Nach einer milden Nacht unter freiem Himmel bin ich bei Tagesanbruch wieder unterwegs. Ich laufe weglos einen Grashang hinab, wobei ich steilen Felsen ausweiche. Schließlich gelange ich im Sausse Tal wieder auf einen Pfad. Es wimmelt hier von Kühen, die mir nur ungern aus dem Weg gehen.
Im Ossoue Tal gelange ich an einen Stausee mit Parkplatz. Hier beginnt der französische Pyrenäen Nationalpark. Obwohl der Anstieg zum 2734 Meter hohen Pass Hourquette d‘Ossoue sehr lang ist, wimmelt es von Leuten jeden Alters und jeder Kondition. Für meinen Geschmack ist hier viel zu viel los! Ein Bach fließt unter einer Schneebrücke, die schon recht dünn ist und sicher bald einstürzen wird. Nichtsdestotrotz gehe ich ebenso wie die meisten anderen Leute noch über den Schnee…
Dann winkt mir jemand von oben. Anke, die einen kürzeren Weg genommen hatte, wartet auf mich. Alles ist wieder in Ordnung und wir laufen guter Stimmung zusammen weiter. Diesmal ist sie allerdings vorne und gibt das Tempo vor…
Leider ist es heute ziemlich diesig, daher können wir die Ausblicke auf den schroffen Vignemale nur eingeschränkt genießen. An seinem Fuß befindet sich ein kleiner Gletscher mit Abbruchkante. So etwas hatten wir in den Pyrenäen noch nicht gesehen. Die Gaube hat zwar ein breites Kiesbett mit mehreren Armen, in denen aber nur wenig Wasser fließt. Aus dem Tal steigen wir zum Col des Mulets auf, ein Stück über ein weiches Schneefeld. Immer wieder beeindruckt uns die Geschwindigkeit mit der manche Trailrunner im steilen Terrain unterwegs sind. Hinter dem Pass traversieren wir durch den Schotter zum 2528 Meter hohen Col d‘ Arratille. Wir steigen ab und schlagen oberhalb des Lac d‘Arratille ein traumhaftes Lager auf, dass uns ein bisschen für den Mangel an Einsamkeit heute entschädigt.
Zum Frühstück gibt es heute bei mir eine Mischung aus zerkleinerten Keksen mit Erdnüssen und Wasser. Als wir weiter absteigen, sind wir überrascht, am Lac d’Arratille 8 einzelne Zelte zu sehen. Das Zelten scheint in Frankreich ziemlich beliebt zu sein und ist als Biwak über Nacht sogar im Nationalpark erlaubt. Durch eine schöne Granitlandschaft steigen wir zum sehr großen Refuge Wallon Macadau auf 1865 Meter ab, wo unheimlich viele Leute sind. Ich nutze die Gelegenheit mich auf der Toilette zu rasieren. An knorrigen Kiefern vorbei wandern wir dann aufwärts zum Col de Cambales auf 2796 Metern. Dabei passieren wir zahlreiche Seen in herrlicher Bergwelt und es sind deutlich weniger Leute unterwegs als gestern. Während unserer Mittagspause auf dem Pass beobachten wir 4 halbwüchsige Steinböcke. Der Abstieg führt in Serpentinen durch den Schotter. Als Anke und ich uns unterhalten, mischt sich ein entgegen kommender Mann auf Deutsch in unser Gespräch ein. Stefan aus Mönchengladbach ist 40 und Tischler. Er ist zunächst den GR 11 vom Mittelmeer zum Atlantik gelaufen und kehrt jetzt auf der HRP dorthin zurück. Insgesamt drei Monate will er unterwegs sein und lebt in Deutschland im Auto. Wir unterhalten uns über eine Stunde lang, bevor wir uns trennen. Hinter einem niedrigen Pass gelangen wir wieder nach Spanien, kommen an zwei großen Stauseen vorbei und gelangen hinter dem Refugio Respumoso auf einen schönen Pfad im Hang, der uns zu den Arriel Seen führt. Wir finden einen traumhaften Zeltplatz abseits des Wegs an einem See und ziehen uns während des Essens aus Käse, Wurst und Erdnüssen zurück ins Zelt, als es zu regnen beginnt. Als es aufgehört hat, taucht eine 8- köpfige Gruppe junger Leute auf, die sich anschickt, ihr Lager ganz in unserer Nähe aufzuschlagen. Glücklicherweise ziehen sie weiter, als ich ihnen klar mache, dass wir uns diesen Platz ausgesucht haben, um unsere Ruhe zu haben…
Am Morgen regnet es noch einige Tropfen und es ist grau aber freundlich als wir losgehen. Bald erreichen wir den oberen Ariel See, landen aber in einer Sackgasse als wir feststellen müssen, dass der in unserer Kartenapp eingezeichnete Weg nicht existiert. Der Aufstieg zum Col d‘Arremoulit stellt kein Problem dar, allerdings ist das Refuge unterhalb wegen Baumaßnahmen geschlossen. Ein Schild verrät, dass die Sicherungen an der Passage d‘ Orteig schadhaft sind, weshalb wir einen Umweg in Richtung des Lac d‘Artouste nehmen um zum Col d‘Arrious zu gelangen. Anschließend geht es durch ein Wiesental hinab in den Buchen- und Tannenwald über dem Brousset Tal. Das Tal liegt lediglich auf 1350 Meter und mittlerweile ist es sonnig und heiß, daher legen wir am Pombie Bach im Schatten der Buchen eine Pause ein, bevor wir weiter aufsteigen. Wir genießen kühles Wasser mit einer Magnesiumtablette, die nach Zitrone schmeckt, göttlich!
Schließlich verlassen wir den Wald und steigen über grüne Matten voller Vieh auf zum Refuge Pombie. Dort sind viele Menschen und der kleine See unterhalb wird rege zum Baden genutzt. Ein Gewitter zieht auf, aber wir hoffen noch, dass es an uns vorbei zieht, als wir weiter zum 2320 Meter hohen Col de Peyreget aufsteigen. Als es auf der anderen Seite dann doch losgeht, verkriechen wir uns unter einem kleinen Felsüberhang und decken die Zeltplane über uns. 8 Gämsen, die wir in der Nähe sehen, scheinen sich ebenfalls in Sicherheit bringen zu wollen. Es blitzt und donnert um uns und ist sehr grau. Die Berge gegenüber verschwinden in einer weißen Wand. Glücklicherweise bleiben wir halbwegs trocken und nach einer halben Stunde ist der Spuk vorbei. Der Wind drückt Nebelfetzen mit ungeheurer Geschwindigkeit nach unten und dann ist die Sonne zurück. Ein Stück weit unterhalb schlagen wir rechtzeitig unser Lager auf, bevor es wieder regnet.
Am Morgen ist es trocken und warm, als wir durch eine Landschaft voller Kühe und Schafe ins Tal absteigen. Bei einem Gebäude werden Schafe offenbar gemolken. Hier wird bestimmt Schafkäse hergestellt!
Als wir aus dem Tal Richtung Col des Moines wandern, ist eine Schafherde vor uns auf dem Weg, die von einem großen Hund mit kuscheligem, weißen Fell bewacht wird. Im Gegensatz zu Rumänien, wo das eine potentiell nicht ungefährliche Begegnung wäre, beachtet uns der Hund nicht und lässt uns mitten durch die Herde marschieren.
Ein großer Schwalbenschwanz- Schmetterling mit verletztem Flügel sitzt unbeweglich im Gras und ich fotografiere Raupen, Eidechsen, Grashüpfer und einen Frosch. Vor dem Pass über den wir wieder nach Spanien gelangen ist viel los und schließlich erreichen wir das Skigebiet von Astun und folgen der Straße ein Stück weiter nach Candanchu, wo wir schon mittags ankommen. Wir haben hier heute morgen ein Hotel gebucht und verbringen den weiteren Tag hauptsächlich mit Essen und relaxen, was uns bestimmt gut tut.
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