Translate

16.12.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 14/ Bosnien/ Kalinovik-Sutjeska



Der nächste Abschnitt führt mich über die wilden, einsamen Zelengora Berge zu den fantastischen Urwäldern des Sutjeska Nationalparks. Weitere Highlights auf der an spektakulärer Natur wirklich nicht armen Via Dinarica!
Bald liegt das Städtchen Kalinovik hinter mir und ich laufe auf abgelegenen Fahrwegen durch weite, offene, nur von einzelnen Wacholderbüschen unterbrochenen Landschaften.




                                  Offene Landschaft hinter Kalinovik

Nach etwa fünf Kilometern passiere ich das Dörfchen Jelasca und ein Fahrweg führt in ein hübsches Tal. Zunächst grasen noch Kühe auf einem schmalen Wiesenstreifen, dann geht es aber lange Zeit durch Nadelwald aus Fichten und Tannen.


                   Unterwegs zum Lelija

Es wachsen hier mächtige Tannen, wie an einigen zum Abtransport am Weg liegenden Baumstämmen deutlich wird.


                  Gigantische Tanne

Es tut gut, mal wieder bei schönem Wetter mit trockenen Füßen zu laufen. Der Regen hat eine deutliche Abkühlung gebracht, herrliches Wanderwetter!
Einmal entdecke ich einen Apollofalter im Gras, der nicht mehr bei Kräften zu sein scheint. 


                             Apollofalter

Irgendwann bin ich am Ende des Forstweges angekommen und werde von nun an für lange Zeit nur noch auf herrlichen, schmalen Bergwegen laufen. Langsam öffnet sich der Wald und ich steige aufwärts durch die grünen Matten.


                           Der Wald der tieferen Lagen bleibt zurück


                     Gut getarnte Heuschrecke

Von einem Sattel führt ein Abstecher in etwa 20 Minuten zum Gipfel des 2032 Meter hohen Veliki Lelija. Ich verstecke meinen Rucksack in den Latschen und lasse es mir nicht nehmen, auf den Berg zu steigen. Oben öffnet sich ein fantastisches Panorama über die  Berge Zelengoras bis hin zum schroffen Maglic, dem höchsten Berg Bosniens, an der Grenze zu Montenegro. Auch dort möchte ich noch hin...





                         Auf dem Lelija (2032m)

Zu meiner Überraschung treffe ich oben drei junge Bosnier, die ein Nickerchen in der Sonne halten. Sidik ist Psychologe und spricht gut englisch, dagegen hat Selma 8 Jahre in der Schweiz gelebt, weshalb sie deutsch, mit lustigem Schweizer Akzent spricht. Die Drei unternehmen häufig an den Wochenenden Wanderungen zu den schönen Bergen ihrer Heimat. Sidik erzählt mir einige Dinge über Bosnien, die mir noch nicht bekannt waren. So hat das Land seit 1992 ein Viertel seiner Bevölkerung verloren, die meisten davon sind während des Krieges in westeuropäische Länder geflüchtet, aber auch heute würden viele, gut ausgebildete junge Bosnier ihre Heimat verlassen, da es kaum berufliche Perspektiven gibt. Für die Drei kommt eine Auswanderung aber nicht in Frage, dazu gefällt ihnen ihr schönes Land viel zu gut!
Die alpine Landschaft, durch die ich anschließend wandere ist einfach traumhaft. Wundervolle Schüsseln voll Weidenröschen und kleinere, steinige Anstiege wechseln sich ab. Später geht es einige Zeit durch Latschenfelder, bis ich schließlich auf einem Absatz mein Lager aufschlage. Nach dem Treffen mit den Bosniern auf dem Gipfel des Lelija, habe ich keinen anderen Menschen mehr gesehen.







                        Tolle alpine Landschaft


                     Blühende Weidenröschen


                          Ausblick von meinem Lagerplatz

Nach Sonnenuntergang beträgt die Temperatur lediglich noch frische 3 Grad!
Toll wie am nächsten Morgen die Sonne langsam die Hänge gelb färbt und die Schatten der Nacht vertreibt.


                         Die Morgensonne setzt sich durch

Es ist sehr windig und kühl, aber sonnig. Wunderbar wie die Berge in der reinen Luft leuchten!
Nach einem Abstieg erreiche ich Stirinsko jezero. Der klare Bergsee ist von grasigen Hängen umgeben.


                                Stirinsko jezero

Eine Markierung mit Aufschrift Orlovacko jezero und Bregoc weist in Richtung Süden, aber der GPS-Track verläuft nach Osten. Nach kurzer Überlegung beschließe ich auf dem Track zu bleiben. Schon bald ist kaum noch eine Markierung zu erkennen, aber auf den weiten Matten komme ich auch weglos gut voran. Schließlich führt ein Tal in den Wald. Zwar sehe ich jetzt manchmal wieder eine Markierung, aber im Wesentlichen folge ich dem GPS. Vor nicht allzu langer Zeit wurde hier Holz geschlagen, was zu weiterer Verwirrung über den korrekten Wegverlauf führt.


                        Richtung Orlovacko Jezero

Nach spannendem, aber zeitraubendem Wegsuchen komme ich schließlich in der Nähe der Berghütte oberhalb des Orlovacko jezero vorbei. Eine Gruppe genießt die Sonne vor der Hütte. Schließlich gelange ich über einen Fahrweg zu dem See. Während ich bisher noch kein Vieh in Zelengora angetroffen hatte, treibt ein Schäfer hier seine Tiere zu neuen Weidegründen.


                          Schäfer am Orlovacko jezero

Am See beginnt der Sutjeska Nationalpark und eine Menge Leute lagern hier. Wahrscheinlich nutzen viele Bosnier das schöne Wochenende.


                         Am Orlovacko See

Da das Gras heute Morgen ziemlich nass war, bin ich froh, dass ich meine Socken während der üblichen "Schokoladen- Mittagspause" trocknen kann...




















                                       Socken trocknen

Über weite Matten laufe ich weiter in Richtung der steil aufragenden, grau- grünen Wand des Bregoc. Wenn ich zurück schaue, wirkt der Lelija, auf dem ich gestern stand, schon weit entfernt! Einige Heidelbeerenpflücker haben ein Lager in einer weiten Hochebene aufgeschlagen und lassen ihre Pferde weiden. 

                                  Unterwegs zum Bregoc

Der Bregoc scheint ein beliebter Gipfel zu sein, denn ich treffe einige andere Wanderer. Nach einem steilen, aber nicht schwierigen Anstieg, stehe ich auf dem 2014 Meter hohen, tollen Aussichtsberg. Maglic, den ich vom Lelija gestern zum ersten Mal gesehen habe, erscheint jetzt schon viel näher. 

                                         Bregoc (2014 m)

Nach dem Bregoc wird die Landschaft wieder sehr einsam, es gibt stellenweise nur wenig Markierungen und nicht immer ist der Pfad zu erkennen. Dennoch ist es herrlich, durch diese unberührte, aussichtsreiche Berglandschaft zu streifen. Manchmal kann man den Weg über die Grate schon weit im Voraus ausmachen. Obwohl es meist über grasige Matten geht, legt man beim Auf- und Absteigen eine ganze Menge Höhenmeter zurück.
Einmal führt der Pfad ein ganzes Stück abwärts bis in den Wald. Ich bin sehr gespannt auf die sagenhaften Urwälder hier im Sutjeska Nationalpark.

                        Sutjeska- Wald und Berge

                          Pilze

Der Weg zum nächsten Berg, Ugljesin vrh,  zieht sich erstaunlich lang hin. Zunächst gilt es lange Zeit in den Hängen um den Berg herum zu traversieren, erst dann kommt der lange Schlussanstieg.
Dabei entdecke ich einen Hasen, der sich unmittelbar vor mir ins Gras drückt. Selbst als ich direkt vor ihm stehe, ergreift er nicht die Flucht. Offenbar hält er sich für unsichtbar!


























Ein Hase hält sich für unsichtbar

Ugljesin vrh ist mit 1859 Metern zwar nicht sehr hoch, bietet aber erneut herrliche Aussichten. Gerne würde ich hier oben zelten, da sich der volle Mond bereits ankündigt, aber leider habe ich kein Wasser mehr, bin aber sehr durstig und muss daher unbedingt noch ins Tal absteigen.

                                          Uglejesin vrh (1859 m)

Da es schon spät ist, beeile ich mich sehr beim steilen Abstieg und laufe meist in gerader Linie abwärts. Zwar sehe ich in der Hochebene die ich schließlich erreiche, einige Tümpel, aber der Bach, der auf meiner GPS- Karte eingezeichnet ist, erweist sich als trocken! Es dauert nicht mehr lange, bis die Nacht herein bricht, aber ich brauche Wasser, daher folge ich dem Fahrweg, der hier beginnt, noch ein ganzes Stück weit abwärts in den Wald. Leider erfüllt sich meine Hoffnung nicht, irgendwo im Bachlauf doch noch auf das lebensspendende Nass zu stoßen. Ich bin jetzt in einem Holzeinschlaggebiet gelandet, wo vor kurzem viele dicke Stämme gefällt wurden. Wie ist das möglich, hier im Nationalpark? Ich bin nicht ganz sicher, aber meiner Meinung nach, bewege ich mich immer noch in einem geschützten Gebiet. Bevor es endgültig dunkel ist, schlage ich mein Zelt abseits vom Weg im Wald auf. Da ich kein Wasser mehr habe, koche ich nicht und stelle mich auf eine durstige Nacht ein...
Früh am nächsten Morgen folge ich dem Fahrweg weiter und erreiche bald ein idyllisch gelegenes, offenes Tal auf 1500 Meter Höhe.


                               Das Donje Bare Tal

Einige Meter abseits des Tracks liegt der toll gelegene Donje Bare See, an dessen Ufer eine verschlossene Hütte steht. Diese wurde  ursprünglich als Jagdhütte von den Parteigrößen im ehemaligen Jugoslawien genutzt, und kann heute von der Nationalparkverwaltung gemietet werden. 

                     Donje Bare

Ich bin so durstig, dass ich direkt mein Wasser aus dem See entnehme, und dann gemütlich auf einer über dem Gewässer gelegenen Bank frühstücke.

                      Müsli mit Milchpulver

                            Frühstück am Donje Bare See

Während ich esse, erscheint Slavo, ein 54-jähriger Russe aus Moskau, der hier mit seinen beiden Kindern zeltet. Er ist Bergsteiger und hat daher schon viele Gebirge besucht, Stoff für ein kurzes Gespräch. Nach dem ich gegessen habe, nehme ich noch ein Bad in dem erfrischenden Wasser des Sees.
Im hohen Gras ist der Pfad, der von hier aus weiter führt, zunächst nicht besonders gut zu erkennen, wird dann aber bald immer besser.

                         Donje Bare

Nachdem ich das offene Land hinter mir gelassen habe, gelange ich in einen wahren Märchenwald. Zwar dominieren hier die mächtigen Buchen, aber auch viele andere Baumarten wie Eschen, Linden und Ahorne wachsen in diesem Urwald. Vor nicht allzu langer Zeit wurde der Weg frisch markiert, daher ist der Verlauf des Pfades gut zu erkennen. Leider können meine Smartphonebilder die Schönheit dieses Waldes nur unvollkommen wieder geben.

                               Ein Märchenwald

                             Mächtige Buchen

                      Moos- und pilzbewachsene Stämme

                       Der Baumriese wird wieder zu Erde

Manchmal ergeben sich Ausblicke zurück zu den Bergen von Zelengora und hinab in das tief unten liegende Sutjeska Tal. An trockenen Stellen wachsen uralte Kiefern.

                            Uralte Kiefern

                           Zwerg zwischen Giganten

                                      Hirschzungenfarn

Nachdem ich lange paraliel zum Hang gelaufen bin, führt schließlich ein guter Pfad steil nach unten, zur im Tal gelegenen, relativ verkehrsreichen Straße. Von hier sind es nur wenige Kilometer bis nach Tjentiste, dem touristischen Zentrum am Sutjeska Nationalpark. Ich folge einige Zeit der Straße, bis am Parkplatz Suha, auf 650 Meter Höhe, ein Fahrweg in den Wald führt. Bald treffe ich eine nette, serbische Familie, die hier ihren Urlaub verbringt und ihr Essen mit mir teilt!

              Begegnung mit einer netten, serbischen Familie

Ein steiler Pfad führt aus dem Tal heraus, zunächst durch junge, relativ einförmige Wälder, bis zu einem Rücken, der weiter nach oben führt. Die Serben haben mir von Perucica erzählt, einem besonders geschützten Urwald, in dem auch der höchste Wasserfall Ex- Jugoslawiens liegt. Ich möchte es mir nicht entgehen lassen, etwas von diesem Wald zu sehen, daher schlage ich schon recht früh unterhalb des Rückens mein Zelt auf. Einen fantastischeren Waldlagerplatz zwischen gigantischen Eschen und Ahornen kann ich mir kaum vorstellen!

                      Herrliches Waldcamp




                             Baumgiganten um mich herum

Bald breche ich zu einem Erkundungsgang in das unter mir liegende Urwaldtal auf. Schon beim Lager habe ich merkwürdige Hammerschläge, nicht allzu weit entfernt gehört und bald sehe ich auch Leute, die im Wald zu arbeiten scheinen. Zunächst denke ich an illegale Holzfäller, höre jedoch keine Motorsägen.   
Als eine mehrköpfige Gruppe direkt in meine Richtung läuft, verstecke ich mich hinter einem Baum und gebe mich erst im letzten Moment zu erkennen, als mir bereits klar ist, dass hier nichts Illegales abläuft. Die jungen Leute erzählen mir, dass sie an einem internationalen Workcamp teilnehmen und wissenschaftliche Messpunkte im Urwald anlegen, daher auch die Hammerschläge...

       Wissenschaftliche Aufnahmepunkte im Urwald Perucica

Hier im Tal dominieren mächtige Fichten und Tannen. Irgendwo soll die mit 63 Metern höchste Fichte der Welt versteckt stehen!
Eigentlich darf man Perucica nur in Begleitung eines Führers betreten, erfahre ich hinterher...
Am nächsten Morgen führt der Pfad zunächst durch den Wald auf dem Rücken weiter aufwärts.

                         Schöner Pfad auf einem Rücken

Nach einiger Zeit bleibt der Wald zurück und ich kann die offene Landschaft im klaren Licht des Morgens genießen. Ein Feuerwachtturm gewährt weite Ausblicke.




























                         Im klaren Licht des Morgens

Ich begegne noch einmal den Teilnehmern des Workcamps, die hier unterhalb des Maglic in Hütten übernachten.

                          Teilnehmer des Workcamps

Schließlich erreiche ich den auf 1700 Meter gelegenen Sattel Prijevor, in dessen Nähe die Hütten liegen. Die Via Dinarica führt von hier abwärts zum Trnovacko Lake, aber die jungen Leute, die ich gestern getroffen habe, erzählten mir, dass man von hier auch in direkter Linie Maglic, den höchsten Berg Bosniens besteigen kann. 
Es ist noch früh am Morgen, das Wetter sieht schön und stabil aus, also mache ich mich auf, den steilen Gipfel zu erklimmen. Der Anstieg ist mit den üblichen rot-weißen Markierungen gut zu erkennen. Stellenweise geht es durch extrem rutschiges, Steingelände. Hier möchte ich nicht absteigen.... Dann führen die Markierungen in steiles Schrofengelände. Zwar ist die Kletterei nicht wirklich schwierig, aber zum Teil ganz schön ausgesetzt. Es gibt zwar einige mit Stahlseilen gesicherte Stellen, aber gerade dort, wo sie wirklich sinnvoll wären, fehlen diese...
Mir macht das aufregende Klettern Spass, aber wenn man nicht trittsicher und schwindelfrei ist, sollte man diesen Aufstieg lieber lassen! Das gilt natürlich auch bei weniger stabilem Wetter!

                          
                       Steiler Anstieg durch die Maglic Nordwand

Schließlich habe ich es geschafft und stehe bereits um 10:30 auf dem Gipfel des 2368 Meter messenden, höchstem Berg Bosnien-Herzegowinas.

                               Maglic (2368 m)

                           Aussicht vom Maglic

Der Abstieg auf der normalen Route, die vom Trnovacko See kommt, ist dagegen sehr leicht. Tief unten sehe ich den grünen See blinken.

                       Blick zum Trnovacko See

Ab jetzt bin ich in Montenego und natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, auch den etwas niedrigeren, montenegrinischen Maglic zu erklimmen...Maglic heißt übrigens Nebelberg, daher ist so schönes Wetter, wie ich es heute genießen darf, hier eher die Ausnahme.
























Der montenegrinische Maglic

Ich treffe einen slowenischen Ingenieur, der mit seiner Tochter vom Trnovacko Lake auf den Maglic will, aber dann nicht den gleichen Weg zurück laufen möchte. Durchaus verständlich, aber ich rate ihm dringend von dem Abstieg durch die Nordwand ab...

                                                 Abstieg vom Maglic

Einige imposante, aber harmlose Bullen weiden auf den Matten, aber dummerweise versäume ich es meinen Wasservorrat aufzufüllen, in dem Vertrauen darauf, dass noch eine bessere Quelle kommt...

                         Neugierige, aber harmlose Bullen

Das der Sommer inzwischen weit fortgeschritten ist, zeigen die Storchschnabelblumen, deren Blätter sich bereits verfärben und leuchtend rote Früchte tragen.


                          Storchschnabel

Lange Zeit steige ich relativ gemäßigt über die grasigen Matten ab, bis zum Beginn eines steil bergab führenden Tales.


                 Steiler Abstieg in das Tal

Leider erfüllt sich meine Hoffnung hier im Tal auf eine wasserführende Quelle zu stoßen...
Einmal kommt mir ein drahtiger, älterer Mann mit einem Gewehr auf der Schulter entgegen. Jäger, Wilderer? Jedenfalls möchte er sich nicht fotografieren lassen...
Je tiefer ich komme, desto üppiger wird die Vegetation in dem steilen Tal. Aber der Pfad ist gut zu verfolgen.

                       Schmetterling in dichter Vegetation

Ich möchte gerne an einem schönen Platz im Wald lagern, daher schlage ich mein Zelt ein Stück oberhalb des Dörfchens Mratinje auf. Leider steht mir wieder einmal eine trockene Nacht bevor, aber ich habe noch genug Schokolade...












Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen