Auf dieser Etappe verlassen wir die Mojave Wüste, erleben eine wahre Blütenpracht im Sand der Kingston Range, durchqueren das Bachtal des Amargosa, eine langgestreckte Oase in der Wüste und steigen schließlich durch den Sheep Canyon 1400 Meter weit zum Boden des Death Valley hinab.
Da es sicher schwierig sein würde, aus Las Vegas zurück in die Wüste zu trampen, bestellen wir uns am nächsten Morgen kurzerhand einen Uber, und sind schon gegen 10 Uhr an der Halloran Road, wo wir den Desert Trail verlassen hatten. Obwohl wir das Mojave National Preserve hier verlassen, sind wir immer noch in der hochgelegenen Mojave Wüste, die durch die Joshua Trees (Palmlilien) geprägt wird. Es ist ziemlich windig und erstaunlich kühl. Hier auf weit über 1000 Meter Meereshöhe sind die Temperaturen oft deutlich niedriger, als in tiefer gelegenen Bereichen.
Zunächst folgen wir alten Jeepspuren und entdecken relativ häufig hölzerne Stäbe, an denen manchmal Zettel festgemacht sind. Die Markierungen kennzeichnen sogenannte Claims, das sind Gebiete auf denen jemand das Recht erworben hat, Bodenschätze auszubeuten. Solche Claims gab es schon in den Goldräuschen des 19 Jahrhunderts. Auch heute noch geht es hier in Nordkalifornien und Nevada um Gold und Kupfer, aber auch Lithium, der Rohstoff für Batterien, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Es ist zu befürchten, dass auch auf dem Desert Trail in Zukunft die Ausbeutung von Mineralien das „Wildniserlebnis“ beeinträchtigt. Aber vielleicht wird das bei der Größe der Wüste auch keine große Rolle spielen.
An der Basaltkuppe Solomon’s Knob vorbei, laufen wir dann eine Zeit lang weglos weiter, bis wir auf eine Fahrspur stoßen, die uns zum umzäunten Fence Pond führt, der allerdings knochentrocken ist. Unsere Spannung steigt, aber Francis Spring ist gut gefüllt, ein Teich lediglich einen Kilometer weit entfernt,. Das Wasser sieht nicht allzu schlecht aus, aber wegen der Algen am Rand und alter Kuhfladen, behandeln wir den Liter Wasser, den wir uns jeweils abfüllen, mit Tropfen auf Silberionenbasis, die zwei Stunden einwirken müssen und dann das Wasser wirksam entkeimt haben.
Ab hier folgen wir zunächst deutlichen Maultierpfaden. Die auch „Burros“ genannten Tiere sind ähnlich wie Mustangs irgendwann verwildert und streifen frei durch die Wüste, wir bekommen jedoch keines der Tiere zu Gesicht. Später laufen wir durch eine steinige, weite Ebene, die von den vier Strängen einer Hochspannungsleitung durchquert wird. Es ist jetzt ziemlich windig, so dass wir lange suchen, bis wir einen halbwegs geschützten Platz finden. Allerdings nur halbwegs, Anke’s Zelt bekommt beim Aufbau kurz Flügel, wir können es dann aber schnell wieder einfangen.
Auch am nächsten Morgen ist es ziemlich kühl und wird sogar noch frischer, als der Wind wieder an Stärke zulegt. Erst gegen Mittag ziehen wir unsere warmen Jacken aus. Meist folgen wir einer Fahrspur über die Ebene und begegnen einer hübschen, großen Eidechse mit gelben Querstreifen auf dem Rücken, die uns überhaupt nicht beachtet, sondern sich in aller Seelenruhe fotografieren lässt. Außerdem schlängelt sich eine wohl einen Meter lange Schlange schnell davon. Wir steigen weglos zu einem kleinen Pass auf, hinter dem bereits die dunklen Vulkanberge der Kingston Range aufragen. Als wir einem Trockenbett lange abwärts folgen, erscheinen zunehmend mehr Blumen. Stellenweise sind die Hänge von den Blüten regelrecht gelb gefärbt und voll aufgeblühte Kakteen setzen wundervolle Farbtupfer. Gegen Mittag erreichen wir die Kingston Spring. Weiße Salzkrusten verraten, dass es hier Wasser gegeben haben muss und auch hohe Weiden und Riedgras weisen stark darauf hin. Allerdings haben wir noch genug Wasser und dringen nicht in das Dickicht vor, um unseren Vorrat aufzufüllen. Nachmittags laufen wir dann weglos über eine ausgedehnte Schotterebene auf die Berge zu. Da wir jetzt in tieferen Lagen sind, gibt es keine Joshua Trees mehr, dafür erscheint irgendwann erst ein grüner Schimmer auf dem Schotter und dann könnte man fast glauben, wir laufen über eine Wiese. Ganz besonders gefallen uns die weißen Blüten einer Lillienart, die stellenweise direkt aus dem Sand sprießt. Umgeben von Blüten schlagen wir schließlich unser Lager mit einer herrlichen Aussicht über Berg und Tal auf. Hier auf nur noch 400 Meter ist es deutlich wärmer. Wir entdecken zahlreiche Käfer an einer Lupine, finden wunderschöne Steine und genießen die Wüstenstille. Den ganzen Tag lang haben wir keinen anderen Menschen gesehen. Am nächsten Morgen begleiten uns weiterhin regelrechte Teppiche aus weißen Blumen, die im Sand wachsen. Ein toller Kontrast zu den dunklen Vulkanbergen im sanften Morgenlicht. Wir durchqueren das weite Valjean Tal an dessem Rand einige Sanddünen aufragen und folgend dann einer ehemaligen Bahnstrecke, die ein Gelände für Off- Roadfahrer begrenzt. Glücklicherweise ist es heute ziemlich ruhig, lediglich in einiger Entfernung brettern zwei Fahrzeuge durch den Sand.
Schließlich führt uns die ehemalige Bahnlinie in das Tal des Amargosa Rivers, einem ganz besonderen Lebensraum hier mitten in der Wüste: Der Amargosa entspringt im Hochland von Nevada und fließt größtenteils unterirdisch 360 Kilometer weit bis in das Death Valley, das wir auch demnächst erreichen wollen. Nur hier führt der Fluss ganzjährig Wasser und ist daher extrem wichtig für das Leben in der Wüste.
Bald stehen wir an dem klar fließendem Bach, in dessen Wasser sich sogar kleine Fische tummeln. Irgendwann überquert die alte Bahnlinie die zum Abtransport des Minerals Borax um 1900 angelegt wurde, den Bach, Leider existiert die Brücke nicht mehr, daher müssen wir den Bach durchqueren um die andere Talseite zu erreichen. Was ist daran so schwer, schließlich ist der Amargosa nur ein kleines Bächlein? Durch das reichliche Wasserangebot wächst im Tal ein fast undurchdringlicher Dschungel aus Weiden, Tamarisken und Mesquite Sträuchern, mit messerscharfen Dornen. Es geht also darum, einen einfachen Durchgang durch das Gebüsch zu finden. Wenn man sich durchkämpfen möchte, kann das extrem mühsam sein, auch wenn das Tal nicht allzu breit ist. Wir haben Glück, es gelingt uns auf Anhieb eine recht einfache Route zu entdecken, und können dann der Bahnlinie auf der anderen Talseite folgen, bis ein Stück des Hangs abgerutscht ist, und wir wieder die Seite wechseln müssen. Wir kämpfen uns durch das Wasser mehrerer Bacharme, fauligen Schlamm, hohes Schilf und stachlige Büsche, alles sehr anstrengend und mühsam. Dafür ist die Umgebung fantastisch, mit hoch aufragenden beigefarbenen Klippen, schwarzem Vulkangestein, vielfarbigen Bergen mit grünen Kupferadern und zahlreichen Blüten.
Als wir schließlich unser Cowboycamp aufschlagen, müssen wir erst einmal Schuhe und Socken vom stinkenden Schlamm reinigen. Später als es dunkel ist, hallen die Stimmen der Laubfrösche durch die Nacht. Ein ungewohntes Konzert in der Wüste!
Die Nacht in dem feuchten Tal wird ziemlich frisch, glücklicherweise behalten wir am nächsten Morgen trockene Füße, obwohl wir den Amargosa noch einige Male queren müssen. Das ist allerdings gar nicht so einfach, da wir streckenweise auf einem schmalen Absatz über dem Schlamm balancieren müssen. Das Vorankommen ist insgesamt viel einfacher als gestern und bald stoßen wir auf einen markierten Wanderweg, der der ehemaligen Bahnlinie folgt. Der Bach bildet hier sogar einen kleinen Wasserfall. Wir folgen dem Pfad und füllen dann an einem Nebenbach des Amargosa jeweils 8,5, bzw. 9,5 Liter Wasser für die nächsten ca. 70 Kilometer auf. Vor Tecopa rinnen an einer Stelle sogar fünf Bäche von der Steilwand, von denen zwei recht gut fließen!
In dem kleinen Nest Tecopah gibt es eine Brauerei, vielleicht ist Bier aber doch nicht ganz das Richtige gegen Durst in der Wüste.
Wir folgen einer asphaltierten Straße einige Kilometer weit zu dem deutlich größeren Tecopah Hot Springs, wo es einige ausgedehnte RV-Parks gibt.
Hinter dem Ort laufen wir auf der Straße weiter durch die ausgedehnten Feuchtgebiete des Amargosa und folgen dann ein Stück weit einem Fahrweg. Heute ist es wieder ziemlich heiß, so dass wir mittags Schutz im Schatten eines Busches suchen.
Anschließend laufen wir lange ohne Weg und Steg langsam ansteigend über eine weite, steinige Ebene auf die mit der Zeit immer größer aufragenden orange-schwarzen Berge zu. Es wird zunehmend grüner und stellenweise wachsen gelbe Blumenteppiche. Ein Tal führt uns dann in die Berge, zunächst breit, dann zu einer Schlucht verengt, die stellenweise nur wenige Meter breit ist. Es gilt einige Stufen zu überwinden, was zwar technisch einfach ist, aber wir sind nach etwa dreißig Kilometern in der Hitze ziemlich durstig und erschöpft. Am Liebsten würden wir gleich mehrere Liter Wasser runterspülen, aber natürlich ist uns klar, dass wir mit dem kostbaren Nass haushalten müssen. Das ist auch wichtig, da die Sheephead Spring in einem Seitencanyon trocken ist, obwohl uns das grüne Gras hier auf Wasser hoffen ließ. Inzwischen haben wir den Death Valley Nationalpark erreicht, der mit über 13.000 Quadratkilometern sehr ausgedehnt und ungefähr ein Drittel größer ist der bekannte Yellowstone Nationalpark in den Rocky Mountains der USA. Wir werden den Park der Länge nach durchqueren und viel Zeit hier verbringen!
Wir schlagen unser Cowboycamp in einem Seitencanyon auf und am nächsten Morgen weht ein sehr kühler Wind, als wir noch vor Sonnenaufgang wieder unterwegs sind. Nachdem wir die Schlucht verlassen haben, wandern wir über eine hügelige Hochebene auf einen spitzen Vulkanberg zu. Wir genießen die schönen Farbstimmungen zu dieser frühen Stunde, bewundern die Blumenpracht und können den Blick bis zu der noch schneebedeckten Panamint Range streichen lassen, die hoch über dem Death Valley aufragt. Später laufen wir dann lange am Rand der Berge über eine weite Ebene, teils auf Fahrspuren, meist aber ohne Weg. Einmal sehen wir eine Klapperschlange unbeweglich auf der Piste liegen. Ist sie so vollgefressen, dass sie sich nicht mehr bewegt?
Auf der von niedrigen Creosote Sträuchern bewachsenen Schotterebene blühen stellenweise sehr viele zitronengelbe Blumen und schließlich gelangen wir in den Bergen in ein saftig grünes Hochtal. Unglaublich, was die Niederschläge hier bewirkt haben!
Die letzten Kilometer führen uns dann auf einer Piste stetig bergauf. Ich bin ziemlich erschöpft, wahrscheinlich hauptsächlich durch den Wassermangel. Zwar ist es noch nicht allzu heiß, aber 2,5 Liter Wasser pro Tag sind sehr wenig!
Am nächsten Morgen folgen wir zunächst der Piste durch das Golden Valley weiter abwärts, bevor wir langsam weglos in Richtung eines 1400 Meter hohen Passes aufsteigen. Anke entdeckt den mächtigen Schädel eines Desert Bighorn Schafs mit riesigen, gedrehten Hörnern. Trophäenjäger würden hierfür ein Vermögen bezahlen! Wieder einmal leuchten viele gelbe und rote Blumen aus der relativ, flachen Landschaft.
Schließlich haben wir den Pass erreicht, von dem es steil abwärts in den Sheep Canyon geht. Gegenüber ragen die schneebedeckten Panamint Mountains auf, und tief unten zeigt sich bereits ein Stück des Death Valleys, zu dem wir jetzt bis auf Meereshöhe absteigen. Das erste Stück des Abstiegs im losen Geröll ist sehr steil, aber o.k. Der Canyon ist zunächst ziemlich eng, und immer wieder müssen wir einige kleine Stufen überwinden, was aber problemlos möglich ist. Wir sehen eine kleine Schlange und interessante, froschartige Echsen mit einigen Dornen am Hinterkopf. Eines der Tiere erhebt sich und bläst sich dann förmlich auf, bevor es sich in den Kampf mit einer anderen der kleinen Echsen stürzt. Außerdem beobachten wir eine kleine Schlange und orangefarbene Monarchfalter an den Blüten. Die eindrucksvolle Schlucht führt uns weiter abwärts im dunklen Vulkangestein, zu dem die gelben Blüten einen tollen Kontrast darstellen. Drei höhere Stufen erfordern etwas Kletterei, aber wenn man sich etwas umschaut, entdeckt man stets eine relativ einfache Route, so dass der Abstieg immer weniger schwierig ist, als es zunächst scheint. Je tiefer wir kommen, desto heißer wird es und auch Grün und Blumen verschwinden bald. Wir sind sehr durstig, haushalten aber mit unserem Wasser, da wir nicht wissen, wie lange wir im Tal auf eine Mitfahrgelegenheit nach Furnace Creek warten müssen. Da es keine Steilabfälle mehr gibt, kommen wir zwischen den vielen Felsblöcken gut voran, und sind schon um 14:15 Uhr an der Straße die durch das Death Valley führt. Eine heiße, abweisende Salz- und Staubebene zwischen zackigen Vulkanbergen. Wir haben Glück, schon der erste Wagen der auftaucht, nimmt uns mit und wir können den Ritt auf der Ladefläche des Pick-up im heißen Fahrtwind so richtig genießen. Etliche Nebenstraßen führen zu Sehenswürdigkeiten entlang des Tals und vor allem am Badwater, mit 85,5 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt Nordamerikas, tummeln sich die Menschen. Schon nach einer Dreiviertelstunde haben wir Furnace Creek erreicht, eine schattige Palmoase mit Resort, Golfplatz, Campingplätzen und einem Informationszentrum des Nationalparks. Als allererstes zapfen wir die Softdrinkquelle im Restaurant an. Unglaublich, wie gut es tut, sich mit eiskalten Getränken voll laufen zu lassen. Allerdings trinke ich überwiegend Wasser in das ich nur wenig von den überzuckerten Softdrinks mische. An der Nationalpark Info zeigt das Thermometer 37 Grad im Schatten, in der nächsten Tagen soll es noch viel heißer werden…Da wir von hier zum Sheep Canyon zurück wandern wollen, um unsere Route nahtlos fortzusetzen, fragen wir, ob wir einige Sachen zur Aufbewahrung da lassen können, was aber abgelehnt wird. Statt dessen müssen wir einen Zettel mit unserer weiteren Route ausfüllen und abgeben. Wenigstens kostet das Backcountry Permit hier nichts.
Schließlich richten wir uns auf Fiddler’s Campground ein, der zu dem Resort gehört, aber mit 29 Dollar ebenso teuer wie der des Nationalparks ist. Allerdings sind Poolnutzung und Internet inklusive, deshalb ist der Platz für uns eine bessere Wahl, zumal am Rand einige Bäume Schatten spenden. Selbst nach Sonnenuntergang ist es hier sehr heiß. Mich beschleichen Zweifel, ob es uns bei den noch steigenden Temperaturen gelingen wird, durch das „Tal des Todes“ zu wandern. Während Anke clevererweise ihr Zelt aufgeschlagen hat, schlafe ich unter dem Himmelszelt. Das stellt sich dann allerdings als ziemlich unangenehm heraus, als in der Nacht starker Wind aufkommt und mich förmlich mit Staubfontänen bedeckt.
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