Der nächste Morgen bricht schön an und wir überqueren schon bald den Healy Pass. Anschließend steigen wir ab zum Egypt Lake, wo es von Zelten wimmelt. Allerdings schlafen die meisten Leute offenbar noch, und wir haben den See für uns alleine, in dem sich ein schroffer Berg wunderbar spiegelt,. Dann unternehmen wir einen Abstecher weiter aufwärts zum Scarab Lake, der noch malerischer am Fuß steil aufragender Felswände liegt.
Anschließend steigen wir durch bunte Blumenwiesen und Nadelwald hoch zum Whisper Pass von wo aus wir tolle Aussichten erhalten und schon den unter uns liegenden Haiduk Lake erkennen. Eine kleine Ente mit ihren 8 Jungen schwimmt auf dem Waldsee und uns begegnen drei andere Wanderer. Natürlich nutzen wir den tollen Platz für eine ausgedehnte Mittagspause.
Anschließend geht es recht steil wieder aufwärts durch Wald und am Schluss auch eine ausgedehnte Blockhalde hoch zum Ball Pass auf 2210 Meter, wo wir unsere Blicke über die alpine Landschaft schweifen lassen können. Hier verlassen wir den Banff Nationalpark erstmal und gelangen in den weniger bekannten Kootenay Nationalpark, worauf aber nichts hinweist. Der Abstieg ist zunächst relativ flach, dann wird das Tal aber stärker eingekerbt und wir laufen oberhalb im Hang durch ein großes, altes Waldbrandgebiet, in dem viele der grauen Baumleichen noch stehen. Fast überall wächst die neue Waldgeneration heran, meist Kiefern, aber auch einige Birken. Wir sind jetzt in relativ tiefer Lage, wo die ersten Blau- und Büffelbeeren schon reif sind. Allerdings sehen wir noch keinen Bärenkot, offenbar sind die wenigen Früchte noch nicht interessant genug. Mittlerweile hat es sich bewölkt und ein Gewitter scheint heraufzuziehen. Da das auch mit Windböen verbunden sein kann, wollen wir nicht in dem Bereich der toten Bäume lagern, da diese natürlich irgendwann umfallen werden. Aber egal wohin wir schauen, immer sind potenziell gefährliche Bäume in der Nähe. Schließlich entdecken wir dann aber doch noch unmittelbar vor der Straße 93 eine kleine Lichtung, wo wir gefahrlos schlafen können. In der Nacht regnet es dann ziemlich heftig und auch am Morgen hält der Dauerregen noch an, so dass wir in den Zelten bleiben. Da mein Rucksack am Kopfende gegen die einschichtige Zeltwand drückt, gelangt ziemlich viel Wasser hinein und durchnässt auch meinen Schlafquilt. Ziemlich unangenehm, aber glücklicherweise ist es nicht kalt. Außerdem gewährt mir Anke Asyl, und wir machen es uns beim Hören von Podcasts gemütlich. Erst gegen 13:30 brechen wir wieder auf, überqueren die Straße und schlagen kurz danach wieder unser Lager auf. Wir wollen die Sonnenstrahlen nutzen, die jetzt wieder schüchtern hervorschauen, um unsere Ausrüstung zu trocknen. Abgesehen davon setzt sich das Waldbrandgebiet mit den toten Bäumen auch weiter aufwärts fort und wir wollen den offenen Platz hier nützen, so schnell finden wir so etwas bestimmt nicht mehr….
Erst weit oben verlassen wir die Zone mit den toten Bäumen und erreichen den Floe Lake, malerisch unter einem Gletscher gelegen. Zumindest hat sich der Nebel ein wenig gelichtet, so dass wir eine atemberaubende Aussicht erhalten. Der Zeltplatz hier verfügt über 18 Plätze und ist wohl fast immer ausgebucht… Aber die meisten Leute scheinen noch zu schlafen.
Ab hier folgen wir dem berühmten Rockwall Trail. Durch intakten, subalpinen Wald voller Blumen und schließlich offenes Gelände steigen wir hoch zum Numa Pass auf 2350 Meter Höhe. Die schroffen Berge sind leider meist von Wolken verhüllt. Das der Trail beliebt ist, merken wir auch daran, dass uns heute etliche Wanderer begegnen. Ein langer Abstieg bis auf nur noch 1550 Meter führt uns zum Numa Creek, an dem mächtige Tannen und Fichten wachsen. Von hier geht es wieder nach oben. Glücklicherweise ist die Vegetation inzwischen abgetrocknet, denn wir müssen uns streckenweise durch dichtes Weidengebüsch bewegen. Zweimal überqueren wir rasch fließende, steil eingeschnittene Bäche und gelangen dann zum Tumbling Pass auf 2200 Meter Höhe. Von den grauen, schroffen Bergen hier brechen Gletscher ab, die weiter unten teilweise von Schutt überdeckt sind und kleine Schmelzwasserseen bilden. An einem großen Schneefeld vorbei steigen wir dann zum Tumbling Creek ab, wo wir schließlich auf dem Campground unser Lager auf einer Schotterplattform aufschlagen, ein Stück weit entfernt von anderen Zelten. Wir bekommen zwar gerade so unsere Häringe untergebracht, aber eine Bedeckung mit Hackschnitzeln finden wir wesentlich angenehmer. Wir haben diesen Campplatz nicht gebucht, da wir wegen dem Regen langsamer waren als gedacht. Ein Problem, dass zeigt, wie unflexibel das Reservierungssystem ist, was überhaupt nicht auf die Anforderungen von Langstreckenwanderern ausgerichtet ist.
Morgens nieselt es noch, daher brechen wir erst um 7:40 auf. Auf den anderen Plätzen stehen meist sehr große Zelte, oft ist zusätzlich sogar noch ein Tarp darüber gespannt. Es ist klar, das für diese Leute das Zelten im Vordergrund steht und sie sicher nicht mit ihrem schweren Gepäck weite Strecken laufen. Die Sonne ist heute ein trübe eingefärbter Ball und es riecht nach Feuer. Bei meiner Wanderung 2018 war der ganze August von Waldbranddunst bestimmt. Ich hoffe dass wir nicht ab jetzt ähnliche Bedingungen haben werden. Aber natürlich müssen wir damit rechnen, da im Osten Kanadas bereits seit längerem große Waldbrände toben und es auch in Alberta und BC bereits einige Feuer gibt. Wir steigen zum Wolverine Pass auf 2200 Meter auf. Leider ist die sicher wunderschöne Umgebung mit ihren Felsbergen und Gletschern stark vom Dunst verhüllt.
Als wir absteigen hören wir schon aus einiger Entfernung ein Donnern und sehen dann die insgesamt 352 Meter herabstürzenden Helmet Falls, einer der größten Wasserfälle der kanadischen Rocky Mountains.
Nachdem wir den Zeltplatz unterhalb am Bach passiert haben, verlassen wir den Rockwall Trail, und treffen keine Wanderer mehr, als wir durch beeindruckenden alten Wald mit sehr hohen, dicken Fichten zum Goodsir Pass auf 2200 Meter aufsteigen. Mit seinen üppigen Moospolstern wirkt der Wald manchmal wie in Watte eingepackt. Auf einem schönen Pfad geht es durch den Wald, der immer wieder von Lawinenbahnen unterbrochen wird abwärts zum Ottertail River, wo wir schließlich am McArthur Campground, den wir eigentlich für gestern gebucht hatten, im Kiefernwald unser Lager aufschlagen. Wir wähnen uns alleine, aber erst um 20:30 tauchen noch drei andere Wanderer auf und schlagen ihre Zelte etwa abseits von uns auf. Wahrscheinlich handelt es sich um andere Fernwanderer, was wir viel später auch bestätigt bekommen. Das lange, ununterbrochene Zusammensein führt dazu, dass Anke und ich uns streiten, da sie mir öfter mal ins Wort fällt. Eigentlich lächerlich, nichts desto Trotz kühlt unsere Stimmung ziemlich ab.
Am nächsten Morgen folgen wir einem Fahrweg abwärts und laufen bald getrennt voneinander, da die Stimmung immer noch nicht besser ist. Gegen 10 Uhr erreiche ich den verkehrsreichen Trans-Canada Highway, wo ich eine halbe Stunde versuche eine Mitfahrgelegenheit nach Field zu finden, was ich aber schließlich aufgebe. Vier Kilometer weit folge ich dann der ätzend verkehrsreichen Straße, bis ich in einen Waldweg abbiege und gegen Mittag den kleinen Ort Field erreiche. Es gibt in dem Dorf, das von Holzhäusern geprägt wird, einige Unterkünfte und Restaurants, Lebensmittel kann man aber nur in der Tankstelle kaufen. Allerdings beschränkt sich das Angebot dort weitgehend auf Chips und Kekse, daher bin ich etwas ratlos. Dann taucht Anke auf, und wir vertragen uns sofort wieder. Unterwegs hat sie sogar einen Schwarzbären am Weg gesehen! Wir beschließen nach Golden zu trampen um dort einzukaufen und stellen uns an die Straße am Visitor Center des Yoho Nationalparks. Wir haben Glück, nach einer Stunde kommt Taylor, Ende 20 vorbei, die vor einigen Jahren auf dem Pacific Crest Trail durch die USA gelaufen ist, und jetzt eine Skilodge managt, die nur per Heli zu erreichen ist. Solidarität unter Fernwanderern ist etwas Schönes! Sie bestätigt uns, dass auch hier die Gletscher sichtbar abschmelzen und erzählt, dass es in der letzten Saison relativ wenig Schnee gab. Sie erzählt uns von dem neuen großen Trend in Kanada, dem HeliHiking. Dabei lassen sich reiche Leute mit dem Hubschrauber in der alpinen Zone absetzen, und laufen dort mit Guide einige Stunden rum, bevor der Heli sie wieder einsammelt. Meiner Meinung nach ist das pervers und steht gegen alles was das Erlebnis in den Bergen ausmacht. Aber Taylor ist daran interessiert und hat daher eine 5-tägige Ausbildung zur Wanderführerin gemacht. Diese hat schlappe 3000 Dollar gekostet! Allerdings hat sie damit nur den Lehrlingsstatus erreicht und muss in ein bis zwei Jahren eine weitere Prüfung ablegen, die auch noch mal 2000 Dollar kostet. Schließlich kommen wir in Golden an und unsere nette Fahrerin setzt uns am großen IGA Supermarkt in Golden ab, wo wir für fünf Tage einkaufen wollen. Doch zunächst treffen wir ihren Chef, einen österreichischen Bergführer, der schon vor vielen Jahren hier sein Unternehmen gegründet hat. Anschließend folgen wir dem Radweg am Highway für 3 Kilometer zu einem Campingplatz, nur um festzustellen, das er ausgebucht ist. Spaßeshalber fragen wir dann im nahegelegenen, nicht super luxuriösen Motel nach dem Preis für das günstigste Zimmer. Sage und schreibe 300 Dollar, unglaublich! Wir geben natürlich nicht soviel Geld aus, sondern schlagen uns in einen nahegelegenen Wald, wo wir einen guten Zeltplatz finden. Zur Feier des Tages essen wir Tortillas, bestrichen mit Bohnenpaste, Zwiebeln, Salat, Mais und Käse, wozu wir O-Saft trinken.
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