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19.10.2018

Greater Patagonian Trail 2018- 2 von Guallali nach Liucura



Wer steigt Silvester in ein Flugzeug? Offenbar nicht sehr viele Menschen, daher ist der Preis für das Ticket nach Santiago de Chile so sagenhaft günstig, das ich einfach zuschlagen muss...
Ausserdem habe ich die mittlere Sitzreihe ganz für mich, so dass ich über Platzmangel nicht klagen kann...
In Chiles Hauptstadt angekommen, halte ich mich nicht lange auf, sondern nehme gleich einen Bus zum Terminal Alameda, wo ich etwas Aufenthalt bis zur Abfahrt nach Los Angeles habe. Das Ticket hatte ich ebenfalls bereits im Internet gebucht.
Noch vor Sonnenuntergang treffen wir in der Stadt ein, da offenbar kein Taxi meine Unterkunft kennt, laufe ich einfach los, und frage mich zu der Adresse des Balanquita Guesthouse durch. Andrea, die Wirtin dieser kleinen Privatpension erzählt, dass wegen des Feiertages Neujahr alle Restaurants geschlossen sind, kocht mir dann aber gerne ein gutes Abendessen!
Zwar hatte ich im Internet gelesen, dass ein Bus nach Guallali schon morgens abfährt, muss dann aber am Busbahnhof erfahren, dass die Abfahrt erst in einigen Stunden statt findet...
Da es in Los Angeles nicht sehr viel zu sehen gibt, hänge ich die meiste Zeit im schönen Park der Plaza de Armas ab...
Der Bus nach Guallali ist ziemlich günstig, ein Schild verrät, dass er von der Regierung subventioniert wird, als Beitrag zur Förderung des Pehuenche Gebietes. Tatsächlich sehen die meisten Mitfahrer auch deutlich indianisch aus. Die Pehuenche sind eine Gruppe der Mapuche, die in den Anden leben. Ihr Name leitet sich von den Araukarien Nüssen ab, die seit jeher eine wichtige Nahrungsquelle für dieses Volk darstellen. Sie haben eine stolze Geschichte: Weder den Inka gelang es sie zu unterwerfen, noch den Spaniern, die im 16. Jahrhundert ohne Probleme die mächtigen Indianerreiche der Azteken und Inka in Südamerika eroberten. Zwar gelang es den Konquistadoren zunächst Stützpunkte im Mapuche Gebiet zu errichten, wurden jedoch bald zurück geschlagen und dieses Volk schaffte es tatsächlich für weitere 300 Jahre unabhängig zu bleiben!

Wir fahren lange Zeit im großartigen Tal des Bio- Bio Flusses aufwärts, dass allgemein als die nördliche Grenze Patagoniens gilt. Teilweise wurde der Fluss zur Stromgewinnung aufgestaut, es gibt aber auch noch beeindruckende Wildwasserabschnitte.
Nach viereinhalbstündiger Fahrt erreichen wir den kleinen Weiler Guallali, den Endpunkt meiner Wanderung auf dem Greater Patagonian Trail im Winter 2017.

                                  Start der Wanderung in Guallali

Da es schon spät ist, schlage ich bald mein Lager in einem lichten Wald oberhalb eines Gehöfts an einem Bach auf. Ich habe aus Deutschland einen unangenehmen Husten mitgebracht, daher bin ich nicht böse, dass ich heute noch nicht wirklich zum Wandern gekommen bin. 
Am nächsten Tag folge ich dem Lauf des Rio Cahquilvin. Zunächst für eine Stunde auf einem breiten Pferdeweg, dann auf schmalen Pfaden, meist im Hang oberhalb der Schlucht des Baches. 
Schon früh am Morgen treiben drei Arrieros eine Rinderherde den Weg entlang, ansonsten begegne ich heute nur noch einem Reiter!


                                                 Rinderland


                              Hübscher, kleiner Specht

Einzelne, lichte Araukarienhaine fügen der Landschaft eine ganz besondere Facette hinzu. Die einsamen Pferdepfade, Basaltsäulen und die meist ziemlich offenen Täler, erinnern mich stark an die Gegenden, die ich auf dem ersten Abschnitt des Greater Patagonian Trails durchquert habe.


Offene Landschaft mit Araukarienhainen

Ausser einem einsamen Reiter, der mit drei Pferden unterwegs ist, treffe ich so schnell niemanden mehr. Wir fragen uns kurz nach dem Woher und Wohin, der Reiter nickt anerkennend und dann bin ich wieder allein.

                          Begegnung mit einem einsamen Reiter

Später am Nachmittag wird es sehr windig, ungemütlich und düster, außerdem macht mir der Husten zu schaffen. Daher beende ich den ersten Wandertag nachdem ich den Rio Cahquilvin barfuß durchwatet habe. 

                                          Auf Pferdepfaden

Früh am nächsten Morgen beginnen dicke Tropfen auf mein Zelt zu fallen, aus denen sich bald ein heftiger, anhaltender Regen entwickelt. Unter diesen Bedingungen denke ich gar nicht daran loszulaufen und döse lieber vor mich hin und lese in meinem e-Bookreader. Der ist zwar kein unerlässliches Ausrüstungsstück, dennoch möchte ich ihn auf langen Touren nicht mehr missen!
Gegen 14 Uhr hört der Regen auf und die Sonne beginnt sich durchzusetzen. Der gestern noch harmlose Fluss ist jetzt schlammgelb und reissend. Ich bin froh, dass ich ihn schon  durchquert habe...

                         Nach Regen angeschwollener Rio Cahquilvin

Schon bald, nachdem ich losgewandert bin, begegnet mir ein Graufuchs auf dem Pfad. Dieses Tier hatte ich im letzten Jahr nur einmal gesehen. Bald verlasse ich die Hauptroute des GPT, der Pfad wird deutlich weniger benutzt, ist aber immer noch gut zu verfolgen. 
Es ist herrlich durch das offene gelb-grüne Grasland oberhalb der tief eingeschnittenen, bewaldeten Vulkanschluchten zu laufen.

                                Oberhalb des Rio Collochue

Die hübschen Haubenwachteln kenne ich ebenfalls von meiner letzten Wanderung, während die Weibchen eher braun und unscheinbar sind, tragen die Hähne stolz ihre "Krone".

                                            Haubenwachtel

Weiter oben flacht das Tal ab und wird von weiten, grünen Weidegründen ausgefüllt. Bald erkenne ich, dass dort wo das Gras am grünsten ist, nasse Sumpfstellen auf mich warten, die ich zwar meist umgehen kann, aber dennoch bleibe Schuhe und Socken nicht trocken...

                               Sumpfige Talgründe

Am nächsten Morgen beginnt der Höhepunkt dieser Etappe: Die weglose Überquerung des Höhenzuges Las Monjas!
Nachdem ich die offenen Wiesen des Tales hinter mir lasse, muss ich mir einen Weg durch den dichten Südbuchenwald bahnen, der zum Teil auch mit Bambus bewachsen ist. Glücklicherweise gelange ich bald wieder in offenes Gelände und kann bereits die bizarren Felsen von Las Monjas über mir erkennen.

                                     Steiler Aufstieg zu Las Monjas

                                  Das Tal bin ich hochgewandert

Schließlich erreiche ich den Kamm über den ein scharfer Wind fegt. Meist ist der Grat zu steil, so dass ich mir meinen Weg unterhalb durch den losen Schotter bahnen muss. Das ist ziemlich schwierig, da der Hang sehr steil ist und das feine, lose Schottermaterial bei jedem Schritt bröckelt. Zudem gibt es kurze Kletterpassagen in unangenehm brüchigem Schiefer. Einmal wähle ich eine falsche Route und muss mich vorsichtig zurück tasten. Dabei ist volle Konzentration notwendig um nicht abzurutschen! Glücklicherweise sind die schwierigen Stücke nur kurz, aber reichen aus um ein wenig Adrenalin in meine Adern zu pumpen!

                  Bizarre Felsen auf dem Höhenzug Las Monjas

Unmittelbar auf dem Grat muss ich darauf achten, nicht umgeblasen zu werden, so heftig ist der Wind!
Schließlich flacht der Kamm auf 2400 Meter Höhe ab. Netterweise bleibe ich aber noch für lange Zeit hier oben. Die Aussichten sind fantastisch aber obwohl die Sonne scheint, ist es mit dem kalten Wind so ungemütlich, dass ich meinen aus der Kunstfaser Climalite bestehenden Pullover, sowie Wind- und Regenjacke trage, und mir dennoch nicht warm wird...


          Im Gebiet von Cerro Dedos an der argentinischen Grenze

Schließlich sehe ich unter mir bereits das grüne Tal des Rio Pulul, in das ich absteige. Im dichten Gestrüpp der Südbuchenart Nirre muss ich einige Male ein wenig suchen, entdecke schließlich jedoch den auf Jan's GPS- Track korrekt eingezeichneten Pfad.

                                Abstieg ins Tal des Rio Pulul

Nach einer frostigen Nacht wird es am nächsten Morgen bald so warm, dass ich in T-Shirt und kurzer Hose laufen kann, welch Kontrast zu gestern!
Schlammige Kuhpfade führen mich weiter abwärts und schließlich tauchen auch wieder die mächtigen, zum Teil über zwei Meter Durchmesser aufweisenden Araukarien auf. 

                           Der Morgendunst hebt sich im Araukarienland

An einer dampfenden, heißen Quelle vorbei gelange ich durch das weite, grasige Tal voller wohlgenährter, brauner Kühe. 
Schließlich taucht der Rio Pulul in eine tiefe Basaltschlucht ein. Streckenweise verläuft der Pfad oberhalb des Flusses, manchmal aber auch direkt am Bach, den ich zweimal barfuß durchwate.

                                          Die Schlucht des Rio Pulul

Vor der Laguna Marinanqui treffe ich zwei Angler, die ersten Menschen seit zwei Tagen! Ich könnte hier am See mein Packraft zum ersten Mal auf dieser Tour einsetzen, aber da die Laguna ziemlich klein ist, erspare ich mir die damit verbundene Prozedur und wandere am Ufer entlang, wo ich meist Viehpfaden folgen kann.

                           Blick zurück über die Laguna Marinanqui

Schmale Pfade führen weiter oberhalb der Schluchten von Rio Pulul und Estero Quebrada Honda. Schließlich entdecke ich einen tollen Zeltplatz oberhalb eines Baches, der mit Aussichten in die tiefen Schluchten aufwartet. 

                                           Aussicht von meinem Zeltplatz

Im sanften Abendlicht unternehme ich einen Spaziergang, auf dem ich eine wundervolle, einzeln stehende Araukarie entdecke.

                                      Araukarie im Abendlicht

Am nächsten Tag folge ich überwiegend dem weiten Tal des Rio Rahue aufwärts. Schluchten wechseln sich mit flacheren Weideflächen ab. Basaltsäulen künden von der vulkanischen Herkunft dieser Landschaft. Dunkle Araukarienhaine und hellgrüner Laubwald fesseln das Auge. Ich begegne einigen Pehuenche, manchmal ganze Familien zu Pferd. 

                       Wunderschöne, offene Landschaft am Rio Rahue

Schließlich enden die Pfade und es geht steil aufwärts, glücklicherweise ist die Vegetation nicht zu dicht, dennoch ist der Anstieg in der Hitze, von ständigen Bremsenattacken geplagt, ziemlich anstrengend. Schließlich gelange ich über einen Kamm in eine grasige Schüssel, wo ich am Bach einen schönen Lagerplatz finde. Wenn nur nicht die vielen Plagegeister wären, die mich trotz warmem Wetter schon vor Sonnenuntergang ins Zelt zwingen...
Am nächsten Morgen steige ich weiter bergauf, gelange dann aber zunächst auf eine weite, sattgrüne Hochebene, voller kleiner Wasserflächen. Für die Pferde die hier leben, und neugierig auf mich zukommen, muss das ein Paradies sein!


                                                   Pferdeparadies

Nicht zu steil geht es weiter bergauf zu einem Pass auf 2180 Meter Höhe. Weit reicht von hier der Blick zu entfernten Vulkanen.

                            Aussicht von einem Pass auf 2180 m

Nachdem ich zu einem weiteren, etwas niedrigerem Pass traversiert habe, beginnt der steile Abstieg, über Schneefelder und durch dichtes Nirregebüsch. Laut GPS-Track soll bald ein Pfad beginnen, aber immer wenn ich denke, dass ich ihn gefunden habe, verschwindet er auch bald wieder. Dennoch gelange ich langsam tiefer und schließlich in schönen, flechtenbehangenen Lenga- Wald. Auch hier muss ich häufig nach dem weiteren Pfadverlauf suchen, gelange aber schließlich auf einen breiten, offenbar seit langem nicht mehr befahrenen Waldweg, der mich schließlich ins Tal des Rio Mitranquen führt. Das breite Tal ist voller Rinder und ich komme auch an einem Puesto vorbei, steige dort aber bereits wieder nach oben. Eine Mopedspur endet bei einer weiteren Hütte. Laut GPS- Track geht es ab hier weglos weiter, aber die häufigen Viehpfade lassen mich dennoch gut vorankommen. Bald wandere ich durch eine offene Landschaft aus Geröll und gelb- grünen Gräsern hoch zu einem Pass auf 2000 Meter Höhe. Der Abstieg in das Tal des Rio Pehuenco ist ziemlich steil und verläuft zunächst durch dichtes Nirregebüsch. Glücklicherweise hat das Vieh einige schmale Grasstreifen offen gehalten, auf denen ich relativ komfortabel nach unten gelange, wo schließlich im Wald ein guter Pfad beginnt. 
Hier treffe ich den ersten Menschen des heutigen Tages, natürlich mal wieder einen Reiter. Wir unterhalten uns kurz und als er mir verrät, dass er Maximiliano heißt, frage ich ob sein Nachname "Lago" sei. Er schaut ziemlich verblüfft, dann aber verrate ich ihm, dass Jan in seinen GPS- Tracks, den nahegelegenen Puesto mit dem Namen des Besitzers versehen hat!

                                 Der Viehzüchter Maximiliano

Maximiliano, der vier Monate des Jahres hier oben mit seinen 80 Kühen verbringt, erinnert sich gut an Jan, erzählt mir aber auch von anderen Wanderern die er hier gelegentlich trifft. 
Ein Stück weiter komme ich an seiner Hütte vorbei, vor der Geländewagen und Pick-up parken. Hier beginnt eine Piste, der ich einige Kilometer weit folge, durch das offene Tal bis kurz vor die Laguna Escondida. Nach einem steilen Anstieg auf einem weiteren Fahrweg, habe ich den See erreicht, dessen versumpfte Ufer aber kaum einen Zugang zum Wasser erlauben.
Obwohl ich am nächsten Tag auch größtenteils weglos oder über schmale Pfade wandere, ist mir doch klar, dass breitere Pisten meist in der Nähe sind. Nichts desto trotz gefällt mir das Durchstreifen dieser weiten Berglandschaft!

                                         "Herzblume"

                Trockene Graslandschaften über der Baumgrenze

Nach etwa 155 zurückgelegten Kilometern erreiche ich den Grenzort Liucura. Hier finde ich ein sehr günstiges Zimmer mit w-lan und heißer Dusche im "Pehuen" einer Kombination aus Pension und Restaurant. Da auch die Menüs hier sehr günstig aber gut sind, gönne ich mir sowohl mittags als auch abends eine gute Portion!


































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