Auf diesem Abschnitt unserer Pyrenäenwanderung durchqueren wir den grandiosen Ordesa Nationalpark auf einer abgelegenen Route. Diese Landschaft, die uns ein wenig an den Grand Canyon erinnert, setzt noch einmal eine ganz neue Note zu unserer Tour, obwohl abseits der HRP gelegen.
Nach einer milden Nacht kommen wir morgens schon bald an der Montinier Hütte vorbei, vor der etwa 20 Kinder liegen, die offenbar unter dem Sternenzelt geschlafen haben. Super!
Wir steigen nicht zu steil zum Tella Pass auf 2100 m hoch, von wo wir einen tollen Ausblick über die schroffen, hellen Kalksteinmassive der Umgebung erhalten. An vielen Stellen wächst hier Edelweiß, eine Rarität in den Alpen. Leider ist es ziemlich dunstig, wahrscheinlich tobt irgendwo ein Waldbrand. Nachdem wir einem Fahrweg ein Stück weit zu einer Kuhtränke gefolgt sind, wird es spannend, denn die weitere Route heute ist nicht in unserer Kartenapp Mapout enthalten, sondern nur in der detaillierten Karte, die uns der Holländer Marc geschenkt hat. Meist folgen wir Viehpfaden und sehen nur selten eine Steinmarkierung. Schilder kündigen an, dass wir jetzt den Ordesa Nationalpark betreten. Dieses Schutzgebiet wurde als ältester Nationalpark Spaniens bereits 1918 eingerichtet. Wir sehen Gämsen, Murmeltiere und viele Geier. Einen der großen Vögel der auf einem Felsen sitzt, halten wir von weitem für eine Gämse!
Trotz der schroffen Felsen hier ist das Laufen recht einfach, da es unterhalb der steinernen Bastionen meist flache Absätze gibt. Die Einsamkeit der Landschaft ist grandios, allerdings liegt überall Schafkot und wir sehen auch einige der Pelzträger. Immerhin können wir unser Wasser aus dem Zufluss einer Schaftränke auffüllen. Irgendwann stellen wir fest, dass wir zu hoch am Hang sind, haben aber Glück, denn wir entdecken eine Rinne, die uns am Rand einer Steilwand nach unten führt. Bereits um 16 Uhr schlagen wir nach 15 Kilometern und 1500 Höhenmetern Aufstieg unser Lager auf 2500 Meter Höhe in einer grasigen Mulde mit einem Bach unterhalb schroffer Felsberge auf. Trotz der Höhe ist es noch lange ziemlich warm.
Da es hier kein Holz gibt, bereiten wir unsere Nudeln auf dem Gaskocher zu. Nachdem die große Schafherde in der Nähe sich in Bewegung gesetzt hat, unternehmen wir noch einen schönen Abendspaziergang an den Rand des Anisclo Canyons. Sehr beeindruckend mit Geiern und Gämsen!
Am nächsten Morgen steigen wir recht einfach zum über uns aufragenden, 2802 Meter hohen Gipfel des Pico Inferior de Anisclo auf. Von dessem flachem Grat eröffnen sich herrliche Ausblicke ins Pineta Tal und zu den Bergen der Umgebung. Der Abstieg ist allerdings eine komplizierte Route, die die vielen Steilklippen umschifft. Glücklicherweise weisen uns rote Markierungen die Richtung. Schließlich gelangen wir am Collado de Anisclo bei 2450 Meter Höhe auf den GR 11 und treffen ab jetzt einige Wanderer. Dieser Fernwanderweg, der die spanischen Pyrenäen auf niedrigerer Höhe als die HRP durchquert, teilt sich hier in zwei Arme. Während der eine Arm ins Tal des Rio Bellozo hinabführt, folgen wir der höheren Variante, die spektakulär durch die Steilwand über dem Tal führt. Wir beobachten einige Gänsegeier, von denen einer sehr dicht bei uns vorbeisegelt und eine Gämse die auf einem Felsen oberhalb des Wegs ruht. Wir werden von einem Wasserfall leicht nass gespritzt und benötigen die Stahlseile an zwei aufeinander folgenden Abschnitten nicht wirklich. Anders sieht das bei einem mit Ketten versehenem Abstieg aus. Ohne sie würden wir hier nicht weiter kommen…
Unsere Mittagsrast halten wir an einem Aussichtspunkt hoch über der Schlucht, die jetzt langsam aus den Schatten taucht. Der weitere Abstieg zum Rifugio Goriz an Wasserfällen und grasigen Schüsseln vorbei, stellt dann kein Problem mehr da. In der Nähe der Berghütte verraten Schilder, dass man in diesem Abschnitt des Ordesa Nationalparks nur an der Hütte mit Reservierung zelten oder biwakieren darf…
Wir lassen das Rifugio liegen und wandern weglos, bzw. auf Schafpfaden in die Grashönge oberhalb des Rio Arazas, wo wir schon früh ein Freiluftlager aufschlagen. Wir waschen uns und unsere Wäsche und können auf dem Hobo kochen, da wir an einer Stelle etwas Holz gefunden haben.
Die Nacht ist recht mild und der abnehmende Mond schaut hell auf uns herab.
Morgens koche ich erst einmal Kaffee. Welch ein Genuss, den anbrechenden Morgen draußen mit einem heißen Getränk zu beginnen!
Kurz vor 7 laufen wir schließlich los und steigen in den Grashängen oberhalb des Rio Arazas langsam aufwärts während wir in die Steilhänge auf der anderen Talseite blicken. Wir sehen weidende Schafe, einen Elektrozaun und eine Schöferhütte. Das alles ist im Nationalpark offensichtlich erlaubt…
Später passieren wir einige grüne Schüsseln mit kleinen Bächen und sehen keine Schafe mehr, dafür zahlreiche Gämsen und einige Murmeltiere. Teilweise folgen wir Steinmännchen, aber von einem richtigen Pfad kann keine Rede sein. Schließlich sehen wir den engen Pass Breche du Roland hoch über uns, überqueren zwei kleine Pässe und schlagen schon um 14 Uhr ein sehr idyllisches Lager zwischen zwei Felsstufen über einem traumhaften Tal auf. Marc hat nicht übertrieben, was diesen tollen Platz angeht! Später unternehmen wir noch einen Spaziergang talabwärts, vorbei an Wollgraswiesen und Edelweiß. Überall sind Gämsen und Murmeltiere, ein richtiges Tierparadies!
Hinter einem Pass biegen wir auf die Faja de las Flores ab, ein relativ flaches Band, dass sich mitten durch eine atemberaubende Felswand zieht. Man kann hier schon Höhenangst bekommen, allerdings ist das Band so breit, dass das Laufen darauf ungefährlich ist. Wir treffen einige Wanderer auf dem recht ausgetretenen Weg. Offenbar ist die Faja de las Flores ziemlich beliebt. Zurück im Lager kochen wir auf dem Hobo, denn Anke hat etwas Holz entdeckt. Unsere Nudeln verfeinern wir mit Butter, Erdnüssen, Brühe und selbst gesammeltem Lauch. Während des Essens besucht uns ein Gamsbock, der unser Zelt zweimal mit nur wenig Abstand umkreist!
Am nächsten Morgen laufen wir zunächst wieder das Tal von gestern hinab und gelangen dann in der Clavija de Carriatta in steileres Terrain. Wir müssen in felsigen Stufen etwas kraxeln und gelangen dann an zwei kurze Abschnitte, wo uns Stahlstifte im Fels den nicht ganz einfachen Abstieg erleichtern. Wir sind ganz schön erleichtert, nachdem wir aus den Felsen raus sind!
Teilweise sind die Hänge hier gelb von niedrigem Ginster und wir sind überrascht,, dass uns trotz der frühen Stunde schon etliche Leute entgegen kommen. Bald sind wir im Wald, der je tiefer wir kommen um so dichter und vielfältiger wird, mit Kiefern, Tannen und Buchen, sowie Buchsbaumunterwuchs. Schließlich gelangen wir an den Rio Arazas und wandern auf gutem, recht flachen Pfad oberhalb des wilden Bachs weiter. Ich laufe Anke nicht schnell genug, sie hat das Gefühl, sich immer an mich anpassen zu müssen. Daher laufen wir getrennt weiter. Unsere Stimmung verbessert sich auch nicht, als wir uns wieder treffen und über das Problem reden. Bei 1950 Meter erreichen wir den tiefsten Punkt des Abstiegs und folgen dann dem GR 11 den Rio Ara aufwärts. Leider hält uns ein Schild mit der Aufschrift Privatbesitz davon ab, dem Wanderweg weiter zu folgen, deshalb laufen wir 2,5 Kilometer auf der schmalen Straße, was ziemlich ätzend ist, da hier recht viele Fahrzeuge unterwegs sind. Glücklicherweise gelangen wir an einer Brücke wieder auf den GR 11. Beim Campingplatz Valle de Bujaruelo kaufen wir für die nächsten 3,5 Tage ein, leider gibt es in dem teuren Laden weder Haferflocken noch Müsli. Anke will alleine weiter laufen und meint das würde uns gut tun. Ich bin gespannt ob und wann wir uns wieder sehen…
Durch schönen Wald, in dem sogar einzelne Eiben wachsen, wandere ich dann weiter am Bach entlang nach San Nicolas de Bujaruelo. Der Parkplatz dort ist voll Autos und auch als ich mich in der Hitze den steilen Hang hinter dem Ort hinaufquäle, kommen mir zahlreiche Leute entgegen. Erst als ich zum See Ibon de Lapazosa abbiege, wird es ruhiger. In der Nähe des Sees koche ich mit Kiefernzweigen, die ich bei den letzten Böumen gesammelt hatte. Anschließend steige ich weiter auf zum Pass Col de Especière auf 2346 Meter. Hier hoch führt eine Stromtrasse und auf der anderen Seite in Frankreich ist eine Straße mit Parkplätzen nicht allzu weit entfernt.
Nichtsdestotrotz ist der Pfad dem ich zunächst im Hang weiter folge nur ab und zu durch einen Steinhaufen markiert. Anschließend geht es dicht am Grat weiter. Dabei ist ein fußbreiter Pfad an einem steilen Schotterhang nur mit großer Konzentration sicher zu bewältigen. Immerhin sehe ich hier einen Geier, Gämsen und Murmeltiere. Schließlich steige ich in eine kleine, grasige Schüssel ab, wo ich mein Cowboycamp um kurz nach 20 Uhr beziehe.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen