4,5 Tage, 68 Kilometer, 5209 hm Aufstieg
Nachdem wir unsere saubere Wäsche zurück erhalten haben, genießen wir ein tolles katalanisches Frühstück mit mehreren Gängen. Um 11:30 Uhr nehmen wir den Bus zurück zum Coll de Bonaigua und laufen von dort wieder los. Zunächst wandern wir im Hang und steigen dann ins malerische Ruda Tal, mit seinem Hakenkieferwald ab. Wir lassen einen Parkplatz mit etlichen Fahrzeugen hinter uns und gehen aufwärts zum Sendrosa Pass auf etwa 2500 Meter. Ein Stück der Strecke kürzen wir ab, in dem wir weglos einen steilen Hang erklimmen, wo verschiedene Orchideen wachsen, wie das nach Vanille duftende Kohlröschen. Obwohl ich nicht besonders geschlafen habe, wohl hauptsächlich aufgrund des Lärms zum Gewinn der Europameisterschaft im Fußball durch Spanien, hat mir der ruhige Tag gestern gut getan und ich fühle mich ausgeruhter. An einem Bach, der aus einem Stollen kommt, treffen wir einen Deutschen um die sechzig, mit viel zu schwerem Rucksack, der über die Beschaffenheit der Wege hier jammert und sich trotz Langarmshirt mit Mückenmittel einsprüht.
Schließlich schlagen wir unser Lager oberhalb von einem See zwischen Kiefern und Felsen auf. Die Landschaft mit ihren Granitblöcken erinnert mich ein wenig an die Sierra Nevada. Heute kochen wir Vollkornnudeln mit Soja und Butter auf dem Hobo. Ein nahrhaftes Essen mit viel Protein!
Zum Frühstück essen wir Haferflocken mit Mandeln und Chia Samen. Als wir um 7 Uhr losgehen, liegt der See in der Nöhe noch im Nebel. Wir steigen zum Colomers See ab, der zur Elektrizitätsgewinnung aufgestaut ist, wie wohl die meisten Seen hier. Ab dem Refugi Colomers am See sind etliche andere Wanderer auf dem Weg unterwegs zum 2671 m hohen Pass Port de Caldes, der eine tolle Aussicht über die schroffe Granitbergwelt des Aigues Tortes Nationalpark bietet. Sonne und Nebel wechseln sich ab und verleihen der Szenerie einen mystischen Touch. Wir wandern an weiteren Seen vorbei und steigen schließlich lange ab, bis in die Nähe des Refugi Restanca, wo wir auf einen weniger belaufenen Pfad wechseln. Obwohl es schon fast Mittag ist, wird das Tal noch von puffigen Wolken verhüllt. Plötzlich sehe ich eine etwa 50 cm lange Kreuzotter vor mir auf dem Pfad, Ich kann ein Foto machen, dann verschwindet die Schlange auch schon im Gras. Weiter geht es hoch zum großen Lac de Mar, de mit einer schönen, blauen Farbe glänzt. Trotz der Höhe wärmt die Sonne jetzt und ich schwimme kurz im kalten See. Ein ziemlich steiler und felsiger Pass gewährt uns dann tolle Ausblicke zurück und zu den Rius Seen voraus, deren Ufer wir lange Zeit folgen. Die Granitbrocken auf dem Weg machen das Wandern heute ziemlich anstrengend. Schließlich steigen wir lange steil ins Val Conangles ab, wo einige große, blaue Schwertlilien wachsen. Wir suchen lange nach einem Zeltplatz und werden schließlich auf knapp 1800 Meter fündig, wo bereits die ersten knorrigen Weißtannen und Buchen wachsen. Unser Essen auf dem Hobo peppen wir heute mit viel Butter und selbstgeflücktem Lauch auf.
Am nächsten Morgen steigen wir durch knorrigen Buchenwald weiter ab in die Nähe der Straße, die zum Vielha Tunnel führt. Anschließend laufen wir parallel zur Straße durch meist jungen Buchenwald recht flach weiter, folgen ein Stück der Straße und biegen dann ins Val de Salenques ab. Wir haben jetzt Katalonien verlassen und sind in Aragon. Hier folgen wir dem ausgetretenen GR 11, an dessen Etappenanfängen jeweils Informationstafeln stehen. An einem schönen Wildbach geht es erst gemächlich durch den Buchenwald aufwärts, bevor ein sehr langer, anstrengender Anstieg beginnt. Hinter uns läuft ein Deutscher um die 60 aus Berlin. Er ist zwar langsamer als wir, holt bei Pausen aber auf. Wir beide mögen es nicht, jemanden unmittelbar auf den Fersen zu haben und sind daher etwas genervt. Schließlich flacht das Terrain ab und wir wandern an Seen vorbei über offenes Terrain zur netten, kleinen Hütte Rifugi d‘ Anglios, wo wir Mittagspause machen. Mittlerweile sind etliche Leute unterwegs, darunter auch eine große Pfadfindergrupoe. Wir steigen nicht zu steil zum Collado de los Ibones auf und dann abwärts zum Rifugi Cap de Llauset, was es bei meinem letzten Besuch 2007 hier noch nicht gegeben hatte. Anschließend geht es nicht zu steil hoch zum Collado de Vallibierna auf etwa 2700 Meter Höhe, dem höchsten Punkt des GR 11. Ich erinnere mich an 2007, wo wir unterhalb des Passes einen verunglückten Engländer fanden, einen Hubschrauber alarmierten und bei der Bergung mithalfen. Heute ist hier recht viel los und der Weg mit Fähnchen für ein Trailrunningevent markiert. An mehreren Seen vorbei wandern wir ins Vallibierna Tal hinab. Etliche meist junge Leute kommen uns entgegen, die nach Fernwanderern aussehen. Offenbar ist das weite Wandern hier ziemlich beliebt. Schließlich finden wir einen lauschigen Lagerplatz in einem jungen Kiefernwald und genießen den sonnigen, warmen Abend.
Am nächsten Morgen steigen wir noch ein Stück durch den Kiefernwald weiter ab, bevor wir den GR 11 verlassen und ins Corona Tal abbiegen. Wir haben vor, das Aneto Massiv zu überqueren, den höchsten Berg der Pyrenäen. Ein Wildbach der über einige Wasserfallstufen abfällt, führt uns zu den Coronaseen. Dort treffen wir zwei Frauen, die die Besteigung abgebrochen haben, da eine von ihnen Kopfschmerzen bekommen hat. Der Pfad lässt sich anhand der Steinmännchen gut verfolgen, ist nicht zu steil und gewährt uns bald Ausblicke auf die zackigen Spitzen des Massivs. Da sollen wir hoch? Ganz schön steil! Schließlich legen wir unsere Microspikes an und beginnen den Aufstieg im steilen Weiß. Es ist warm und sonnig, daher ist der Schnee schon relativ weich. Einige Spuren führen zwar vom Berg hinab, wir bahnen uns jedoch unseren eigenen Weg um die steilsten Bereiche zu vermeiden. Nichts desto Trotz sind wir ziemlich froh, als wir wieder eine Geröllzunge erreichen. Ein Abrutschen in dem steilen Gelände hätte wahrscheinlich fatale Folgen gehabt…
Bald laufen wir noch ein Stück weiter über den Schnee bis uns der Hang definitiv zu steil wird. Glücklicherweise haben wir jetzt schon den felsigen Schlussanstieg zum Collado de Coronas erreicht. Ein Bergführer mit seinem Kunden am Seil kommt uns entgegen und versichert uns, dass die andere Seite einfacher sei. Jedenfalls sind wir erleichtert, als wir um 12:30 den Pass auf etwa 3230 Meter Höhe erreichen. Es ist windstill und warm, daher halten wir hier oben unsere Mittagspause. Der Gipfel des Aneto mit knapp über 3400 Meter Höhe ist nicht mehr weit, allerdings haben wir genug vom steilen Schnee und die zahlreichen Leute die gerade dabei sind den höchsten Punkt der Pyrenäen zu erreichen, turnen uns ziemlich ab. Ein weiterer Bergführer mit zwei Kunden kommt bei uns vorbei und steigt auf die Seite ab, wo wir hochgestiegen sind. Die Frau in dem Dreier Team rutscht trotz Steigeisen ab, gleitet glücklicherweise jedoch nur ein Stück tiefer. Sie schreit und ist sichtlich geschockt. Ein Stück weiter passiert ihr dasselbe noch mal und der Bergführer hat offensichtlich große Mühe sie aus ihrer Schockstarre zu holen und zum Weiterlaufen zu bewegen.
Schließlich machen auch wir uns an den Abstieg über den Aneto Gletscher, der sehr viel einfacher als der Aufstieg ist. Wir können einer ausgetretenen Spur folgen und brauchen die Microspikes nicht wirklich, schnallen sie aber dennoch an. Erstaunlicherweise haben wir diese Route für uns alleine, lediglich ein anderes Paar kommt uns entgegen. Die meisten Leute scheinen direkt aus dem Tal zum Aneto zu gehen. Wenn wir es nicht aus der Karte wüssten, würden wir übrigens gar nicht merken, dass wir hier über einen Gletscher laufen!
Als wir in Geröll gelangen, schnallen wir die Microspikes ab, haben danach aber noch etliche Schneefelder zu bewältigen. Schließlich klettern wir einfach durch einige Schrofen zum Portillon Superior und steigen dann lange und langsam durch Blockgelände auf einer durch Steinmännchen markierten Route ab, während wir kurz einen Bartgeier über uns sehen. Weiter unten entdecken wir keinen geeigneten Zeltplatz und können auch nicht den See oberhalb des Rifugis de la Renclusa erreichen, da uns eine Schlucht den Zugang versperrt, als wir versuchen weglos zu dem Gewässer zu gelangen. Daher gehen wir schließlich an der Hütte wo viel Betrieb herrscht vorbei und schlagen schließlich unmittelbar am tosenden Wildbach der Barranca Renclusa unser Zelt auf und kochen in der warmen Abendsonne.
Noch im Dunklen regnet es einige Tropfen, doch als wir um 7:30 loslaufen, ist es wieder trocken. Wir laufen das weite Eseratal mit Kuhwiesen und Murmeltieren hinab zum Hotel Hospital de Benasque. Ein Stück weiter gibt es einen großen Parkplatz und Busse fahren von dort sowohl nach Benasque als auch zum Talende bei der Hütte Basurta. Die Straße talaufwärts ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Wir nehmen den Bus talabwärts und errreichen schließlich den 1600 Einwohner Ort Benasque mit seinen engen Gassen, Bruchsteinhäusern und Outdoorläden den ich schon von meinem Besuch 2007 kenne. Wir kaufen ein paar Socken für mich und gehen dann in den Eroski Supermarkt für unser Mittagessen einkaufen. 750 g Vollkornbrot, 400 g Käse, 4 große Bananen und ein Paket Möhren verdrücken wir dann ohne Probleme im Park nebenan. Anschließend kaufen wir essen für die nächsten 4 Tage und fahren dann zurück zum Parkplatz Los Banos, von wo wir wieder loslaufen. Als wir ins Remune Tal wandern regnet es einige Zeit, so dass wir uns unter einer Kiefer unterstellen. Bald hört es wieder auf, obwohl es etwas grummelt. Oberhalb des Wildbachs mit seinen Wasserfällen wandern wir weiter bis wir schon um 17 Uhr unser Lager am Bach aufschlagen. Da es noch früh ist, waschen wir Wäsche, natürlich ohne Seife, schneiden Nägel etc. Die Portion beim Kochen fällt kleiner aus als sonst…
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