7,5 Tage, 195 Kilometer, 7499 Höhenmeter Aufstieg
Auf dieser Etappe wandern wir lange Zeit auf einem erst 2022 eröffnetem Abschnitt des GDT, dem Highrock Trail. Es geht durch weite Wälder und über offene Kämme, häufig direkt neben der steil aufragenden Felsmauer der Rocky Mountains. Wir überqueren einen flachen, alpinen Pass, erleben einen traumhaften Sonnenaufgang an einem See und treffen kaum andere Menschen.
Da es gestern spät geworden ist, kommen wir erst spät los. Zunächst folgen wir einem Radweg durch das Tal von Crowsnest Pass. Dies ist eine der Hauptachsen für den Verkehr durch die Rocky Mountains, daher ist auf der Straße ziemlich viel los. Glücklicherweise verläuft der meist asphaltierte Weg, auf dem nur einige Radler unterwegs sind, meist entfernt von der Straße. Wir passieren einen riesigen RV-Park. Wie auch in den USA leben auf solchen Wohnmobilplätzen zahlreiche Menschen mehr oder weniger ständig, in ihren teilweise gigantischen Gefährten. Einige der Camper sind von Zäunen umgeben und man hat das Gefühl, dass sich die Leute ein permanentes Zuhause schaffen.
Wir sind erleichtert, als wir bei Coleman dann wieder auf die Route des GDT gelangen, und auf breiten Wegen aufwärts steigen. Durch mittelalte Kiefernwälder, die alle irgendwann kahl geschlagen worden waren, gelangen wir zu einem riesigen Parkplatz, der Atlas Staging Area. Hier können die Leute ihre ATV’s abladen und dann durch den Wald brettern. Es ist sogar erlaubt, in seinem Camper (RV) zu übernachten, dementsprechend haben wir nicht gerade das Gefühl in kanadischer Wildnis zu sein.
Allerdings beginnt hier auch der Highrock Trail, der erst letztes Jahr eröffnet wurde. Der Great Divide Trail wird von einem Verein, der Great Divide Trail Association (GDTA) betreut, die offensichtlich sehr rührig ist. So wird versucht, dort wo der Weg bisher noch über breite Forstwege verläuft, ihn auf schmale Pfade zu legen. 2018 war der folgende Abschnitt noch eher langweilig, ich bin gespannt, was uns jetzt erwartet! Tatsächlich hat man hier teilweise einen ganz neuen Trail angelegt, komplett mit Brücken und allem was dazu gehört. Allerdings hat man natürlich vorhandene Trails immer integriert, so dass nur relativ kurze Stücke ganz neu sind. Der Highrock Trail gefällt uns sofort gut, auch wenn wir nur selten einen Ausblick auf die grauen Felsberge erhalten und meist durch dichte Nadelwälder laufen. Es gibt hier auch noch relativ frische Kahlschläge. Sehr schade, denn wie wir noch sehen sollten, verläuft der GDT weit überwiegend durch unberührte Urwälder und Gebirgslandschaften. Als Anke sich mal in den Wald schlagen muss, begegnet sie gleich einer Elchkuh mit ihren Jungen, von denen ich leider nichts zu sehen bekomme. Der Unterwuchs in diesen Wäldern ist häufig sehr dicht, so dass es gar nicht so einfach ist, einen Lagerplatz zu finden. Schließlich werden wir aber doch ein Stück neben dem Weg fündig.
Nachdem es gestern Nachmittag einige Male etwas geregnet hatte, erwartet uns am nächsten Morgen ein strahlender, blauer Himmel. Wir folgen ein Stück einem Fahrweg und wandern dann auf einem schönen, neu angelegten Pfad weiter nach oben, bis wir aus dem Wald in die offene Landschaft unmittelbar unter der steil aufragenden Mauer der grauen Felsberge gelangen. Einer der Berge hat ein richtiges „Fenster“
Anschließend geht es bergab in eine bewaldete Schüssel bevor wir wieder aufsteigen. Manchmal sehen wir orange Bänder, die den Wegeverlauf markieren, das Zwiebelgewächs von dem wir schon in Waterton gekostet hatten, ist inzwischen stellenweise bereits aufgeblüht, Massen von Schmetterlingen laben sich an feuchten Stellen und alten Kothaufen und wir genießen die Waldeinsamkeit bei dem schönen Wetter. Am malerisch unter einer Felsmauer liegenden Window Lake gibt es einen Zeltplatz, den man umsonst benutzen darf. Hier treffen wir ein Paar mit ihrem Hund, die zwei entspannte Tage am See verbringen. Über eine Blockhalde gelangen wir dann zu einem Pass über dem See. Das ist dann auch das Muster des ganzen Nachmittags: Lange Zeit wandern wir nach oben, bis knapp über der Baumgrenze, dann geht es wieder weit in den Wald nach unten. Das wiederholt sich drei Mal, so dass es nicht verwunderlich ist, dass wir am Ende des Tages 1659 Höhenmeter zurückgelegt haben! Glücklicherweise verlaufen die neu angelegten Pfadabschnitte meist über weit geschwungenen Serpentinen, so dass die Auf- und Abstiege ganz gut zu bewältigen sind. Während der Wald in den tieferen Lagen einen sehr dichten Unterwuchs aufweist, wird er je höher man gelangt um so besser begehbar.
Abends schlagen wir dann unser Lager im Wald auf einem Bergkamm auf. Trotz der Höhe wimmelt es hier von Mücken…
Am nächsten Morgen sehen wir die Sonne als roten Feuerball von unserem Lager aus aufgehen. Wir folgen einem Grat weiter abwärts durch den Bergwald und gelangen dann in sehr schönen, abwechslungsreichen Fichten- Tannen Urwald. Die stärksten Bäume haben hier etwa einen Meter Durchmesser. Wir sehen einige Hörnchen, ein Hase drückt sich unmittelbar vor uns auf den Boden und hält sich so wohl für unsichtbar…
Ein gräulich- braunes Waldhuhn läuft zunächst auf uns zu, dann läuft es eine Zeit lang voraus, bevor es schließlich in einen Baum fliegt und von dort auf uns herabschaut. Während es morgens noch schön ist, zieht mittags ein Gewitter auf, vor dem wir uns fast zweieinhalb Stunden im Zelt verkriechen. Als wir dann weiterwandern, ist der Weg stellenweise ziemlich zugewachsen, weshalb wir bald klitschnass sind. Am Dutch Creek endet der High Rock Trail und wir sind wieder auf der Originalroute des GDT. An einer Blockhalde vorbei steigen wir auf und erhalten schöne Ausblicke in das Tal des Dutch Creek, dem wir oberhalb im Hang folgen. An seinem Oberlauf gelangen wir schließlich an einen von der GDTA neu angelegten Zeltplatz mit Plastikklo und Bärenbox. Wir wandern allerdings im Tal weiter aufwärts und schlagen dann im offenen Bergwald unser Lager auf.
Als wir morgens wieder aufbrechen, sehen wir bald den schroff aufragenden Tornado Pass vor uns. Als wir die steilen Schotterflächen unter seinem Scheitelpunkt erreichen, sinken wir bei jedem Schritt in das lose Steinmaterial, und rutschen für zwei Schritte Aufstieg, einen Schritt zurück. Sehr mühsam, aber schließlich sind wir oben, auf 2450 Meter Höhe. Der Abstieg ist dann weniger steil und führt über grüne Matten voller Erdhörnchen, die vor ihren Löchern sitzen und uns oft ziemlich nah heran kommen lassen. Im Tal des Hidden Creek laufen wir kurz auf einem Fahrweg, meist aber auf schmalem Pfad durch dichten Nadelwald, in dem der Unterwuchs noch ziemlich nass ist. Zweimal überqueren wir den Bach auf neugebauten Baumstammbrücken, die angenehmerweise mit Draht überzogen sind, so dass man guten Halt findet, auch wenn die Stämme nass und glitschig sind. Immer wieder laufen wir aber auch durch offene Flächen, wo Segelfalter und Schwalbenschwänze Nektar von Orchideen saugen. Schließlich geht es dann aber wieder durch den Wald steil aufwärts zu einem teilweise offenen Grat, dem wir einige Zeit lang folgen. Hier erhalten wirschöne Aussichten auf die senkrecht abfallenden Wände des Beehive Mountain, der diesem Schutzgebiet, der Beehive Natural Area den Namen gegeben hat. Es ist jetzt ziemlich bewölkt, glücklicherweise fallen aber nur einige Tropfen. Wir steigen ins Tal des Cache Creek ab und gelangen dann wieder bis auf 2250 Meter Höhe, wo wir unser Lager in einer geschützten Mulde am Beehive Creek aufschlagen.
Trotz der Höhe ist die Nacht erstaunlich mild und am Morgen wandern wir durch die offene, alpine Landschaft weiter. Dunkle Wolken verheißen nichts Gutes, aber zunächst ruft die Sonne, die ab und zu durchbricht, im Zusammenspiel mit den Wolken schöne Lichtstimmungen hervor. Schließlich beginnt es dann aber doch zu regnen, und meine neue Regenjacke kommt zum Einsatz. Neu, ist allerdings übertrieben, denn ich habe sie für 9 Euro in einem Second Hand Store erworben. Nichts desto Trotz ist sie dicht, und ich bin zufrieden mit meinem Kauf. Bereits nach einer Stunde klart es dann aber wieder auf und uns begegnen Tiere wie Hasen, Weißwedelhirsche, Zaunkönige und Waldhühner. Meist sind wir im Wald in den Tälern von Lyell und Oldman Creek unterwegs, steigen dann aber wieder zu den offenen High Rock Meadows auf, die sich malerisch unter hohen Felswänden erstrecken. Weiter folgen wir einem Grat durch den niedrigen subalpinen Wald, wo wir wieder schöne Ausblicke erhalten. Leider gibt es in den Tälern hier auch alte und sogar recht frische Kahlschläge. Schließlich erreichen wir das weite, weidenbestandene Tal des Lost Creek, wo wir auf einem Grasweg unser Lager aufschlagen. Da es jetzt ziemlich sonnig ist, können wir sogar unsere Solarmodule ausbreiten. Heute war schon der dritte Tag in Folge, an dem wir keinen anderen Menschen gesehen haben! Offenbar wird die Gegend trotz der schönen Pfade auf dem GDT nur selten von Wanderern frequentiert.
Am nächsten Morgen wandern wir bei sonnigem, herrlich klaren Wetter durch den Wald zur Baumgrenze, wo wir eindrucksvolle Blicke auf die mächtigen, grauen Kalksteinwände zur unserer Linken erhalten, die abrupt aus dem dunkelgrünen Nadelwaldmeer aufragen. Schließlich wandern wir abwärts zum Cataract Creek, wo wir am Bach Carolyn treffen, eine 57-jährige Kanadierin, die seit Coleman auf dem GDT unterwegs ist, aber wegen Fußproblemen ihre Wanderung abbrechen möchte. Zu meinem großen Neid hat sie bisher drei mal Dickhornschafe gesehen! Ursprünglich stark übergewichtig, hat sie ihre Gewichtsprobleme mit dem Laufen in den Griff bekommen und nimmt seit 20 Jahren an Ultramarathons überall auf der Welt teil, egal ob in der Wüste Namibias, im Regenwald Perus oder in der Kälte Lapplands. Sehr inspirierend! Während wir uns unterhalten, taucht eine alte Bekannte aus ihrem Zelt auf, Shauna, die wir ja mit ihrem Vater in Waterton getroffen hatten, und wegen des Kälteeinbruchs erst mal pausiert hatte.
Teilweise auf Schneemobilpisten steigen wir dann wieder hoch, und anschließend abwärts zum weidenbestanden Etherington Creek. Wie immer auf dem GDT in diesem Abschnitt geht es dann aber bald wieder hoch zu einem grasigen Grat, von wo aus wir schon den weitläufigen Fording River Pass sehen, unser nächstes Ziel. Doch zunächst wandern wir noch einmal abwärts zum Basil Creek, wo es sogar eine Metallbox mit einem Buch für Wanderer gibt. (Trailregister). Vor uns hat sich in diesem Jahr bisher lediglich ein weiterer Wanderer eingetragen, der schon am 12.6 in Waterton aufgebrochen war. Der Weg führt uns dann weiter im Hang über dem Bach bis zu einer ausgedehnten Blockhalde. Es ist jetzt sehr windig, daher überlegen wir kurz, ob es Sinn macht weiter zu wandern und dann oberhalb der Baumgrenze ohne den Schutz des Waldes übernachten zu müssen. Allerdings laufen wir dann doch weiter, da wir davon ausgehen, den Pass rechtzeitig überqueren zu können. Zu unserer Überraschung treffen wir Carolyn wieder, die schon aufgebrochen war, während wir uns noch mit Shauna unterhalten hatten. Sie hat beschlossen, doch noch ein Stück weiter zu laufen und hat hier an einer windgeschützten Stelle ihr Lager bezogen. Dagegen laufen wir weiter aufwärts, durch die weite, wellige Bergtundralandschaft zum 2362 Meter hohen Fording River Pass. Bei meiner Wanderung 2018 hatte ich hier mein Lager aufgeschlagen und abends noch ausgiebig die schöne Umgebung durchstreift. Heute ist es uns dagegen viel zu windig hier oben, daher steigen wir wieder ab. Stellenweise ist kaum noch etwas von einem Pfad zu entdecken, wir folgen trockenen Bachbetten und kämpfen uns auf kurzen Abschnitten durch die Weiden, bis wir schließlich an einem See unser Lager aufschlagen. Es ist hier im Windschutz sonnig und warm, so dass wir die Gelegenheit zu einem Bad nutzen. Allerdings gibt es auch viele Mücken…
Am nächsten Morgen folgen wir überwiegend sogenannten Seismic Lines abwärts. Diese schnurgeraden Schneisen wurden für die Erkundung von möglichen Ölvorkommen angelegt. Schließlich erreichen wir das Tal des Aldridge Creek, dem wir eine Zeit lang abwärts folgen. Im Schotter des breiten Bachbetts ist bald nichts mehr von einem Pfad zu erkennen und insgesamt fünf Mal müssen wir das Gewässer durchqueren. Barfuß ist das auf den rauhen Kieseln im Bach ziemlich unangenehm, daher lassen wir nach der ersten Querung unsere Schuhe an. In dem breiten Tal wachsen sogar hohe Pappeln und der Unterwuchs ist manchmal dschungelartig dicht. Daher sind wir auch nicht unglücklich, als wir schließlich die Forststraße am Elk River errreichen, der wir dann den Rest des Tages folgen. Dieses Tal in British Columbia wird intensiv für die Holzwirtschaft genutzt und es gibt große, frische Kahlschläge. Wenn man auf die Karte schaut, stellt man fest, dass der Korridor des Elk River Tals einen regelrechten Keil zwischen ansonsten geschützten Gebieten darstellt. Sollte es nicht möglich sein, hier die Bewirtschaftung einzustellen, um dazu beizutragen ein noch größeres, durchgängiges Wildnisgebiet zu schaffen?
Da morgen in Kanada Feiertag ist, begegnen uns einige Autos, aber interessanter sind die Begegnungen mit Bikepackern. Einer davon will die Great Divide Route in 2,5 Monaten bis Mexiko fahren!
Nach fast 40 Kilometern schlagen wir schließlich spät unser Lager auf einer kleinen Lichtung abseits der Straße auf.
Obwohl wir unten im Tal sind, friert es heute in der Nacht des 2. Juli! Nachdem wir wie immer früh aufgebrochen sind, erreichen wir bald den Elk Lakes Provincial Park. Durch dichten Wald wandern wir den ziemlich großen Elk River weiter aufwärts zum Lower Elk Lake. Dort sind wir zur perfekten Zeit. Die Leute auf den Zeltplätzen ringsum, schlafen wahrscheinlich zum großen Teil noch, daher haben wir den See fast für uns. Kein Windhauch kräuselt die Wasseroberfläche in der sich die umliegenden Berge mit ihren Gletschern perfekt spiegeln. Toll!
Ein guter Pfad führt uns dann zum kleineren Fox Lake, wo wir einen Specht mit schwarzem Rücken und gelber Federhaube beobachten, der an einer toten Fichte nach Insekten sucht. Bald überschreiten wir wieder die Grenze nach Alberta und treffen etliche Leute, die hier auf den schönen Wegen unterwegs sind. Schon bald sind wir am sehr weitläufigen Bolton Creek Campground wo ich auch 2018 übernachtet hatte. Der kleine Laden ist sehr teuer und bietet auch relativ wenig Angebot, aber immerhin bessern wir unsere Vorräte mit Chips und Keksen etwas auf, und genießen einen leckeren, selbstgemachten Brownie. Wir duschen und waschen unsere Wäsche. Später trampen wir dann noch die 9 Kilometer bis zum Visitor Center des Peter Loughheed Provincial Parks. Dort nutzen wir das w-lan und kaufen uns eine Dose Bärenspray. Zwar hatte ich das auf meinen Touren in Nordamerika bisher nie dabei, aber vielleicht ist ein bisschen zusätzliche Sicherheit ja nicht verkehrt…
Danke für den Bericht und die gesamte Webseite! Immer wieder eine Inspiration. Wir haben zwar viel weniger Zeit als Du und können uns daher nur einen besonders schönen Abschnitt für ca. 2 Wochen heraussuchen. Aber ich bin gespannt, wie es weitergeht. Nächstes Jahr Ende August wollen wir jedenfalls wieder auf Tour. V
AntwortenLöschenVielen Dank, das lese ich gerne! Der Great Divide Trail lohnt sich auf jeden Fall!
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