Unser nächstes Ziel ist das Pantanal, mit einer Fläche in der Größe der alten Bundesrepublik Deutschland, das größte Feuchtgebiet im Binnenland auf der ganzen Welt. Der Rio Paraguay der das Gebiet auf 600 Kilometer Länge durchfließt, verfügt über kaum Gefälle, daher werden in der etwa 6- monatigen Regenzeit, die ab November beginnt, etwa 2/3 des Gebietes überflutet. Daraus ergibt sich ein Mosaik aus Wasserflächen, leuchtend grünen Grasflächen und üppigen Wäldern, das mit der Vielfalt und Anzahl seiner Arten eines der größten Tierparadiese unseres Planeten darstellt. Ob Massen von Kaimanen, herrliche Hyazintharas oder mächtige Jaguare, sie alle können hier beobachtet werden.
Der größte Teil des Sumpfgebietes liegt in Brasilien, aber auch Paraguay und Bolivien haben Anteil am Pantanal. Während es in Brasilien eine gewisse touristische Erschließung gibt, ist der bolivianische Teil fast unbekannt, soll aber besonders unberührt und schön sein...
Es wird wohl niemanden der hier liest wundern, dass ich daher geplant habe, das bolivianische Pantanal zu erkunden...
Silvia und ich begeben uns nach El Carmen del Rincon, von wo man über eine etwa 150 Kilometer lange Piste bis zum Ausgangspunkt unserer geplanten Tour gelangen kann. Während der größte Teil der Sümpfe jetzt am Ende der Trockenzeit kein Wasser mehr führt, könnten wir dort eine längere Packraftingtour beginnen, so der Plan.
Zunächst sieht es auch danach aus, dass wir für umgerechnet 50 Euro einen Wagen chartern können, der uns in die Nähe der Laguna Gaiba bringt. Als dann aber der Fahrer erscheint, verdoppelt sich der Preis plötzlich. Normalerweise einigt man sich dann nach einigem Verhandeln auf einen für beide Seiten akzeptablen Betrag, aber in diesem Fall geht der Fahrer nicht mal um einen Boliviano nach unten. Wir erfahren dann auch den Grund dafür: Die Piste ist ziemlich schlecht und wird nach Regenfällen schnell unbefahrbar. Die ersten Niederschläge stehen unmittelbar bevor, daher besteht ein großes Risiko, dass die Rückfahrt von der Lagune unmöglich wird.
Wäre ich alleine, würde ich das Abenteuer wahrscheinlich trotzdem wagen, in dem Wissen, dass ich zur Not zu Fuß und mit Packraft irgendwie zurück käme. Aber zu zweit erscheint mir diese Tour auch nach unseren Erfahrungen im Noel Kempff Mercado Nationalpark als wahrscheinlich zu schwierig.
Kurzerhand entscheiden wir, auf den Besuch des bolivianischen Pantanal zu verzichten und statt dessen die brasilianische Seite anzusteuern.
Zwar hatten wir uns schon in Santa Cruz im Internet über die Möglichkeiten auf der brasilianischen Seite informiert, aber als wir schließlich in Corumba eintreffen, erleiden wir doch zunächst einen kleinen Kulturschock...
Mit meinem Spanisch war ich recht gut in Bolivien klar gekommen, aber in Brasilien spricht man portugiesisch. Es gibt zwar Leute, die meinen, dass diese Sprachen eng verwandt seien. Das mag auch so sein, aber ich kann versichern, kommt man aus einem Land wo spanisch gesprochen wird, in ein Land wo das Portugiesische verwendet wird, versteht man erst einmal gar nichts...
Während uns in Bolivien die Bevölkerung ziemlich homogen, mit überwiegend indianischen Wurzeln erschien, sehen die Leute auf der brasilianischen Seite völlig anders aus, mit mehr weiß und schwarz in der Mischung.
Zudem wirkt selbst eine relativ kleine Stadt wesentlich entwickelter und moderner als sogar weite Teile von La Paz...
Glücklicherweise werden wir kurz nach Verlassen des Busterminals gleich auf englisch angesprochen. Offenbar sind manche Leute hier darauf spezialisiert, ankommende Touristen zu Reisebüros zu begleiten, wo dann schnell Touren ins Pantanal verkauft werden.
Gut, wir hören uns auch an was hier geboten wird, merken aber schnell, dass es nicht das ist, was wir suchen.
Zu unserem Glück ist einer der englischsprachigen Begleiter, die auf eine Provision der Reisebüros aus sind, Grigorios, ein alter Grieche. " Ich weiß, ihr sucht das wahre Pantanal, und genau das kann ich euch bieten". Wenn ich so flotte Sprüche höre, bin ich zunächst einmal misstrauisch, dennoch folgen wir dem Griechen zum Haus der Familie de Barros. Diese betreibt eine Frühstückspension in der Stadt, besitzt vor allem aber eine große Rinderfarm (Fazenda), 250 Kilometer von Corumba entfernt, mitten im Pantanal.
4Cantos, so heißt die Fazenda, nimmt seit einigen Jahren auch Gäste auf. Nachdem wir der gut englisch sprechenden Tochter Roberta lange unsere Wünsche erklären, werden wir uns schließlich über den Preis für einen 10- tägigen Aufenthalt einig.
Bei der Familie de Barros in Corumba
An der Wand hängt eine Karte, auf der die Grenzen der Fazendas im südlichen Pantanal eingezeichnet sind. Das häufige Vorkommen von Doktortiteln unter den Besitzern ist dabei auffällig.
Wir erfahren später, dass die Farmen häufig von reichen Städtern als Geldanlage gekauft werden, die sich in der Regel nur selten auf den Fazendas blicken lassen. Jedenfalls scheint hier alles in Privatbesitz zu sein, weshalb eine selbstständige Tour legalerweise wohl kaum möglich wäre...
Unser Führer Emerson Maldonado de Barros
Noch in der Dunkelheit starten wir bereits um 5 Uhr morgens die lange Fahrt nach 4Cantos. Neben dem Fahrer sind auch noch Emerson und die Köchin Aparecita an Bord des kleinen, grünen Toyota Lasters. Hinter Corumba überqueren wir noch eine steinige Hügelkette, dann geht es endgültig ins Flachland. Eine Zeit lang folgen wir der gut ausgebauten Piste Estrada Parque, die bis nach Campo Grande führt. Wir überqueren den breiten Rio Paraguay auf einer Fähre, und biegen schließlich in einen Erdweg ein, der in den abgelegenen Nhecolandia Bereich des Pantanal führt. Wir kommen nur langsam voran, was nicht zuletzt an den häufigen Viehzäunen liegt, deren Tore geöffnet und geschlossen werden müssen.
Dafür können wir die sandige Landschaft aus sattgrünen Weiden, Buschland, und Palmenwäldern in Ruhe betrachten. Zu unserer Überraschung gibt es hier aber wenig Wasser, obwohl nach Emersons Worten, die meisten Weiden in der Regenzeit überflutet werden. Manchmal passieren wir riesige Herden weißer, schwerer Zeburinder und sehen entfernt die repräsentativen Häuser der großen Fazendas. Aber auch reichlich Wildtiere können wir beobachten, von Nandus über Pampashirsche bis zu großen Trappen und Caracaras. Kleine Eulen, sind tagaktiv und scheinen im Boden zu brüten. Einmal sehen wir einen Tayra, das ist ein riesiger dunkler Marder, den auch Emerson nur selten beobachtet.
Die Landschaft wird tatsächlich immer schöner und nach neuneinhalb Stunden haben wir schließlich tatsächlich die Fazenda 4Cantos erreicht.
Der große, rote Klinkerbau mit marmorgefliester Veranda wird von einem schattigen Baumbestand umgeben, in dem Schweine, Hunde und Hühner frei umherstreifen.
Wir werden sehr freundlich von Bilou, einer der Besitzerinnen begrüßt. Außer ihr arbeiten hier lediglich noch zwei Männer, die überwiegend für das Vieh zuständig sind, und zwei Frauen.
Wir werden mit Kaffee und Limonenaft im Schatten der Bäume bewirtet, wo auch die übrigen Mahlzeiten statt finden. Danach relaxen wir erst einmal.
Fazenda 4Cantos
Nachdem es ein wenig geregnet hat, unternehmen wir mit Emerson einen Nachmittagsspaziergang.
Unser Guide untersucht stets den Sand auf Fährten und richtet sein Hauptaugenmerk auf die Umgebung von Fruchtbäumen, die gerne von allerlei Tieren aufgesucht werden. Viele Früchte sind auch für uns eine Delikatesse, so lässt uns Emerson einige von ihnen probieren, ob Mangava oder Corva, alle sind lecker!
Fruchtsaison im Pantanal
Wir beobachten eine ganze Reihe von Tieren, besonders haben es uns die Papageien angetan, die hier in zahlreichen Arten vorkommen.
Ozelot
Das Abendessen ist grandios, ebenso wie alle Mahlzeiten hier auf 4Cantos! Erstaunlich, was man hier im Busch alles so zaubern kann.
In der Nacht bringen heftige Gewitter die ersten ergiebigen Niederschläge der Regenzeit und auch am nächsten Tag regnet es noch drei mal. Dazwischen wird es aber sehr heiß und lebhafte Wolkenformationen verraten, dass der nächste Guss nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.
Dennoch erkunden wir mit Emerson auf zwei Pirschgängen morgens und abends die Umgebung der Fazenda.
Pampashirschkuh mit KitzAls wir einige Zeit an einem Wasserlock sitzen, nehmen wir entfernt eine Bewegung wahr: Ein großer Ameisenbär!
Gegen den Wind pirschen wir ihn langsam an, und gelangen schließlich bis auf lediglich fünf Meter Entfernung an das urig wirkende Tier mit riesigen krallenbewehrten Füßen und einer Staubsaugerschnauze heran. So ausgerüstet, kann der Bär Ameisen - und Termitennester plündern.
Ameisenbär
Aber auch im Baumbestand an der Fazenda gibt es stets etwas zu sehen. Während wir die roten Aras schon kennen, haben die großen, blauen Hyazintharas ihr Hauptvorkommen im Pantanal.
Aras
Nachdem es gegen Abend noch einmal geregnet hat, erleben wir einen fantastischen Sonnenuntergang.
Die Sonnenuntergänge der Regenzeit sind besonders prächtig
Am nächsten Morgen beziehen wir ein Lager in einem Palmwäldchen etwa 10 Kilometer abseits der Fazenda, in dem wir einige Tage bleiben wollen. Die Lage unseres Camps zwischen Lagunen, Weideflächen und kleinen Wäldern ist toll.
Eine große Plane und die für eine gepflegte Siesta unentbehrlichen Hängematten schaffen einen idyllischen Wohn- und Kochbereich, während wir unser Zelt etwas abseits aufstellen.
Lager im Palmenwald
Obwohl die Natur hier fantastisch ist, handelt es sich um keine unberührte Wildnis, wie uns auch einige Vaqueros (brasilianische Cowboys) zeigen, die eine Zebuherde in der Nähe vorbei treiben.
Die Fazendas haben in der Regel nur wenig Personal und heuern selbstständige Vaqueros an, wenn Vieh von einer Weide zur anderen, oder auch Richtung Schlachthof getrieben werden muss.
Vaqueros bei der Arbeit
Nachdem wir uns eingerichtet haben, erkunden Silvia und ich die Umgebung.
Libelle |
Tukane
Jabirú- Störche
Während wir drei während der Siesta in von Emerson aufgespannten Hängematten dösen, hören wir merkwürdige, dumpfe Geräusche aus dem Wald. Ich will die Quelle der Laute unbedingt ergründen, und pirsche daher vorsichtig in die Richtung, aus der die Rufe kommen. Schon bald ist mir klar, dass da eine Horde Brüllaffen sich unweit unseres Camps aufhält, aber es ist gar nicht so einfach, die großen Affen in der dichten Belaubung auszumachen. Schließlich gelingen mir aber doch einige Bilder. Interessant ist, dass es hier sowohl kohlrabenschwarze, als auch hellbraune Individuen gibt.
Eine Horde Brüllaffen in der Nähe des Lagers
Später unternehmen wir einen Erkundungsgang mit Emerson.
Die seeschwalbenähnlichen Scherenschnäbel, die ich bereits aus Guyana kenne, kommen laut Emerson hier nur auf dem Durchzug vor.
Scherenschnäbel
Wir entdecken abseits des Wassers einen Kaimanschädel. Wenn während der Trockenzeit viele Gewässer austrocknen, wandern diese Verwandten der Krokodile mitunter über Land, um eine neue fischreiche Heimat zu finden. Allerdings ist ihre Suche häufig nicht von Erfolg gekrönt, weshalb man auch weit ab vom Wasser ihre Reste finden kann.
Kaimanschädel
Jetzt, am späten Nachmittag ist das Licht fantastisch und sorgt in Verbindung mit der nach den ersten Regenfällen sattgrünen Landschaft für schöne Bilder. Die fast ausgetrockenen Mulden im Gelände haben sich bereits deutlich gefüllt...
Nach dem Bad
Abens bereitet Emerson Nudeln und Trockenfleisch über dem Feuer zu. Später haben wir dann noch richtig "Busch- Entertainment": Aus unserer "Hauslagune" leuchten rote Kaimanaugen. Das Froschkonzert erinnert an die Formel 1, Glühwürmchen und Sterne leuchten...
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