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28.11.2018

Greater Patagonian Trail 2018- 12 von Coyhaique nach Villa Cerro Castillo



Zunächst muss ich wilde Seen in schlechtem Wetter bewältigen und überquere dann das Cerro Castillo Massiv, in dem inzwischen herbstliche Verhältnisse eingekehrt sind...


Eigentlich hatte ich vor gehabt, von Puerto Cisnes über den langen Fjord Canal Puyuhapi und den Rio Risopatron zurück nach La Junta zu paddeln. Allerdings passt die Windrichtung für dieses Vorhaben überhaupt nicht und das Wetter an der Küste für die nächsten Tage wird scheinbar sehr schlecht. Daher entschließe ich mich diesen Abschnitt erst mal auszulassen und nach Coyhaique zu reisen. Als ich im Bus auf den Kanal Puyuhapi hinaussehe, bin ich sehr froh über diese Entscheidung, die Landschaft ist düster und grau, es regnet Bindfäden und heftige Böen fegen über das Wasser...
Die Strecke durch den Queulat Nationalpark ist sehr eindrucksvoll mit sattgrünem Regenwald, schroffen Granitbergen, zahlreichen Wasserfällen und Gletschern unmittelbar über dem Wald. Leider gibt es hier keine längeren Wege, die Gegend würde mich sehr reizen, ist allerdings ohne Pfade wohl kaum zu durchwandern. Am Abzweig nach Puerto Cisnes verlasse ich den Bus. Es regnet immer noch, daher bin ich froh, dass ich mich an der Haltestelle unterstellen kann, doch bereits nach einer Stunde habe ich einen Lift mit 2 jungen Paaren bis kurz vor Puerto Aysen und danach nimmt mich ein netter Chilene nach Coyhaique mit. 
Coyhaique ist mit etwa 50.000 Einwohnern die bedeutendste Stadt weit und breit. Mein Fahrer empfiehlt mir das Hospedaje Maria Ester, was sich für die nächste Zeit zu einem wichtigen Stützpunkt für mich entwickeln sollte. Die Stadt ist recht angenehm, mit einem riesigen Supermarkt, zahlreichen Restaurants, Cafés und Outdoorläden. 
Nachdem ich das Stadtleben etwas genossen habe, breche ich früh am nächsten Morgen zu Fuß wieder auf. Die Strecke zum Lago Atravesado ist für mich die bisher unattraktivste Wanderroute auf dem Greater Patagonian Trail. Auf einer breiten Schotterstraße geht es überwiegend durch flaches Weideland aus gelbem Gras. Aber richtig nervig ist, dass es hier ziemlich viel Verkehr gibt, auch schwere LKW! 



                                              Unattraktives Laufen zum Lago Atravesado

Als es zu regnen beginnt, hält ein Pick-up mit 2 jungen Chilenen bei mir, die mit ihrem Kajak auf dem See paddeln wollen. Entgegen meiner normalen Gewohnheit steige ich ein, denn das Wandern hier macht wirklich keinen Spass...
Am See angekommen, sehe ich gleich, dass es bei dem Wind und Regen keinen Sinn hat, mein Boot einzusetzen. Das feste Kajak ist natürlich besser für solche Bedingungen geeignet, aber auch die Beiden suchen nach einem kurzen Fotoshooting das Weite...

                                     Ankunft im Regen am Lago Atravesado

Glücklicherweise finde ich bald einen versteckten Zeltplatz abseits des Weges, und verdöse den Rest des Tages, während der Regen unaufhörlich auf das Zelt prasselt...
Während ich am nächsten Morgen mein Boot am Zufluss in den See startklar mache, taucht ein Mann auf, der in dem nahegelegenen Haus wohnt. Er sagt, ich hätte auch bei ihm schlafen können und lädt mich zum Kaffee trinken ein. Allerdings will ich das jetzt gute Wetter ausnutzen und lehne die Einladung daher ab.

                                             Paddelstart am Lago Atravesado

Glücklicherweise weht mir der Wind heute nicht entgegen, daher komme ich auf dem großen See recht gut voran. An manchen Stellen sehe ich vereinzelte Häuser, ansonsten grenzen steile, wenig bewachsene Granitfelsen an das Ufer. Irgendwann paddele ich durch einen schmalen Durchgang und kann dann das Südende des Sees bereits erkennen. Nach 9,5 Kilometern lege ich schließlich an einem Steg an. Von hier sind es nur 450 Meter bis zum nächsten See, dem Lago Elizalde. Ich lasse daher das Packraft aufgepumpt und hoffe, dass der Weg dahin gut zu bewältigen ist. Allerdings sind zwei Stacheldrahtzäune zu überwinden und zunächst geht es auf einen Hügel, bevor eine Treppe hinunter zum Lago Elizalde führt, die an einer Anlage endet, die mit der Stromgewinnung aus dem See zu tun hat. 
Es ist jetzt ziemlich windig und hohe Wellen türmen sich auf. Zu Anfang meiner patagonischen Seeerfahrungen hätte ich nicht im Traum daran gedacht, mich unter diesen Bedingungen auf den See zu trauen. Aber man wächst mit seinen Erfahrungen, der Wind steht nicht ganz schlecht und ich will weiterkommen, daher setze ich kurz entschlossen mein Boot in den See. Mitunter erzeugen kräftige Böen ziemlich hohe Wellen und das ganze ist ein ziemlich wilder Ritt. Vor allem achte ich darauf, nie schräg von den Wogen getroffen zu werden, da ich sonst vielleicht doch kentern würde. Immerhin habe ich hier etwa 6,5 Kilometer, meist über offenes Wasser zurück zu legen...
Die Überfahrt ist schon etwas grenzwertig, aber natürlich gibt es jetzt kein Zurück mehr. Ich hoffe nur, dass der Wind nicht noch heftiger wird, oder die Richtung ändert...
Auch über das Anlanden mache ich mir Gedanken, glücklicherweise ist der gegenüberliegende Strand aber ziemlich flach, so dass mir das Manöver problemlos gelingt. Als ich über den See zurückschaue dorthin woher ich gekommen bin, kann ich es kaum glauben, dass ich durch dieses aufgewühlte Wasser gepaddelt bin...


                         Nach erfolgreicher Fahrt über den Lago Elizalde

Ein kleines Stück laufe ich über offenes Weideland bis ich die breite Schotterstraße X-686 erreiche. Im Tal des Estero Boca de Leon wandere ich durch das mit wenigen Höfen besiedelte Tal aufwärts.

                                                   Blick zurück zum Lago Elizalde

Abseits der Straße schlage ich im Wald mein Lager auf. Alles ist klamm und feucht. Da meine dünne Ridgerest Matte kaum gegen die kalte Feuchte von unten schützt, lege ich noch meine Regenjacke drunter. Auch mein Schlafsack hat an vielen Stellen Löcher, die ich notdürftig geklebt habe, und der Reißverschluss schliesst nicht mehr. Die Daunen wärmen bei der Feuchte kaum noch. In der Dunkelheit höre ich lange keckernde Geräusche von zwei Tieren in der Nähe. Eulen?
Am Morgen ist es kalt und grau, mit zunächst leichtem Nieseln. Ich laufe gleich im Trockenanzug los, eine gute Entscheidung, da bald heftiger Dauerregen einsetzt. Hinter der Klamm des Rio Paloma steigt die Straße an, und ich komme in meinem nur bedingt atmungsaktiven Anzug ins Schwitzen, aber immer noch besser als total durchnässt zu sein...

                                                  Im Regen durch das Paloma Tal

Schließlich verlasse ich die Straße und gelange über ein Gatter mit Schild "Betreten verboten" auf eine grasige Fahrspur. Schließlich kürze ich dann aber noch weglos durch gelbes Grasland ab zum Lago Desierto. Ich zögere nicht und nutze den Rückenwind gleich für die 4 Kilometer lange Fahrt zum Südende, wo ein Bach in den See mündet. Trotz Trockenanzug fühle ich mich unangenehm feucht und kalt. Daher beschließe ich erst einmal mein Zelt aufzuschlagen, bevor ich das nächste Gewässer, den Lago Azul in Angriff nehme.

                                  Nach der Überquerung des Lago Desierto

                                       Lager zwischen Lago Desierto und Azul

Es regnet dann aber unablässig weiter, bis es gegen 19 Uhr kurz aufklart, bevor es wieder schüttet...
Auch am nächsten Morgen regnet es noch heftig, daher breche ich erst um 10:30 auf. Ich überquere den Zufluss in meinem Packraft und laufe dann über weite Weideflächen, die mit Stacheldrahtzäunen gegliedert werden, etwa 800 Meter bis zum Ufer des Lago Azul, in den ich an einem Steg einsetze. 
Der See ist passend nach seiner tollen, grünen Farbe benannt worden. Zunächst ist es ziemlich ruhig auf dem Wasser, bis bald wieder Wind aufkommt, aber glücklicherweise nicht so heftig wie am Lago Elizalde. Die gegenüberliegenden steilen, rinnendurchzogenen Granithänge sind nur spärlich bewachsen, während ich auf meiner Seite einmal eine große Landzunge mit einigen Häusern passiere. Später fallen auch hier steile Wände zum Wasser ab, vor denen ich immer etwas Abstand halte, da die rückprallenden Wellen kabbeliges, unruhiges Wasser erzeugen. 
Nach etwa 9 Kilometern erreiche ich das Seeende am Übergang zum Lago La Paloma. Über ein weitläufiges Gelände mit kurzem Gras und parkartigem Wald gelange ich an etlichen Gebäuden vorbei zu einer Fahrspur. Kein Mensch ist vor Ort, das ist im Sommer aber sicher anders. Ich vermute, dass dies ein großes Ferienlager ist. 
Da meine Kamera und die Objektive wasserdicht sein sollen, hatte ich sie in dem Regen gestern dummerweise nicht weggepackt. Jetzt ist eine Linse von innen beschlagen, ein Problem, dass sich bis zum Ende der Reise leider nicht mehr lösen sollte!
Holzschilder an der Fahrspur tragen englische Namen, die auf mich wie Bezeichnungen von Kletterrouten wirken.

                                             Blick zurück über den Lago Azul

Ich steige oberhalb des Rio Turbio zunächst durch hohes, gelbes Gras aufwärts, wobei die frisch verschneiten Spitzen des Cerro Castillo Massivs immer näher kommen.


                                             Cerro Castillo ist frisch verschneit

Irgendwann gelange ich in hohen, alten Lengawald und wandere auf alten, Holzabfuhrwegen weiter. Hinter einer Gabelung nach rechts wird der Weg deutlich schlechter und ist oft von umgefallenen Stämmen blockiert. Als der Weg aufhört, an der Stelle wo Jan einen Kilometer wegloses Gelände angibt, schlage ich im Wald mein Lager auf. Ich bin froh, dass der letzte See der Reise hinter mir liegt, da die Gewässer zuletzt mehr Kampf als Genuss waren....

                                                  Lager im Wald

In der Nach friert es und am Morgen entfaltet sich der erste schöne Tag seit langem...
Als der ehemalige Forstweg endet, stoße ich bald auf gelbe Plastikbänder, die dem Trackverlauf folgen, tatsächlich stoße ich auch manchmal auf eine Pfadspur, so dass das weglose Stück einfach zu bewältigen ist. Als ich an den Rio Turbio gelange, soll nach Jan's Track eigentlich eine Fahrspur beginnen, doch zunächst folge ich über Grasstreifen und Kiesbänke weglos dem Verlauf des Flusses. Relativ bald gelange ich dann aber doch wieder auf ehemalige Forstwege, die gut zu verfolgen sind. 

                                     Der erste schöne Morgen seit langem

Schließlich stoße ich auf die Hauptroute des GPT, die auf zunehmend besserem Weg verläuft. Am Eingang zu dem 2800 qkm großen Nationalpark verkündet ein Schild, dass hier 5000 Pesos (knapp 7 Euro) Eintritt zu entrichten sind. Da aber kein Mensch zu sehen ist, gehe ich einfach weiter.

                                  Eingang des Cerro Castillo Nationalparks

Ein wunderschöner Pfad führt zunächst durch offenen Lenga Wald und dann eine Zeit lang durch die offene Kieslandschaft am Rio Turbio, mit fantastischen Blicken auf die frisch überzuckerten Berge und die Laubwälder, die erstaunlicherweise bereits beginnen sich zu verfärben, wobei intensive gelbe und rote Farben angenommen werden.

Am Rio Turbio

Weiter geht es durch zunehmend offene relativ niedrige Wälder hoch zur Baumgrenze bei lediglich 1250 Meter Höhe.

                                                      Hier wohnt der Moosgeist

Durch ausgedehnte Blockhalden steige ich dann weiter aufwärts zu einem Pass, den ich schon seit langem gesehen hatte. Während ich weiter unten zeitweise noch im T-Shirt gelaufen war, weht hier oben ein kalter Wind so dass ich rasch Handschuhe und Climalite Jacke anziehe.

                                            Durch steiniges Gelände aufwärts

Am Pass ist man fast auf der Höhe eines benachbarten Gletschers, sehr beeindruckend! Ein steiler Abstieg durch verblocktes Gelände erfordert ein wenig Konzentration. Zu meinem Erstaunen begegne ich hier zwei Wanderern, von denen einer aus Kalifornien und der andere aus England stammt!

                                          Abwärts durch Geröll

                                                    Blick zurück zum Pass

Wieder im Wald bewundere ich die herbstlich verfärbten Blätter und ersten Pilze. Offenbar habe ich die Zone der dichten Regenwälder hinter mir gelassen, da hier der Unterwuchs deutlich offener, und auch weglos viel leichter zu bewältigen ist.


                                                 Erste Herbstfarben

                                             Offene Wälder

Schließlich gelange ich in das Tal des Estero El Bosque dem ich aufwärts folge. An einem Zeltplatz im Wald treffe ich ein chilenisches Paar das hier übernachtet, aber ich steige noch ein wenig weiter aufwärts.

                                                    Estero El Bosque

Schließlich suche ich mir ein schönes Waldlager abseits des Pfades. Endlich einmal kann ich versuchen meine Sachen etwas zu trocknen und fühle mich richtig wohl in diesem weitläufigen Südbuchenwald.

                                                                   Schönes Waldlager

In der Nacht friert es und am Morgen liegt ein schönes Alpenglühen über den zackigen Schneegipfeln. Nach einer Wanderstunde bin ich bereits über der Baumgrenze, wo sich herrliche Blicke zu den schroffen Bergen eröffnen, und sich ein guter Zeltplatz im Nirregestrüpp befindet, auf dem etliche Leute jetzt am Wochenende zelten.

                                                  Über der Baumgrenze

                                      Zeltplatz unterhalb eines Sees

Ein Stück oberhalb liegt ein wundervoller alpiner See, in den Wasserfälle münden, die von den darüber liegenden Gletschern kommen. Durch Geröll steige ich ziemlich steil weiter aufwärts, wo ich die GPT- Hauptroute verlasse, um dem Rücken weiter nach oben zu folgen.


                                             Ein schöner, alpiner See

Auf dem Kamm ist es sehr stürmisch und daher auch empfindlich kalt. Dennoch ist die Aussicht auf die nahen Gletscher fantastisch.

                                             Die Gletscher des Cerro Castillo 

Vom höchsten Punkt auf 1670 Meter, öffnen sich fantastische Ausblicke in die vom Sturm klar gefegte Bergwelt. Allerdings muss ich aufpassen, dass ich in den Böen nicht umgeweht werde! Glücklicherweise ist der Rücken breit genug, denn manchmal werde ich für einige Schritte regelrecht umhergewirbelt. Tatsächlich setze ich mich in einigen Augenblicken auf meinen Hosenboden, weil mir das noch am Sichersten erscheint. 


                                                 Berge in ultraklarer Luft

Zu meiner Überraschung toben die Böen auch als ich schon ein Stück weit abgestiegen bin, noch ziemlich heftig, aber nicht so wie oben auf dem Aussichtspunkt...
Jetzt sehe ich noch besser, wie das schroffe Bergmassiv aus dem dichten Grün der Wälder aufragt.

                                                       Steile Berge, weite Wälder

Beim Abstieg treffe ich vier junge Franzosen, die ich vor den Bedingungen oben warne, denn unterhalb der Baumgrenze kann man sich kaum vorstellen, was dort oben los ist...
Auch weiter unten gibt es noch Aussichtspunkte, diesmal eher in die trockenere Landschaft weiter östlich.

                                                     Blick nach Osten

Über das tief eingeschnittene Tal des Estero Parada gelange ich in offene Südbuchenwälder und schließlich in die trockene Gebüsch- und Weidezone am Rio Ibáñez.


                                              Estero Parada

                                               Zurück im Hochwald

                                 Trockene Landschaft am Rio Ibáñez

Auf Fahrwegen folge ich dem weit verzweigten Lauf des Flusses, überwiegend durch Rinderweiden. Dann und wann wirbelt der Wind Staubfontänen auf!

                                            Der Wind wirbelt Staub hoch

Gegen 15:30 erreiche ich den Ort Villa Cerro Castillo, der auf mich abgelegener und heruntergekommener als La Junta wirkt. Im Hospedaje El Rodeo finde ich ein Zimmer und entdecke später noch ein ganz gutes Restaurant, wo ich Hamburger, Pommes, Eis und Bier genieße...
















                                                                         Villa Cerro Castillo

Am nächsten Morgen habe ich starke Schmerzen im linken Knie. Offenbar habe ich mir bei dem Herumgewirbelt werden im Sturm auf dem Kamm etwas gezerrt. Trotz einschmieren mit Voltaren humpele ich nur noch dahin. Ich will eigentlich die Fähre über den Lago General Carrera nehmen, erfahre aber, dass nur ein Boot am Tag, bereits um acht Uhr morgens fährt. Egal, ich laufe erst mal los. Allerdings sind es bis zum Abzweig nach Puerto Ibáñez sieben Kilometer Asphaltstraße, wie ätzend! Schließlich nimmt mich jedoch ein Wagen mit bis dorthin, aber ich habe keine Chance mehr die Fähre zu erreichen, und es scheint auch sonst niemand nach Puerto Ibáñez zu fahren. Ohnehin habe ich nur noch wenig Zeit und frage mich, ob es sinnvoll ist, weiter in verkehrsmäßig nicht besonders gut erschlossene Regionen zu laufen. Kurzerhand beschließe ich nach Coyhaique zurück zu trampen und von dort eine noch nicht erkundete Alternative von Jan zu  wandern, die wenn sie funktioniert, zukünftigen GPT- Hikern einiges an langweiligem Straßenwandern ersparen kann....

































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