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31.12.2014

Durch das Land der namenlosen Berge 8 - Der Falle entronnen

In der Nacht hat es leicht gefroren und morgens weht ein eiskalter Wind. Daher ziehe ich mir zum ersten Mal auf dieser Tour meine leichte Daunenjacke beim Laufen über. Allerdings dauert es nur eine Stunde bis die Sonne das Tal erreicht hat und es rasch warm wird. 
Wir dürfen einen traumhaften Morgen in dieser unberührten Landschaft erleben. Das gelbe Herbstgras leuchtet wunderschön vor dem strahlend blauen Himmel.







                                Ein fantastischer Morgen im Tal des Swaksa Khola

Obwohl es hier bestimmt mittlerweile in fast jeder Nacht friert, blühen noch einige letzte Blumen. Wir stoßen weder auf Weidetiere noch auf deren Kot. Offenbar kann dieses Tal, obwohl es eigentlich über gutes, weites Grasland verfügt, von keiner Seite durch Vieh erreicht werden. Vielleicht ist es aber auch einfach zu weit entfernt von den nächsten Ansiedlungen.



                                    Nichts weist auf die zeitweise Anwesenheit von Vieh in diesem Tal hin

Als wir uns langsam dem Talschluss nähern, kommen die mächtigen Gletscher an der tibetischen Grenze in Sicht.

                                Der Swaksa Khola wird von Gletschern gespeist

Bereits gegen 11 Uhr erreichen wir Pung Kharka, eine Stelle an der sich das Tal stark aufweitet und die sich als schöner Lagerplatz anbietet. Shankar Rai und sein Führer/ Träger Bahadur haben bereits ihr Lager aufgeschlagen und laden uns zum Essen ein, was wir gerne annehmen. Auf dem schweren Kerosinkocher bereitet Bahadur rasch eine scharf gewürzte Reismahlzeit zu, den wir mit einer Tasse Tee zu uns nehmen. Shankar, der aus der Gegend des Kanchängdzonga stammt ist witzig und stets gut gelaunt, wie wir in den nächsten Tagen noch feststellen sollten. Bevor er sich unlängst selbstständig gemacht hat, arbeitete er jahrelang als Führer für verschiedene Trekkingunternehmen. Ich hatte die nepalesische Gesellschaft für eher prüde gehalten, umso erstaunlicher ist es, dass das Lieblingsthema von Shankar offenbar Sex ist. Bei seinen freizügigen Erzählungen, in denen er sich auch gerne selber ein wenig "zum Affen macht", kann ich mich manchmal vor Lachen kaum halten. Sehr interessant wird es, als er uns vom Yarsagumba Pilz erzählt, der offenbar nur hier in Dolpo gedeiht. Im Mai/ Juni wächst der Pilz auf den hoch gelegenen Grasflächen der Provinz. Da vor allem die Chinesen dem Pilz wundersame Wirkungen von der Heilung von Krebs bis zur Verbesserung der Potenz zu schreiben, wird für Yarsagumba in China der dreifache Goldpreis bezahlt…
Daher ist es auch kein Wunder, dass nach Shankar's Worten hier im späten Frühjahr hunderte von Pilzsammlern lagern. Wo so viel Geld verdient werden kann, gibt es natürlich auch Räuber, die den Sammlern ihre Ware abnehmen wollen. Daher ist Shankar ein wenig um die Sicherheit seiner Schweizer Kunden besorgt, mit denen er ja um diese Zeit hierher wandern möchte.

                                             Lustige Pause mit Shankar und Bahadur

Mittlerweile hat auch die deutsche Gruppe ihr Lager in der Nähe aufgeschlagen. Bernd und ich gehen noch ein Stückchen weiter um eine Talkurve herum, bis wir unsere Zelte auf etwa 4700 Meter Höhe  aufschlagen.




                                                  Im Talschluss des Swaksa Khola

Hier in der Nähe soll der Aufstieg zum Yala La, unserem nächsten, über 5000 Meter hohen Pass beginnen. Allerdings lässt sich zunächst nirgendwo eine Wegspur ausmachen. Da es noch früh ist, breche ich zu einer Erkundungstour auf. Laut dem Führer wurde der Weg zum Pass vor einiger Zeit verlegt, da auf der alten Route viele Menschen durch Steinschlag umgekommen waren. Ich beginne den Aufstieg weglos in einem steilen Grashang. Zwar treffe ich hier auf keinen Weg, aber etwas Müll, wie weggeworfenen Dosen, zeigt mir, dass ich auf der richtigen Spur bin. Leider hat sich das Wetter jetzt deutlich verschlechtert, ab und zu gehen Schnee - und Graupelschauer nieder.
Nach dem Grashang flacht das Terrain ab, und ich kann in einiger Entfernung einen von zahlreichen Steinmännchen gekrönten Bergeinschnitt erkennen. Das muss der Pass sein!
Als ich zurück in unser Lager gelange, ist der Schneefall stärker geworden. Dennoch beschließen wir unverzüglich die anderen beiden Gruppen zu besuchen um ihnen von meiner Entdeckung zu berichten.
Je näher wir den Zelten der anderen kommen, desto heftiger wird der Schneefall. Wenn das so weiter geht, sitzen wir mit etwas Pech hier in der Falle, da bei hohem Neuschnee weder der Yala La, noch der von uns bereits bewältigte Nyingma Gyanzen La zu passieren sind. Bald treffen wir Nima Sherpa, den Führer der Deutschen und Shankar, die ebenfalls eine Erkundungstour hinter sich haben. Da sie nur eine schwierige Route ausmachen konnten, sind sie sehr daran interessiert, dass ich bereits den Weg zum Pass gefunden habe. Wir gehen zum großen Küchenzelt der Deutschen um mit ihnen das  Vorgehen abzusprechen. Alle sind sich einig, dass wir die weitere Entwicklung des Wetters abwarten müssen. Falls es die Bedingungen erlauben, wollen wir morgen den Yala La gemeinsam in Angriff nehmen. Glücklicherweise hat der Schneefall bereits aufgehört, dennoch ist es bei 0 Grad kalt, grau und ungemütlich. Wir sind gespannt was uns morgen erwartet!
Gut, dass ich mein "Tarp" mit dem Innenzelt aufgebaut hatte. Als ich um 4.30 Uhr morgens aufstehe, beträgt die Temperatur nur noch - 10 Grad! Der kleine Bach bei unserem Lager ist komplett zugefroren! Auch mein Innenzelt gleicht eher einer Eishöhle. Ich lege sämtliche Kleidungsstücke an, die ich dabei habe und mache mich, nachdem ich Müsli gefrühstückt habe, auf zum Lager der Deutschen. Obwohl es einem von ihnen gestern noch ziemlich schlecht ging, wollen sie ebenfalls heute über den Pass. Glücklicherweise hat es in der Nacht nicht mehr geschneit. Bernd, ist irgendwann auch abmarschbereit und so laufen wir gegen 7 Uhr dann los.
Nachdem ich den steilen Grashang wieder erklommen habe, stehe ich in der Sonne und kann ungehinderte Aussichten auf die Grenzberge im klaren Himmelsblau genießen. Einen Großteil der Kleidung kann ich jetzt, nach nur einer Stunde Wanderung, bereits wieder ausziehen.


                                    Vergletscherte Berge auf dem Grenzkamm

Durch ein Schotterbecken geht es zunächst recht langsam ansteigend weiter, bis dann noch einmal ein knackiger Schlussanstieg bewältigt werden muss.



                                  Durch weite Schotterflächen zum Yala La

Bereits um 10 Uhr haben ich, so wie Shankar und einige Nepalesen bereits die Passhöhe auf 5414 m erreicht. Die Aussicht von hier ist zwar nicht ganz so großartig wie vom Nyingma Gyanzen La, aber bei dem strahlenden Wetter immer noch schön genug. Nima, der Sherpaführer der Deutschen erzählt mir, dass sämtliche 5000 'er, die um uns herum aufragen, noch unbestiegen sind, und zum großen Teil nicht einmal einen Namen haben…
Erstaunlich, dass es so etwas in dem populären Reiseland Nepal noch gibt. Aber wahrscheinlich locken die großen Namen wie Mount Everest eher die Bergsteiger, als relativ niedrige, namenlose Gipfel. Obwohl der Abenteuercharakter diese Besteigungen sicher zu einem tollen Erlebnis machen würde…


                                                                   Yala La (5424m)

Der Abstieg durch steiles Schrofengelände ist bei den heutigen Bedingungen unschwierig. Das würde aber anders aussehen, wenn es gestern weiter geschneit hätte oder die Felsen vereist wären…


                                                      Abstieg vom Yala La

An einer sonnigen, windgeschützten Stelle warte ich eine Stunde lang auf Bernd, der schließlich auch eintrifft. Die Aussicht von hier in das Tal des Chyandi Khola, unserem nächsten Ziel, sind fantastisch!

                                               Das Tal des oberen Chyandi Khola




Es ist toll, durch die goldenen Grasflächen in dieses weitere, unberührte Tal hinein zu laufen.


                                Blick zurück zum Yala La

Der schönste Platz ist ein Nebental, dass sich bis zu den Gletschern des Changdi Lek erstreckt. Ich würde gerne schon jetzt ein Lager aufschlagen, um die herrliche Gegend zu erkunden. Allerdings ist es dafür eigentlich zu früh, und die Nacht auf noch immer fast 5000 Meter Höhe wird sicher wieder bitter kalt…



                                     Die Gletscher des Changdi Lek

Also steigen wir weiter ab und verlieren langsam an Höhe.



                                                     "Tibetische Landschaft"

Wir gelangen zum Lager der anderen Gruppen, die uns zwischenzeitlich überholt hatten. Leider liegt hier eine ganze Menge Müll herum. Wohl eine Hinterlassenschaft der Yarsagumba Sammler, die hier im  Frühsommer in ganzen Heerscharen lagern.
Shankar erzählt uns von einer Höhle weiter talabwärts, die laut Bahadur einen guten Lagerplatz abgibt.
Ein Stück unterhalb ändert das Tal vollkommen seinen Charakter: Es wird zunehmend steiler und stellenweise ist es dicht mit Tamarisken und Weiden bewachsen.

                                                           Dichte Vegetation

Laut dem Führer wartet bald eine Schlüsselstelle auf uns, für die man gegebenenfalls ein Seil benötigt. Nun, wir haben kein Seil dabei und sind entsprechend gespannt. Der häufig kaum sichtbare Pfad verlässt den Talboden und verläuft oberhalb von einer steilen Klippe. Bald ist nichts mehr von einem Weg zu erkennen und das Vorwärts kommen wird zunehmend schwierig und nicht ungefährlich.

                                           Balancieren am Abgrund einer steilen Klippe

Schließlich treten wir den Rückzug an. Uns war ein Steinmännchen am Bach aufgefallen. Sollte hier ein Übergang möglich sein? Tatsächlich, wir finden eine Stelle, an der der mittlerweile reißende Chyandi Khola problemlos durchquert werden kann.

                                         Hier lässt sich der Chyandi Khola durchwaten

Ein Stück weiter stoßen wir auf eine schmale Steinbrücke, die uns zurück auf die andere Seite gelangen lässt. Dort entdecken wir den großen Überhang von dem Shankar erzählt hatte. Leider befindet sich auch in der Höhle allerhand Müll. Ich erkunde das Flusstal noch ein Stück weiter abwärts und erkenne schon bald, dass der morgige Tag in dem schluchtartig eingeschnittenem Tal ziemlich schwierig werden wird…
Während gegen Abend leichter Regen einsetzt, können wir in unserem geschützten Lager gemütlich kochen. Wie an jedem fünften Tag gibt es auch heute eine Fertigmahlzeit Käsespätzle, mein Lieblingsgericht auf dieser Tour….

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