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23.03.2019

Durch die kanadischen Rocky Mountains 3 Coleman- Boulton Creek



Am nächsten Morgen erhalte ich ein fantastisches Frühstück, was im Preis inbegriffen ist. Da die anderen Gäste wohl noch nicht wach sind, bleibt genügend Zeit für ein interessantes Gespräch mit Dawn, der Wirtin. Aufgrund der Nähe von Coleman zur US- Grenze, sind viele ihrer Kunden Amerikaner. Oberflächlich betrachtet, könnte man glauben, dass es kaum Unterschiede zwischen Kanadiern und US- Bürgern gibt. Dawn sieht das aber etwas anders und bringt es auf den Punkt: Die südlichen Nachbarn sind im Durchschnitt konservativer, patriotischer und religiöser als Kanadier!

Kaum zu glauben, nach dem Frühstück fährt mich die Angestellte Nicole auf Kosten des Hauses die fünf Kilometer bis zum nächsten Supermarkt, wo ich für 10 Tage einkaufe, anschließend werde ich komfortabel zurück kutschiert!
Irgendwann lasse ich Coleman aber doch hinter mir, überquere den Trans- Canada Highway, der hier am Crowsnest Pass über die Rocky Mountains führt und wandere auf Forststraßen langsam aufwärts. Markierungen verkünden, dass hier am Wochenende ein Hundert Meilen Lauf statt findet  und ich wundere mich, dass an einigen Stellen Wohnmobile scheinbar im Nirgendwo stehen.
Dann treffe ich den netten Ranger Johnathan, mit dem ich mich länger unterhalte. Er sagt, dass auf öffentlichem Land fast überall das Befahren der Forstwege und sogar dass Übernachten mit großen Wohnmobilen erlaubt sei! Er sieht das zwar kritisch, ist sich aber bewusst, dass die meisten Kanadier denken, ihr Land sei so groß, dass solche Freiheiten möglich sein müssen. Generell denkt er, dass die Gegend um den Crowsnest Pass in einer Übergangsphase von Bergbau und Forstwirtschaft hin zu Tourismus steckt, die aber noch lange nicht beendet ist. So kündigt er an, dass hier der GDT in Zukunft nicht mehr über weite Strecken auf Forstwegen verlaufen soll, sondern, dass man eine höher gelegene, alpine Streckenführung ausweisen will. 
Als ich die Kahlschläge von gestern erwähne, bestätigt er meine Feststellung, dass heute die Waldwirtschaft in Kanada generell etwas naturschonender als in der Vergangenheit betrieben wird. Man versucht beim Zuschnitt der Bewirtschaftungsblöcke das Muster von Waldbränden nachzuahmen.
Johnathan kennt Karsten Heuer, einen Ranger und Autor, der schon 1998 eine Wanderung von Yellowstone zum Yukon gemacht hatte, und dessen Buch ich gelesen habe. Heuer hatte sich für die Schaffung von Wildniskorridoren eingesetzt, um die Bärenlebensräume von Wyoming bis zum kanadischen Yukon Territory miteinander zu verbinden. Johnathan erzählt, dass diese Vision schon zu großen Teilen umgesetzt ist, aber es gäbe noch viel zu tun...

                                                             Der Ranger Johnathan

Nach dem ich etwa 15 Kilometer gelaufen bin, werden die Wege schmaler und sind deutlich weniger genutzt. Ich atme auf, dass ich den "Zivilisationskorridor" von Crowsnest Pass hinter mir gelassen habe!
Immer wieder begegne ich Waldhühnern mit ihren kleinen Küken, süüüüß! Oft beachten mich die Mütter kaum, und zeigen wenig Scheu. Manchmal versuchen sie mich von ihrem Nachwuchs wegzulocken, indem sie sich flügellahm stellen. Ein Raubtier würde so die Henne für leichte Beute halten und sie verfolgen. Hat sie sich dann ein Stück weit von den Küken entfernt, fliegt sie davon, plötzlich wieder kerngesund!



                                               Häufig begegne ich Waldhühnern mit Küken

Einmal auf dieser Wanderung begegne ich allerdings einer wahren Hühnerheldin: Ich bin zu Fuß Löwen in Afrika, Tigern in Nepal und Bären in Kanada begegnet, aber noch nie hatte mich ein wildes Tier angegriffen. Doch dann traf ich sie, statt mich wie üblich zu ignorieren oder versuchen wegzulocken, geht sie gleich frontal zum Angriff über und versucht mich im Flug zu attackieren. Es ist kaum zu glauben, aber ich kann die aufgebrachte Mutter nur abwehren, indem ich sie leicht mit einem Wanderstock touchiere!
Zwar greift sie mich danach nicht noch einmal an, läuft aber eine ganze Zeit mit nur einem Meter Abstand vor mir her, um mich von ihren Küken wegzulocken!
Kurz nachdem ich am nächsten Morgen Alexander Creek durchwatet habe, kann ich einige gar nicht scheue Erdhörnchen beobachten. Obwohl dies eigentlich nichts Besonderes in den kanadischen Rockies ist, freue ich mich doch über die possierlichen Tiere.


                                                 Erdhörnchen

Kurz darauf treffe ich zu meiner Überraschung einen anderen Wanderer, der gerade dabei ist, sein Zelt abzubauen. Interessanterweise benutzt er den selben Rucksack wie ich und wirkt auf mich gleich wie ein erfahrener Ultraleichtwanderer. Als wir über unsere bisherigen Wandererlebnisse reden, erwähnt er beiläufig, dass er den Continental Divide Trail YoYo gelaufen wäre. Dieser Trail verläuft von der mexikanischen zur kanadischen Grenze durch die amerikanischen Rocky Mountains und ist ca. 5000 Kilometer lang. YoYo bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er die Strecke hin- und zurück in einer Saison gelaufen ist, unglaubliche 10.000 Kilometer! Ich kenne nur einen, der das bisher gemacht hat, Francis Tapon, und frage meine Zufallsbekanntschaft, ob er derjenige ist, der sich 2007 ein Rennen um den ersten CDT-YoYo mit ihm geliefert hat. Tatsächlich liege ich richtig, theOnion, so sein Trailname, hatte die Strecke kurz nach Tapon absolviert, betont aber, dass es eigentlich kein Rennen zwischen den Beiden gab...


                                               TheOnion

Bald stellen wir fest, dass wir uns sehr gut miteinander unterhalten können, daher laufen wir den größten Teil des Tages zusammen. Garret, so sein richtiger Name, wandert 40 bis 50 Kilometer am Tag, daher macht er so gut wie keine Pausen und läuft ziemlich schnell. Seine Ausrüstung hat er noch weiter minimiert als ich, vor allem was die Fotografie angeht. Ausserdem trägt er weniger Proviant, aufgrund seiner langen Tagesstrecken benötigt er einfach nicht so lange Zeit zwischen den Versorgungspunkten. Im Gegensatz zu mir, wo ja das Naturerleben im Vordergrund steht, sucht er in erster Linie die physische Herausforderung.
Der GDT führt heute überwiegend auf Forstwegen durch den Wald, und ist nicht besonders abwechslungsreich, daher kommt mir die Unterhaltung mit Garret ganz recht. 


                                              Auf Forstwegen

Ich verwende zur Navigation auf dieser Wanderung wie meistens mein GPS, mit den Tracks der geplanten Strecke und Ausdrucken auf Papier. Dagegen nutzt theOnion eine Smartphone app, die es eigens für den GDT gibt.
Vor einem längeren wasserlosen Abschnitt schlage ich nach 30 Kilometern mein Lager an einem Bach auf, während mein heutiger Wanderpartner natürlich noch weiter läuft...
Am nächsten Morgen geht es zunächst auf Forstwegen weiter. Einige Male sehe ich graue Hasen, lediglich die Läufe sind hell. Im Winter sehen sie sicher ganz anders aus, denn es handelt sich um Schneehasen, die in der kalten Jahreszeit ein hübsches, weißes Tarnkleid anlegen!


Schneehase im Sommerfell


Es gibt hier aber auch durchaus größere Tiere, wie eine Bärenfährte zeigt, die sich schön im Schlamm des Weges abgedrückt hat.


                                                   Auch Bären benutzen den Weg

Gegen 10 Uhr gelange ich an eine Stelle, wo ein laminierter Zettel verrät, dass es ab hier eine Umleitung gibt, da der Weg voraus von einer Lawine verschüttet wurde!
Die Umleitung ist mit orangem Band markiert und führt meist durch dichten Nadelwald. Natürlich komme ich hier langsamer voran, als auf den Forstwegen, dennoch gefällt mir das Wandern hier viel besser. Während die meisten der Fichten relativ dünn sind, gibt es auch einzelne Exemplare, deren Durchmesser über einen Meter beträgt.
Ich durchquere einige Rinnen und gelange schließlich auf weite, herr lich grüne Matten voller Blumen, unterhalb des Tornado Saddle.

               Der Wald öffnet sich unter dem Tornado Saddle

Der Anstieg zu dem Pass auf etwa 2500 Meter ist nicht allzu schwierig, lediglich das letzte Stück ist relativ anstrengend, da es durch losen Kies führt.
Der Abstieg ist weniger steil und verläuft auf einem schönen Pfad. Zum ersten Mal auf dieser Wanderung sehe ich Wegmarkierungen! Offenbar ist dieser Teil des Great Divide Trail gerade etwas "aufgebessert worden".
Schließlich gelange ich in das Tal des Hidden Creek, wo tatsächlich ein Schild auf den GDT hinweist, was eine Seltenheit ist, da der Weg ja nicht durchgehend markiert ist.





















                                                     Einer der wenigen Hinweise auf den GDT

Ich schlage mein Zelt an einem hübschen, offenen Platz über dem Tal auf, der mit Tisch und Bank offenbar häufiger genutzt wird. Wahrscheinlich in erster Linie von Outfittern, die hier Pferdetouren anbieten.
Nachdem ich gegessen habe, unternehme ich noch einen Spaziergang. Diese kleinen Ausflüge, die ich fast jeden Abend unternehme, sind sehr wichtig für mich, da ich dabei sehr langsam und vorsichtig unterwegs bin, und so eher die Chance habe, Tiere zu beobachten und zu fotografieren. Tatsächlich bin ich auch heute erfolgreich. Ein Wapitihirsch zieht aus dem dichten Wald und blickt lange Zeit in meine Richtung. Er hat mich wohl bemerkt, kann mich aber noch nicht einordnen.
Alle Hirscharten werfen einmal im Jahr ihre Geweihstangen ab, die dann wieder nachwachsen, oft ein Stück größer als im Vorjahr, weshalb ältere Hirsche meist kapitalere Geweihe tragen. 
Die beiden Stangen des Hirsches sind noch von einer dünnen Haut, dem Bast überzogen, die wenn das Geweih fertig entwickelt ist, an jungen Bäumen abgestreift werden, dem sogenannten "Fegen".
Wapitis sind eng mit den europäischen Rothirschen verwandt, aber viel größer!

                                              Der Wapitihirsch hat mich bemerkt

Schließlich wird es dem Hirsch aber wohl doch unheimlich, und er entfernt sich wieder in den Wald.
Den ganzen nächsten Tag bin ich auf tollen Pfaden unterwegs. 
Wenn die Landschaft hier vielleicht auch weniger spektakulär als in den bekannten Nationalparks Banff und Jasper ist, so genieße ich doch den Eindruck von Abgeschiedenheit und Einsamkeit. Die Wege sind kaum benutzt und manchmal auch nicht sehr gut zu erkennen. An manchen Tagen treffe ich keinen anderen Menschen.
Durch den dichten Nadelwald steige ich auf zu einem Bergkamm auf 2300 Meter Höhe, dem ich einige Zeit folge. Manchmal ergeben sich tolle Blicke auf die graue Felsmauer der Rocky Mountains. Es gibt hier zwar keine Gletscher, da die Berge nicht so hoch sind, aber hier auf dem Kamm mit Aussichten über die dichten grünen Wälder und die steilen Wände zu laufen, gefällt mir sehr gut!


                                        Weite Nadelwälder, schroffe Felsberge

Selten einmal sehe ich entfernt einen alten Kahlschlag, aber inzwischen steht die Gegend als Beehive Natural Area unter Schutz.
Vom Cache Creek steige ich wieder über die Baumgrenze und laufe einige Zeit über saftig grüne Matten, im Angesicht von Beehive Mountain, einem massiven Felsberg.


                                       Beehive Mountain

Zu meiner Überraschung treffe ich heute zwei junge, wandernde Paare, die am Memory Creek Lake zelten wollen. Es ist Samstag, daher haben die Kanadier Zeit für einen Wochenendausflug.
Nachmittags beginnt es zu nieseln und schließlich schlage ich mein Lager im Wald an einem Bach auf.
Selbstverständlich gibt es hier auch Bären, daher möchte ich an dieser Stelle meine Strategie erläutern, um unliebsame Begegnungen mit potentiellen Provianträubern zu vermeiden: Mein Essen ist in Zip-loc Beuteln verpackt, darüber hinaus nutze ich geruchsdicht abschließende Säcke. Da sich Bären, wie die meisten anderen Säugetiere, überwiegend am Geruch orientieren, habe ich so schon die gröbste Gefahr gebannt. Daher verzichte ich auf solche früher empfohlenen Maßnahmen, wie das Essen an einem Seil frei schwingend in einigen Metern Höhe aufzuhängen. Will man das nämlich tatsächlich bärensicher machen, ist das gar nicht einfach, und mit viel zeitlichem Aufwand verbunden. Ich lagere mein Essen auch nachts im Zelt, etwas von dem in der Regel auch strikt abgeraten wird. Ich denke, dass sich die Zahl möglicher Interessenten von Mäusen bis Füchsen vervielfacht, wenn ich meinen Proviant fünfzig Meter abseits deponieren würde. Dort würde nämlich der menschliche Geruch nicht mehr wirken, der die meisten Tiere von einem Besuch abschreckt...
Um die Anlockwirkung durch Gerüche weiter zu minimieren, verzichte ich auf dieser Tour komplett aufs Kochen. Das hat natürlich auch den schönen Nebeneffekt, dass ich auf Kocher, Topf und Brennstoff verzichten kann!
Tja, was esse ich also abends, zu meiner Hauptmahlzeit? Eine Mischung aus Haferflocken, Erdnüssen, Butter und Eiweiß- oder Milchpulver! Diese Kombination hat viele Kalorien und kombiniert Kohlenhydrate mit Fett und Eiweiß zu einer nahrhaften Mischung.
Mir gefällt das Wandern ohne Kochen so gut, dass ich auch auf meiner nächsten Tour nach Neuseeland, wo es überhaupt keine gefährlichen Tiere gibt, mich wiederum "kalt" ernähre!





                                                       Kalte Küche

Am nächsten Morgen ist es kühl, aber sonnig und klar. Auf einer Mischung aus Forstwegen und Pfaden wandere ich meistens durch den Wald, immer wieder gelange ich aber auch über die Baumgrenze. Wie an den meisten Tagen begegne ich immer wieder Hennen mit ihren Küken und erlebe die schon geschilderte Begegnung mit der "Heldin"!


                                          Die Hühnerheldin

Als die Sonne richtig wärmt, besuchen Schmetterlinge die Blüten, darunter Schwalbenschwänze, die es auch in Europa gibt.


                                             Schwalbenschwanz

An wenigen Stellen über der Baumgrenze wartet ein kulinarischer Höhepunkt auf mich, wilder Lauch, der schon blüht. Zwar bin ich mir zunächst nicht sicher, ob er essbar ist, da ich aber seine Verwandten aus Europa kenne, kann ich nicht widerstehen. Glücklicherweise ist die Pflanze tatsächlich nicht giftig, sondern ziemlich lecker!



                               Wilder Lauch bereichert meinen Speiseplan

Vor dem Lost Creek durchquere ich relativ frische Kahlschläge. Da das geschützte Gebiet des Don Getty Wildland immer wieder von noch bewirtschaftetem Wald unterbrochen wird, kann ich mich leider nicht ganz der Illusion hingeben, durch eine unberührte Wildnis zu laufen. 
Ich verliere den Pfad und laufe am Bach einige Zeit durch Weidengebüsche und dichten Fichtenwald, bis ich schließlich wieder auf einen breiten Grasweg gelange. Es gibt hier sogar Kühe!
Bald steige ich jedoch wieder lange durch schönen alten Fichtenurwald auf, der von der Motorsäge verschont geblieben ist.
Weiter oben genieße ich mal wieder die Aussicht über das Waldmeer, aus dem kahle Kalksteinberge aufragen.


                                             Don Getty Wildland

Auf einer Matte beobachte ich die Erdhörnchen eine Zeit lang. Besonders die jungen Nager haben es mir angetan. Ein vorwitziger "Explorer" kommt bis auf einen Meter an mich heran!


                                         Junge Erdhörnchen

Obwohl ich einem Grat folge, auf dem ein Lüftchen weht, plagen mich jetzt Heerscharen von Mücken! Normalerweise verwende ich kaum Moskitospray, aber jetzt könnte ich etwas gebrauchen!
Als ich am nächsten Morgen mein Zelt am Cataract Creek abbaue, hat es tatsächlich leicht gefroren, und das im Juli auf lediglich 1800 Meter! Nichts desto trotz ist es bald wieder angenehm warm und die Mischung der letzten Tage aus dichten Nadelwäldern und aussichtsreichen Matten wiederholt sich. 
Vom James Lake steige ich lange auf, und erreiche den bisherigen landschaftlichen Höhepunkt der Wanderung, Fording River Pass auf ca. 2300 Metern. Meist sind Pässe ja nur ein kurzes Vergnügen zwischen An- und Abstieg. Der Fording River Pass ist jedoch ein sehr ausgedehntes, buckliges, mit kurzem Gras bewachsenes Mattengelände. Obwohl es noch früh ist, kann ich nicht widerstehen, als ich an einen kleinen See gelange. Es ist einfach zu schön hier oben!




                                             Fording River Pass

Da ich ja mein Lager früh aufgeschlagen habe, breche ich nach dem Essen zu einer langen Erkundungs/ Fotografierrunde auf. Seit Coleman hatte ich trotz schöner, aussichtsreicher Landschaft meist das Gefühl nur am Rand der Berge zu sein, jetzt bin ich aber wieder mittendrin! Seit den beiden Paaren vorgestern nachmittag habe ich auch keinen Menschen mehr gesehen, was das Gefühl noch verstärkt, diese grandiose, alpine Wildnis für mich alleine zu haben!
Im milden Abendlicht leuchten alle Blumen ganz besonders schön.


                                           Indian Paintbrush

Ausser den weiten Matten gibt es hier auch ausgedehnte Geröllfelder aus denen dann und wann ein schrilles Pfeifen ertönt. Wenn ich genau hinsehe, erblicke ich dann auch meist ein gut getarntes Pika auf einem Felsbrocken. Die Pikas sind kleine Nagetiere, die ich auch aus der Mongolei oder Ladakh kenne. Sie bewohnen stets, die kahlen, unwirtlichen Steinfelder.


                                                       Pika

Zunächst sehe ich lediglich weit entfernt in einem Tal einen Wapiti, begegne dann aber noch zwei Hirschen auf dem Rückweg unmittelbar am Pass, denen ich ziemlich nah kommen kann.



                           Junge Hirsche am Fording River Pass

Obwohl ich mein Lager in recht großer Höhe aufgeschlagen habe, bleibt die Nacht erstaunlich mild.
Am nächsten Morgen laufe ich zunächst weglos weiter, und beginne dann den langen Abstieg zum Alridge Creek. Nachdem ich bisher in der Provinz Alberta unterwegs war, erreiche ich hinter dem Pass British Columbia.
Bereits jetzt am frühen Morgen verrät milchiges Licht, dass ein Wetterwechsel unmittelbar bevor steht.


                                                  Das Wetter ändert sich

Auf einem Forstweg gelange ich zum Alridge Creek, dem ich einige Zeit folge. Zwar stoße ich noch ab und zu auf eine Markierung, aber meist laufe ich im breiten Schotterbett des Baches, den ich nur einmal barfuß durchwate. 
Schließlich erreiche ich die Elk River Forest Service Road, eine breite Piste, der ich lange Zeit folge. Es regnet jetzt immer mal wieder, zum Teil ziemlich kräftig, daher ist es mir ganz recht, auf der langweiligen Schotterstraße wenigstens zügig voran zu kommen. Einmal hält ein Ranger und bietet mir einen lift an, was ich aber ablehne. Schließlich biege ich in einen Seitenweg Richtung Cadorna Lakes ab, der mich rasch zum Elk River führt. Hier gibt es sogar Gebäude und Pferdekoppeln, offenbar hat  ein Outfitterunternehmen hier seinen Sitz. 
Zwar nehme ich an, dass es eine Furt gibt, aber obwohl ich es an verschiedenen Stellen probiere, ist der Elk River hier heute überall zu tief und reissend zum durchwaten. Daher gehe ich zurück zur Piste und laufe noch weiter bis zu einem einfachen Zeltplatz, der Riverside Recreation Site wo ich mein Lager aufschlage.
Am nächsten Morgen ist es kühl, aber ein schöner Tag verspricht aufzuziehen. Zunächst trabe ich noch weiter die Forststraße entlang. Langsam zieht der Dunst um die Gipfel ab, und gibt ein atemberaubendes Panorama frei. Natürlich haben die Rocky Mountains mir auch bisher schon gefallen, aber ich habe das Gefühl, dass hier die Berge höher, zerklüfteter und wilder sind. Tatsächlich sind die ersten Gletscher auch nicht mehr weit entfernt.



                                                    Elk Lakes Provincial Park

Schließlich erreiche ich einen Parkplatz mit Informationstafeln. Hier beginnt der Elk Lakes Provincial Park. Während bisher auf meiner Wanderung die geschützten Gebiete immer wieder durch bewirtschaftetes Land unterbrochen wurden, erstreckt sich ab hier ein 550 Kilometer langer Gürtel aus Reservaten, der eine Fläche von 35.000 Quadratkilometern umfasst. Die darin enthaltenen vier Nationalparks und etliche Provinz Parks wurden bereits 1984 von der UNESCO als Weltnaturerbe anerkannt und sind eines der wichtigsten Elemente des Yukon to Yellowstone Projekts.




Das Netz von guten Wanderpfaden hier ist sehr gut unterhalten und natürlich sind auch einige Tageswanderer unterwegs. 
Am Lower Elk Lake passiere ich einen einfachen Zeltplatz und wandere dann weiter zum Upper Elk Lake. Als ich einen Dreizehenspecht mit seiner gelben Kappe entdecke, beobachte ich ihn einige Zeit beim Füttern seiner Jungen. Diese sitzen in einer von dem Specht in eine Fichte gemeißelten Höhle, mit kreisrundem Eingang. Alle paar Minuten erscheint der erwachsene Specht mit Beute im Schnabel und versucht den Appetit der Jungvögel zu stillen...


Dreizehenspecht an seiner Höhle

Der Upper Elk Lake liegt malerisch umgeben von dunklen Wäldern und schroffen Bergen, die zum Teil vergletschert sind.

                                                Upper Elk Lake

Einmal beobachte ich einige Zaunkönige, die ganz ähnlich wie die Europäischen aussehen.

                                                               Zaunkönig

Auf dem Pfad in Richtung Fox Lake, treffe ich den Ranger Craig, der mir gestern den Lift angeboten hatte! Er nimmt Haarproben von einem Baum, an dem sich Grizzlies häufig scheuern. Mit diesem Projekt, das in den ganzen südlichen Rockies über fünf Jahre durchgeführt wird, sollen durch Genanalysen wichtige Informationen über Anzahl und Wanderungsverhalten der Bären ermittelt werden.
Der Wildhüter ist sehr freundlich und gut gelaunt, so dass wir uns eine Zeit  lang unterhalten können.

                                       Ranger Craig

Nachdem ich einen Pass überschritten habe, bin ich wieder in Alberta. Hier im Peter Lougheed Provincial Park, ist die Beschilderung der Wege zunächst weniger deutlich, aber mit  meinem GPS- Track, ist die Orientierung kein Problem. Eine Zeit lang laufe ich auf einem Teilstück des Trans- Canada Trails, einer Megaroute die aber oft Straßen folgt, und daher für Wanderer weniger attraktiv ist, als für Radfahrer.
Schließlich gelange ich auf einen Parkplatz, unmittelbar vor meinem Etappenziel, dem Boulton Creek Zeltplatz. Ich glaube meinen Augen kaum zu trauen, als ich nicht weit entfernt eine Grizzlybärin erspähe, die die Straße überquert. Etwas später folgen ihr nacheinander zwei possierliche Junge! Ein Ranger der auf dem Parkplatz in seinem Wagen sitzt, sagt mir, dass ich jetzt nicht in die Richtung gehen soll, was mir natürlich klar ist. Später erfahre ich von ihm, dass sich die Bärinnen mit ihren Jungen recht häufig in Strassennähe aufhalten. Das kann am frischen Grün der Straßenränder liegen, ich halte es aber für wahrscheinlicher, dass sie den Männchen aus dem Weg gehen, die scheuer sind, und die Zivilisation meiden. Wie viele Raubtiere, töten auch Bärenmännchen mitunter die Jungen um sich dann mit der Bärin zu paaren. Daher kann es sein, dass sich die Bärin hier einfach sicherer fühlt.

                                          Unverhoffte Bärenbegegnung

Als die Pelzträger abgezogen sind, erreiche ich bald darauf den Zeltplatz mit seinem kleinen Laden. Dieser ist zwar nicht ideal um mich neu zu verproviantieren, aber ich habe keine Lust wo anders hin zu trampen. Auf dem weitläufigen Campingplatz kann ich dann duschen und meine Wäsche waschen. Abends zeltet ein englisches Pärchen neben mir, die den Great Divide Trail laufen, so dass wir unsere Erfahrungen austauschen können.













































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