ziemlich früh zur Ruhe.
Noch ziemlich schlaftrunken wanken wir dann im Schein der Stirnlampen über die Urwaldpfade. Aber es gibt auch jetzt im Dunkeln etwas zu entdecken: Einen Vogel, der neben dem Weg auf seinem Nest schläft, und eine hübsche, schwarz-weiße, dünne Schlange. Klar, nachts sind die Reptilien unterwegs. Aber auch die Spanier interessieren sich sehr für die Natur und lassen sich keineswegs von der Begegnung aus der Ruhe bringen.
Schließlich erreichen wir die Plattform, die ich schon von gestern kenne. Marcos, der uns begleitet, leuchtet mit einer starken Taschenlampe kurz auf die Lichtung, wo eine große, braune Hirschkuh mit ihrem weiß geflecktem Jungem äst. Fledermäuse huschen um unsere Köpfe und wir können einen klaren Sternenhimmel genießen. Als wir lautes Platschen hören, wird es spannend. Marcos meint, ein Tapir wäre ganz in der Nähe und würde vielleicht auf die Lichtung ziehen, was er dann aber leider doch nicht tut.
Als die Sterne verblassen und langsam die Nacht zum Tag wird, haben die Hirsche schon den Ort verlassen. Statt dessen ertönt vielkehliges Brüllafffengebrüll um uns herum.
Marcos bietet uns Cocablätter gegen die Müdigkeit an, und ich lasse es mir nicht nehmen, diese Spezialität Boliviens zu probieren. Der unmittelbare Effekt ist, dass der Mund taub wird. Allerdings scheint es auch tatsächlich munter zu halten...
Mein Gastgeber Marcos
Zurück im Camp wartet ein schönes Frühstück bereits auf uns.
Frühstück in Berraco del Madidi
Ich bin hochzufrieden mit der Erfahrung und gebe ein üppiges Trinkgeld. Dafür darf ich aber auch die Jeans behalten, die Marcos mir geliehen hatte, anstelle meiner "auf der Rückseite stark abgenutzten Hose..."
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