Während die anderen Gruppen bei dem Haus lagern wollen, setzen wir unseren Weg nach dem Essen fort. Hier im Tal des Mugu Karnali haben wir eine regelrechte "Autobahn" erreicht. Obwohl uns zunächst kaum Leute begegnen, ist der breite, ausgetretene Weg offenbar stark frequentiert.
Bunte Blumen, Schmetterlinge und grüne Pappeln zeigen uns, dass wir durch den langen Abstieg auf nur noch etwa mehr als 2000 Meter ü.NN nicht nur an Höhe verloren haben, sondern vom Winter über den Herbst zurück in den Sommer gelangt sind.
Der Weg verläuft meist im Hang, hoch über dem tief eingeschnittenen Tal und führt nur gelegentlich wieder zum Fluss zurück. Der Mugu Karnali präsentiert sich hier fast durchgehend mit schwerem Wildwasser, dass zudem auch von häufigen Katarakten unterbrochen wird. Wer hier paddeln will, muss sein Kajak ziemlich gut beherrschen...
Mugu Karnali
Obwohl die Gegend uns landschaftlich sehr reizvoll erscheint, wurden die ursprünglichen Wälder hier größtenteils wohl schon vor langer Zeit gerodet, obwohl wir erst spät am Nachmittag zwei kleine Siedlungen passieren. Neben einfachen Steinhäusern sind auch etliche weiße Zelte aufgebaut. Haben Neuankömmlinge sich so weit oben im Tal nieder gelassen?
Nur selten treffen wir auf einige magere Rinder
Da wir jetzt in einem bewohnten Gebiet unterwegs sind, legen wir großen Wert darauf, unser Lager an versteckter Stelle, ohne bemerkt zu werden, aufzuschlagen. Zwar haben wir grundsätzlich keine großen Bedenken, was die Nepalesen angeht, aber wir wollen weder ein Schauspiel für neugierige Dörfler aufführen, noch Dieben oder gar Räubern eine Gelegenheit bieten.
Nach längerer Suche haben wir schließlich einen halbwegs ebenen, ausser Sichtweite des Weges gelegenen Platz gefunden. Wir wollen gerade unsere Zelte aufschlagen, als einige Jugendliche auftauchen, wohl um nach den Rindern zu schauen. Kein Zweifel, hier wollen wir nicht bleiben! Obwohl es schon spät ist, packen wir rasch unsere Sachen zusammen und gehen über eine Brücke zurück zum Hauptweg.
Die Jugendlichen im Hang der anderen Flussseite sind relativ weit entfernt, dennoch haben wir das Gefühl, als würden sie uns folgen, da sie stets mehr oder weniger parallel zu uns laufen. Zu allem Überfluss beginnt es zu regnen und es wird nicht mehr lange dauern, bis es dunkel wird. Schließlich ist von den Jugendlichen nichts mehr zu sehen und wir schlagen unser Lager auf einer ebenen Terrasse auf. Obwohl ein Überfall oder Ähnliches sicher extrem unwahrscheinlich ist, fühle ich mich nicht besonders wohl dabei, schutzlos im Zelt zu liegen und zu denken, dass jetzt wahrscheinlich etliche Leute wissen, dass zwei alleine wandernde, in den Augen der Nepalesen zweifellos reiche Europäer in der Nähe lagern…
Zelt/ Tarp und auch mein Schlafsack sind nach einer mit lediglich 10 Grad ziemlich milden Nacht am Morgen unangenehm feucht.
Dafür erwartet uns ein fantastischer Tag.
Die ersten Sonnenstrahlen erleuchten das Tal
Nach der Einmündung des Namlung Nadi, dessen Nebenbäche wir ja ausgiebig kennen gelernt hatten, wird der Fluss deutlich breiter und wasserreicher. Inzwischen liegen auch deutlich mehr Siedlungen im Tal. Manche der Häuser wirken durch ihre Größe und nette umlaufende Balkone regelrecht luxuriös.
Hinter der Einmündung des Namlung Nadi
Als wir das Dörfchen Pulu passieren, nehmen wir einen herumschreienden und deutlich gestikulierenden Mann wahr. Bernd meint: "Wir beachten den gar nicht und laufen schnell weiter".
Na ja, das Rezept des Ignorierens hilft leider nicht immer. Irgendwann holt uns der Mann ein. Zwar spricht er kaum Englisch, aber wir verstehen, dass er sich als Polizist ausgibt und uns auffordert mit ihm zum Dorf zurückzukehren. Ich überlege ihn nach einem Dienstausweis zu fragen, aber das erübrigt sich, als ein weiterer Polizist in blauer Uniform auftaucht. Wir sind uns zwar ziemlich sicher, dass unser Permit für Mugu noch gültig ist, aber lieber wäre uns natürlich, wenn wir einer Kontrolle entgehen könnten. Zurück im Dorf werden wir aufgefordert uns auf zwei Stühlen unter freiem Himmel nieder zu lassen, unsere Pässe vorzuzeigen und uns in eine Art Gästebuch einzutragen. O.K, wenn das alles ist…
Tatsächlich, keiner der streng blickenden Polizisten will unsere Permits sehen, daher können wir schon nach kurzer Zeit weiter gehen.
Das Tal wird immer tropischer. Die Nadelbäume werden im Tal von üppigen, ein wenig an den Regenwald erinnernden Laubbäumen mit großen, dunkelgrünen Blättern abgelöst. In den Felsen sitzen große, über 30 Zentimeter lange Eidechsen und häufig ertönt ein lautes Zikadenkonzert. Einmal sehen wir unerwartet eine etwa 20- köpfige Gruppe von roten Rhesusaffen. Besonders gefallen mir die unter dem Bauch getragenen Babys.
In den tieferen Himalayatälern leben Rhesusaffen
Einmal treffen wir auf eine große, niederländische Trekkinggruppe. Ihre tough wirkende Führerin verrät uns, dass sie unsere Route gehen wollen. Das sei das erste Mal, dass ihre Firma hier unterwegs ist. Vor ein paar Jahren hatte eine andere Gruppe aber schon mal versucht, von Pho zum Mugu Karnali zu gehen, war aber schon am Nyingma Gyanzen La gescheitert, da sie den Passübergang nicht finden konnte…
Türkisgrünes Wasser und gelbe Reisfelder bringen schöne Farben in die Landschaft.
Gegen Mittag überqueren wir vor Mangri den Fluss auf einer stählernen Hängebrücke. Ein Paar aus Oregon mit ihren beiden nepalesischen Begleitern will auch in die Richtung aus der wir kommen, gehen. Bei dem Laden an dem wir die Amerikaner treffen, fragen wir ob es Dal Bhat gibt. Wir sind verwundert, dass das Mädchen, dass uns bedient gut englisch spricht und erfahren von ihr, dass sie in Jumla zur Schule geht und nur in den Ferien zurück nach Hause kommt.
Während der Hauptpfad berghoch nach Mangri führt, bleiben wir am Fluss. Diese Route wird deutlich weniger benutzt. Obwohl wir eigentlich nur dem Flusstal folgen, führt der Pfad häufig steil nach oben und dann wieder bergab.
Der Weg verläuft auf Treppenstufen im Hang
Unser Lagerplatz ist vom Pfad aus einsehbar, dennoch fühlen wir uns hier abseits der Hauptroute recht gut versteckt. Selbst abends beträgt die Temperatur auf ca. 1900 Meter immer noch 27 Grad!
Wir haben mittlerweile im Mugu Karnali Tal eine unsichtbare Grenze überschritten: Nachdem der Oberlauf noch von buddhistischen Dörfern geprägt wird, sind wir jetzt in einem von Hindus bewohntem Gebiet. Wir wundern uns, dass recht viele Leute orange Blüten im Haar tragen und mit roten Punkten auf der Stirn geschmückt sind. Bald erfahren wir, dass "Dursai" das größte hinduistische Fest, vergleichbar mit unserem Weihnachten, vor der Tür steht. Allerdings wirken die Leute hier abweisender als weiter oberhalb. Nicht jeder erwidert unseren Gruß "Namaste". Ebenso ist für uns neu, dass Leute sich unmittelbar vor uns hin stellen, und uns anstarren ohne mit der Wimper zu zucken.
So etwas wie ein Gefühl für das, was wir als natürliche Distanz kennen, scheint bei vielen Menschen hier nicht vorhanden zu sein...
Dorf am Mugu Karnali
zwergenhafte Kühe
Auch in steilsten Hängen werden Felder angelegt
Einige Kilometer vor Gamghadi gelangen wir auf eine neu in die Hänge geschobene Piste, die aber aufgrund von kleinen Erdrutschen nicht befahren werden kann. Allerdings ist uns klar, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis das ganze Tal des Mugu Karnali durch eine Straße erschlossen ist. Vielleicht eine gute Entwicklung für die Einheimischen, für Trekker wird anschließend aber auch dieses Tal nicht mehr attraktiv sein…
Gamghadi ist zwar der Hauptort von Mugu, aber wir empfinden es in erster Linie als übles Dreckloch. Zu allem Überfluss scheinen die wenigen Hotels die es hier gibt, aufgrund der Feiertage geschlossen zu haben. Schließlich finden wir aber doch noch eine Absteige in der wir nach 25 Wandertagen mal wieder in einem Bett schlafen können.
Wir hatten uns darauf gefreut, in den hiesigen Restaurants etwas Abwechslung in unseren Speiseplan zu bringen. Leider scheint es aber so, dass man wegen "Dursai" auch nirgendwo etwas zu Essen bekommt. Glücklicherweise finden wir dann aber doch eine dunkle Kaschemme, in der für uns leckeres Dhal Bat zubereitet wird. Zu unserer Überraschung treffen wir in Gamghadi Marie, eine junge Dänin, die im Auftrag eines Reiseunternehmens neue Routen erkundet. Sie schließt sich uns an, und so können wir uns auch mal wieder mit jemand anderem ausgiebig unterhalten.
Gamghadi gefällt mir überhaupt nicht
Da Bernd mir Massen von Macadamia Nüssen gibt, kaufe ich nur einige Nudeln ein. Bernd gelüstet es dagegen nach frischer Kost, wie Kartoffeln und Zwiebeln. Solche luxuriösen Artikel wie Schokolade oder Toilettenpapier gibt es hier nicht…
Da der Rara See nicht weit von Gamghadi entfernt liegt, beschließen wir morgen noch hier zu bleiben um den gleichnamigen Nationalpark zu besuchen. Allerdings trennen wir uns am nächsten Morgen dann schon bald, da Bernd eine Querfeldeinroute nehmen möchte um den Eintritt zum Nationalpark nicht bezahlen zu müssen…
Durch Felder und an kleinen Weilern vorbei geht es auf guten Wegen rasch steil bergaufwärts. Am Eingang des Nationalparks befindet sich ein Militärposten, wo lediglich meine Personalien registriert werden. Durch dichte, relativ junge Nadelwälder geht es weiter zum See.
Bäume voller Farne
Rara See
Der See liegt malerisch inmitten von dicht bewaldeten Mittelgebirgshügeln. Allerdings sieht man in der Ferne auch höhere Berge. Ich treffe zwar keine Touristen, dafür sind auch einige Einheimische unterwegs. Der See ist ein hinduistisches Heiligtum, die Umrundung des Rara Lake gilt als verdienstvoll.
Bei einem weiteren, großen Militärlager werden wiederum lediglich meine Personalien genommen. Zwar wundere ich mich über die vielen Soldaten, erfahre aber später, dass alle nepalesischen Nationalparks durch das Militär überwacht werden.
Weder am Parkhauptquartier noch am angrenzenden Hotel ist irgend jemand zu sehen. Es ist halt Feiertag…Daher kann ich mir den Eintritt von etwa 25 Euro sparen…
Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, den See mit seinem glasklaren Wasser zu umrunden. Es gibt hier allerdings nur recht wenige, majestätische, alte Bäume, das meiste sind dichte Jungbestände. Wahrscheinlich wurde der größte Teil des Waldes schon mal gerodet oder ist abgebrannt.
In der Mittagssonne besuchen Schmetterlinge noch blühende Blumen.
Den Kaisermantel gibt es auch bei uns
Am jenseitigen Ufer treffe ich kaum noch Leute, offenbar wird die Umrundung doch nicht so häufig gemacht.
Rara See
Stellenweise weiden Pferde am Seeufer und ein Stück abseits des Gewässers treffe ich auf große Schafherden. Noch im Bereich des Nationalparks gelange ich auf eine neue, mit dem Bulldozer geschobene Piste. Muss das wirklich sein, dass eine Straße durch diesen, kleinen Nationalpark gebaut wird? Ebenso ist nicht zu übersehen, dass der Park unter Belagerung steht. Von den Rändern schieben sich Rodungen und Brandflächen in den Wald. Falls der Park nicht bald wirksamer geschützt wird, ist es wohl bald um einen Großteil der Natur hier geschehen.
Der Rara Nationalpark ist stark gefährdet!
Auf dem Rückweg laufe ich lange Zeit durch die offene, dicht besiedelte Umgebung Gamghadis. Im sanften Nachmittagslicht wirkt der Ort regelrecht idyllisch gelegen.
Reisterrassen um Gamghadi
Abends im Hotel essen wir Pommes mit Ei, mal was anderes, als Nudeln und Kartoffelbrei!
Durch das Tal des Mugu Karnali zum Rara See
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