Von Stuttgart aus nutze ich das Deutschlandticket und fahre per Bahn über Tübingen und Hechingen nach Jungingen, wo ich schon auf meiner großen Deutschlandtour vor drei Jahren gewesen war. Ab dort war ich damals ins Innere der Schwäbischen Alb gelaufen, dagegen möchte ich diesmal dem Nordrandweg des Schwäbischen Albvereins, auch HW 1 oder Albsteig genannt, weiter am Rand des Plateaus folgen. Es ist ziemlich kühl und windig. Während ich im Zug sitze, geht sogar noch ein Schauer nieder, aber als ich losgehe, ist teilweise sogar Sonne und blauer Himmel zu sehen. Ich habe mir vorgenommen, in fünf Tagen etwa 150 Kilometer bis nach Gingen an der Fils zu laufen, von wo ich mit der Bahn zurück nach Hause will.
Schon bald nach dem ich den Ort verlassen habe, wandere ich durch eine abwechslungsreiche Kulturlandschaft, in die winzige blaue Enziane, Primeln und noch blühende Küchenschellen Frühlingsakzente setzen. Es fühlt sich toll an, unterwegs zu sein und meine Stimmung könnte kaum besser sein. Meist führt der mit einem roten Dreieck gut markierte Weg auf schmalen Pfaden direkt oberhalb der steil abfallenden Abbruchkante entlang, wo häufig Wände aus hellen Kalksteinfelsen aufragen. Vor nicht allzu langer Zeit hat hier offenbar ein Sturm zahlreiche Buchen umgeworfen, daher sieht der Wald ziemlich „gerupft“ aus, immerhin ist der Weg gut freigeräumt. An diesem Dienstag nach Ostern ist hier nur wenig los, immerhin treffe ich aber insgesamt 4 Leute mit größeren Rucksäcken, die offenbar über mehrere Tage unterwegs sind. Thalheim ist der einzige Ort, den ich heute durchquere, über weite Strecken wirkt die Landschaft ziemlich einsam. Genau das richtige für mich! Allerdings scheint hier in der Forstwirtschaft noch nicht angekommen zu sein, dass sich der Wald in einer tiefen Krise befindet und es zur Zeit extrem wichtig ist, dass Kronendach möglichst geschlossen zu halten, damit sich der Wald durch Verdunstung und Beschattung selber kühlen kann. An vielen Stellen sind zahlreiche Buchenstämme am Weg aufgeschichtet und einmal passiere ich sogar einen richtigen Kahlschlag. Selbst wenn die gefällten Buchen trockenheitsbedingt geschädigt waren, ist das ganz sicher keine adäquate Reaktion. Im Gegenteil, man kann darauf warten, dass der angrenzende Wald, jetzt plötzlich der vollen Besonnung ausgesetzt, als nächstes ebenfalls große Probleme bekommt.
Als ich gegen 17:30 Uhr die Riedernberghütte erreiche, koche ich erst mal Nudeln auf meinem Gaskocher. Zunächst hatte ich daran gedacht, hier die Nacht zu verbringen, aber der Abend ist so schön, dass ich beschließe, nach dem Essen noch weiterzulaufen. Ich genieße den Sonnenuntergang über den Wiesen und erreiche dann die Bollberghütte, wo zu meiner Überraschung drei junge Frauen draußen an einem Lagerfeuer sitzen. Sie haben ihre Hängematten im Inneren der geschlossenen Hütte aufgebaut, und sagen, dass ich doch ebenfalls gerne dort übernachten kann. Allerdings ziehe ich es vor noch ein Stück weiterzulaufen, und dann im Wald im letzten Tageslicht mein Lager aufzuschlagen.
Blick zur Burg Hohenzollern
Felsiger Boden
Obwohl die Nacht ziemlich frisch ist, friere ich nicht in meinem Daunenschlafsack. Heute verläuft der Weg zunächst teilweise etwas vom Albrand entfernt. Am Rand von Genkingen beobachte ich zwei Bussarde auf ihrem Horst hoch in einer Buche. Auf der Schwäbischen Alb gibt es zahlreiche Höhlen. Die Nebelhöhle, die ich passiere, ist sogar für die Öffentlichkeit zugänglich. Aber natürlich muss man hier Eintritt bezahlen. So richtig viel ist das Gras auf 800 Meter Höhe noch nicht gewachsen, daher sehe ich nur einmal entfernt eine Schafherde. Am Schloss Lichtenstein, einer 1840 im Stil der Romantik erbauten Burganlage hoch über dem Achatztal, ist eine ganze Menge los. Klar, wo man mit dem Auto hinfahren kann, begegnet man stets mehr Menschen, als irgendwo im Wald…
Ab Mittag regnet es dann kontinuierlich, wenn auch nicht allzu stark. Allerdings nervt das kühle, windige Wetter schon ein wenig. Als ich dann gegen 17 Uhr die steinerne Hütte am Spielplatz Göllesberg erreiche, habe ich genug und schlage nach etwa 28 Kilometern mein Lager auf, während es noch lange weiter regnet und ziemlich kühl ist. Allerdings lassen sich die Temperaturen in meiner Daunenjacke gut aushalten, auch wenn die bereits 10 Jahre alt ist, und nicht mehr so gut wärmt…
Ich laufe am Rand von großen Wiesen, wo ich entfernt am Waldrand einen Fuchs entdecke, der sich eine ganz Zeit lang beobachten lässt. In der abwechslungsreichen, offenen Landschaft, sehe ich immer wieder Rotmilane. Deutschland ist für diese Greifvogelart der wichtigste Lebensraum. Allerdings sind die hübschen Zugvögel zunehmend bedroht, unter Anderem auch durch Windräder. Hier im Biosphärengebiet Schwäbische Alb gibt es allerdings keine Windkraft, vielleicht mit ein Grund, dass die Vögel hier offenbar noch recht häufig sind. Die ausgedehnten Wiesenbereiche werden teilweise von staatlichen Domänen genutzt, die auf Pferdezucht spezialisiert sind. Oberhalb von Reutlingen ragt der von einer Ruine gekrönte Berg der Achalm steil auf und dann geht es hoch zum Aussichtsturm der Hohen Warte. Hier hatte ich schon mal mit Anke übernachtet. Allerdings ist die Aussicht nicht besonders spektakulär. In der Nähe des Uracher Wasserfalls ist die Szenerie mit steilen, weißen Felswänden, die aus dem Waldmeer hervorleuchten, dagegen sehr schön.
Hinter dem Wasserfall, zu dessem oberen Rand ich gelange, treffe ich dann Martin, einen Schweizer Wanderer, der schon einige größere Wandertouren unternommen hat und jetzt den kompletten, 270 Kilometer langen Albsteig erwandert. Wir unterhalten uns eine Zeit lang, bevor wir in entgegengesetzte Richtungen weiter laufen. Schließlich steige ich zum Bahnhof von Bad Urach ab. Es regnet mal wieder und die Aussicht für heute Nachmittag ist ziemlich schlecht, daher setze ich mich kurzerhand in den Zug nach Hause, denn ab morgen soll das Wetter richtig schön werden…
Nach gut zwei Stunden Fahrt, setze ich am nächsten Morgen um 9:30 Uhr meinen Weg in Bad Urach fort. Es ist schon deutlich wärmer und verspricht ein sehr schöner Tag zu werden. Nachdem ich das nette Städtchen durchschritten habe, geht es steil hoch zum Albtrauf. Dort am Nägelesfelsen gibt es eine Kernzone des Biosphärengebiets. Diese eigentlich „Biosphärenreservate“ genannten Gebiete, sind eine internationale Schutzkategorie. Eine der Vorgaben ist, das 3 % der jeweiligen Reservate nicht mehr wirtschaftlich genutzt werden. Auf der Schwäbischen Alb liegen diese Kernzonen wohl fast ausschließlich in den steilen Hängen des Albrandes, die aber auf Grund des Geländes auch in der Vergangenheit wohl kaum forstwirtschaftlich genutzt wurden. Es gibt hier am Nägelesfelsen sogenannte „Höllenlöcher“, tiefe, durch die Erosion entstandene Gräben zwischen Felswänden vor dem eigentlichen Albrand. Etwas später führt mich der Weg dann malerisch am Waldrand entlang, wo ich einer Frau begegne, die ihren Schimmel führt. Sie macht eine zweitägige Tour und hat ihren Rucksack auf den Pferderücken geschnallt. In der Nähe der Burg Hohenneuffen sind viele Leute unterwegs. Bei meiner Schokoladenpause mittags kommt eine Familie vorbei, die neben einem Hund auch ein kleines, süßes Lämmchen bei ihrem Spaziergang dabei hat.
Vielerorts gibt es Tafeln die etwas erklären, zum Beispiel zum Schwäbischen Vulkan, der hier vor Millionen Jahren viele Schlote hinterlassen hat, oder zu einer großen keltischen Siedlung die auf einem Hochplateau gebaut worden war.
Ein langer Abstieg führt mich nach Owen, dass in einen Traum aus weiß eingehüllt ist, der von zahlreichen, blühenden Obstbäumen hervorgerufen wird.
Anschließend geht es steil hoch zur Burg Teck, die mit ihrem weißen Turm auf einem isolierten Bergkamm steht. Dort oben wachsen viele schöne Frühjahrsblüher, vor allem der Lerchensporn hat es mir angetan!
In Ochsenwang fülle ich meinen Wasserbeutel am Friedhof auf, genieße die Aussicht vom Breiten Stein über die darunter liegende Ebene mit den ersten blühenden Rapsfeldern, und schlage schließlich im Wald unterhalb des Steilrands mein Lager auf. Es ist sommerlich warm, so macht das Outdoorleben gleich noch mehr Spaß!
Am nächsten Morgen gelange ich bald zum Randecker Maar, einem ehemals Wasser gefüllten Einsturzkrater, der sehr malerisch von Wiesenflächen, die mit Felsblöcken gesprenkelt sind und vielen weiß blühenden Schlehen eingefasst wird. Im Wald sehe ich ein Reh, dass sich wenig scheu verhält. Erst bei näherem Hinsehen, stelle ich fest, dass offenbar sein rechtes Hinterbein verletzt ist. Ein Autounfall?
Am Hof Ziegelhütte erklären Schilder anschaulich, dass obwohl die Zahl der Höfe zurückgegangen ist, immer mehr Milch produziert wird. Industrielle Landwirtschaft, zu der dieser Hof eine Alternative aufzeigt. Es ist heute sommerlich warm, teilweise fast schon heiß. Daher sind viele Leute unterwegs und oft hört man auch das Dröhnen von Motorrädern. In Deutschland wird ja fast alles reguliert, warum sind solche Lautstärken bei reinen Hobbymaschinen erlaubt, die noch dazu schlecht fürs Klima sind?
Hier verläuft der Weg häufiger in Straßennähe, mit der Überquerung der A 8 als Höhepunkt. Von einer Brücke betrachtet denke ich nur, dass der Verkehr ein Wahnsinn ist!
Ich will heute Abend beizeiten zu Hause sein, daher nehme ich die Beine ziemlich in die Hand, obwohl ich 15 Kilometer vor Gingen schon ziemlich kaputt bin. Dann löffle ich aber etwas Schokocreme so dass ich danach nur so dahin fliege und tatsächlich schon um 17:45 Uhr am Bahnhof bin. Laut Track sollten das heute nur 37 Kilometer sein, meine Aufzeichnung weist aber 45 Kilometer mit 900 Höhenmeter Aufstieg aus…
Egal, jedenfalls habe ich die Wanderung auf der Alb sehr genossen, und fühle mich auch fit genug für die Herausforderungen die in Afrika auf mich warten…
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