Auf einem Fahrweg gelange ich rasch höher, lasse die Endeberghütte links liegen und beginne dann den Aufstieg zum Schönjöchel.
Ausgedehnte Altschneefelder reichen weit hinab ins Tal. Zwar ist es hier nicht supersteil, dennoch schnalle ich irgendwann die Microspikes an.
Der Schlussanstieg ist dann sehr steil, ich kann jedoch vom Schnee in die Felsen ausweichen. Schließlich habe ich die Scharte auf der Grenze nach Italien in einer Höhe von 2300 Meter erreicht. Das ist allerdings kein Pass, denn der Abstieg auf die Südseite ist zu steil. Eigentlich ist mein Plan dem Grat der Karnischen Alpen weiter über die Raudenspitze zu folgen, allerdings ist das Gelände sehr schroff und es gibt noch Schneefelder, daher beschließe ich den Rückzug anzutreten, um nicht in einer Sackgasse zu landen.
Allerdings habe ich keine Lust komplett abzusteigen und sehe einen eingezeichneten Pfad in meiner Karte, der über die Felsbarriere ins Frohntal führt. Leider ist von diesem Weg nichts zu sehen, aber der Aufstieg scheint auch so machbar zu sein...
Allerdings ist das Terrain viel steiler als es aussah, und ich arbeite mich mühsam in einer steinigen Rinne nach oben. Um felsige Absätze zu erklimmen, ziehe ich mich manchmal an Büschen und Gras hoch. Ich glaube ich wäre besser um den Kamm drum rum gelaufen...
Kurz vor der Scharte, die ich als Übergang ausgemacht hatte, stoße ich dann doch auf den Rest des ehemaligen Pfads, der aber wohl schon seit langem nicht mehr begangen wird. Ich nehme an das Gröbste hinter mir zu haben, als ich oben stehe, und tatsächlich kann ich auch zunächst dem Steig weiter folgen, der ausgesetzt durch den Steilhang traversiert und mich wie ich hoffe, zu einer weniger schroffen Abstiegsroute führt. Leider ist dann aber bald nichts mehr von dem Pfad zu erkennen, und das Terrain vor mir sieht auch nicht so aus, als ob ich dort irgendwo runter kommen könnte...
Dann entdecke ich eine steile Lawinenrinne, die nicht unmöglich erscheint, allerdings kann ich nicht den ganzen Verlauf bis ins Tal einsehen. Dennoch beginne ich den Abstieg. Stellenweise ist es so steil, dass ich mich auf den Hosenboden setze und Stück für Stück runter gleite. Auf meinen Füßen ist mir die Gefahr abzurutschen zu groß...
Ich bin schon ziemlich tief gelangt, als ich einen Absatz erkenne. Möglicherweise geht es dort nicht weiter und ich werde den ganzen Horrorabstieg zurück gehen müssen, oh nein, bitte nicht!
Aber ich habe Glück, zwar ist der weitere Verlauf der Rinne tatsächlich unpassierbar, aber dies ist die erste Stelle, wo ich in den Hang ausweichen kann, und habe dann tatsächlich das steilste Stück hinter mir, Hurra!
Nichts desto trotz muss ich noch ein ganzes Stück weiter absteigen, bis ich im Wald, knapp über dem Frohntal ein halbwegs ebenes Plätzchen für mein Zelt finde.
Als ich am nächsten Morgen mein Lager abbaue, schreckt ein Reh in der Nähe, lang und anhaltend. Schon gestern Abend war es da und bellte fast wie ein Schäferhund! Es wird sich natürlich schnell wieder beruhigen, wenn ich weg bin.
Bald gelange ich auf den Fahrweg am Frohnbach und steige durch die weitläufige Almlandschaft auf. Es ist ziemlich grau und nieselt. Schließlich geht es auf einem Steig weiter hoch.
Just als es dann stärker zu regnen beginnt, erreiche ich das Hochweißsteinhaus, wo ich erst einmal einen Kaffee trinke. Ich bin der einzige Gast und erfahre, dass die Pächterfamilie die Hütte schon seit über 70 Jahren bewirtschaftet, jetzt in der dritten Generation!
Sie haben allerhand Vorkehrungen getroffen um den Gästen auch während der Corona Epidemie einen sicheren Aufenthalt bieten zu können, sind aber unsicher, wie sich die Saison entwickeln wird.
Es regnet noch immer leicht, als ich nach einer halben Stunde weiter zum Bladner Joch am Kamm der Karnischen Alpen laufe.
Vom Bladner Joch auf 2126 Meter folge ich dem Kamm weiter und kann tolle Ausblicke zum gezackten Kamm der Karnischen Alpen und den Dolomiten voraus genießen.
Am Passo Sessis erreiche ich den mit 2367 Metern höchsten Punkt und steige ab nach Italien. Was wird mich wohl in diesem Land erwarten, das von dem Corona Ausbruch besonders hart getroffen wurde!
In Italien sind die meisten Hütten des dortigen Alpenvereins CAI aus Stein erbaut, so auch das Rifugio Calvi, das ich bald erreiche. Von hier führt eine Route auf den beliebten Monte Peralba oder Hochweißstein, den sogar der Papst Johannes Paul II erklommen hatte. Es ist Sonntag und allerhand los hier, daher lasse ich den Gipfel links liegen.
Auf einem Fahrweg geht es abwärts, allerdings kann ich schon bald auf einen Pfad durch den Lärchenwald wechseln. Toll, wie üppig die Trollblumen vor der Kulisse der Berge blühen.
An der Piave Quelle gibt es eine Hütte und zahlreiche Leute haben offenbar einen Sonntagsausflug hierher unternommen. Der Dolomitenhöhenweg 6 startet hier, aber nirgendwo gibt es einen Hinweis oder eine Markierung dazu. Auch der Weg auf meiner mapout Karte existiert offenbar nicht. Ich habe keine Lust auf der parallel verlaufenden Straße zu wandern, daher laufe ich ein Stück weglos, durch das weite, nur locker bewachsene Moorgelände, bis ich dann doch auf einen markierten Weg stoße. Allerdings weist auf den Höhenweg immer noch nichts hin, was dann auch im weiteren Verlauf der Wanderung so bleiben sollte...
Als sich der Pfad langsam hoch schraubt, sehe ich, dass offenbar der Orkan Sabine auch hier für große Verheerungen gesorgt hat, auf großen Flächen sind die Fichten umgeworfen worden. Hoffentlich bereitet mir das nicht noch Probleme...
Schließlich gelange ich über die Baumgrenze und der Pfad verläuft über eine lange Strecke im Hang. An etlichen Stellen bedecken steile Schneefelder den Weg. Ich habe keine Lust ständig die Microspikes an- und auszuziehen, daher versuche ich, die steilsten Stellen über die Felsen zu umgehen, was aber nicht immer möglich ist. So tanze ich immer wieder wie auf rohen Eiern über die harten, weißen Flächen, dabei bin ich keineswegs entspannt... Ich hasse steile Schneefelder!
Eine Stelle ist mir dann aber doch zu gefährlich, so dass ich die Microspikes anlege, mit denen der Übergang aber gut funktioniert.
Dann erfolgt der Aufstieg zum Pass Sella Franza auf ca. 2150 m. Zwar gibt es auch hier noch viele Schneefelder, das Terrain ist aber weniger steil.
Man kann von hier zwar auch absteigen, aber meine Route führt weiter aufwärts, zunächst nicht zu steil...
Bald führt der Pfad aber in Serpentinen durch losen Schotter sehr steil zum Passo del Mulo auf 2356 Meter. Ganz schön aufregend! Glücklicherweise ist der Schnee hier schon weitgehend getaut.
Auf der anderen Seite geht es dann recht gemächlich bergab und ich schlage mein Lager auf etwa 2200 Meter oberhalb der Laghi d'Olbe auf. Überall erklingen die warnenden Pfiffe der Murmeltiere und das Panoroma ist toll. Nachdem ich meine übliche, kalte Mahlzeit genossen habe, unternehme ich dann noch einen Abendspaziergang zu den drei Seen, über denen malerisch eine kleine Kapelle aufragt.
Das ist der bisher wohl schönste Lagerplatz der Wanderung und ich bin voll zufrieden mit dem heutigen Tag! Bisher gefällt es mir in Italien sehr gut!
Am nächsten Morgen regnet es dann mal wieder, so dass ich erst um 8:30 aufbreche. Allerdings benötige ich dann auch nur zwei Stunden um das Städtchen Sappada zu erreichen, wo ich mich neu verproviantiere. In dem kleinen Lebensmittelladen darf ich mir Obst nicht selber nehmen, sondern bekomme es von einer Verkäuferin eingepackt. Natürlich tragen die Leute Masken beim Einkaufen, aber ansonsten scheint das Leben relativ normal weiter zu laufen, wie ich bei einem Kaffee an der Straße feststelle.
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