Translate

20.12.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 15/Montenegro/Grasige Weiten


Ich bin erst einige Meter gegangen, als ich auf eine gut sprudelnde Quelle am Weg stoße. Diese trockene Nacht war unnötig...
Mratinje ist ein idyllisch gelegenes, nettes Dörfchen. Als besonderes Willkommen gibt es hier einen kleinen Pavillon in dem man sitzen kann. Es gibt Kaffeetassen und Slivowitzflaschen. Gut, davon koste ich denn doch nicht, aber tolle Idee!


                                   Kaffeepavillon in Mratinje

Bald durchbricht die Sonne den Morgendunst und ein schöner Tag bricht an.


                             Mratinje

Ich folge einem Fahrweg durch die harmonische Kulturlandschaft talabwärts. Noch einmal geht der Blick zurück zum Maglic und den umliegenden Bergen.


                       Blick zurück zum Maglic


                   Talawärts zum Piva See

Schließlich erreiche ich den Piva Stausee, und folge etwa fünf Kilometer weit einer Straße an seinem Westufer. Es gibt glücklicherweise fast keinen Verkehr, so kann ich die Aussichten auf den türkisen, fjordartigen See fast ungestört genießen. Das Gewässer lädt mich natürlich zum Baden ein, aber nur am Anfang wäre das Seeufer bequem zu erreichen gewesen.







                                Piva Stausee

Ein Stück weit laufe ich sogar durch einen Tunnel, bis ich schließlich die Staumauer erreiche.


                               Im Tunnel

Unmittelbar hinter der Staumauer führt die Via Dinarica steil aus der Schlucht heraus. Obwohl es hier Wanderwegmarkierungen gibt, will ein Angestellter der Stromgesellschaft, der der Damm gehört, mir verbieten weiter zu gehen. Ich lasse mich auf keine Auseinandersetzung ein, sondern zeige lediglich auf die Wanderwegmarkierungen und meinen Rucksack, dann setze ich unbeirrt meinen Weg an einem Häuschen vorbei fort. Der Mann der mich angesprochen hat, will wahrscheinlich auch nur seine Ruhe, und setzt mir daher keinen Widerstand entgegen...
Tatsächlich steht auf den Schildern der Kraftwerksgesellschaft, dass der Durchgangverboten ist...

Der Anstieg aus der Piva Schlucht, die auf 680 Meter Höhe liegt, bis zum oberen Rand des Canyons auf 1200 Meter zieht sich ziemlich in die Länge und ist in der Hitze ganz schön anstrengend...
Schließlich bin ich jedoch oben und wandere durch eine weite Plateaulandschaft, mit seltenen, kleinen Weilern, in denen zum Teil noch sehr schöne, alte, schindelgedeckte Holzhäuser stehen. Manchmal führt der Weg auch durch Nadelwald, aber meistens geht es durch grüne, bucklige Weiten.


             Oberhalb der Piva Schlucht


                                Schindelgedeckte Holzhäuser


                           Bucklige Weiten

Zwar gibt es hier in Montenegro nicht mehr die Schilder der Via Dinarica, dafür mangelt es nicht an anderen Wegweisern...
Gegen Mittag ziehen Wolken auf, und es regnet einige Tropfen. Zwar sieht es stark danach aus, als würde sich der Regen fortsetzen, aber erst später geht ein heftiges Gewitterschauer nieder. Natürlich verstaue ich mein Smartphone gleich in der Tasche meiner Regenjacke, aber es hat doch einige Tropfen abbekommen und geht nicht mehr an!
Mittlerweile laufe ich auf Asphaltsträßchen, nicht sehr interessant, aber stellenweise sind die Ränder der Straße voll von leckeren Himbeeren, mit denen ich mir den Bauch vollschlage.
Nach ca. 35 Kilometern erreiche ich den Ort Nedajno, wo es eine tolle Unterkunft gibt, man kann hier Zelten oder in einem Zimmer übernachten. Und nicht zuletzt gibt es für wenig Geld sehr gutes Essen! Jelena, die Tochter des Hauses, studiert in Podgorica Informatik, "schmeißt" aber im Sommer den Betrieb hier. Leider bringt auch das Austrocknen mit Reis mein Smartphone nicht wieder zum Leben. Jetzt habe ich zwei Kameras die gar nicht oder nicht mehr richtig funktionieren, es ist zum Haare ausraufen!
Nach einem leckeren Frühstück wandere ich in den Susica Canyon hinein, wobei ich zu Beginn einige schöne Ausblicke habe, die sich jedoch nicht mit der Rakitnica Schlucht messen können. 
Der Susico See ist um diese Jahreszeit ausgetrocknet und auch oberhalb des Sees befindet sich zunächst kein Wasser im Flussbett. Dafür wandere ich hier im Durmitor Nationalpark mal wieder durch einen tollen Wald mit mächtigen Tannen und Ahornen. 
Zwar ist stellenweise auch mal Wasser im Flussbett, bevor es wieder versickert, aber auch der hohe Wasserfall, der im Frühjahr bestimmt beeindruckend ist, führt Mitte August kein Wasser mehr.
Schließlich steige ich noch einmal ein Stück weit auf, bis zum schön gelegenen Skrcko See. Oberhalb des Sees gibt es eine Hütte, aber ich suche mir einen schönen Platz zum Zelten.
Während zunächst noch die Sonne sticht, dauert es nicht lange und es braut sich ein Unwetter zusammen. Von meinem Logenplatz kann ich alles gut verfolgen und mich dann rechtzeitig ins Zelt zurückziehen, als das Gewitter losbricht.


                          Ein Gewitter zieht auf

Allerdings fällt nur relativ wenig Regen und irgendwann ist der Spuk auch vorbei und ich unternehme noch einen Abendspaziergang zum See.


                         Skrko See

Glücklicherweise kann ich zumindest noch einige Bilder mit meiner "richtigen" Kamera machen, das ist aber ziemlich mühsam und der Ausschuss gewaltig.
Am Morgen liegt der Dunst noch in den Tälern, während ich unter einem strahlend blauen Himmel weiter aufsteige. Zum ersten Mal seit Kroatien beobachte ich einige Gämsen. Toll der Blick abwärts zum Susica Canyon, an dessen Rand sich Nedajno schmiegt.
Zu meiner Überraschung kommt mir eine junge Wandererin entgegen. Als sich dann noch herausstellt, dass die 26-jährige Maria aus Sankt Petersburg stammt, komme ich aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, und nutze die Gelegenheit um ihr viele Fragen über Russland zu stellen.
Schließlich erreiche ich den flachen Gipfel des 2330 Meter hohen Planinica. Gute Zeltplätze gibt es ja hier, aber bei einem Gewitter möchte ich nicht auf dem Berg sein! Das haben sich die beiden Franzosen dann auch gedacht, die ich hier treffe. Sie haben eine harte, kalte Nacht im Zelt hinter sich, und der Eine ist so mitgenommen, dass er noch gar nicht aus dem Schlafsack gekrochen ist...
Auf dem Weg vom Planinica zum Crno Jezero, dem schwarzen See, begegnen mir mehr Wanderer, als auf der ganzen Via Dinarica! Die Pfade sind gut markiert und ausgetreten, für meinen Geschmack ist hier jedoch entschieden zu viel los. Das gilt erst recht für den Schwarzen See, den ich schon 1988 kennen gelernt hatte! Na ja, das ist lange her, daher ist es wohl kein Wunder, dass sich der Durmitor Nationalpark stark verändert hat. 
Mit einem erneuten Gewitter erreiche ich Zabljak, wo ich in einem Hotel noch einmal versuchen möchte, mein Smartphone zum Laufen zu bringen, aber leider wieder erfolglos...
Inzwischen wimmelt es hier von Hotels und der Supermarkt ist gut gefüllt. Ich kann mich noch erinnern, wie ich 1988 bei einem alten Partisanen abgestiegen war, wo der Morgen stets mit einigen Schnäpsen begonnen wurde...
Zabljak ist sicher der bedeutendste Touristenort an der Via Dinarica. Ob Wandertouren durch den Durmitor Nationalpark oder Rafting im Tara Canyon, der mit 1300 Metern tiefsten und mit 96 Kilometern längsten Schlucht Europas. 
Ich weiß das gute Essen und die Begegnung mit anderen Reisenden zu schätzen, bin aber dennoch froh, als ich am nächsten Morgen wieder in einsamere Gefilde eintauche. Viel zu lange wandere ich auf breiten Fahrwegen durch schöne Graslandschaften. Das Durmitor Massiv wird immer kleiner...

Blick zurück zum Durmitor

Hinter dem großen Ort Njegovodo knallt es, als wäre ein Krieg ausgebrochen. Als ich näher komme, sehe ich, dass auf einer Wiese einige Scheiben aufgestellt wurden, auf die Männer in Tarnanzügen schießen. Nein, kein Manöver, lediglich Training für die örtlichen Jäger!
Bald danach erreiche ich den idyllisch gelegenen Zminicko See, wo sogar einige Leute baden.


                        Zminicko See

Manchmal laufe ich durch weite Fichtenwälder, meistens aber durch grüne Graslandschaften, in denen nur dann und wann mal ein Haus steht. Nichts desto trotz sind einige Leute auf den Fahrwegen hier unterwegs.



                        Auf Fahrwegen durch grüne Hügel

Aber erst als streckenweise gar kein Weg mehr zu erkennen ist und ich auf den Berg Veliki Korozeb zuwandere, fühle ich mich richtig gut. Herrlich diese weite Landschaft zu durchstreifen!
Unmittelbar unter dem Gipfel des 1886 Meter hohen Berges schlage ich mein Lager auf.

                     Aussicht vom Veliki Korozeb (1886 m)

                                  Lager unterhalb des Gipfels

Zum Sonnenuntergang steige ich noch einmal nach oben und erlebe wie die rote Kugel hinter dem Durmitor versinkt.

                           Sonnenuntergang auf dem Korozeb

Rechtzeitig zum Sonnenaufgang bin ich wieder unterwegs. Zwar gibt es unterhalb des Berges einige Häuser, aber die Gegend gefällt mir trotzdem sehr gut.


      Sonnenaufgang über den grasigen Plateaus Montenegros

Es gibt zwar einige Fahrwege, meist laufe ich allerdings in gerader Linie durch das taunasse Gras, in dem eine Vielzahl von Spinnennetzen funkelt. Ob die einzelnen Gehöfte, an denen ich manchmal vorbei komme, wohl auch im Winter bewohnt sind? Jelena vom Camp Nedajno hatte jedenfalls erzählt, das dort in den Dörfchen auf dem Piva Plateau, im Winter fast niemand lebt.


                                  Blick zurück zum Korozeb

Nach etwa sieben Kilometern steige ich bergab in den Fichtenwald und gelange schließlich an den schönen, klaren Zabojno jezero.
Eigentlich vermeide ich es nach Möglichkeit aus stehenden Gewässern meine Wasservorräte zu ergänzen, aber hier am See mache ich mal wieder eine Ausnahme und trage auch später keine üblen Folgen davon...
Obwohl der See auch im Durmitor Nationalpark liegt, zelten drei Männer am Ufer, haben ein Feuer entzündet, angeln und trinken Bier...

                             Zabojsko jezero

Bald habe ich die Wälder wieder hinter mir gelassen und laufe durch die Weiten der einsamen Sinjavina Berge. Die tiefen Taleinschnitte die zur Tara leiten, sind von dichtem Wald bedeckt, ansonsten dominiert grünes Grasland, dass allerdings viel hügeliger als die gestern und heute morgen durchwanderten Landschaften ist.
Auf einem Pass sehe ich eine Gruppe von Pferden auf mich zu kommen. An einem steilen Hang, steigen alle Reiter ab, bis auf die Führer vorne und hinten. Zunächst scheint es, als ob niemand englisch spricht, aber schließlich erzählt mir die weibliche Begleiterin der Gruppe, dass sie acht französische Frauen betreut, die während einer mehrtägigen Tour auf berggewohnten bosnischen Pferden diese herrliche Landschaft durchreitet. Es ist bestimmt toll, auf dem Pferderücken die ein wenig an die Mongolei erinnernde Gegend zu erkunden.
Während ich zunächst noch den Hufabdrücken der Gruppe folgen kann, laufe ich nicht viel später meistens ohne Weg durch die weite, grüne, buckelige Landschaft der Sinjavina Berge. Nur ab und zu stoße ich auf eine rot-weiße Markierung. Es ist herrlich hier, und für mich stellt dieser Tag einen weiteren Höhepunkt meiner Wanderung auf der Via Dinarica dar.

                     

                   Nadelwald bedeckt die tiefen Schluchten


















                                  Mongolei? Nein Sinjavina!

Um noch Zeit für einen Erkundungsgang zu haben, schlage ich mein Lager relativ früh auf. Obwohl ich seit den Reitern weder Häuser noch Menschen gesehen habe, zieht, nachdem ich wieder aufgebrochen bin, ein Schäfer mit seiner Herde in der Nähe vorbei.

                                 Lager im Grasland

Das Ziel meines Abendspaziergangs ist der scheinbar nahe Gipfel des 1913 Meter hohen Sarnac. An seinen Hängen grasen einige Pferde, ansonsten kann ich die Einsamkeit mit den stets wechselnden Lichtstimmungen über der Landschaft schön genießen.






                                  Abendspaziergang zum Sarnac

Ich komme gerade passend oben an, um das Spektakel des Sonnenuntergangs zu erleben. Entfernt ragen steile Berge auf, ist das das Prokletije, das höchste Massiv der Dinarischen Alpen, an der Grenze zu Albanien? Schlagartig wird mir bewusst, dass meine Zeit auf der Via Dinarica langsam dem Ende entgegen geht...


















                               Sonnenuntergang auf dem Sarnac











































Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen