Das dieser Weg und auch andere Bergpfade früher viel intensiver genutzt wurden, zeigen Treppenstufen im Wald, auf die ich recht häufig stoße. Obwohl es trocken ist, rutsche ich auf einer Stufe aus und schlage mir das Schienbein auf. Aua!
Ab und zu passiere ich offene Flächen mit Gruppen von Steinhäusern und mächtigen Esskastanien.
Es ist heiß und trocken, daher tummeln sich etliche Eidechsen auf den Felsen.
Weiter oben passiere ich den Weiler Cortone, wo offenbar einige Schweizer Familien ihre Sommerferien verbringen.
Ein Stück weiter schlage ich dann abseits des Weges im Buchenwald an einer Ruine mein Lager auf. Als es langsam dunkel wird, raschelt und quiekt es in der Umgebung, aber ich bekomme die Wildschweine nicht zu Gesicht, die sich ganz in der Nähe tummeln.
Am nächsten Morgen geht es weiter durch den schönen Buchenwald, kurzzeitig auch in einer Bachschlucht.
Ich kann es kaum glauben, als ich zwei Gämsen im Esskastanienwald beobachte. Mit diesen Bergtieren hatte ich auf dieser niedrigen Höhe nicht gerechnet!
Nach dem niedrigen Passo della Garina steige ich nach Loco im Isorno Tal ab. Es gibt hier sogar einen kleinen Laden, in dem ich Brot und Käse kaufe, was ich mir schon bald auf einer Bank in den Weinbergen schmecken lasse!
Anschließend steige ich noch weiter ab bis zur auf nur noch 400 Meter gelegenen Isorno Schlucht.
Als ich anschließend wieder hoch wandere, sind die Wege teilweise schlecht zu erkennen, und ihr Verlauf stimmt nicht mit der Einzeichnung in mapout überein. An einzelnen Häusergruppen im Hang vorbei geht es in den dichten Laubwäldern weiter hoch.
Gegen 15 Uhr beginnt es zu gewittern, ich habe aber Glück und kann mich in einer Ruine mit Wellblechdach unterstellen.
Als ich hinter der Kapelle Madonna della Segra einem bewaldeten Kamm folge, scheint das nächste Gewitter im Anmarsch zu sein, daher schlage ich schon um 17 Uhr mein Lager auf. Es fallen dann aber nur wenige Tropfen.
Am nächsten Morgen folge ich dem Kamm weiter. Schon bald bleiben die Buchen zurück und weichen einem offenen Lärchenwald der auf den Höhen immer wieder durch Grasflächen unterbrochen wird.
Einige Male begegne ich Gämsen, darunter auch Mütter mit ihren Kitzen.
Nachdem ich am Berg Capellone mit 1818 Meter den höchsten Punkt erreicht habe, steige ich ab zur verlassenen Alpe Ruscada und überquere bald darauf die nicht gekennzeichnete Grenze zu Italien. Damit habe ich die Schweiz endgültig hinter mir gelassen.
Die Gegend wirkt auf mich ziemlich einsam und wild, auch die Pfade scheinen kaum benutzt zu werden. Bevor ein grasiger Streifen beginnt, beobachte ich lange Zeit einen Schwarzspecht, der am Boden sitzt und Ameisen ausgräbt. Normalerweise sind die krähengroßen Vögel ziemlich scheu, aber dieses Spechtmännchen mit seiner feuerroten Haube beachtet mich gar nicht.
Ich sehe dem schönen Vogel wohl 20 Minuten lang zu und habe dann schon bald das nächste Beobachtungshighlight: Als ich nach meiner Mittagsrast weiter gehen will, sehe ich einen Fuchs, der gerade hinter einem Hügel verschwindet. Ich hoffe darauf, mich im Schutz der Erhebung dem roten Räuber nähern zu können und habe Glück!
Es beginnt zu regnen, daher verscheuche ich das Reh, was hinter dem Fuchs äst und suche Unterschlupf in den Ruinen der Alpe Rovina.
Als ich weiter laufe, entpuppt sich der Pfad als sehr schön: Urige Buchenwälder mit Fichten und Tannen, die immer wieder von steilen Schluchten unterbrochen werden, eine wilde, abwechslungsreiche Landschaft!
Erst vor dem kleinen Dorf Villette gelange ich aus dem Wald und sehe die ersten Menschen heute.
Am Bach Melezzo Orientale erreiche ich den tiefsten Punkt auf etwa 700 Meter und steige wieder auf. Vor der großen Wiese Pian dei Sali flacht das Gelände ab und bietet sich zum Zelten an, aber da eine große Jugendgruppe hier herumtollt gehe ich weiter und will schließlich auf einem Absatz im Buchenwald mein Lager aufschlagen. Obwohl das ausser Sichtweite des Wegs ist, kommt dann eine Familie vorbei, so suche ich mir noch mal ein anderes Plätzchen, denn aus alter Gewohnheit versuche ich stets unbemerkt von anderen Menschen zu campieren.
Früh am Morgen passiere ich das Dorf Finero und gelange bald darauf in den Nationalpark Val Grande. Dieser hat eine Fläche von 14.600 Hektar und wird oft als das größte Wildnisgebiet der Alpen bezeichnet. Ich bin gespannt!
Während es morgens noch genieselt hat und sehr feucht ist, kommt jetzt die Sonne und es wird rasch wieder heiß, als ich durch den Buchenwald zu einem felsigen Grat aufsteige, dem ich dann weiter folge.
Erstaunlicherweise blühen hier Mitte August sogar noch vereinzelte Orchideen, obwohl deren Hauptzeit Ende Juni liegt!
Zu meiner Überraschung treffe ich an der verlassenen Alpe Mot drei junge Mädchen aus München, die hier eine 4- Tagestour unternehmen. Wie ich auch später noch feststellen sollte, ist die Gegend bei Deutschen beliebt!
Buchenwald und felsige, offene Abschnitte wechseln sich ab. Ich beobachte einen Schwarzspecht an einem Baum und sehe ein Haselhuhn im Gebüsch.
Über einen Pass geht es zum Bivacco Lidesh und dann weiter zum gleichnamigen Pass. Hier im Nationalpark gibt es eine ganze Reihe von Biwakhütten in denen man übernachten kann. Interessanterweise bildet die Buche hier die Waldgrenze!
Nach der Mittagsrast auf dem Pass geht es hoch zum Berg Monte Torrione auf 1984 Meter. Obwohl die Berge hier nicht sehr hoch sind, gibt es doch recht schroffe Klettereien, mit einigen Sicherungen, wie ich bald merke.
Mittlerweile sind zwar Wolken aufgekommen, es ist aber immer noch sehr heiß. Die zu eingeschnittenen Tälern abfallenden, steilen Hänge sind mit einem dichten Teppich aus samtgrünen Buchenwäldern bedeckt.
Ich folge dem Kamm weiter im Hang zur Bocchetta di Terza. Dies ist eine recht schwierige, langsame Route. Zur Steilheit des Geländes kommt hinzu, dass es streckenweise durch recht hohes Gras und Grünerlengebüsche geht.
Im Abstieg begegnet mir eine ziemlich dicke, etwa einen Meter lange, braune Schlange, die auf dem Weg liegt und sich dann tatsächlich in meine Richtung schlängelt, bevor sie im Gras verschwindet. Dort kann ich sie dann in unmittelbarer Nähe noch eine Zeit lang betrachten. Es handelt sich um eine Aspisviper, die aber nicht besonders giftig, und daher eher ungefährlich ist.
Bald geht es wieder steil bergauf zur Cima Marsice auf 2135 Meter. Ab dort folge ich dem zerklüfteten Grat noch eine Zeit lang. Zwar gibt es einige Markierungen, aber es wandern hier wohl nur wenige Leute, daher ist stellenweise von einem Pfad nicht viel zu sehen. Dafür erhalte ich ständige schöne Ausblicke in die Bergwelt.
Schließlich steige ich ab zum Pass Bocchetta di Cortechiuso und schlage auf einem grasigen Sporn über dem See Lago del Marmo mein Lager auf. Seit langer Zeit finde ich hier das erste Wasser, wenn auch nur stehend...
Später regnet es noch ein wenig, daher verziehe ich mich ins Zelt.
Am Morgen sehe ich in der Dunkelheit das Leuchten von Stirnlampen. Offenbar wollen Leute zum Sonnenaufgang auf der nahegelegenen Cima Laurasca sein.
Auch ich steige bald dort hoch, und genieße das bereits von der Sonne beschienene Monte Rosa Massiv.
Laut meiner mapout Karte soll von hier ein Pfad auf dem Grat weiter führen, aber davon ist keine Spur zu entdecken und die Route sieht auch schwierig aus, daher gehe ich ein Stück zurück und steige dann hoch zur Bocchetta di Scaredi auf 2085 Meter.
Eine sehr schöne, nicht zu schwierige, aber dennoch stellenweise mit Ketten gesicherte Route führt dann auf dem Grat weiter. Meine Blicke schweifen weit über die gezackten Bergkämme zu den großen oberitalienischen Seen.
Ich kann das Bivacco del Campo schon lange sehen, benötige dann aber noch ziemlich lange, bis ich da bin. Auch diese Steinhütte des Nationalparks bietet eine kostenlose Übernachtungsmöglichkeit!
Ab hier ist von einem Weg nichts mehr zu erkennen, und auch auf der Wegekarte des Nationalparks, die ich abfotografiert hatte, ist die weitere Route nicht eingezeichnet. Ich befürchte in dem dicht bewachsenen, steilen Terrain in einer Sackgasse zu landen und beschließe schweren Herzens den Rückweg. Wie ich ja schon gestern gesehen hatte, sind die Routen hier ziemlich schwierig, so dass man sehr viel Zeit benötigt um voran zu kommen.
Leicht frustriert trete ich den Rückzug an und steige zur Alpe Scaredi ab, einer Hütte an der viel los ist, Es gibt hier auch Kühe. Wie war das noch mit der Wildnis?
Von hier beginnt der lange Abstieg im Tal des Rio Portaiola.
Bei 1500 Meter enden die offenen Flächen und ein dichter, meist recht dünnstämmiger Buchenwald beginnt. Bis in die 50' er Jahre wurde der Wald hier ziemlich intensiv forstwirtschaftlich genutzt, daher kann man keinen richtigen Urwald erwarten. An einem Seitenbach abseits des Wegs entdecke ich eine versteckte Gumpe. Leider ist sie nicht tief genug zum Schwimmen, aber immerhin kann ich mich in dem frischen Wasser herrlich abkühlen.
An der verfallenen Alpe Boschelli erinnert eine Tafel an die schrecklichen Ereignisse die sich hier 1944 ereignet hatten. Damals stellte das Val Grande ein Rückzugsgebiet für italienische Partisanen dar, die dann aber während einer millitärischen Aktion von SS und faschistischer Armee fast alle getötet wurden. Etwa 500 Menschen ließen ihr Leben.
Während des Angriffs wurden zahlreiche Alpen und ein Großteil der Infrastruktur zerstört, darunter auch die Seilbahnen für den Abtransport des Holzes. Zwar wurde die letzte Almsiedlung im Gebiet des heutigen Nationalparks dann erst 1969 aufgegeben, aber die Ereignisse während des Krieges spielten sicher eine große Rolle dafür, das sich der Mensch aus dem Val Grande zurückzog.
Ich bin jetzt auf dem Hauptweg des Nationalparks, daher begegnen mir etliche Wanderer, darunter auch wieder Deutsche. Das Tal mit seinen urigen Wäldern und kühlen Bächen ist aber auch wirklich sehr schön.
Grashüpfer auf Erlenblättern
Schließlich erreiche ich das Tal des Rio Val Grande, den ich auf einer Hängebrücke überquere.
Das schwer zugängliche Tal zieht sich über eine Länge von 25 Kilometern in den Park hinein. Ich muss unbedingt wieder kommen um mehr davon zu sehen!
Auf einer Terrasse mit einer ausgedehnten Grasfläche oberhalb des Baches liegt die große Hütte in La Piana, wo ich Leute sehe. Ich lasse das Gebäude links liegen und setze meinen Weg zunächst fort, verlasse dann aber den Pfad und finde einen schönen Lagerplatz auf einer von alten Buchen bewachsenen, ebenen Stufe oberhalb des Flusses.
Später unternehme ich noch einen ausgedehnten Spaziergang durch den Wald. Die knorrigen Buchen mit ihren tief angesetzten Ästen deuten darauf hin, dass sie alleine aufgewachsen sind, wohl weil die flache Flussterasse ehemals vom Vieh beweidet wurde. Nach der Aufgabe der Beweidung kehrten zunächst Aspen und Birken zurück, die inzwischen zu großen Exemplaren herangewachsen sind. In deren Schutz wuchsen die jungen Buchen auf, die mittlerweile dominieren. Faszinierend zu sehen, wie der Wald die Landschaft zurück erobert hat!
Als ich morgens um 5 aufwache, beginnt es zu gewittern und regnet, so dass ich erst um 8:30 aufbreche. Der Weg führt mich weiter durch den schönen Buchenwald mit einigen knorrigen Exemplaren. Auf den trockenen Hängen wachsen sogar einige Eichen. Ich quere den Rio Gabbio und steige auf zur ehemaligen Alpe Colletta, die mittlerweile komplett vom Wald zurückerobert wurde.
Nachdem ich in das Tal des Rio Serena abgestiegen war, geht es dann wieder aufwärts zur Alpe Serena. Hier gibt es noch offene Flächen mit hohem Gras aus dem Ebereschen ragen, die bereits jetzt ihre orangen Früchte, die Vogelbeeren tragen.
In dieser halboffenen Landschaft gibt es auch viele Blumen und Schmetterlinge. Besonders die Doldenblütler ziehen viele Gäste an.
Nach der Alpe geht es noch einmal bergauf, bis ich beim Bivacco Colma die 1700 Meter Marke erreiche. Jetzt beginnen 1500 Meter Abstieg ins Toce Tal, das ich schon entfernt erkenne.
Zunächst geht es noch auf einem Pfad weiter, dann aber auch auf Fahrwegen, bis ich schließlich nach Premosello- Chiovenda gelange. Da heute Sonntag ist, hat der Laden schon mittags geschlossen, daher will ich hier übernachten. Ich entdecke aber zunächst lediglich ein geschlossen wirkendes Hotel, bis ich ein Schild entdecke, das auf ein B.u.B etwas außerhalb hinweist. Tatsächlich erhalte ich dann ein Zimmer auf einem Reiterhof. Ich wasche meine Sachen und hänge sie zum Trocknen auf dem Balkon auf. Anschließend laufe ich in den Ort, wo ich an einem Café draußen sitze mit Bier und Pizza, sowie Eis zum Nachtisch. Hier auf lediglich 200 Meter ist es heiß und die Zikaden sirren.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen