Beim Frühstück erscheinen nur drei der jungen Deutschen, die mich mitnehmen wollen. Felix, der Vierte hat Magenprobleme und muss erst noch Kraft sammeln, bevor wir losfahren können.
Erst gegen Mittag verlassen wir Namtib und sind bald wieder auf der D 707, die nach wie vor ihrem Ruf gerecht wird, die schönste Straße des Landes zu sein. Während der Fahrt ist die Stimmung gut und ich unterhalte mich angeregt mit den vier Würzburgern, die alle akademische Abschlüsse und gut bezahlte Jobs haben. Für ihr Alter sind sie schon gut rumgekommen von Indonesien über Kanada bis Bolivien. Tauchen und Segeln zählt zu ihren Hobbys, und Simon hat auch schon mehrtägige Wanderungen unternommen.
Nach zwei Stunden erreichen wir Betta, eine Farm mit Tankstelle und Campingplatz mit erstaunlich grünem Gelände, wo ich in dem kleinen Laden meinen Proviant ergänze. Statt Müsli gibt es jetzt Weetabix…
Als wir weiterfahren sehen wir drei Geier an einem Tier fressen, was offensichtlich bei einem Unfall getötet wurde. Neben vielen Oryx und Springböcken sehen wir sogar 2 Giraffen jeweils an einer Akazie. So viele Bäume gibt es hier doch gar nicht, ist das wirklich ein Lebensraum für die Langhälse?
Gegen 15:30 lasse ich mich schließlich auf offener Strecke aussetzen. Etwa fünf Kilometer weiter beginnt das private Namib Rand Reservat, in dem man nicht übernachten darf, wenn man kein Gast ist, wie ich gelesen habe. Ob das hier auf der Farm deren Zaun ich rasch überklettere, anders ist, wage ich zu bezweifeln…
Daher verlasse ich die Nähe der Straße so schnell wie möglich und halte auf den Rand eines kleinen Berges zu. Dort angekommen fällt mir spontan ein, wie reizvoll es wohl wäre, dort oben, mit fantastischem Rundumblick mein Nachtlager aufzuschlagen. Gedacht getan! Tatsächlich ist der Aufstieg nicht ganz einfach und an einer Stelle benötige ich sogar die Hände zum Klettern. Aber schließlich bin ich oben und entdecke nach einiger Suche ein kleines, ebenes Plätzchen wo ich die Steine wegkratze um genug Platz für meine einfache Isomatte zu haben. Das Cowboycamp ist perfekt! Es ist leicht bewölkt und regnet ganz wenige Tropfen. Ich sehe die Sonne über der braunen Ebene und den umgebenden Bergen untergehen, koche Nudeln und genieße später den fantastischen Sternenhimmel der Wüste ohne künstliche Lichtquellen weit und breit.
Schon um 5:15 bin ich wieder unterwegs. Glücklicherweise finde ich eine Stelle, wo der Hang nicht so steil ist wie gestern und ich im Licht der Stirnlampe gut laufen kann.
Schon nach einer halben Stunde habe ich die Piste wieder erreicht. Ein Schild verkündet, dass hier das private Namib Rand Reservat beginnt. Es entstand durch den Zusammenschluss ehemaliger Schaffarmen und umfasst mehr als 2000 Quadratkilometer Fläche, die achtfache Größe des Nationalparks Bayerischer Wald!
Heute gibt es hier keine Schafe und Zäune mehr und man verdient sein Geld mit dem Betrieb einiger Luxusunterkünfte.
Ich wandere auf der breiten Schotterstraße zwischen braunen Bergen hindurch, die auf der einen Seite dann von der aufgehenden Sonne rot gefärbt werden. Ich sehe drei Springböcke und einige Oryx, dann zieht entfernt eine 7-köpfige Herde von Hartmannzebras entfernt mir entgegen. Diese hübschen, intensiv gestreiften pferdeverwandten kommen nur in den Bergen Namibias vor!
Schließlich gelange ich aus den Bergen und kann den Straßenverlauf in der steinigen Ebene endlos weit überblicken. Links ragt ein schwarzer Berg aus dem roten Sand der Namib. Eine überwältigende Landschaft!
Einmal sehe ich einen Strauß entfernt auf der Straße. Erst gegen 9:30 erscheint das erste Auto, was dann tatsächlich bei mir hält. Waltraud stammt aus Namibia und Gerhard aus Südafrika. Die Beiden leben allerdings in Australien und sind hier als Touristen unterwegs. Beide sind sehr nett und stark an meinen Touren interessiert. Da ich noch genug Flüssigkeit habe, nehme ich nicht das von Ihnen angebotene Wasser in Anspruch.
Mittags raste ich im Schatten eines Busches etwas abseits der Straße, wobei mich 5 leise rufende, am Boden nach Sämereien suchende Namaqua Flughühner besuchen. Nachmittags herrscht deutlich mehr Verkehr, um die 10 Autos pro Stunde, deren lange Staubwolken nerven. Das ich nicht in einer Wildnis bin, zeigen auch einige Gebäude und eine Flugpiste für anreisende Gäste. Lediglich ein Auto hält. Es kommt von einer Lodge und transportiert Touristen. Der Fahrer fragt ob ich Wasser brauche und gratuliert mir. Dabei hatte ich schon befürchtet irgendwann mit den Reservatsleuten Ärger zu kriegen, schließlich sind einzelne Wanderer wie ich bestimmt nicht vorgesehen…
Später am Nachmittag verlasse ich die Piste und laufe zwei Kilometer über den harten Sand zu einem isolierten Felsenhügel, der eine herrliche Rundumsicht bietet. Leider ist es sehr windig, daher bin ich froh, ein halbwegs geschütztes Plätzchen zwischen den Felsen zu finden. Als es dann nach Einbruch der Dunkelheit ruhiger wird, beziehe ich mein Cowboycamp auf dem warmen Sand unter einem unglaublichen Sternenhimmel!
Schon um 5 Uhr bin ich wieder unterwegs, zunächst quer durch über die Sandebene, dann weiter auf der Piste. Fantastisch wie der Sonnenaufgang die Dünen zu meiner linken lachsfarben pinselt. Kein Wunder, dass dort eine Lodge liegt…
Besonders schön ist immer wieder der Kontrast zwischen rotem Sand und schwarzen Bergen.
Als ich nach 16 Kilometern Pause auf einer weiten, steinigen Ebene mache, kommt gegen 9:30 das erste Auto vorbei. Tatsächlich halten die Angestellten einer Lodge und ich darf hinten auf der Ladefläche bei den Dieselfässern mitfahren. An zwei anderen Touristenunterkünften machen wir kurz halt. Wahnsinn mit welchem Aufwand hier Luxus hergestellt wird!
Als wir weiter fahren, kommen wir bald wieder zum Stehen. Ein Reifen ist platt, den die zwei Männer schnell gewechselt haben. Schließlich erreichen wir Sesriem, das Tor zu den Dünen des Sossusvlei, der wohl bekanntesten Touristenattraktion Namibias. Kein Wunder, dass zwei Campingplätze ausgebucht sind, bei denen ich frage. An der Tankstelle, die auch zum Campingplatz gehört, erlaubt man mir aber für i sechs Euro unter einem Vordach neben der Tanke zu übernachten. Extrem ungemütlich…
Zunächst esse ich jedoch etwas im Restaurant das zum Nationalpark gehört. Später wasche ich Wäsche und dusche auf dem Campingplatz. Am Nachmittag kaufe ich dann in der recht gut ausgestatteten Tankstelle für sechs Tage ein und nutze das Internet. Zum ersten Mal seit Keetmannshoop gibt es hier Funkempfang. Statt an der Tankstelle zu schlafen beziehe ich ein Cowboycamp unter einer Akazie am Rand des Campingplatzes. Dort werde ich von Mücken zerstochen und schlafe sehr schlecht.
Mein nächstes Ziel sind die Naukluft Berge, die auch zum riesigen Namib-Naukluft Nationalpark gehören. Es gibt dort sogar einen 120 Kilometer langen Wanderweg für den man allerdings eine Genehmigung braucht. Dazu muss man sich auf ein Startdatum festlegen, mindestens zu dritt sein und ein Gesundheitszeugnis vorlegen. Das kommt natürlich nicht für mich in Frage, also will ich die Berge auf einer eigenen Route durchqueren.
Nach der Nacht auf dem Campingplatz fühle ich mich wie gerädert, von Mücken zerstochen und total schlapp. Nichts desto Trotz gehe ich um 4:40 los, zunächst eine Abkürzung querdurch, dann auf der Asphaltstraße. Mein Rucksack fühlt sich unheimlich schwer an. Ich schleppe mich dahin und muss häufig Pause machen. Trotz der frühen Stunde kommen mir schon etliche Autos entgegen, die wohl zum Sonnenaufgang im Sossusvlei sein wollen.
Um 8 Uhr erreiche ich die Kreuzung wo es rechts nach Maltahöhe und links nach Solitaire geht. Es sind zwar nur noch 14 Kilometer bis zum Start meiner Wanderung, die möchte ich aber nach Möglichkeit nicht laufen, sondern per Anhalter fahren. Ich stelle mich auf längeres Warten ein, während ich in der Nähe Schakale heulen höre, doch schon nach einer Viertelstunde hält ein Auto. Das nette, junge Paar aus Belgien ist sehr an meinen Wanderungen interessiert. Nach 14 Kilometern verlasse ich den Wagen und mache mich wanderfertig. Da hält ein Wagen und fragt, ob alles in Ordnung ist…
Ich nehme meinen Rucksack und laufe querfeldein weg von der Straße, schließlich will ich ja so wenig Aufsehen wie möglich erregen. In einem Trockenbett mit einigen Schatten spendenden Akazien mache ich schon bald halt, und döse dann krank und erschöpft den größten Teil des Tages vor mich hin, nur unterbrochen von einigen Umzügen, wenn mein Schatten verschwunden ist. In der Nähe fliegen Webervögel von unten in ihr Riesennest ein.
Als die Hitze nachmittags etwas nachgelassen hat, laufe ich noch ein Stündchen weiter, bevor ich schließlich mein Lager unter einer Akazie aufschlage. Immerhin unternehme ich noch einen Abendspaziergang bei dem ich einige grün-orange, kleine Papageien sehe. Keine Ahnung was mit mir los ist, jedenfalls schmecken mir die Nudeln mit Cashews die ich auf dem Hobo- Kocher zubereite.
Am nächsten Morgen geht es mir wieder gut. Im Licht der Stirnlampe laufe ich querdurch bis ich wieder auf den Fahrweg stoße. Einige Seitenwege zweigen ab und entfernt sehe ich Gebäude. Zu blöd wenn ich jetzt Rangern auffallen würde, schließlich bin ich hier ja illegal unterwegs…
Ich beobachte zwei rötliche Schabrackenschakale mit schwarzem Rücken und drei Strauße, darunter ein Halbwüchsiger, die aus großer Entfernung Reißaus nehmen und weit weglaufen. Der Weg wird zunehmend steiniger und schlechter. Schließlich gelange ich in eine Schlucht mit teilweise senkrechten, grauen Wänden. Eine Metalltafel erinnert an eine deutsche Militärpatrouille, die hier zur Kolonialzeit 1896 gefallen ist. An die zahlreichen Opfer der Kolonialisierung erinnert nichts. Kurz vor 12 stehe ich plötzlich vor der Ubususis Hiker Hut, einem schlichten Gebäude mit mehreren Stockbetten. Außen sind zwei Hähne angebracht aus denen ich mir 8,5 Liter Wasser auffülle und dann im Schatten in der Nähe meine Mittagspause einlege. Eigentlich wollte ich von hier auf einer eigenen Route weiter, aber der Ausstieg aus dem Tal sieht mir zu steil aus, daher folge ich zunächst dem Naukluft Hiking Trail weiter. Der Weg ist lediglich in eine Richtung mit weißer Farbe gut markiert und einige Fußspuren weisen darauf hin, dass hier ab und zu Wanderer unterwegs sind.
An einer Stelle sind einige Köcherbäume zu sehen, die zu den Aloen gehören und typisch für Südnamibia sind. Als das Tal enger wird, wachsen dort sogar grüne Binsen, dennoch gibt es keine Spur von Feuchtigkeit. Dann geht es in einen Canyon mit hohen grauen Wänden. Bald kommt ein hoher Absatz den zu ersteigen Stahlketten Hilfe leisten. Noch behalte ich die Wanderstöcke in der Hand…
Es gibt hier auch Pools mit altem, grauen Wasser, das man nicht trinken will…
Dann stehe ich vor einem hohen, steilen Absatz. Es gibt zwar genügend Griffe, aber ohne Stahlkette hätte ich mich nicht rauf getraut. In den Alpen würde so was wohl als Klettersteig gelten!
Schließlich flacht der Canyon ab und ist wunderschön im Nachmittagslicht mit einigen, recht klaren Pools. Es gibt hier Frösche und kleine, rote Libellen. Eine Zeit lang setze ich mich in die Felsen oberhalb eines Pools und schaue den Vögeln beim Trinken und Insekten fangen zu. Schließlich reiße ich mich los, denn ich will nicht in Wassernähe übernachten, da ich sonst eventuell die Tiere an der Tränke stören würde. An Klippschliefern und einem wohl 15 Zentimeter langen Tausendfüßler vorbei gelange ich schließlich in offenere Hügel und schlage mein Lager in einem Seitental abseits des Wegs auf. Es liegt hier weißer Hyänenkot, hoffentlich bekomme ich keinen nächtlichen Besuch…
Ich koche unter einem fantastischen Sternenhimmel und bin froh, dass ich wieder fit bin.
Am nächsten Morgen wechseln sich Hügel und flache Tälchen ab, so dass ich gut vorankomme. Unterwegs sehe ich drei Springböcke und einen großen, dunklen Greifvogel mit hellen Schwingenspitzen. Schon gegen 9:30 erreiche ich den offenen Shelter Adlerhorst. Mit einer Handpumpe zapfe ich Wasser, was glücklicherweise auch mit einer Hand gut funktioniert, da ich die andere zum Container drunter halten brauche.
Ich fülle mir 11 Liter ab und bleibe noch einige Zeit da, um mich wie ein Kamel mit Wasser vollaufen zu lassen. Während ich dort sitze, zieht entfernt eine Horde Bärenpaviane über den Hang. Da sie ziemlich viel Abstand zueinander halten, wird mir erst ziemlich spät klar, dass es um die 20 Paviane sind!
Kurz nach dem Shelter verlasse ich die Naukluft Route und will die nächsten 26 km bis zum Tuffa Shelter weglos laufen. Doch zunächst halte ich Mittagsrast unter einer Akazie, wobei mich ein über 10 Zentimeter langer, schmaler, dunkel glänzender Käfer besucht.
Zu meiner Überraschung gibt es noch Wegmarkierungen als ich weiter laufe, aber keine Fußspuren!
Bald laufe ich dann aber wirklich weglos, wobei es erstaunlich ist, wieviele gut ausgetretene Wildwechsel es hier gibt. Tatsächlich sehe ich auch immer mal wieder Zebras und einmal 2 Oryx, immer allerdings ziemlich scheu.
Schließlich laufe ich ein teilweise felsiges Tal hoch, in dem ich mein Lager aufschlage.
Am Morgen geht es erstmal weiter aufwärts, dann über eine Bergschwelle, die mir schöne Aussichten in die Umgebung gewährt. Dann geht es abwärts ins Tsundab Tal, dass sich bald canyonartig verengt. Schön wie die Wände im Morgenlicht orange glänzen.! Zwei Klippspringer schauen entfernt von einem Felsen auf nich herab. Das Terrain ist steinig und nur langsam zu begehen. Ich hoffe nur, dass kein unüberwindbarer Absatz auf mich wartet…
Schließlich flacht die Schlucht ab und ich kann Windungen abkürzen. Im Hang sehe ich zwei Zebras. Dann höre ich das Trappeln von Hufen und eine kleine Zebrafamilie mit einem Jungen kommt nah bei mir vorbei, flüchtet aber sofort, als sie mich bemerken.
Während ich Mittagsrast im Schatten eines Baumes halte, kann ich die Klippschliefer in der Wand gegenüber beobachten.
Nachmittags laufe ich ein Stück über eine Hochebene. Meistens folge ich aber den Schultern flacher Täler. Ich beobachte weitere Zebras und Hörnchen, die an Klippschliefer erinnern, aber kleiner sind.
Schließlich schlage ich mein Lager in einem Canyon auf, wo oberhalb von mir die Wand von zwei großen Öffnungen durchlöchert ist.
Ich bin heute laut GPS 22 Kilometer gelaufen, nach meiner Routeneinzeichnung lediglich knapp 13. Man kann die zusätzlichen Kilometer im weglosen Gelände kaum überschätzen!
Später unternehme ich noch einen Abendspaziergang in die Schlucht, bei dem ich gelb blühende Köcherbäume und zahlreiche Euphorbien entdecke. Beim Kochen geht dann ein toller Wandertag zu Ende. Ich bin richtig glücklich und liebe es in den warmen, trockenen, wilden Bergen zu wandern!
Beim Frühstück ziehe ich mir zum ersten Mal eine Jacke über, hier in den Bergen auf 1700 bis 2000 Meter Höhe kühlt es sich nachts Anfang Mai schon deutlich ab.
Ich steige in der Schlucht, die recht eng und dicht bewachsen ist, weiter auf. An einem Felssturz muss ich etwas Klettern, was aber kein Problem darstellt. Schließlich flacht der Canyon ab und ich gelange auf ein Plateau auf 2000 Meter Höhe. Da mir meine ursprünglich gezeichnete Route im Abstieg aus den Bergen zu steil und schwierig erscheint beschließe ich über ein Seitental zurück zur Naukluft Route zu gehen, es sind nur noch wenige Kilometer zum Tuffa Shelter.
Tatsächlich erreiche ich den Wanderweg ohne Probleme, er ist jetzt aber in die falsche Richtung markiert. Bald geht es in einen sehr schönen, engen Canyon mit teilweise glattem Felsbett. Einen Absatz kann ich ohne Probleme umgehen und lege dann eine lange Mittagspause im Schatten ein, schließlich ist es nicht mehr weit.
Als ich um 14 Uhr weiter wandere präsentiert sich die Schlucht zunächst weiter schön und gut zu laufen. Dann stehe ich allerdings oberhalb von einem hohen Absatz von dem eine Stahlkette herabbaumelt. Allerdings reicht sie nicht bis nach ganz unten sondern hängt in der Luft, da sie an einem Baum festgemacht ist.
Danach scheint es noch sehr steil weiter zu gehen und ich bin nicht sicher ob das für mich machbar ist. Normalerweise wird die Route in der Gegenrichtung begangen und der Aufstieg ist oft leichter. Kurzzeitig überlege ich und schaue auf die Karte, ob es eine sinnvolle Alternative gibt, aber es sieht nicht danach aus. Obwohl mir die Knie leicht schlottern beschließe ich den Abstieg zu wagen. Mit dem Gesicht zur Wand nehme ich die Kette zwischen die Beine und versuche immer wieder einen kleinen Tritt für meine Füße zu finden. Dabei muss ich mich manchmal ganz schön spreizen, so dass meine Hosennaht aufreißt. Recht schnell erreiche ich die Stelle, ab der mir die Kette kaum noch Unterstützung gibt, aber zu meiner großen Erleichterung ist auch das letzte Stück machbar.
Allerdings geht es auch nach dieser Schlüsselstelle nicht ganz einfach weiter. Ein weiteres Kettenstück ist gut machbar aber es gibt noch eine ganze Reihe weiterer, kleinerer Kletterabschnitte. Ich passiere zwei Pools mit altem, dreckigen Wasser und stehe dann vor einem weiteren, unüberwindlichem Absturz. Glücklicherweise führt der Pfad jetzt aus dem Canyon in den Hang oberhalb der Schlucht und ist gut zu verfolgen. In der Ebene unter mir sehe ich schon ein Gebäude, von dem ich zunächst annehme, dass es die Tuffas Hut ist. Ein Blick auf die Karte zeigt mir aber, dass das nicht zutrifft. Ein Rangerstützpunkt? Hoffentlich ist niemand da, damit ich nicht zum Ende meiner Naukluft Wanderung doch noch Ärger bekomme…
Über die Ebene gelange ich schließlich zur Tuffa Hut in einem Tal mit erstaunlich vielen Bäumen. Der Unterstand ist schön gelegen, allerdings gibt es hier zu meinem Erstaunen kein Wasser! Vielleicht ist das andere Gebäude das ich von oben gesehen hatte, ein neuer Stützpunkt für Wanderer?
Ich folge einem Fahrweg etwa zwei Kilometer zu dem Gebäude und stelle fest, dass es ein altes Farmhaus mit kaputten Fenstern und Türen ist. In einem Bassin befindet sich braune Brühe, in der ein totes Tier schwimmt. Daraus will man wirklich nicht trinken…
Zum Glück habe ich noch 2,5 Liter Wasser, so dass ich in keiner Notsituation bin. Allerdings kann ich es mir kaum erklären, dass es an der Tuffa Hut kein Wasser gibt!
Während die steil aufragenden Berge orange im Abendlicht leuchten, folge ich dem Fahrweg noch ein Stück weiter und schlage schließlich nach 23 Kilometern mein Lager auf. Heute war der vierte Tag in Folge, an dem ich keinen Menschen gesehen habe! Tolle Einsamkeit der Naukluft Berge!
Bereits um 5 Uhr bin ich im Licht der Sterne wieder unterwegs. Ich habe nur noch einen Liter Wasser, daher fühlt sich mein Rucksack leicht an. Schon nach 40 Minuten bin ich an der Piste C 14, der ich weiter folge. Hier an der Straße gibt es recht viele Akazien und ich sehe noch einmal Zebras. Nachdem ich schon 15 Kilometer gelaufen bin, es aber noch weitere 25 bis Solitaire sind, hält gegen 8:30 bereits das dritte Auto, das vorbei kommt. Die drei Schwarzen, die auf einer Farm arbeiten, lassen mich dann in Solitaire raus, wo es außer einer Tankstelle mit Restaurant, Café, Campingplatz und Touristenlodge nichts gibt. Dennoch ist hier viel los und ich finde den Ort viel angenehmer als Sesriem. Ich nehme ein Zimmer, muss aber lange warten, bis es bezugsfertig ist. In der Zwischenzeit esse ich in dem luftigen, Reet gedecktem Restaurant und beobachte Spatzen, Krähen und eine vorwitzige Fuchsmanguste, ein marderähnliches, kleines Raubtier. Als ich schließlich in die Lodge kann, lasse ich es mir nicht nehmen im Pool zu baden. Später kaufe ich dann noch in dem kleinen Laden für sechs Tage ein und genieße abends Chips und Bier. Als nächstes will ich in den Kuiseb Canyon, wo sich im zweiten Weltkrieg zwei deutsche Geologen zweieinhalb Jahre versteckt hielten um ihrer Internierung zu entgehen. Der Kuiseb entspringt im Khomas Hochland bei Windhoek und erreicht nach 560 Kilometern bei Walfis Bay den Atlantik, wenn er denn kräftig fließt, was nur in sehr wenigen Jahren vorkommt. Im Mittellauf bildet er eine Schlucht auf etwa 100 Kilometer Länge, die ich mir anschauen möchte. Je nachdem ob ich Wasser finde, kann das eine lange oder kurze Exkursion werden…
Am Morgen fülle ich mir 13,5 Liter Wasser ab und frühstücke dann im Restaurant, was im Preis inbegriffen ist. Neugierigerweise frage ich eine Frau mit Beinschiene, was ihr passiert ist. Die Deutsche hat mit ihrem Freund an einem 250 Kilometer langen Ultralauf über mehrere Tage in der Namib teilgenommen und sich dabei verletzt, ist aber trotzdem zunächst weiter gelaufen!
Um 8:10 stehe ich dann an der Straße und versuche zu trampen. Tatsächlich fahren auch eine ganze Menge Autos in meine Richtung, aber niemand hält. Wahrscheinlich sind hier fast ausschließlich Touristen in ihren meist weißen, geliehenen, riesigen Geländewagen unterwegs. Ab und zu wechsle ich die Straßenseite um mich in den spärlichen Schatten eines Busches zu begeben. Ich überlege, ob es nicht besser wäre, die Leute direkt an der Tankstelle anzusprechen, aber um 13 Uhr, nach fast fünf Stunden hält tatsächlich ein Wagen. Marlon und Percy arbeiten auf einer Plattform zur Diamantensuche vor der Küste und sind sehr freundlich. Wir fahren durch berauschend weite Landschaften teilweise ohne Zäune mit spärlichem, gelben Gras. Hinter dem Trockenfluss Gaub wird das Terrain ziemlich zerklüftet und die Fahrt in den Kuiseb Canyon ist spektakulär. Um 14 Uhr laufe ich an der Brücke über das Trockenbett endlich los, auch wenn ein Schild „No Entry“ verkündet…
Das Flussbett ist hier etwa 50-200 Meter breit. Teilweise besteht der Untergrund aus feinem grauen Sand, den nur manchmal eine Tonschicht etwas fester macht. Es gibt aber auch Kies verschiedener Größe. Das Tal macht hier einen sehr trockenen Eindruck mit nur wenigen Akazien, die oft kaum Blätter tragen. Alle Wildfährten wirken sehr alt. Auf lediglich 700 Meter Höhe ist es noch heißer als sonst und mein Rucksack mit dem ganzen Wasser fühlt sich ziemlich schwer an.
Nach nur fünf Kilometern schlage ich bereits mein Lager auf unternehme dann aber noch einen Spaziergang, der mich nach links aus der Schlucht führt. Während ich den Canyon bis jetzt eher langweilig finde, ist die Sicht von oben in die Schlucht und die umgebende Berglandschaft spektakulär. Ohne Probleme finde ich einen anderen Weg zurück in den Canyon und koche zurück im Lager Nudeln mit Erdnüssen, was aber gar nicht so einfach ist, da jetzt ein starker Wind bläst.
Am nächsten Morgen fühle ich mich schlapp und nicht besonders motiviert. Als ich gestern auf einen Lift gewartet hatte, habe ich viel zu wenig getrunken. Außerdem erscheint es mir bei der Trockenheit hier ziemlich unwahrscheinlich Wasser zu finden, daher muss ich eventuell den selben Weg zurück laufen, denn ob ich irgendwo aus dem Canyon aussteigen kann, erscheint mir fraglich. Nichts desto trotz wandere ich bis um 11 weiter im Canyon. Dann gelange ich zu einer Seitenschlucht, die ich mir als möglichen Ausstieg markiert hatte. Der Canyon ist steil mit glatten Rinnen. Aber auch hier ist das Wasser schon lange verschwunden, lediglich an einer Ecke stoße ich auf eine Spur von Feuchtigkeit. Kaum vorstellbar, dass 2011 der Kuiseb ein halbes Jahr lang ein fließendes Gewässer war!
Irgendwann wird mir der Fels zu steil und glatt, so dass ich die Erkundung abbreche.
Mittags esse ich Biltong, getrocknetes Wildfleisch, das mir Marlon gestern geschenkt hatte.
Schließlich gehe ich ohne Gepäck noch ein Stück zurück und checke eine andere mögliche Ausstiegsroute, die mir Erfolg versprechender erscheint. Dann dringe ich noch ein Stück in den Kuiseb Canyon vor, bis ich mein Lager auf einem Absatz oberhalb der Schlucht aufschlage.
Kurz danach breche ich zu einem langen Nachmittagsspaziergang ohne Gepäck auf. Bald rücken die dunklen Schieferwände enger zusammen und der Canyon wirkt deutlich spektakulärer als zuvor. Dennoch gibt es nur wenig Leben, wie einige Käfer, kleine Eidechsen und wenige Vögel. Im hellen Sand ist das Vorankommen recht mühsam. Plötzlich wirbelt ein größeres, flüchtendes Tier eine Staubfahne auf. Die Bewegung passt nicht zu einer Antilope, sondern lässt mich an einen Leoparden denken, allerdings kann ich das Tier nicht richtig sehen um sicher zu sein. Auf dem Rückweg sehe ich zwei Klippschliefer auf dem Talgrund, Beutetiere für die große Raubkatze?
Um 18 Uhr bin ich zurück im Lager und verbringe noch einen ruhigen Abend mit Kochen und Spaghetti essen.
Bevor mir das Wasser ausgeht, trete ich am nächsten Morgen den Rückzug aus dem Canyon an, was an der gestern erkundeten Stelle gut funktioniert. Es ist heute etwas bewölkt, daher präsentiert sich der Blick zurück in die Schlucht ganz besonders schön. Auf alten Zebrawechseln komme ich im dürren, gelben Grasland gut voran und vermeide die zahlreichen Seitenschluchten. Schließlich gelange ich auf einen Fahrweg, der mich nach etwa zwei Kilometern zurück an die Straße führt. Diese wird gerade repariert, daher fragen mich schon bald dreimal Bauarbeiter ob ich ok bin!
Nach einer knappen halben Stunde hält dann Duke, der mit Frau Sonia und Tochter Hanna auf dem Rückweg von seiner Schaffarm nach Swakopmund ist. Hauptsächlich arbeitet Duke aber in Minen, zur Zeit im Uranbergbau, der vor 10 Jahren von einer chinesischen Firma übernommen worden ist. Er erzählt, dass unlängst größere Ölvorkommen vor der Küste Namibias entdeckt wurden, außerdem gibt es bei Swakopmund bereits eine Pilotanlage für die Herstellung von Wasserstoff zur Energieerzeugung. Ich kann mir vorstellen, dass Namibia bald einen ziemlichen Wirtschaftsboom erlebt. Wobei das Öl aus Klimaschutzgründen eigentlich gar nicht gefördert werden dürfte…
Wasser ist natürlich immer ein Problem in der Wüste, aber schon jetzt gibt es große Meerwasserentsalzungsanlagen, die die Minen mit Frischwasser versorgen.
Seine beiden Söhne waren auf einer deutschen Schule in Swakopmund, einer hat dann in Südafrika Elektrotechnik studiert und würde gerne in Deutschland arbeiten, was kein Problem sein sollte. Duke hat sowohl afrikanische als auch europäische Vorfahren und möchte bald Deutschland besuchen. Je näher wir der Küste kommen, desto lebloser und öder wird die Landschaft. An der Küste liegt noch etwas Nebel in der Luft und es ist deutlich kühler, als wir in Swakopmund ankommen. Sonia ruft ein Taxi für mich, dass mich nach Henties Bay bringen soll, aber nicht an der Tankstelle erscheint, wo ich warte. Schließlich buche ich das La Casetta Bed and Breakfast und laufe die vier Kilometer dorthin. Auf halber Strecke gönne ich mir dann erst mal zwei Liter Karamelleis aus einem Supermarkt. Das La Casetta liegt ruhig in Strandnähe und bietet mir für etwa 30 Euro ein schönes Zimmer inklusive Frühstück. Ich wasche Wäsche, die hier gar nicht so einfach trocknet und gehe einkaufen in einem Supermarkt für die nächste Etappe. Anschließend unternehme ich noch einen Spaziergang an den erstaunlich menschenleeren Strand, oberhalb dem es bewässerte Grünanlagen gibt und einen befestigten Weg auf dem einige, meist weiße Spaziergänger unterwegs sind. Meinen Spaziergang beende ich im Garten der „ Wurstbude“ wo ich leckere, vegetarische Pizza esse. Später auf dem Zimmer wird das noch mit Chips und Orangensaft ergänzt, die ich genieße, während ich mit Anke über das Internet telefoniere.
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