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23.02.2024

Kluane 1 - Zum Kaskawulsh Gletscher

 



5 Tage, 86 Kilometer, 4421 Höhenmeter Aufstieg

Nachdem wir von British Columbia in den Yukon getrampt sind, folgen wir dem breiten Tal des Slim’s River zum spektakulären Kaskawulsh Gletscher im Kluane Nationalpark.

Kaum haben wir uns von Svea verabschiedet, finden wir auch schon einen Fahrer in der kurzen Schlange der wartenden Autos, der einverstanden ist, uns mitzunehmen. Zu allem Überfluss fährt Karl, ein 39- jähriger Autoingenieur sogar die ganze Strecke bis nach Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon Territoriums, unserem Ziel!

Schließlich hebt sich die Fahne und wir fahren durch das noch rauchende Waldbrandgebiet, das sich über 40 Kilometer erstreckt und unseren Zwangsaufenthalt in Dease Lake verursacht hat. An den meisten Stellen gibt es noch einige grüne Bäume, die die Flammen überlebt haben. Es gibt aber auch komplett graue, tote Bereiche, in denen das Feuer besonders intensiv getobt hat. 

Schließlich lassen wir das Waldbrandgebiet hinter uns und fahren durch die unendlich scheinenden niedrigen Nadelwälder mit ihren spitzen Kronen, in denen auch recht viele Zitterpappeln eingemischt sind. Als wir den Alaska Highway bei Watson Lake erreichen, wird die Straße deutlich breiter und besser ausgebaut, ansonsten ändert sich wenig. Vor Whitehorse wird das Wetter dann schön und wir passieren etliche, große Seen. Bereits 50 Kilometer vor der Stadt gibt es verstreute Häuser, und schließlich erreichen wir die Hauptstadt des Yukon Territory, in der meine Abenteuer 2008 begannen. 

Karl setzt uns in der Stadt ab und wir haben nur noch einige Meter bis zu dem Hostel zu laufen, in dem ich auch damals abgestiegen war. Die neue Besitzerin Sarah wirkt allerdings unsympathisch und bestimmend. Zwar sei sie eigentlich voll, aber dann lässt sie uns doch noch in einem alten VW-Bus im Garten übernachten. 

Als wir im Haus dann später kochen, stellt sich heraus, dass hier erstaunlich viel los ist. Obwohl man in einem Hostel eher junge Leute erwarten würde, ist das Publikum sehr stark altersgemischt. Mich stresst das Gewusel der Leute ziemlich und ich bin froh, als wir uns in den Bulli zurück ziehen. 


Wir übernachten in einem alten Bulli im Garten des Hotels in Whitehorse


Am nächsten Morgen frühstücken wir gemütlich und starten erst gegen 9:30. Zunächst laufen wir durch die Stadt zum riesigen Superstore, wo wir für fünf Tage Proviant einkaufen. 

Bald danach stehen wir an der Straße und eine Chilenin nimmt uns einige Kilometer bis zu der Stelle mit, wo sich die Straße nach Dawson City vom Alaska Highway trennt. Auch 2008 stand ich schon an der Stelle!

Wiederum haben wir Glück und Paul, ein rüstiger 80-jähriger, indigener Herkunft nimmt uns mit. Er hat als Mechaniker in einer Mine gearbeitet und betreibt auch jetzt noch einen Gold-Claim! Er ist viel, auch international gereist und sehr interessant. Der Winter sei seine liebste Jahreszeit. Zwar sei es auch hier wärmer geworden, es gäbe aber immer noch Perioden mit - 40 Grad! Nach 120 Kilometern lässt er uns am Abzweig zu seiner Mine raus, und wir finden gleich den nächsten lift mit einem jungen Lehrer mit Kind und Hund über 20 Kilometer bis nach Haines Junction. Da wir uns hier ein Backcountry Permit für unsere geplante Wanderung besorgen wollen, suchen wir zunächst das Besucherzentrum des Kluane Nationalparks auf. Mit über 22.000 Quadratkilometer ist Kluane der viertgrößte Nationalpark Kanadas und beherbergt mit dem fast 6000 Meter hohen Mount Logan den höchsten Berg des Landes. Der größte Teil des Parks ist von Gletschern bedeckt, die das bedeutendste Eisfeld der Welt außerhalb der Polargebiete bilden. Außerdem beherbergt der Park, der mit dem auf der Alaska- Seite angrenzenden Wrangell- St. Elias Nationalpark eine zusammenängende Wildnis bildet, eine sehr große Grizzlypopulation…

Um das Permit zu erhalten müssen wir eine ganze Menge Papier ausfüllen, aber die Rangerin die uns dabei hilft, ist freundlich und wir erhalten zwei Bärenkanister für unser Essen, ohne dafür zusätzlich zu bezahlen. 

Schließlich stellen wir uns bei, für den vierten September erstaunlich warmen, sonnigem Wetter wieder an die Straße. Nach eineinhalb Stunden nehme uns dann Britt und Jan aus Göttingen mit, die eine 4 wöchige Tour durch Alaska und den Yukon in einem Mietcamper unternehmen. Die beiden sind von ihrer Reise ziemlich begeistert!

Nach etwa 70 Kilometer verlassen wir die Straße und die Beiden bringen uns noch zum Start des Wanderwegs Slim’s River West. Da es schon spät ist, schlagen wir unsere Zelte dann ganz in der Nähe auf. Unser Essen verstauen wir in den schweren, schwarzen Containern, die wir ein Stück abseits des Lagers aufstellen. 


Lager am Start des Wegs "Slim's River West"

Als wir am nächsten Morgen um 6 Uhr aufstehen, ist es noch ziemlich dunkel. Die Tage sind jetzt, Anfang September schon deutlich kürzer. Bei zunächst bedecktem Wetter folgen wir dann noch ein Stück dem Fahrweg durch jungen, dichten Wald, bis das Terrain offener wird. Wir passieren das felsige Tal eines Nebenbachs und gelangen dann an die weite Flutebene des Slim’s River, aus Kies, Sand und Schlamm. Zu beiden Seiten ragen schroffe, teilweise cremefarbene, teilweise rötliche Felsberge auf. Einen breiten, flott strömenden Seitenbach durchwaten wir in Schuhen. Am Beginn einer sumpfigen Grasfläche gibt es einen Bohlenweg, der aber bald aufhört, so dass man sowieso nasse Füße erhält. Nur selten sehen wir ein Schild, dass den Weg markieren soll. Manchmal ist der Pfad gut zu erkennen, oft suchen wir uns aber nach Gutdünken unsere eigene Route. Gegen 11 durchbricht die Sonne die Wolken und gibt die Berggipfel frei. Trotz des sonnigen Wetters ist es sehr windig, was wohl ziemlich typisch für dieses Tal ist, dass als Kanal für die kalte Luft von den Gletschern dient. Da wir keine Eile haben, kochen wir später am Morgen gemütlich Kaffee. Ein Sumpfgebiet ist ziemlich nass und schlammig. Als ich merke, dass es besser wäre drumherum statt mitten durch zu gehen, ist es für mich schon zu spät, aber Anke wählt den vernünftigeren Weg, weshalb wir uns längere Zeit verlieren. Zwei Pärchen kommen mir kurz hintereinander entgegen, und dann taucht Anke auch wieder auf. Nachmittags verläuft der Pfad dann meist im Wald oberhalb des Tals, weshalb sich schöne Ausblicke über die weite Ebene ergeben. Schließlich finden wir einen windgeschützten Lagerplatz zwischen den Nadelbäumen hoch über dem Tal. Später gehe ich Wasser holen, was sich aber als erstaunlich schwierig entpuppt. Obwohl ich die ganze Talbreite durchquere, gelange ich nirgendwo an einen Wasserlauf und musss dann noch ein ganzes Stück zurück gehen bis ich schließlich fündig werde. Die Stimmung mit Anke ist sehr schlecht, daher beschließen wir morgen voneinander getrennt zum Kaskawulsh Gletscher zu laufen. 


Der Nebenbach verschwindet in einer Schlucht


Herbstfarben unter bedecktem Himmel
Ein Stück weit folgen wir einem Fahrweg


Sumpfwiesen


Wir durchwaten den flotten Bach


Langsam weichen die Wolken


Das Tal des Slim's River


Kaffeepause


Häufig überschwemmte Schlammflächen


Der Pfad verläuft jetzt über dem Tal


Das obere Tal


Windgeschützter Lagerplatz


Wo ist das Wasser geblieben?

Am nächsten Morgen steige ich runter in die Kiesebene, der ich noch ein Stück weit folgen kann. Stellenweise ist die Andeutung eines Pfads zu erkennen, aber im Wesentlichen laufe ich weglos. Als ich in ein Nebental abbiege, strahlt die aufgehende Sonne die Berge wunderschön an. Einmal muss ich den ziemlich reissenden, aber flachen Bach durchqueren und komme dann in Kies und leichtem Grasbewuchs gut voran. 

Schließlich markieren einige Cairns den steilen Ausstieg aus dem Tal, der mich zu einem Grat führt, dem ich dann weiter folge. Die scharfen, teilweise ockerfarbenen Kämme hier sind sehr eindrucksvoll. Schließlich flacht das Terrain ab, es gibt keine Cairns mehr und ich suche mir meinen eigenen Weg durch die grasige Bergtundra. Unterhalb von einem kleinen Felsbuckel entdecke ich drei Schneeziegen ganz in der Nähe, darunter auch ein Zicklein. Bald erscheinen die drei mächtigen Arme des Kaskawulsh Gletschers, die sich unterhalb durch das breite Tal erstrecken. Hier oben weht ein scharfer Wind, so dass ich Daunenjacke und Handschuhe anziehe. Schließlich erreiche ich den Gipfel des etwa 2100 Meter hohen Observation Mountain, von dem sich ein fantastischer Ausblick über den aus zwei Tälern zusammen fließenden Kaskawulsh Gletscher, seine Abbruchkante und einen großen Schmelzwassersee ergibt. Entfernt mache ich einige weitere Schneeziegen in den Hängen aus. Für den Rückweg schlage ich zunächst einen weiten Bogen durch die von etlichen Erdhörnchen belebte Tundra. Stellenweise sehe ich frische Grabespuren von Grizzly’s, die entweder an Wurzeln oder die Nagetiere gelangen wollen. Schließlich steige ich dann auf dem selben Weg zurück ins Tal, wo sich die niedrigen Pappeln auf den Schotterbänken teilweise bereits golden verfärbt haben. Auch heute ist es in der Ebene des Slim’s River sehr windig, so dass stellenweise hohe Staubfontänen in die Luft geschleudert werden. 

Anke, die ebenfalls zum Observation Mountain gewandert war, treffe ich erst abends im Lager wieder. 


Die Morgensonne lässt die Berge leuchten





Weiter in einem Nebental

Blick zurück bis zum Slim's River



Scharfe Bergkämme



Der Kaskawulsh Gletscher erscheint



Schneeziegen

Kaskawulsh Gletscher

Blick vom Observation Mountain (2100 m)


Die Bergwelt des Kluane Nationalparks


Hier hat ein Grizzly gegraben


Herbstfarben in der Tundra


Steile Abstiegsroute


Blick zum Slim's River am Nachmittag


Aufgewirbelte Staubfontänen

In der Nacht ist es ziemlich frisch geworden und die Bergspitzen, darunter auch Observation Mountain, sind leicht überzuckert. Der Morgen beginnt wieder bedeckt und windig, aber später sind dann wieder Sonne und blauer Himmel zurück, so dass die gelben Herbstfarben besonders intensiv erscheinen. Nachdem Anke und ich zunächst getrennt losgelaufen sind, vertragen wir uns schließlich wortlos wieder und unsere gute Stimmung kommt langsam zurück. Heute laufen wir überwiegend durch den Wald zurück entlang des Slim’s River Tals. Schließlich gelangen wir auf den Fahrweg zum Bullion Plateau, dem wir noch ein Stück weit folgen, bis wir unser Lager abseits des Wegs aufschlagen.


Früh am Morgen


Zurück im Slim's River Tal

Grizzlyfährte


Goldener Herbst


Tolles Wetter

Am nächsten Morgen ist es bedeckt, als wir dem Fahrweg zum Bullion Plateau durch den Fichtenwald mit sehr dichtem Unterwuchs weiter folgen. Schließlich weichen die Nadelbäume hohen Weidengebüschen und weiter oben ist es ziemlich neblig. Es ist sehr feucht und ungemütlich, außerdem sehen wir bald nur noch wenig, daher beschließen wir umzudrehen, als der Weg zunehmend zugewachsener wird. Würden wir weiterlaufen, wäre das eine ziemliche „Waschanlage“.

Tatsächlich klart es dann aber mittags doch auf, und wir unternehmen noch einen Abstecher zum Sheep Creek, auch um Wasser zu holen. Allerdings scheint uns irgendwie gerade die Wanderlust verlassen zu haben. Statt noch weit zu laufen, relaxen wir mit Vorlesen und Podcast hören. 


Auf das Bullion Plateau



Sheep Creek

Am nächsten Morgen lassen wir es entspannt angehen und starten erst gegen 9:40 Uhr. Hinter dem Sheep Creek beginnt schon bald der gleichnamige Trail, auf den eine Tafel hinweist. Eine Fahrspur führt von hier durch Fichten und Weiden aufwärts zu einem schönen Aussichtspunkt, von dem wir noch einmal Ausblicke zurück ins Tal des Slim’s River und zu der von rötlichem Gestein geprägten Red Ridge genießen können. Zwar endet der offizielle Trail hier nach fünf Kilometern, aber ein gut sichtbarer Pfad führt recht steil nach oben auf einen windigen Grat, dem wir einige Zeit über drei größere Erhebungen folgen. In einiger Entfernung sehen wir einige der weißen Dallschafe und Schneeziegen. Kurzzeitig überlegen wir, ob wir wegen dem starken Wind besser zurück gehen sollten, laufen dann aber weiter. Gegen 16 Uhr erreichen wir den etwa 1900 Meter hohen Sheep Mountain, unter dem sich der große Kluane Lake erstreckt. Dort am Alaska Highway tobt gerade ein Staubsturm. Der Pfad endet hier und das erste Stück des Abstiegs in sehr steilem Schotter ist ziemlich beängstigend. Wie auf rohen Eiern balancieren wir durch das lose Gestein und gelangen Stück für Stück tiefer, bis wir auf etwas sanfteres, teilweise moosbewachsenes Terrain gelangen. Das letzte Stück des Abstiegs führt dann wieder durch steilen Schotter, allerdings weniger gefährlich als zuvor. Am Hang entdecken wir eine Herde von etwa 15 Dallschafen, der weißen Unterart des Dickhornschafs die hier im Yukon und in Alaska vorkommmt. 

Bevor wir die Straße erreichen, schlagen wir schließlich im Schutz einiger Bäume unser Lager auf. 


Blick zurück ins Slim's River Tal



Voraus die rötlichen Berge der Red Ridge


Aussichtspunkt


Der Grat des Sheep Mountain


Dallschafe am Hang

Während wir bereits um 8 Uhr am Alaska Highway stehen, bewegen sich in den Klippen die weißen Punkte von etwa 20 Dallschafen. Es sind erst wenige Fahrzeuge unterwegs, aber schon bald hält die 70-jährige Diane aus Calgary, die einen Roadtrip durch Kanada’s Westen unternimmt und bereits in den 70’er Jahren, lange mit dem Fahrrad in Europa unterwegs war. Zurück in Haines Junction verbringen wir einige Zeit im Visitor Center, wo wir unter Anderem unsere Smartphones für die nächste Etappe laden. Wir nutzen auch die Gelegenheit uns im Besucherzentrum etwas umzuschauen. Interessant ist die Geschichte, dass die ursprünglichen indianischen Bewohner den Nationalpark ab 1943 bis 1995 nicht mehr nutzen durften, sie dann aber nach langer Auseinandersetzung ihre alten Landrechte zurück bekommen haben und jetzt auch wieder im Nationalpark jagen dürfen. Obwohl Mount Logan die umgebenden Gletscher um 4000 Meter überragt, ist er von keiner Straße aus zu sehen, so weitläufig ist der Kluane Nationalpark, in dem wir noch eine weitere Wanderung unternehmen wollen.


























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