Übersichtskarte des Great Divide Trail
Eigentlich ist es nicht mehr weit zum Frankfurter Flughafen, aber mein Zug steht in Bad Vilbel und steht, und steht...
Die Zeit verrinnt und ich sitze auf glühenden Kohlen, sollte der Zug, der offenbar von einer Baustelle gestoppt wird, nicht bald weiter fahren, würde ich meinen Flug verpassen!
Ich bin schon drauf und dran auszusteigen und mir rasch ein Taxi zu organisieren, als es schließlich doch weiter geht, puh...
Am Schalter angekommen, erfahre ich, dass ich ziemlich spät dran bin und mich sputen muss, weil das Boarding bald beginnt. Glücklicherweise komme ich recht schnell durch die Sicherheitskontrolle und erreiche gerade noch rechtzeitig das Gate. Dort dauert es dann aber noch satte eineinhalb Stunden, bis die Maschine abhebt, ich hätte also ohnehin noch genügend Zeit gehabt...
In Calgary angekommen schaffe ich es mit Bus und S-Bahn gerade noch rechtzeitig vor der Abfahrt des Greyhounds an der Station zu sein, irgendwie kommt mir der Start der Reise ein wenig hektisch vor...
Aber jetzt kann ich ein wenig vor mich hin dösen, bis wir morgens um 3:30 Pincher Creek erreichen. Ich überlege kurz zu frühstücken, tatsächlich gibt es hier einen Supermarkt, der schon auf hat, aber ich bin nicht hungrig, und brenne darauf endlich meinen Beinen etwas Bewegung zu geben.
Also laufe ich auf dem Highway 6 Richtung Süden. Zu dieser frühen Stunde gibt es noch keinen Verkehr, daher sehe ich schon bald einen Maultierhirsch neben der Straße und eine große Eule auf einem Pfahl sitzend. Ein fast voller Mond über den nahen Gebirgszacken der Rocky Mountains beleuchtet den anbrechenden Tag.
Früher Morgen am Highway bei Pincher Creek
Die Landschaft aus weitem Grasland und verstreuten Ranches ist erstaunlich grün, offenbar hat es im Frühjahr in dieser ansonsten eher trockenen Präriegegend viel geregnet....
Eine Hinweistafel erinnert daran, dass dies vor nicht allzu langer Zeit noch das Land der Blackfeet Indianer war, die auf der Jagd nach Büffeln die Ebenen durchstreiften...
Es sind lediglich noch 50 Kilometer bis zum Waterton Lakes Nationalpark, an der US-Grenze, wo ich eigentlich meine Wanderung beginnen wollte. Leider hat ein großer Waldbrand im Herbst 2017 weite Teile des Parkes verwüstet, der daher nach wie vor gesperrt ist. Daher werde ich knapp außerhalb des Waterton Parks loslaufen.
Schließlich erscheinen die ersten Autos auf der Straße und bald habe ich einen lift mit einem älteren Mann, der mich bis zur Township Road 34 mitnimmt, wo ich direkt am Highway starte.
Schnurgerade führt die Piste auf die Berge zu
Nachdem ich Müsli am Yarrow Creek gefrühstückt habe, treffe ich einen Rancher, der mir eine Abkürzung über Viehpfade empfiehlt. Genial, denn das Laufen auf der Schotterstraße ist nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung...
Der Mann erzählt mir, dass er hier Rinder auf Regierungsland weiden lässt, wofür er eine Gebühr bezahlen muss. Trotz der Nähe der Straße verliert er in jedem Jahr einige Tiere an Bären und Wölfe.
Es ist toll wie ich so langsam aus der Prärie in die Berge gelange. Bald erscheinen auch die ersten Aspenhaine und dunkle Nadelwälder säumen die entfernten Hänge.
Langer, wegloser Abstieg
Im Tal angelangt, stoße ich auf eine alte Forststraße, die aber weitgehend zugewachsen ist. Hier unten ist es so warm, dass ich in T-Shirt und kurzer Hose laufen kann. An vielen Stellen blühen weiße Orchideen und Schmetterlinge flattern durch die Luft, Sommer!
OrchideenAls ich bei meinem Abendspaziergang einen Bach auf einem Baumstamm balancierend überqueren möchte, rutsche ich ab. Dass ich dabei im Wasser lande, ist nicht weiter schlimm, aber blöderweise haben die Aststummel meine Beine ganz schön aufgerissen...
Ich sehe kein Wild, aber gegen 4 Uhr morgens wache ich auf, als etwas gegen mein Zelt stößt! Sollte es ein Bär auf meine Vorräte abgesehen haben, die allerdings geruchsdicht verpackt sind? Von Schreck erschüttert bin ich im Nu hellwach und rechne mit dem Schlimmsten, aber zunächst passiert nichts weiter...
Später wiederholt sich das unheimliche Geschehen noch zwei Mal, mir ist klar, dass kein Bär anklopft, aber ob ein Tier über meine Zeltleinen stolpert oder was sonst hier passiert, bleibt mir ein Rätsel...
Am Morgen wandere ich zunächst im Tal weiter, durchwate den Bach barfuß und sehe ein Hinweisschild auf einen Schneemobiltrail, der aber irgendwann verschwunden ist. Hinter einigen umgefallenen Bäumen stoße ich dannauf einen Pfad, der aber irgendwann in die falsche Richtung führt. Laut meiner GPS-Karte, soll ein Weg nur 300 Meter oberhalb verlaufen. Bald gelange ich aus dem Wald an einen steilen Felshang. Von einem Weg ist erst mal nichts zu erkennen, dafür sehe ich in einiger Entfernung eine Schneeziege, das erste größere Tier auf dieser Wanderung!
Auf einem schmalen, kaum zu erkennendem Pfad gelange ich zu dem auf einer weiten Lichtung liegenden Zeltplatz am Font Creek. Millionen von kleinen, gelben Blumen sprenkeln hier das frische Grün, wahrscheinlich ist es noch nicht lange her, dass der Schnee geschmolzen ist....
Font Creek
Ab hier laufe ich auf dem Great Divide Trail, und der Pfad ist deutlich besser zu erkennen. Allerdings zeigen stellenweise kompakte Schneebänke im schattigen Nadelwald, dass auch hier der Frühling gerade erst begonnen hat.
Der Schnee hält sich lange im schattigen Wald
Ich bleibe jetzt für lange Zeit über 2000 Meter und bin erstaunt, dass die Waldgrenze hier bei 2100 Meter liegt! Niedrige Fichten und Blumenwiesen die schöne Aussichten in die umliegende Bergwelt bieten, wechseln einander ab.
An der Waldgrenze
Ich passiere Jutland Creek und erreiche schließlich den breiten Scarpe Pass, der als solcher kaum zu erkennen ist. Von einem Pfad ist jetzt nichts mehr zu erkennen, aber der weglose Anstieg zur La Coulotte Ridge ist recht einfach. Hier oben weht ein starker Wind und immer wieder gehen heftige Schauer nieder. Der Grat ist keineswegs eben, sondern immer wieder muss ich recht steile An- und Abstiege bewältigen. Ich überschreite La Coulotte Peak, einen Felsberg mit 2300 Metern Höhe. Eigentlich habe ich langsam genug vom Wandern für Heute, da es wichtig ist, sich gerade am Anfang einer langen Tour nicht zu überlasten, aber hier oben gibt es kein Wasser und zum Zelten ist der Grat bei diesem Wind viel zu ausgesetzt...
La Coulotte Ridge
Als ich einen Sattel erreiche, begehe ich einen Fehler: Ein Pfad verläuft in den Schutthang rechts des Sattels, der hier zu einem weiteren Gipfel ansteigt. Statt auf dem Grat zu bleiben, folge ich der zunächst deutlichen Wegspur, die sich aber bald im Geröll verliert...
Statt jetzt umzukehren, traversiere ich weiter in dem losen Schotterhang, der zunehmend steiler wird. Dennoch hoffe ich noch, um den Berg herum wieder auf den Grat zu gelangen...
Doch schließlich muss ich erkennen, dass das Terrain vor mir unpassierbar ist. Ich schaue auf mein GPS und stelle fest, dass der nächste Sattel lediglich 400 Meter entfernt ist. So weit ich sehen kann, scheint die direkte Aufstiegsroute machbar zu sein, und durch den unangenehmen Schotter zurück laufen will ich auch nicht....
Also mache ich mich gepeitscht von Wind und jetzt wieder heftigem Regen an die Erklimmung des Berghangs. Zunächst komme ich gut vorwärts und als ich eine etwas haarige Steilstufe erklettert habe, denke ich das Gröbste geschafft zu haben...
Allerdings gelange ich jetzt an weitere felsige Abstürze, die von sehr steilen, losen Schotterbändern durchbrochen werden. Wie auf Eiern laufend, taste ich mich Schritt für Schritt vorwärts, in höchster Konzentration um zu vermeiden mit einer Steinlawine weit unten zu landen...
Mir ist bewusst, dass ich immer noch in einer Sackgasse landen kann, wo es weder vorwärts noch rückwärts geht. Bekanntlich ist der Abstieg ja meistens schwieriger und mir graut regelrecht davor, hier wieder absteigen zu müssen...
Kaum zu glauben, irgendwann habe ich es geschafft! Ich bin tief erleichtert, gleichzeitig ist mir aber auch bewusst, dass das gerade ganz schön dumm und leichtsinnig war...
Hier verlasse ich den Grat...
Der GDT verläuft ins Tal, aber ich steige weiter auf die Barnaby Ridge, die unmittelbar an La Coulotte anschließt. Irgendwann wird mir klar, dass ich weglos in den Wald absteigen muss, um Wasser und einen Zeltplatz zu finden. Aus den Schauern ist jetzt ein Dauerregen geworden, der mich bis auf die Knochen durchnässt. Es dauert dann aber noch ziemlich lange, bis ich eine Quelle und einen halbwegs ebenen Platz für mein Zelt finde. In fast 14 Stunden bin ich etwa 23 Kilometer gelaufen, mit über 1700 Höhenmetern Anstieg. Von etwa 1500 m bei meinem letzten Lager bin ich heute bis auf über 2400 Meter gelangt!
Am Morgen hat der Regen aufgehört und zeitweise zeigt sich sogar etwas Sonne! Es dauert nur eine halbe Stunde und ich bin wieder auf der Barnaby Ridge. Wie auf einem kilometerlangen Aussichtsbalkon wandere ich über den oft recht schmalen Grat. Meist ist nur dieser waldfrei, unmittelbar darunter beginnt der Wald. Aber ich überschreite auch einige Höhen und gelange erneut bis über 2400 Meter.
Mein Luxuszimmer
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