In der Nacht und auch am Morgen regnet es, daher schlafen wir länger. Gegen Mittag fallen zwar nur noch die dicken Tropfen von den Bäumen, aber es ist weiterhin so nebelig, dass wir beschließen nicht loszugehen. Der nächste Abschnitt führt uns für viele Kilometer weiter über einen offenen, aussichtsreichen Kamm und es wäre schade, diese Route zu wandern ohne etwas zu sehen. Abgesehen davon tut uns der erste komplette Ruhetag nach 51 Tagen unterwegs bestimmt gut! Wir haben genug Essen und durch das Solarmodul genügend Strom für unsere Handys, so dass wir den Zelttag gemütlich mit Chillen, Lesen und Podcasts verbringen können.
In der Nacht zeigt sich der Mond und am Morgen sieht es nach einem schönen Tag aus. Schon bald gelangen wir an etliche, recht gut erhaltene Ruinen. War dies eine Sommersiedlung der Hirten? Die Vegetation ist noch ziemlich nass, so dass Schuhe, Socken und Hosen bald ziemlich durchnässt sind. Als wir eine Abkürzung um einen Berg herum nehmen, wird es für ein Stück ziemlich unangenehm uns durch Ginster und Brombeeren zu winden. Die Heidekraut bedeckten Kämme und erstaunlich zahlreichen Feuchtstellen erinnern uns an Schottland. Dann gelangen wir auf Fahrwege und laufen kilometerweit an sehr dicht stehenden Windrädern vorbei, von denen sich aber keines dreht. Windräder mögen ja für die dringend notwendige Energiewende notwendig sein, stellen aber leider eine ziemliche Landschaftsverschandlung da. Hoffentlich ist man hier umsichtig genug große Bereiche komplett von Windkraftanlagen frei zu halten!
Im Weiler Corconte unweit des großen Ebro Stausees, der zur Zeit einen niedrigen Wasserstand aufweist, füllen wir an einem Brunnen unsere Wassservorräte auf, und steigen dann hoch zu einem offenen Kamm, wo wir im Schutz einiger Felsen unser Lager aufschlagen, während uns einige neugierige Kühe besuchen.
Obwohl es am Morgen dunstig ist, sehen wir noch den vollen Mond am Himmel stehen und etwas später kommt die Sonne als rote Kugel hervor. Während wir Viehwegen über die offenen Kämme folgen, schrauben sich 30 Geier über uns mit der Thermik nach oben. Schließlich steigen wir durch angepflanzten Nadelwald zum Alsa Stausee ab und laufen auf einem Sträßchen oberhalb der Schlucht des Rio Torino nach Barcena de Pie de Concha. Dort kaufen wir im kleinen Supermarkt unser Mittagessen. Heute ist neben Brot, Möhren, Schinken und Käse auch eine Schale Vanille- Carameleis dabei. Als wir dann durch den Ortsteil Pie de Concha laufen, sind die Straßen geschmückt und mit merkwürdigen Gittern versehen. Des Rätsels Lösung: Bei der großen Fiesta am Wochenende wird hier ein Wettlauf mit Stieren veranstaltet, ähnlich dem großen Vorbild in Pamplona. Auch das nächste Dorf Pujayo gefällt uns sehr gut. Immerhin war es das schönste Dorf Kantabriens 2020!
Von hier wandern wir auf einem Fahrweg durch Zerreichenwälder lange aufwärts. Noch ist es sonnig und heiß, aber als wir nach etwa 900 Meter Aufstieg den Kamm erreichen kommt Nebel auf und es beginnt zu nieseln. Zwei große Hunde erscheinen plötzlich, die offensichtlich Kühe und Kälber vor Bären und Wölfen schützen sollen. Sie tragen zu ihrem Schutz sogar Stachelhalsbänder, beschnüffeln uns aber lediglich und erkennen gleich, dass wir keine Gefahr für ihre Schützlinge sind. Als später der Buchenwald bis fast zum Kamm reicht, schlagen wir unser Lager unter den Bäumen auf. Gerade rechtzeitig, denn bald beginnt es stärker zu regnen.
Da es auch am nächsten Morgen noch regnet, gehen wir erst nach 8 Uhr los. Durch Zerreichenwald gelangen wir zum hübschen Dorf Barcena Mayor, dass offensichtlich auch von Touristen besucht wird, da es hier drei große Restaurants gibt. Wir folgen ab hier dem Rio Argonza durch malerischen Eichen- und Esskastanienwald weiter aufwärts. Die dunstig-warme Atmosphäre passt perfekt zu diesem Wald in dem etliche Bäume einen Belag von Moosen und Farnen tragen. Alte Steinmauern, die teilweise bereits von den Bäumen gesprengt wurden, zeugen davon, dass hier früher Vieh intensiv geweidet hat. An Los Tojos vorbei gelangen wir in das Tal des Rio Saja. Eigentlich wollten wir eine Route über die Bergkämme nehmen, aber weiter oben hängt dichter Nebel fest. Also beschließen wir dem Fluss weiter aufwärts zu folgen. Wie sich herausstellt, eine glänzende Idee, denn der Weg durch die Schlucht ist wunderschön, wenn auch stellenweise ziemlich matschig, verursacht durch die Kühe, die hier weiden. Es gibt imposanten Buchenwald, aber auch Abschnitte mit Birken und Haseln. Als wir den Wald weiter oben verlassen, tauchen wir in dichten Nebel ein. Chips und Erdnüsse essen wir auf einer Weide mit vielen Konglomeratfelsen verschiedener Größe. Anschließend laufen wir noch etwa eine Stunde meist auf Fahrwegen und schlagen dann unser Zelt oberhalb des Wegs auf einer Weide auf. Trotz des späten Starts haben wir heute 34 Kilometer und über 1700 Höhenmeter Aufstieg absolviert!
Zum Sonnenuntergang klart es auf und wir können über ein Nebelmeer zu den Spitzen der Picos de Europa, unserem nächsten Ziel blicken.
Der folgende Morgen beginnt klar und schön. Wir wandern auf Fahrwegen durch Wiesen abwärts nach Uznayo, wo wir von vielen bellenden Hunden auf der Straße empfangen werden. Auf einem markierten, lokalen Wanderweg geht es dann weiter durch Lombrańa nach Pejanda, wo wir Kaffee und Kakao vor einer Bar trinken und die Unterkunft für heute buchen. Weiter geht es auf Fahrwegen 600 Höhenmeter aufwärts. Wir genießen die Aussicht auf die steil aufragenden Picos de Europa vor uns und in die ausgedehnten Buchenwälder an den Hängen. Anschließend geht es lange Zeit auf schönen Graswegen durch die Hänge, bis wir an mächtigen Zerreichen vorbei steil nach Ojedo bei Potes absteigen, im Tal auf lediglich 300 Metern gelegen. Wir checken in einer netten Aparmentanlage ein, baden im Swimmingpool und gehen dann für die nächsten 4 Tage einkaufen. Später kochen wir und genießen unser Essen auf dem Balkon.