4 Tage, 108 Kilometer, 2931 Höhenmeter
Am nächsten Morgen stehen wir bereits um 7 Uhr an der Straße um nach Baker zu trampen, wo wir neuen Proviant kaufen wollen. Schon bald hält jemand an, der uns fragt, ob wir Wasser brauchen. Ja, Amerikaner sind oft hilfsbereit! Dann kommt eine Rangerin auf ihrem Morgenspaziergang vorbei und eine andere hält bei uns an. Sie will die Toilette am Kelso Depot reinigen und fährt danach zurück nach Baker, darf uns aber nicht mitnehmen. Doch nach einer Dreiviertelstunde haben wir Glück, die etwa 35-jährige Biologin Jenna aus Toronto hält an und nimmt uns mit. Die Forscherin führt in der Mojave Wüste Untersuchungen für ihre Doktorarbeit über die Fraßgewohnheiten von Ameisen durch. Sie bestätigt uns dann auch, dass es hier viel geregnet hat, doppelt so viel als in normalen Jahren!
Die Fahrt führt über 50 Kilometer durch eine weite Landschaft voller Joshua Trees, aus der etliche Vulkankegel ragen. Schließlich erreichen wir den Ort Baker an der Autobahn 15 mit Tankstellen und Fast Food Läden. Im Baker Market kaufen wir für 7 Tage ein, wobei Maischips und Erdnüsse unsere Abendmahlzeiten darstellen werden. Anschließend essen wir Tacos, genießen einen typisch amerikanischen, unversiegbaren Fountain Drink und nutzen das w-lan. Solche süßen Softdrinks sind natürlich ziemlich ungesund, aber wir lieben die kalten Getränke hier und können natürlich auch den Zucker für unseren Energiehaushalt gebrauchen. Zurück an der Straße stehen wir erst einmal eineinhalb Stunden, dann taucht die gute Jenna wieder auf und nimmt uns mit zurück zum Kelso Depot, wo wir jeweils 6 Liter Wasser auffüllen. Anschließend laufen wir einen Weg paralell zur Bahnstrecke, wo uns die kilometerlangen Güterzüge beeindrucken und folgen dann einem Fahrweg zum Globe Canyon.
Am nächsten Morgen ist es ziemlich frisch, so dass man sogar Handschuhe tragen könnte…
Bald verlassen wir den Fahrweg und wandern auf alten Pfaden weiter aufwärts. Einige alte Schächte zeugen davon, dass hier einst Minen betrieben wurden. Die Summit Spring, ein dreckiges Wasserloch hinter einem Absatz wirkt wenig einladend, aber wir haben genügend Wasser dabei, so dass wir nicht auf die dreckige Brühe angewiesen sind.
Wir sind hier in den hochgelegenen Providence Mountains, daher ist die Vegetation für die Wüste vergleichsweise üppig, mit Wacholdern, Pinyon Kiefern, grünem Gras und vielen Blumen. Eine so grüne Landschaft haben wir bisher auf dem Desert Trail noch nicht gesehen! Außerdem sind die zackigen Berge, mit ihren vielfarbigen Klippen sehr attraktiv. Nachdem wir einen Kamm erreicht haben, steigen wir ein Stück weit ab, und wandern dann in nicht zu steilem Terrain hoch zum Rand der Wild Horse Mesa, hinter derem Steilabfall sich ein flaches Plateau erstreckt. Eine sehr schöne Landschaft über die wir unsere Blicke weit schweifen lassen können. Zwar sehen wir keine Wildpferde, dafür aber fünf Kühe. Niedergetretenes Gras lässt darauf schließen, dass hier noch mehr der Wiederkäuer weiden. Wir folgen dem Steilabfall der Hochebene einige Zeit und steigen schließlich in eine grüne Ebene ab. Hier gibt es einen markierten Wanderweg des Mojave National Preserve, der zu den dunklen Vulkanwänden des Banshee Canyons führt. Dort gibt es enge Durchgänge, und ein kleines Stück müssen wir einen Kamin hochklettern, wo zur Hilfe Metallringe angebracht sind.
Bald gelangen wir zum Hole in the Wall Campground, wo wir jeweils 6 Liter Wassser für die nächsten 50 Kilometer auffüllen und dann an einigen Campern und Wohnmobilen vorbei zunächst auf einer Piste und dann auf einer Fahrspur weiter laufen. Ein altes Windrad ist nicht mehr in Betrieb und fördert daher kein Wasser mehr.
Schließlich schlagen wir unser Lager auf. Wir sind heute etwa 1300 Höhenmeter aufgestiegen und zelten auf 1600 Meter Höhe, daher wird es nach Sonnenuntergang ziemlich frisch, und auch am nächsten Morgen kann man zunächst durchaus Handschuhe tragen, bevor die Sonne dann wieder wärmt. Wir folgen einem Wanderpfad in Richtung des Mid Hill Campgrounds durch eine hügelige Weite mit gelbem Gras und felsigen Hügeln. Allerdings ist der Weg ziemlich schlecht markiert und Kiefern, sowie Wacholder haben sich noch nicht von einem Brand erholt, der hier 2005 getobt hat. Dennoch gefällt uns diese Landschaft sehr gut, wieder eine neue Facette des Desert Trails!
Am Mid Hills Campground gibt es kein Wasser, aber dennoch stehen hier einige Camper, die teilweise lärmende Generatoren betreiben. Schade, dass es offenbar Leute gibt, die nicht einfach die Stille der Wüste genießen können. Als wir dann steil absteigen, stoßen wir in einem kurzen Tal auf etwas dreckiges Wasser, und folgen dann einem sandigen Trockenbett lange abwärts bevor wir eine Straße überqueren und dann der Piste Cima Road weiter folgen. Lediglich einmal überholen uns einige Geländewagen und streckenweise wandern wir durch einen richtigen Wald aus hohen Joshua Trees. Wir erreichen dann eine Bahnlinie, wo ein langer Güterzug die Schienen blockiert, so dass uns nichts anderes übrig bleibt, als um den Zug herumzulaufen. Dann folgen wir drei Kilometer weit einer Asphaltstraße durch trostloses, verbranntes Gebiet. Sehr traurig die verkohlen Stümpfe der Joshua Trees zu sehen. Anschließend folgen wir ein Stück einer Fahrspur und steigen dann weglos langsam ansteigend in Richtung des flachen Cima Dome weiter auf. Als wir die Cut Spring erreichen, wird es spannend. Zwar dreht sich das Windrad dort, es gibt aber nur eine schlammige Pfütze. Allerdings wurde hier gerade gearbeitet und offenbar Leitungen neu verlegt, daher kann es sein, dass es hier in Zukunft wieder Wasser gibt. Wir wandern weglos weiter und freuen uns, dass das Feuer hier weniger heftig getobt hat. Schließlich schlagen wir gegen 18 Uhr unser Lager zwischen Felsbrocken und Wacholdern auf.
Am nächsten Morgen lässt die aufgehende Sonne die Palmlilien als scharfe Silhouetten erscheinen.
Wir steigen noch ein Stück aufwärts bis zum Cima Dome auf 1752 Meter. Da das Terrain hier so flach ist, lässt sich der höchste Punkt alllerdings kaum bestimmen. Anschließend wandern wir durch den trostlosen, verbrannten Joshua Tree Wald stetig langsam abwärts. Ein Gutes hat der Brand allerdings für uns: Die Bodenvegetation ist komplett verbrannt, daher kommen wir gut voran. Als wir die Deer Spring erreichen, wird es wieder spannend: Gibt es hier Wasser, oder erleben wir wieder eine Enttäuschung wie an der Cut Spring?
Als wir näher kommen sehen wir ein algenbewachsenes Bassin, wenig appetilich. Allerdings fließt klares Wasser aus einem Rohr, dass sauber ist, wenn auch mit leichtem Eisengeschmack. Wir füllen uns jeder 6 Liter für die nächsten 50 Kilometer ab, und waschen kurz einige Sachen, bevor wir weiterlaufen. Irgendwann lassen wir das Brandgebiet hinter uns und wandern entlang grüner Palmlilien zu einem sandigen Trockenbett, was auf einer Seite von schwarzen Lavafelsen eingefasst wird. Die rot- schwarze Farbe der Berge ringsum verrät ihren vulkanischen Ursprung. Aus Erfahrung wissen wir, dass das Laufen durch erkaltete Lavaflächen ziemlich schwierig und langsam sein kann, daher sind wir gespannt was uns erwartet. Hier sind die dunklen Felsen aber größtenteils bewachsen, daher kommen wir gut voran. Die weglose Route führt uns durch die Täler zwischen einzeln stehenden Vulkanen, bis wir ein ganzes Stück weit aufsteigen und im abendlichen Gegenlicht herrliche Ausblicke in die weite Landschaft genießen können aus der die schüsselförmigen Vulkane ragen. Ein wenig erinnert mich die Landschaft an das Monument Valley in Utah, auch wenn die roten Berge dort aus Sandstein geformt sind. Wir entdecken den Panzer einer Schildkröte und schlagen erst um 18.45 unser Lager auf. Allerdings ist es hier ziemlich steinig, so dass wir erst einmal eine kleine Fläche säubern, indem wir Steine und Felsen wegräumen.
In der Nacht bekomme ich Zahnfleischschmerzen, die am nächsten Morgen immer heftiger werden. Offenbar habe ich eine Entzündung im Mund, die vielleicht auf ein Zahnproblem hindeutet. Wir folgen lange der Kante eines Steilabfalls und sehen irgendwann bereits die Autobahn I 15, an der wir ja schon in Baker waren. Eigentlich hatten wir vor, die Straße lediglich zu überqueren und dann weiterzulaufen. Aber irgendwann muss ich erkennen, dass das ziemlich riskant wäre, solllte sich die Entzündung verschlimmern, was nach der Entwicklung seit der letzten Nacht zu urteilen, ziemlich wahrscheinlich ist. Also beschließen wir, nach Las Vegas zu trampen und dort erst einmal das Problem begutachten zu lassen. Allerdings existiert die Tankstelle an der Autobahn nicht mehr und es gibt auch keinen Rastplatz, auch wenn es eine Ausfahrt gibt. Diese führt aber nirgendwohin, daher ist uns klar, dass es schwierig werden kann, von hier wegzukommen. Bereits um 9:40 Uhr sind wir an der Straße. Nur selten verlässt ein Wagen die Autobahn, in der Regel für eine kurze Pause. Uns wird bald klar, dass es wohl am erfolgverprechendstem ist, die Leute direkt anzusprechen, was meistens Anke übernimmt, da wir hoffen, dass sie als Frau harmloser wirkt. Allerdings funktioniert das zunächst nicht. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, dass etliche Leute regelrecht Angst vor uns haben, zumindest aber mit uns hier mitten in der Wüste nichts anfangen können. Irgendwann nehmen wir uns vor, wenn uns bis 12 Uhr niemand mitnimmt, weiterzulaufen, da wir uns kaum noch eine Chance ausrechnen, hier einen lift zu bekommen. Dann wendet sich das Blatt: kurz vor 12 spreche ich einen älteren Mann, augenscheinlich chinesischer Herkunft an, der eine Pinkelpause einlegt. Zunächst wirkt auch er nicht gerade begeistert, hält dann aber auf der Ausfahrt noch mal an, und wir haben tatsächlich unsere Mitfahrgelegenheit in das etwa 100 Kilometer entfernte Las Vegas gefunden! Der Mann war Ingenieur und hat viel von der Welt gesehen. Kopenhagen in Dänemmark ist sein Lieblingsplatz. Von China hält er dagegen nicht viel…
Der Mann ist so nett, dass er uns in Las Vegas dann tatsächlich direkt vor einer Zahnarztpraxis absetzt. Nachdem ich viel Papierkram ausgefüllt habe, komme ich dann auch gleich dran. Meine Zähne werden von einem Assistenten geröngt, und ich frage mich bereits, ob diese Praxis eine gute Wahl ist, da Geräte und Mobiliar eher aus den sechziger Jahren zu stammen scheinen. Dieser Eindruck bestätigt sich dann aber nicht, denn die kleine, resolute chinastämmige Ärztin die mich untersucht, weiß offenbar sehr gut, was sie tut. Glücklicherweise sind meine Zähne in Ordnung. Ich bekomme eine Spritze, der Bereich um die Entzündung wird von ihr sorgfältig gesäubert und ich bekomme dann noch ein Antibiotikum verschrieben. Sie meint, damit würde die Entzündung rasch verschwinden, so dass unserer Weiterwanderung nichts im Weg steht! Sehr gute Nachrichten, denn ich hatte schon befürchtet, im schlimmsten Fall nach Deutschland für eine längere Behandlung zurückkehren zu müssen!
Für amerikanische Verhältnisse war die Behandlung mit 175 Dollar auch ziemlich günstig und wir können jetzt eine Besonderheit von Las Vegas genießen: Da die Hotels hier ihr Geld mit dem Glücksspiel verdienen, finden wir in einem Casinohotel tatsächlich ein großes Zimmer für nur 30 Dollar!
Den Rest des Abends verbringen wir dann am Pokertisch und gewinnen so viel, dass damit die ganze Reise finanziert ist!
Nein, so war es nicht, wir spielen überhaupt nicht, da dabei sowieso im Regelfall nur das Casino gewinnt, sondern gehen später noch einkaufen für die nächsten 7 Tage und machen uns dann auf dem Zimmer ein leckeres Essen aus Wraps mit Bohnenpaste, Salat, Zwiebeln, Mais und Käse. Dazu trinken wir Orangensaft. Ein sehr nahrhaftes und gesundes Essen, was auch mal wieder Zeit wird, da unsere Wanderdiät vielleicht auf die Dauer nicht alles enthält, was der Körper so braucht.
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