Begegnung mit einem einsamen Reiter
Später am Nachmittag wird es sehr windig, ungemütlich und düster, außerdem macht mir der Husten zu schaffen. Daher beende ich den ersten Wandertag nachdem ich den Rio Cahquilvin barfuß durchwatet habe.
Auf Pferdepfaden
Früh am nächsten Morgen beginnen dicke Tropfen auf mein Zelt zu fallen, aus denen sich bald ein heftiger, anhaltender Regen entwickelt. Unter diesen Bedingungen denke ich gar nicht daran loszulaufen und döse lieber vor mich hin und lese in meinem e-Bookreader. Der ist zwar kein unerlässliches Ausrüstungsstück, dennoch möchte ich ihn auf langen Touren nicht mehr missen!
Gegen 14 Uhr hört der Regen auf und die Sonne beginnt sich durchzusetzen. Der gestern noch harmlose Fluss ist jetzt schlammgelb und reissend. Ich bin froh, dass ich ihn schon durchquert habe...
Nach Regen angeschwollener Rio Cahquilvin
Schon bald, nachdem ich losgewandert bin, begegnet mir ein Graufuchs auf dem Pfad. Dieses Tier hatte ich im letzten Jahr nur einmal gesehen. Bald verlasse ich die Hauptroute des GPT, der Pfad wird deutlich weniger benutzt, ist aber immer noch gut zu verfolgen.
Es ist herrlich durch das offene gelb-grüne Grasland oberhalb der tief eingeschnittenen, bewaldeten Vulkanschluchten zu laufen.
Oberhalb des Rio Collochue
Die hübschen Haubenwachteln kenne ich ebenfalls von meiner letzten Wanderung, während die Weibchen eher braun und unscheinbar sind, tragen die Hähne stolz ihre "Krone".
Haubenwachtel
Weiter oben flacht das Tal ab und wird von weiten, grünen Weidegründen ausgefüllt. Bald erkenne ich, dass dort wo das Gras am grünsten ist, nasse Sumpfstellen auf mich warten, die ich zwar meist umgehen kann, aber dennoch bleibe Schuhe und Socken nicht trocken...
Sumpfige Talgründe
Am nächsten Morgen beginnt der Höhepunkt dieser Etappe: Die weglose Überquerung des Höhenzuges Las Monjas!
Nachdem ich die offenen Wiesen des Tales hinter mir lasse, muss ich mir einen Weg durch den dichten Südbuchenwald bahnen, der zum Teil auch mit Bambus bewachsen ist. Glücklicherweise gelange ich bald wieder in offenes Gelände und kann bereits die bizarren Felsen von Las Monjas über mir erkennen.
Steiler Aufstieg zu Las Monjas
Das Tal bin ich hochgewandert
Schließlich erreiche ich den Kamm über den ein scharfer Wind fegt. Meist ist der Grat zu steil, so dass ich mir meinen Weg unterhalb durch den losen Schotter bahnen muss. Das ist ziemlich schwierig, da der Hang sehr steil ist und das feine, lose Schottermaterial bei jedem Schritt bröckelt. Zudem gibt es kurze Kletterpassagen in unangenehm brüchigem Schiefer. Einmal wähle ich eine falsche Route und muss mich vorsichtig zurück tasten. Dabei ist volle Konzentration notwendig um nicht abzurutschen! Glücklicherweise sind die schwierigen Stücke nur kurz, aber reichen aus um ein wenig Adrenalin in meine Adern zu pumpen!
Bizarre Felsen auf dem Höhenzug Las Monjas
Unmittelbar auf dem Grat muss ich darauf achten, nicht umgeblasen zu werden, so heftig ist der Wind!
Schließlich flacht der Kamm auf 2400 Meter Höhe ab. Netterweise bleibe ich aber noch für lange Zeit hier oben. Die Aussichten sind fantastisch aber obwohl die Sonne scheint, ist es mit dem kalten Wind so ungemütlich, dass ich meinen aus der Kunstfaser Climalite bestehenden Pullover, sowie Wind- und Regenjacke trage, und mir dennoch nicht warm wird...
Im Gebiet von Cerro Dedos an der argentinischen Grenze
Schließlich sehe ich unter mir bereits das grüne Tal des Rio Pulul, in das ich absteige. Im dichten Gestrüpp der Südbuchenart Nirre muss ich einige Male ein wenig suchen, entdecke schließlich jedoch den auf Jan's GPS- Track korrekt eingezeichneten Pfad.
Abstieg ins Tal des Rio Pulul
Nach einer frostigen Nacht wird es am nächsten Morgen bald so warm, dass ich in T-Shirt und kurzer Hose laufen kann, welch Kontrast zu gestern!
Schlammige Kuhpfade führen mich weiter abwärts und schließlich tauchen auch wieder die mächtigen, zum Teil über zwei Meter Durchmesser aufweisenden Araukarien auf.
Der Morgendunst hebt sich im Araukarienland
An einer dampfenden, heißen Quelle vorbei gelange ich durch das weite, grasige Tal voller wohlgenährter, brauner Kühe.
Schließlich taucht der Rio Pulul in eine tiefe Basaltschlucht ein. Streckenweise verläuft der Pfad oberhalb des Flusses, manchmal aber auch direkt am Bach, den ich zweimal barfuß durchwate.
Die Schlucht des Rio Pulul
Vor der Laguna Marinanqui treffe ich zwei Angler, die ersten Menschen seit zwei Tagen! Ich könnte hier am See mein Packraft zum ersten Mal auf dieser Tour einsetzen, aber da die Laguna ziemlich klein ist, erspare ich mir die damit verbundene Prozedur und wandere am Ufer entlang, wo ich meist Viehpfaden folgen kann.
Blick zurück über die Laguna Marinanqui
Schmale Pfade führen weiter oberhalb der Schluchten von Rio Pulul und Estero Quebrada Honda. Schließlich entdecke ich einen tollen Zeltplatz oberhalb eines Baches, der mit Aussichten in die tiefen Schluchten aufwartet.
Aussicht von meinem Zeltplatz
Im sanften Abendlicht unternehme ich einen Spaziergang, auf dem ich eine wundervolle, einzeln stehende Araukarie entdecke.
Araukarie im Abendlicht
Am nächsten Tag folge ich überwiegend dem weiten Tal des Rio Rahue aufwärts. Schluchten wechseln sich mit flacheren Weideflächen ab. Basaltsäulen künden von der vulkanischen Herkunft dieser Landschaft. Dunkle Araukarienhaine und hellgrüner Laubwald fesseln das Auge. Ich begegne einigen Pehuenche, manchmal ganze Familien zu Pferd.
Wunderschöne, offene Landschaft am Rio Rahue
Schließlich enden die Pfade und es geht steil aufwärts, glücklicherweise ist die Vegetation nicht zu dicht, dennoch ist der Anstieg in der Hitze, von ständigen Bremsenattacken geplagt, ziemlich anstrengend. Schließlich gelange ich über einen Kamm in eine grasige Schüssel, wo ich am Bach einen schönen Lagerplatz finde. Wenn nur nicht die vielen Plagegeister wären, die mich trotz warmem Wetter schon vor Sonnenuntergang ins Zelt zwingen...
Am nächsten Morgen steige ich weiter bergauf, gelange dann aber zunächst auf eine weite, sattgrüne Hochebene, voller kleiner Wasserflächen. Für die Pferde die hier leben, und neugierig auf mich zukommen, muss das ein Paradies sein!
Pferdeparadies
Nicht zu steil geht es weiter bergauf zu einem Pass auf 2180 Meter Höhe. Weit reicht von hier der Blick zu entfernten Vulkanen.
Aussicht von einem Pass auf 2180 m
Nachdem ich zu einem weiteren, etwas niedrigerem Pass traversiert habe, beginnt der steile Abstieg, über Schneefelder und durch dichtes Nirregebüsch. Laut GPS-Track soll bald ein Pfad beginnen, aber immer wenn ich denke, dass ich ihn gefunden habe, verschwindet er auch bald wieder. Dennoch gelange ich langsam tiefer und schließlich in schönen, flechtenbehangenen Lenga- Wald. Auch hier muss ich häufig nach dem weiteren Pfadverlauf suchen, gelange aber schließlich auf einen breiten, offenbar seit langem nicht mehr befahrenen Waldweg, der mich schließlich ins Tal des Rio Mitranquen führt. Das breite Tal ist voller Rinder und ich komme auch an einem Puesto vorbei, steige dort aber bereits wieder nach oben. Eine Mopedspur endet bei einer weiteren Hütte. Laut GPS- Track geht es ab hier weglos weiter, aber die häufigen Viehpfade lassen mich dennoch gut vorankommen. Bald wandere ich durch eine offene Landschaft aus Geröll und gelb- grünen Gräsern hoch zu einem Pass auf 2000 Meter Höhe. Der Abstieg in das Tal des Rio Pehuenco ist ziemlich steil und verläuft zunächst durch dichtes Nirregebüsch. Glücklicherweise hat das Vieh einige schmale Grasstreifen offen gehalten, auf denen ich relativ komfortabel nach unten gelange, wo schließlich im Wald ein guter Pfad beginnt.
Hier treffe ich den ersten Menschen des heutigen Tages, natürlich mal wieder einen Reiter. Wir unterhalten uns kurz und als er mir verrät, dass er Maximiliano heißt, frage ich ob sein Nachname "Lago" sei. Er schaut ziemlich verblüfft, dann aber verrate ich ihm, dass Jan in seinen GPS- Tracks, den nahegelegenen Puesto mit dem Namen des Besitzers versehen hat!
Der Viehzüchter Maximiliano
Maximiliano, der vier Monate des Jahres hier oben mit seinen 80 Kühen verbringt, erinnert sich gut an Jan, erzählt mir aber auch von anderen Wanderern die er hier gelegentlich trifft.
Ein Stück weiter komme ich an seiner Hütte vorbei, vor der Geländewagen und Pick-up parken. Hier beginnt eine Piste, der ich einige Kilometer weit folge, durch das offene Tal bis kurz vor die Laguna Escondida. Nach einem steilen Anstieg auf einem weiteren Fahrweg, habe ich den See erreicht, dessen versumpfte Ufer aber kaum einen Zugang zum Wasser erlauben.
Obwohl ich am nächsten Tag auch größtenteils weglos oder über schmale Pfade wandere, ist mir doch klar, dass breitere Pisten meist in der Nähe sind. Nichts desto trotz gefällt mir das Durchstreifen dieser weiten Berglandschaft!
"Herzblume"
Trockene Graslandschaften über der Baumgrenze
Nach etwa 155 zurückgelegten Kilometern erreiche ich den Grenzort Liucura. Hier finde ich ein sehr günstiges Zimmer mit w-lan und heißer Dusche im "Pehuen" einer Kombination aus Pension und Restaurant. Da auch die Menüs hier sehr günstig aber gut sind, gönne ich mir sowohl mittags als auch abends eine gute Portion!
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