Translate

29.03.2019

Durch die kanadischen Rocky Mountains 4 Boulton Creek- Banff



Als ich am nächsten Morgen einen Parkplatz am Upper Kananaskis Lake erreiche, könnte ich fast denken, dass es mich nach Nepal verschlagen hat, da es hier einen Rundweg zum Gedenken an die kanadische Expedition zum Mount Everest im Jahr 1982 gibt!
Der See, dessen Uferlinie ich auf einem schönen Pfad für einige Kilometer folge, ist einfach fantastisch mit seinem stillen blauen Wasser vor der Kulisse majestätisch aufragender Berge und gleißender Gletscher.

                                                        Upper Kananaskis Lake
Es sind hier einige Spaziergänger unterwegs und auf die Kanufahrer könnte ich regelrecht neidisch sein...
Hinter einem weiteren Parkplatz entfernt sich der Weg vom See und verläuft weiter durch hohen, dichten Fichtenwald. Der Peter Lougheed Provincial Park scheint ziemlich beliebt zu sein, denn ich treffe mehr Leute, als auf der ganzen Wanderung bisher.
In der Nähe des Zeltplatzes Forks verlasse ich die Route des GDT und wandere weiter in Richtung Three Isle Lake. Ich hoffe, dass auf dieser Strecke weniger los ist...
Nach dem es zunächst im Tal relativ gemäßigt aufwärts geht, folgt schließlich ein langer Anstieg zu dem See, der wenn auch viel kleiner als der Upper Kananaskis Lake, dennoch ein weiterer landschaftlicher Höhepunkt ist.


                                                       Three Isle Lake

Bald danach passiere ich den South Kananaskis Pass, der recht unspektakulär im Wald liegt. Dafür ist es ein Genuss, durch das unterhalb liegende, weite offene Hochtal zu wandern. Ich bin jetzt übrigens wieder in B.C!




                            Hochtal hinter dem South Kananaskis Pass

Eigentlich hatte ich vor, nach dem Beatty Lake weiter dem Tal zu folgen, finde aber keinen Pfad. Dafür führt eine undeutliche Spur aufwärts zu einem Pass, den ich schon von weitem ausgemacht hatte und der mir gut begehbar erschien. Da das meine Richtung ist, und zudem eine Abkürzung darstellt, beschließe ich den Pass anzusteuern, natürlich ohne zu wissen, was mich auf der anderen Seite erwartet...
Schon bald ist nichts mehr von einem Weg zu erkennen, allerdings ist das Gelände nicht zu steil, und ich erreiche ohne Problem Beatty Col.


                                     Blick zurück vom Beatty Col

Der Abstieg ist allerdings deutlich steiler und schwieriger. Für ein kleines Stück setze ich mich sogar auf den Hosenboden und gleite so langsam abwärts. Glücklicherweise sind nur weniger Meter  ultrasteil, so dass ich schon bald wieder aufstehen und normal weiter gehen kann. Über einige Schneefelder gelange ich abwärts und schlage schließlich mein Lager auf 2125 Meter direkt unterhalb des Passes auf. 


                                               Ich zelte unterhalb des Passes

Ich bin am nächsten Morgen gerade erst aufgebrochen, als ich tief unter mir einen Grizzlybären erspähe! Der Blick durch mein kleines Fernglas, was ich auf jeder Tour dabei habe, verrät mir dann, dass die Bärin nicht alleine ist, zwei kleine Junge, die ich zunächst in der dichten Vegetation nicht ausgemacht hatte, halten sich stets in der Nähe der Bärin auf. Die Familie ist wohl um die 300 Meter von mir entfernt, eine sichere Distanz aus der ich sie in Ruhe beobachten und fotografieren kann. Bären sind zu einem großen Teil Vegetarier, daher ist das frische, blumenreiche Grün sicher eine Art Schlaraffenland. Allerdings scheint mir, dass die Bärin auch nach Erdhörnchen gräbt.





                   Ich begegne einer Bärin mit ihren Jungen

Dummerweise machen die Bären keine Anstalt weiter zu ziehen und sie halten sich auf meiner Abstiegsroute, einer alten Lawinenbahn auf. Daher rufe ich ich irgendwann laut, um sie auf mich aufmerksam zu machen, und dazu zu bewegen den Weg frei zu machen. Das bleibt aber völlig ohne Erfolg, die Bärin scheint mich nicht zu hören. Schließlich beschließe ich einen großen Umweg durch die dichten Weidengebüsche zu nehmen, um den Bären nicht zu nahe zu kommen.
Dabei verkalkuliere ich mich allerdings etwas, und sehe die Familie irgendwann wieder, jetzt nur noch etwa 100 Meter entfernt. Viel zu nah!
Ich trage natürlich keine Schusswaffe mit mir. Aber auch das in Nordamerika ziemlich verbreitete Bärenspray, was als letztes Mittel bei einem Bärenangriff gilt, habe ich nicht dabei. Selbstverständlich sind die großen Raubtiere potenziell gefährlich, vor allem, wenn sie ihre Jungen verteidigen wollen. Dennoch ist das Risiko eines Angriffs ziemlich gering...
Ich mache weitere Fotos und irgendwann scheint die Bärin mich auch wahrzunehmen, wahrscheinlich durch ihre Nase, und zieht mit ihren Kleinen langsam von Dannen. 
Ein tolles, spannendes Erlebnis!








                                                                   Zu nah!

Ich muss mich noch einige Zeit lang durch den dichten Busch abwärts schlagen, bis ich schließlich am Palliser River wieder auf den GDT stoße. Dort treffe ich ein älteres Wandererpaar, die erzählen, dass sie sich für die GDTA einsetzen. Die Great Divide Trail Association ist ein privater Verein, der sich um den Weg kümmert. Bereits Ende der 60' er Jahre war die erste Idee für einen Weitwanderweg durch die kanadischen Rocky Mountains entstanden. Es schien, als ob dieses Projekt schon fast in Vergessenheit geraten wäre, als im Jahr 2000 ein neuer Führer zum GDT publiziert wurde. Mittlerweile gewinnt der Trail Jahr für Jahr an Beliebtheit, auch wenn er bei weitem noch nicht so populär ist, wie die großen amerikanischen Wege. 
Am im Wald gelegenen Palliser Pass gelange ich in den weltbekannten Banff Nationalpark. Schon bald habe ich dann das weite Tal des Spray River erreicht. Eigentlich würde man erwarten, dass es hier von Tieren nur so wimmelt, wie das in ähnlichen Gegenden, beispielsweise des Yellowstone Nationalparks der Fall ist. Hier sind Wildbegegnungen dagegen eher selten und zufällig, was sich im ganzen Verlauf meiner Kanadawanderung bestätigen sollte.


                                               Spray River Tal

Im Nationalpark darf man eigentlich sein Zelt nur auf offiziellen Plätzen aufschlagen, die man vorher datumsgenau buchen muss! Das ist für Wochenendwanderer auf einer kurzen Tour vielleicht praktikabel, aber nicht für Leute, die eine lange Strecke laufen...
Ich habe zwar einige Zeltplätze reserviert, ziehe es aber vor, frei irgendwo in der Wildnis zu übernachten. Immerhin sind die Plätze mit einem Seilsystem ausgestattet, mit dem man seinen Proviantsack einfach und bärensicher aufhängen kann.


                           Der Proviant wird bärensicher aufgehängt


                                                  Am Spray River

Hinter dem Spray Reservoir stoße ich am nächsten Tag auf ein interessantes Warnschild: Der Weg ist vom 1.8 bis zum 30.9 gesperrt, da in dieser Zeit die Büffelbeeren reif sind, die hier in Massen vorkommen. Die Früchte sind eine Lieblingsspeise der Bären und werden von ihnen dringend benötigt, um sich Fett für den Winterschlaf anzufressen. Um möglicherweise gefährliche Begegnungen in dem recht dichten Unterwuchs zu meiden, darf der Trail zu dieser Zeit nicht genutzt werden.


                                            Interessantes Warnschild...

Hinter dem Birdwood Zeltplatz verlasse ich den GDT wieder und steige zum schön im Wald gelegenen Owl Lake auf. Unterwegs finde ich sogar eine Flasche Bärenspray, die offenbar jemand verloren hat. Ich überlege kurz sie mitzunehmen, lasse sie dann aber doch liegen...
Auf wenig begangenem undeutlichem Pfad geht es weiter nach oben. An einigen Stellen ist der Weg von Bäumen versperrt, die im Winter von einer Lawine mitgerissen wurden.
Um die Mittagszeit erreiche ich schließlich den Marvel Pass auf 2180 m und den knapp unterhalb liegenden, gleichnamigen See. Es ist wunderschön hier, aber mir noch zu früh zum Lagern.



                                                   Marvel Pass

Erst relativ sanft, dann ziemlich steil, wandere ich durch alten Fichtenwald hinab zum Marvel Lake, einem ziemlich großen See.
Aber nach jedem Abstieg folgt wieder ein Aufstieg... und so geht es bald aufwärts in Richtung Wonder Pass. Die enthusiastischen Namen der Pässe sind wirklich nicht übertrieben, die Landschaft hier ist einfach herrlich! Sobald die Steigung abflacht schlage ich mein Zelt an einem schönen Platz mit Aussicht auf die bereits durchquerten Berge auf. Einige wohlgenährte Erdhörnchen halten sich stets in der Nähe auf, sie hoffen wohl, dass für sie etwas von meinem Proviant abfällt...


                      Aussicht von meinem Lager am Wonder Pass

Nachdem ich gegessen habe, unternehme ich noch einen Spaziergang durch die weitläufige, offene Landschaft bis zur eigentlichen Passhöhe auf ca. 2300 Meter. Trotz der Höhe ist es auch um 20 Uhr noch so warm, dass  ich im T-Shirt laufe!
Der Pass markiert mal wieder die Grenze zwischen Alberta und British Columbia. Hier verlasse ich morgen vorerst den Banff Nationalpark und gelange dann in den Mount Assiniboine Provincial Park.



Abend am Wonder Pass

Auf  der anderen Seite des Passes, bleibt der Weg ziemlich hoch und ich laufe lange durch eine an die Tundren des Nordens erinnernde Landschaft aus saftigen Matten mit vereinzelten, niedrigen Lärchen. Es muss toll aussehen, wenn sich diese Bäume im Herbst golden verfärben!

                                       Saftige Matten

Nach den Naiset Huts, wo Wanderer in Hütten übernachten können, gelange ich zur Mount Assiniboine Lodge, wo sich tolle Blicke auf das "Matterhorn" Kanadas eröffnen. Der Mount Assiniboine ist mit 3618 Metern der höchste Berg im südlichen Teil der kanadischen Rockies und überragt alle Berge ringsum um Längen. Seine klassische Pyramidenform ist eines der beliebtesten Fotomotive hier, dementsprechend wimmelt es von Besuchern, die sich teilweise mit dem Hubschrauber einfliegen lassen.

                                                      Mount Assiniboine

Der Weg durch ein offenes Tal zum Lake Og ist spektakulär, aber mir ist hier zu viel los...
Hinter dem See geht es durch felsigen, trockenen Wald, das "Valley of the Rocks" Dummerweise habe ich meine Wasserflasche, eine einfache 0,5 l Pet Flasche nicht noch einmal aufgefüllt. Es ist heiß und nirgendwo ist eine Spur von Flüssigkeit zu sehen. Nichts desto trotz gibt es eine Menge Mücken und auch Bremsen, so dass manche Wanderer trotz der Hitze in ihrer Regenjacke laufen!
Als ich dann einen kleinen See unterhalb des Citadel Passes erreiche, schlage ich mein Lager versteckt abseits des Pfades auf. 
Auch Citadel Pass ist ausgedehnt und offen. Wunderbar wie Mount Assiniboine noch zu sehen ist, nach dem Wandertag schon recht weit entfernt.


























                                        Blick zurück zu Mount Assiniboine

Die kanadischen Rocky Mountains gefallen mir überaus gut, allerdings hatte ich mir mehr Tierbegegnungen erhofft. Immerhin kann ich am nächsten Morgen noch eine Weißwedelhirschkuh fotografieren, die ich schon am Abend gesehen hatte.


                                            Weißwedelhirsch

Am nächsten Morgen laufe ich eine halbe Stunde zum Citadel Pass durch die weite, grüne alpine Tundra mit den verstreuten Lärchen und Fichten. Noch einmal geht mein Blick zurück zum Mount Assiniboine, eine wahrer Gigant, der alle anderen Berge hier in den Schatten stellt.


                                                Zum Citadel Pass


                               Weit hinten noch einmal Mount Assiniboine

Auf der anderen Seite setzt sich die offene Landschaft fort am Howard Douglas Lake vorbei, über die Sunshine Meadows. 
Schließlich kommen mir bereits die ersten Tageswanderer entgegen und um 10 Uhr habe ich Sunshine Village, ein Skicenter mit Liften, Cafés und Hotels erreicht. Da ich mir in Banff ganz gewiss keine feste Unterkunft leisten will, halte ich mich lange Zeit in einem Starbuck's auf, wo mir das freundliche Personal erlaubt, meine Elektronik aufzuladen.


                                                Sunshine Village

Die Schotterstraße die von hier bergab führt ist lediglich für Shuttle Busse freigegeben. Da diese aber ein halbes Vermögen kosten, laufe ich die 7 Kilometer bis zu einem riesigen Parkplatz, wo ich gleich eine Mitfahrgelegenheit mit einem älteren Paar nach Banff finde.
Der Ort ist für mich zunächst ein ziemlicher Kulturschock: So viele Menschen und Autos! Im November 1989 war ich zum ersten Mal hier, und war schwer beeindruckt von den Wapitis in den Gärten der Häuser. Seit damals hat sich der Ort ohne Frage enorm entwickelt und gefällt mir jetzt auf den ersten Blick gar nicht mehr.
Als ich dann mit Marie später in diesem Sommer noch einmal nach Banff komme, gefällt mir der Ort schon besser. Alles eine Frage der Perspektive...
Fast alle Zeltplätze sind voll, aber im Besucherzentrum findet man noch einen Platz für mich am Tunnel Mountain, wohin ich für wenig Geld mit dem Bus fahre. 
Dieser Platz ist voll auf Autotouristen ausgelegt und ich komme mir mit meinem winzigen Zelt etwas deplaziert vor, immerhin kann ich aber Wäsche waschen und duschen...


                                                  Banff





















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen