Ein mächtiger Kondor
Der Höhepunkt dieser Etappe ist die Besteigung des 2282 Meter hohen Vulkans Sollipulli, dessen vier Kilometer messende Caldera von einem Gletscher ausgefüllt wird!
Bereits früh am nächsten Morgen verlasse ich Liucura und bald auch den Asphalt der Hauptstraße, die auf der östlichen Seite des Bio- Bio Flusses verläuft. Über eine Fußgängerbrücke erreiche ich das andere Ufer. Das Schild, das verrät, dass der Weg dem ich weiter entlang des Flusses folge, auf Privatgrund verläuft, ignoriere ich, jedoch endet der Weg bald an einem Haus. Zwar sehe ich niemand, dennoch ist es mir unangenehm, hier ohne Erlaubnis herumzulaufen. Glücklicherweise habe ich das Grundstück ohne eventuell unangenehme Begegnung bald hinter mir gelassen, und folge weiter auf Viehpfaden dem erstaunlich schönen und abwechslungsreichen Bio- Bio Tal.Auf Viehpfaden entlang des Bio- Bio
Relativ bald erklimme ich das steile Ufer und wandere auf Pferdewegen durch eine weite Landschaft auf einen untertassenförmigen Vulkan zu. Das Westufer des Bio-Bio ist hier fast unbewohnt, daher treffe ich auch nur drei Reiter, die mich freundlich grüßen.
Auf Pferdewegen oberhalb des Flusses
Plötzlich nehme ich eine Bewegung wahr, und sehe einen Graufuchs, der bis auf etwa zwanzig Meter an mich herankommt!
Dieses fast coyotengroße Tier hatte ich auf meiner Wanderung im letzten Jahr nur einmal gesehen!
Graufuchs
Irgendwann muss ich den Bio- Bio noch einmal durchqueren. Dabei unterschätze ich das Gewässer und laufe barfuß durch das steinige Bett des Flusses. Die ersten beiden Arme sind recht einfach zu durchwaten, die Hauptströmung des Flusses im dritten Arm ist jedoch reissend und tief, dennoch gelange ich gut hinüber, muss dann jedoch erst mal meine Unterhose trocknen. Natürlich von Wasser, oder hat jemand jetzt was anderes gedacht?
Die acht Kilometer Schotterstraße bis zum Lago Icalma fliegen rasch vorbei, glücklicherweise herrscht hier kaum Verkehr...
Am See wollte ich eigentlich mein Packraft zum ersten Mal einsetzen, allerdings ist der Wind jetzt am Nachmittag ziemlich heftig und die Wellen entsprechend hoch, daher ziehe ich es vor, am Nordufer auf einer schmalen Nebenstraße weiter zu laufen.
In Patagonien kommt häufig gegen Mittag Wind auf, daher ist es mit einem Packraft günstig, möglichst früh zu starten.
Lago Icalma
Offenbar gibt es hier am See einigen Tourismus, denn einige Mapuche Familien bieten ihre oft sehr schön gelegenen Häuser für Übernachtungen an. Ich unterhalte mich einige Zeit lang mit Rodrigo, der gerade ein neues Refugio gebaut hat, und jetzt auf Gäste hofft...
Am Lago Icalma gibt es einige Unterkünfte
Auf einer Landzunge zwischen großem und kleinem Icalma See schlage ich mein Zelt auf, und hoffe morgen Lago Icalma Chico paddeln zu können...
Tatsächlich ist am nächsten Morgen die Oberfläche des Sees spiegelglatt. Etwa 5 kg wiegt meine Packraftingausrüstung, inklusive Boot, Paddel, Schwimmweste und Spanngurte. Dafür eröffnet mir das Rucksackboot aber auch neue Dimensionen!
Früh am Morgen auf dem Lago Icalma Chico
Allzu schnell liegen die 2,5 Kilometer hinter mir, ich packe zusammen, und wandere weiter. Zunächst geht es auf einem breiten Fahrweg durch eine schöne, hügelige Gegend mit einigen Araukarien. Dann überquere ich einen Bach und danach ist es schwer, dem zugewachsenen Pfad zu folgen. Obwohl dies die Hauptroute des Greater Patagonian Trail ist, kann keine Rede davon sein, dass sie hier gut zu erkennen ist. Zudem hat sich die Landschaft radikal geändert: War der Wald bisher meist relativ offen, ist er hier von sehr dichten, meist über zwei Meter hohen Bambus bewachsen, und fast undurchdringlich. Majestätische Lenga Bäume und einzelne Araukarien ragen aus dem Dickicht. Irgendwann ist es passiert, ich habe offensichtlich den Pfad verloren, und finde auch nicht mehr die Stelle wieder, wo er noch halbwegs zu erkennen war! Mit dem GPS lege ich immer wieder Wegpunkte auf dem Track fest, wo der Pfad eigentlich verlaufen muss, aber stelle immer wieder lediglich fest, dass mich der Bambus nicht loslassen will. Nicht nur, dass die lebenden Stengel dicht an dicht stehen, dazwischen bilden abgestorbene, trockene Bambuspflanzen ein tückisches Mikado. Ich blute aus einigen Wunden, die mir die scharfen Stengel beigebracht haben und werde zudem von Tabanos geplagt. Ätzend!
Verirrt im Bambuslabyrinth
Ich benötige über eine Stunde, bis ich den Pfad wieder gefunden habe und gelange dann irgendwann auf alte Forstwege, die mich einfacher voran kommen lassen. Auf diesem Teil des GPT verläuft der Weg oft auf ehemaligen Forststraßen, die mittlerweile in recht unterschiedlichem Zustand sind, von fast nicht mehr erkennbarem, zugewachsenen Pfad zu nach wie vor benutzten, breiten Fahrwegen. In Jan's GPS Tracks werden sie alle als "minor road" bezeichnet, in Deutschland würde man sie fast alle als schöne Wanderwege sehen!
Der Wald hier ist zwar kein unberührter Urwald, wirkt häufig aber ziemlich unberührt, mit großen, majestätischen Bäumen. Nur selten passiere ich Areale die durch den Holzeinschlag ziemlich "geplündert" wurden. Diese Eindrücke des heutigen Tages sollten sich immer wieder auf dieser Wanderung bestätigen.
Riesige Südbuchenwälder
Einmal begegne ich einer 10-köpfigen touristischen Reitgruppe, ansonsten habe ich den Weg für mich!
Am Nachmittag unternehme ich einen Abstecher zu einem kleinen See, an dem ich dann auch mein Zelt aufschlage.
Nach dem ich gegessen habe, will ich zu einem Abendspaziergang aufbrechen, als ich eine Stimme höre, und eine blonde Frau ein Stück entfernt am Seeufer ausmache. Bald stellt sich heraus, dass die Holländerin Alma ebenfalls auf dem GPT wandert. Seit fast sechs Monaten ist sie schon in Südamerika unterwegs und hat im Süden startend, etliche Etappen des Greater Patagonian Trails erwandert. Bald ist klar, dass sie den schönen Platz am See ebenfalls nutzen möchte, und wir führen interessante Gespräche.
Alma ist auch auf dem GPT unterwegs
Ein schöner Abend
Nach einer mit lediglich 4 Grad ziemlich kühlen Nacht, bricht ein strahlender Morgen an und bald bin ich wieder unterwegs.
Ein sonniger Tag bricht an
Obwohl ich breiten Forstwegen folge, gefällt mir die sattgrüne Landschaft mit den Ausblicken auf schroffe Vulkanberge sehr.
Als ich eine längere Pause in der Sonne einlege, taucht Alma auf, und erzählt mir einige interessante Dinge, mit denen sie sich als Juristin beschäftigt hat. So dürfen heutzutage im Mapuche Land nur indianisch stämmige Menschen Land kaufen, damit soll ein Ausverkauf des indigenen Territoriums vermieden werden. Ein wichtiges Thema sind die "Betreten verboten" Schilder, mit denen relativ häufig auf dem Greater Patagonian Trail Wege gesperrt werden. Ebenso wie ich hatte Alma bisher trotz dieser Schilder nie Probleme, meint aber, dass es auch auf Privatgrund ein Wegerecht gibt und wenn der Besitzer einen Weg sperren will, muss er eine Umleitung schaffen!
Weite Wälder, schroffe Berge
Häufig verläuft der GPT auf alten Forstwegen
Wir laufen zusammen weiter durch zunehmend offenes, teilweise besiedeltes Gebiet auf jetzt recht langweiligen Fahrwegen. Als wir einmal von einer Piste abweichen, um eine von Jan's Alternativen zu erkunden, endet der Pfad bald im Gebüsch, und wir müssen auf dem Fahrweg weiter laufen.
Ein Pfad führt zu einem reissenden Gletscherbach, der nicht so ohne weiteres zu durchqueren ist, glücklicherweise gibt es ein Stück weiter eine Brücke.
Danach steigt der Fahrweg ziemlich steil an und schließlich passieren wir das Hauptquartier des Sollipulli Nationalparks mit angeschlossenem Zeltplatz. Wir laufen allerdings auf der Straße weiter, bis kurz vor die Touristenlodge Nevados de Sollipulli. Da Alma den Berg nicht besteigen möchte, trennen wir uns hier und ich steige auf von der Lodge markierten Wegen weiter nach oben. Unterwegs passiere ich den hohen Wasserfall La Leona.
La Leona
Schon am frühen Nachmittag schlage ich mein Zelt auf einer Wiese abseits des Weges auf, und verbringe einige Zeit relaxend in der Sonne. Später unternehme ich noch einen ausgedehnten Spaziergang durch die herrlichen Wälder des Nationalparks bis zur Baumgrenze, die hier von den fotogenen Araukarien gebildet wird.
Tolle Bäume in den tieferen Lagen
Araukarien im Abendlicht
Weiter oben öffnen sich zunehmend faszinierende Ausblicke über zackige Berge und tiefe Schluchten gekrönt von schneebedeckten Vulkanen. Ein toller Abend!
Sollipulli Nationalpark
Nach einer milden Nacht wandere ich am nächsten Morgen auf einem anderen, gut markierten Pfad aufwärts und erreiche schon nach einer Stunde die Baumgrenze, wo sich die Markierungen verlieren. Das ist aber kein Problem, denn es ist einfach, auf den mit lockerem Vulkangestein bedeckten Hängen weglos aufwärts zu steigen. Irgendwann gelange ich auf den "Normalweg" der direkt vom Hauptquartier des Nationalparks nach oben führt.
Im dunklen, feinen Schotter geht es nicht zu steil weiter.
Auf den Hängen des Sollipulli
Von einem Absatz öffnet sich der Blick über die letzten Araukarien bis zum entfernten Vulkan Llaima.
Ausblick zum Vulkan Llaima
Weiter geht es durch den feinen Schotter, nur unterbrochen von einer langen Passage über ein noch von der Kühle der Nacht hartes Schneefeld, welches daher einfach zu überqueren ist.
Aufstieg zum Sollipulli
Schließlich habe ich nach lediglich zweieinhalb Stunden den Rand des Gletscher gefüllten Einsturzkraters auf 2282 Meter erreicht. Ein merkwürdiger Anblick auf diese riesige weiße Fläche am Grund eines Vulkans zu blicken!
Die gletschergefüllte Caldera des Sollipulli
Der Abstieg vom Vulkan erfolgt weglos, allerdings ist der Track von Jan, wie fast immer, ziemlich präzise, daher kann ich zwei Steilstufen problemlos umgehen.
Plötzlich taucht ein Kondor unmittelbar über mir auf und schraubt sich in der morgendlichen Thermik langsam nach oben, so dass ich eine ganze Reihe von Fotos machen kann!
Mit einer Spannweite von etwa drei Metern sind die Kondore die größten flugfähigen Vögel der Welt!
Ein Andenkondor über mir
Der Kondor schraubt sich in der Thermik hoch
Zeitweise geht es über die Schneefelder regelrecht rasant tiefer, aber irgendwann habe ich die Zone der alpinen Wiesen mit sprudelnden Bächen und gelben Blumen erreicht.
Als ich die Baumgrenze erreiche, beginnt ein deutlicher Viehpfad, der schließlich zu einer Piste führt, der ich über etwa 20 Kilometer durch verstreut von Mapuche besiedeltes, halb offenes Weideland bis zu dem kleinen Ort Reigolil folge.
20 Kilometer Piste
Ich möchte hier im besiedelten Gebiet nicht zelten, daher steuere ich die in Jan's Track genannte Unterkunft in Reigolil an. Die Wirte Isabel und Luis nehmen mich freundlich in ihrem Haus auf, das auch einen kleinen Laden birgt. Zwar gibt es hier kein w-lan, dafür kann ich eine Dusche genießen und in dem sehr günstigen Preis sind Abendessen und Frühstück enthalten!
Pension in Reigolil
Meine Wirte mit frischen Krapfen (Sopapillas)
Da am Morgen Stromausfall herrscht, frühstücke ich im Kerzenschein und mache mich dann wieder auf den Weg. Eine geschotterte Nebenstraße mit wenig Verkehr verläuft auf dem Westufer des Rio Maichin, dessen Tal ich einige Stunden folge. Abschnitte dieses Flusses wären sicher mit dem Packraft zu machen, allerdings taucht er immer wieder in steile Schluchten ein, wo bestimmt einige Schwierigkeiten warten...
Dieser Straßenabschnitt ist zwar nicht besonders interessant, aber abwechslungsreicher als ich befürchtet hatte. Die Mapuche, die in den verstreuten Häusern am Rand der Piste leben, scheinen sich überwiegend selbst zu versorgen, mit Gärten und verschiedenem Vieh.
Auf einer Piste das Tal des Rio Maichin hinab
Am frühen Nachmittag biege ich auf einen Fahrweg ab, der bald in einen offenbar viel belaufenen Pfad übergeht. Der Weg führt steil bergan, von ca. 560 Meter Höhe bis über 1100 Meter. Bald laufe ich durch einen schönen Wald und erreiche schließlich den See Laguna Hualafquen, wo es einen Zeltplatz gibt, den ich für mich habe. Allerdings weisen die zahlreichen Verbotsschilder gegen Feuer, Müll und Bootsbenutzung auf dem See darauf hin, dass hier wohl oft recht viel los ist...
Bei einem Abendspaziergang beobachte ich neben etlichen Kleinvögeln auch drei Magellanspechte, die wohl Käferlarven in den mächtigen Stämmen der Südbuchen nachstellen.
Magellanspecht
Zu meiner Überraschung treffe ich dann noch einen Reiter mit drei Packpferden. Er erzählt mir, dass er Tourguide sei, und ein deutsch- österreichisches Paar mit zwei Pferden am See zurückgelassen hat. Meine Neugier ist erwacht und ich mache mich auf die Suche nach dem Lager der Beiden, was etwas abseits vom See liegt. Schließlich gelingt es mir tatsächlich Patricia und Bene zu entdecken. Das Paar will einige Tage allein am See verbringen, bevor es wieder von dem Führer abgeholt wird.
Abend an der Laguna Hualafquen
Am nächsten Morgen liegt dichter Nebel über dem See. Für zweieinhalb Stunden folge ich einem schönen, schmalen aber gut sichtbaren Pfad durch ziemlich unberührt wirkenden tollen Wald.
Toller Pfad in wunderschönem Wald
Irgendwann gelange ich auf einen breiten Erdweg, der dann in eine Schotterpiste übergeht, auf der ich noch zehn Kilometer zu laufen habe, bis ich Currarehue erreiche. Eines der ersten Häuser des Ortes beherbergt die Pension (Hospedaje) Mami von Ester Castillo Gonzalez, wo ich für wenig Geld unterkomme. Zwar gibt es hier kein w-lan, aber ich kann im Garten meine Wäsche aufhängen, die ich im Badezimmer per Hand wasche.
Die Pension "Mami"
Als ich später durch den Ort bummele, stelle ich fest, dass Currarehue über eine gute Infrastruktur mit Läden und Restaurants verfügt. Zwar sehe ich keine anderen Touristen, aber offenbar ist dies ein Urlaubsort!
Das w-lan auf der Plaza funktioniert wie meistens kaum, dafür gibt es in einem angrenzenden Restaurant gutes Internet. Die Vorräte für die nächste Etappe sind bald eingekauft, darunter auch wieder Harina Tostada, ein günstiger, nahrhafter Müsliersatz. Später entspanne ich noch bei einem Bier...
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