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08.12.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 12/ Bosnien/ Jablanica Prenj



Nach einer sternenklaren, aber kalten Nacht beträgt die Temperatur beim Zeltabbau am frühen Morgen lediglich noch drei Grad!
Durch ein Labyrinth aus verschlungenen Latschentälern gelange ich zum steilen Schlussanstieg auf Veliki Vilinac, den mit 2117 Metern, zweithöchsten Berg des Cvrsnica Massivs. Voraus ragt die gewaltige Mauer des Plocno auf, der mit 2225 Metern noch ein gutes Stück höher ist.

Da meine Kameraprobleme sich verschlimmert haben, fotografiere ich fast nur noch mit dem Smartphone.


                                        Plocno

In den Tälern liegt noch Dunst, aber hier oben strahlt die Sonne auf die leuchtend weiß-grüne Landschaft aus einem makellosen Himmel.



  




                         Velici Vilinac




                                        Tiefe Schluchten

Ein Stück weit unterhalb des Gipfels zweigt ein kurzer Pfad zur Vilinac Hütte ab, die ich allerdings nicht besuche, da es noch früh am Tag ist. Durch grasige Hänge voller Steine steige ich langsam ab. 



Stein mit Fenster
Die Wege im Cvrsnica Massiv sind recht gut markiert, dennoch schlage ich einmal einen falschen Weg ein, und merke erst, als ich schon ein ganzes Stück abgestiegen bin, dass ich hier falsch laufe, wie mein GPS zeigt! Interessanterweise kommen zwei junge Franzosen in diesem Moment mir entgegen. Aber da sie weder eine Karte noch sonst eine Ahnung von der Route haben, wissen sie natürlich auch nicht, wo der richtige Weg weiter führt. Zwar geht es immer mal wieder auf und ab, aber dennoch bleibe ich in der Zone der Matten und Latschen. Schließlich erreiche ich Hajducka Vrata, das "Auge des Rebellen", ein spektakulär über einer Schlucht aufragender natürlicher Steinbogen, der etwa vier Meter hoch  und drei Meter breit ist.


                                Hajducka Vrata

Mit fast ständigen, grandiosen Ausblicken führt ein toller Pfad von hier aus weiter. Leider zeigen sich an meinen Trailrunningschuhen erste Verschleißerscheinungen, so beginnt eine Naht vorne links aufzugehen. 











                         Ein spektakulärer Pfad


                    Verschleißerscheinungen

Nach dem Felsentor folgt der Track häufig nicht dem Pfad. Weil die Wege aber gut zu erkennen sind, kümmere ich mich nicht groß um das GPS und bin irgendwann weit entfernt vom Track. Da ich aber Schilder sehe, die auf die Plasa Hütte hinweisen, von der ich weiß, dass die Via Dinarica vorbeiführt, bin ich nicht weiter beunruhigt, auch wenn der Weg bald deutlich weniger benutzt aussieht. Eine Gedenktafel für einen jungen Mann erinnert daran, dass hier vor nicht viel mehr als 20 Jahren ein langer, blutiger Bürgerkrieg statt fand. Es ist erschreckend zu sehen, dass jemand, der fast mein Alter hatte, so jung gestorben ist. 


                         Erinnerung an ein Kriegsopfer

Nachdem der Weg in den Wald eingetaucht ist, erreiche ich bald die ziemlich herunter gekommene Plasa Hütte. Erst als ich etwas später wieder auf den GPS-Track gelange und ein Hinweisschild auf die Plasa Hütte sehe, das in eine ganz andere Richtung deutet, wird mir klar, dass es hier zwei Plasa Hütten gibt...


                     Eine der beiden Plasa Hütten...

Der Pfad führt ab jetzt mal wieder durch tolle, urwüchsige Buchenwälder. Ab und zu öffnet sich ein Ausblick über das Waldmeer und Schmetterlinge laben sich an der Blütenpracht.


                             Widderchen


                          Seltener Ausblick über die Wälder

Schließlich führt ein steiler Pfad über zahlreiche Serpentinen nach unten. Ich treffe drei bosnische Wanderer, die zur "richtigen" Plasahütte wollen.


Steiler Abstieg
Irgendwann erreiche ich wieder breite Forstwege auf denen ich noch eine ganze Weile laufen muss. Schon lange bevor ich den Rauch sehe, rieche ich den beissenden Qualm: Unverkennbar der üble Gestank einer brennenden Müllkippe, hier im Wald weit genug von der Stadt Jablanica entfernt...

Obwohl der beissende Geruch ziemlich ätzend ist, durchsucht ein Mann die Müllkippe nach Verwertbarem...

                         Brennende Müllkippe vor Jablanica

Jablanica ist mit 10.000 Einwohnern nach Knin die zweitgrößte Stadt an der Via Dinarica. Zunächst sehe ich weder Geschäfte, noch Restaurants oder Hotels. Das ändert sich erst, als ich die Hauptstraße nicht weit vom Fluss Neretva entfernt, erreiche. Es gibt hier keine richtigen Hotels o.ä, aber manche Cafés bieten Übernachtungsmöglichkeiten. Für 15 Euro steige ich im Café Hollywood ab. Es gibt w-lan und eine Dusche im Flur. Da es nach 25 zurückgelegten Kilometern schon recht spät ist, lass ich mich bald vor einem der Cafés nieder und genieße den lauen Abend bei Pizza und Eis. Für so einen kleinen Ort ist erstaunlich viel los. Daher wundert es mich auch nicht, dass der gut ausgestattete Konsum Supermarkt noch bis weit in die Nacht geöffnet hat. Noch am Abend kaufe ich Vorräte für die nächsten acht Tage.
Als ich am nächsten Morgen aufbreche, werden überall bereits Marktstände aufgebaut. In Jablanica gibt es sowohl Moscheen als auch Kirchen. Warum können die Religionen nicht immer friedlich zusammen leben?

                               Jablanica

Es dauert gar nicht lange und ich kann nach Überqueren der Neretva bereits den Asphalt verlassen. Ein schöner Pfad führt in die steilen Hänge oberhalb des Flusses.

                          Neretva Tal

Wie bereits einige Male kreuzt eine Blindschleiche meinen Weg. Diese beinlosen Verwandten der Eidechsen sind völlig ungefährlich und kommen auch in Deutschland vor.













                                                Blindschleiche

Vor dem steilen Anstieg zum Prenj Massiv geht es noch einmal abwärts zu dem idyllischen Dorf Ravna. Am Rande des Ortes erlebe ich eine Überraschung: Ich sehe eine blonde Frau und mir ist sofort klar, wen ich gleich treffen werde, Eva, eine Holländerin, aus deren Blog ich weiß, dass sie von Albanien aufgebrochen ist, um die Via Dinarica zu erwandern! Wir hatten einige mails ausgetauscht und ein bisschen hatten wir auch damit gerechnet uns unterwegs zu treffen. Dennoch ist die Freude jetzt groß. Ich begrüße sie nach Stanley/ Livingstone Fashion, "You are Eva, I presume". 
Na ja, und wenn man schon mal jemand trifft, der das Selbe vorhat wie man selbst, vergehen die Stunden wie im Flug, zumal wir uns an einem schattigen Platz mit reichlich Wasser getroffen haben. Eva nimmt sich sehr viel Zeit für den Weg und bei ihr stehen die Begegnungen mit den Menschen unterwegs viel mehr im Vordergrund als bei mir. Auch wenn ihr Ansatz unterschiedlich ist, finde ich Eva's Art zu reisen dennoch interessant.






Ravna
Schließlich heißt es jedoch Abschied zu nehmen. Es ist bereits 14 Uhr und ich bin mir keineswegs bewusst, dass in der brütenden Hitze mir jetzt der anstrengendste Abschnitt der Via Dinarica bevor steht. Ohne Schnörkel führt ein schöner Pfad auf einem Bergrücken stundenlang steil nach oben. Stellenweise ist der Weg so steil, dass man im Abstieg hier gut ins Rutschen kommen könnte...

Manchmal gibt es einen flachen Absatz, aber unmittelbar darauf geht es in der sengenden Hitze aus allen Poren schwitzend, weiter berghoch.
An einigen Stellen stehen majestätische, meterdicke Uraltkiefern. Umso mehr bin ich geschockt, dass einige der Giganten hier gefällt am Boden liegen! Kaum vorstellbar, wie man das Holz von hier abtransportieren kann!

                    Der härteste Abschnitt der Via Dinarica

                             Dicht bewaldete Berge

Es wird zunehmend später und noch ist kein Ende des Aufstiegs in Sicht. Zwar gibt es einige mögliche Zeltplätze, aber weit und breit keinen Tropfen Wasser...
Gerade noch rechtzeitig bevor es dunkel wird, erreiche ich Milanova Koliba, eine Hütte von der mir Eva erzählt hatte. Das Hauptgebäude ist abgeschlossen, aber ein Holzgebäude daneben ist offen.

                            Milanova Koliba

Als ich in die Hütte schaue, trifft mich fast der Schlag: Der Trinkwasserkanister ist so gut wie leer! Ich untersuche die ganze Umgebung, aber finde kein Wasser. Das kann ja eine üble, trockene Nacht werden, denke ich, als ich schließlich die in der Hütte sich befindende Holzzisterne entdecke. Puh, endlich trinken! Ich habe mal wieder Kopfschmerzen vor Durst, daher kommt dieser Wasservorrat gerade richtig. Milanova Koliba ist ein fantastischer Ausgangspunkt für Wanderungen in das Prenj- Gebirge, den "Himalaja" Bosniens!
Während die Siebenschläfer rumoren, sitze ich im Dunkeln am Tisch vor der Hütte und beobachte entferntes Wetterleuchten.
Am nächsten Morgen ist es feucht und dunstig, ganz anderes Wetter als die Tage zuvor. 

                        Dunstiger Morgen

Leider tauchen die imposanten, weißen Felswände nur selten einmal auf. Aber das was ich sehe ist spektakulär. Prenj ist ein sehr attraktives Massiv!









                               Prenj- der "Himalaja" Bosniens

Als ich höher steige, beginnt es zunächst zu nieseln, und dann immer stärker zu regnen. Der Nebel ist jetzt dicht und die Landschaft wirkt wie in Watte gepackt. Schade, gerade von dieser Gegend würde ich gerne etwas sehen!
Irgendwann beschließe ich zur Lupine Koliba zu gehen, auf die durch Schilder hingewiesen wird. Die Hütte liegt etwas abseits meiner Route, was mich aber nicht groß stört. Allerdings dauert es dann aber doch einige Zeit, bis ich die angebliche Hütte gefunden habe. Na ja, dort stand mal eine Unterkunft, jetzt gibt es nur noch eine Ruine...
Inzwischen lässt der Regen nach, und zumindest die Täler hat der Nebel wieder frei gegeben.













Prenj
Die Route verbindet verschiedene Täler und führt immer wieder durch zerklüftetes Karstgelände. Schließlich wandere ich aus einem breiten Tal hoch in Richtung der Vrutak Hütte.


                                 Tal in der Nähe von Vrutak

Rote Warnschilder verraten, dass auch hier abseits der Wege noch Minengefahr besteht. Später sehe ich in Ruiste eine Karte aushängen, in der die Minenfelder eingezeichnet sind. Danach ist es wahrscheinlich nicht empfehlenswert, im Prenj weglose Wanderungen zu unternehmen...

                          Im Prenj Massiv gibt es noch Minen

Da es noch nicht sehr spät ist, lasse ich die Hütte zunächst links liegen. Kurze Zeit danach treffe ich Tobias und Sarah aus Deutschland, die zur Vrutak Hütte gehen wollen. Als es bald nach der Begegnung wieder zu regnen beginnt, und ein Gewitter im Anzug zu sein scheint, sprinte ich spontan nach Vrutak zurück.

                           Deutsche Wanderer

                             Vrutak

Eigentlich wäre die Hütte verschlossen, aber Dinko, ein Kroate aus Zadar hat den Schlüssel!
Wir machen es uns in der Hütte gemütlich und teilen Wein, Essen und Gespräche. Ein netter Abend!

                                In der Vrutak Hütte

Als ich am nächsten Morgen zu einem Pass auf etwa 1900 Meter Höhe aufsteige, ist es dunstig und feucht. Offenbar das ideale Wetter für die schwarzen Alpensalamander. Innerhalb von 3 Stunden treffe ich auf etwa 130 Individuen der hübschen Amphibienart! Dabei scheint gerade Paarungszeit zu sein, denn etliche von ihnen sind eng umschlungen. Hier im Prenj gibt es übrigens eine Unterart des Salamanders, die nur hier vorkommt!

                          Ideales Salamanderwetter

                       Salamanderliebe

Ein Salamander ist dabei, einen riesigen Regenwurm zu verschlucken. Der Wurm ist viel länger als der schwarze Geselle, und so ist es kein Wunder, dass der Salamander nach einiger Zeit aufgibt, und sein Opfer ziehen lässt...

          Der Regenwurm ist zu groß für den Salamander

Oben angekommen, verkündet ein Schild, dass Zelena Glava, der mit 2155 Metern höchste Berg des Prenj nur noch eine Stunde entfernt ist. Zelena Glava ist ein sehr attraktiver Felsberg, aber bei diesen Sichtverhältnissen macht der Aufstieg keinen Sinn.

                        Nebel im Prenj

Bald beginnt es auch wieder zu regnen und mit der Zeit werde ich ziemlich durchnässt. Immerhin bewege ich mich jetzt langsam in niedrigeres Gelände.

                     Bijele Vode Tal

Irgendwann erreiche ich die große Berghütte Adnan Krilic/ Bijele Vode. Normalerweise ist auch diese Hütte verschlossen, aber drei Bosnier haben dort übernachtet, mit dem ursprünglichen Plan Zelena Glava zu besteigen. Bei diesem Wetter ziehen sie es allerdings vor, den Rückzug anzutreten...

              Bosnische Wanderer in der Adnan Krilic Hütte

Sasa ist ein bosnischer Autor und spricht gut englisch. Mit seinen beiden Freunden unternimmt er häufig Touren in den heimatlichen Bergen. Da die drei ebenfalls nach Ruiste absteigen wollen, beschließen wir zusammen zu gehen. Dabei erhalte ich interessante Einblicke in die bosnische Realität, 20 Jahre nach dem Krieg. Heute würde es kaum noch Spannungen zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen geben, so repräsentieren die Wanderer auch einen guten Querschnitt der bosnischen Gesellschaft, mit einem kroatischen Katholiken, einem serbisch stämmigen Orthodoxen und einem bosnischen Moslem.
Aber auch beim Abstieg durch den Bergwald werden wir daran erinnert, dass die Hinterlassenschaft des Krieges allgegenwärtig ist. Über eine weite Strecke markiert gelbes Band eine Minenzone...

                    Minenzone auf dem Weg nach Ruiste

Gegen Mittag erreichen wir Ruiste, einen kleinen Touristenort, der vor allem im Winter zum Ski laufen aufgesucht wird. Bevor ich mich von meinen neuen Freunden trenne, kehren wir noch in ein Restaurant ein, das auch Übernachtungsmöglichkeiten bietet.

                   Motel in Ruiste

Während die Bosnier mit ihrem hier abgestellten Wagen nach Hause fahren, laufe ich auf der Straße weiter, bis ein Weg vom Asphalt abzweigt. Weiter geht es durch eine dünn besiedelte, offene Landschaft.

                                 Richtung Boracko Lake

Irgendwann beginnt es wieder heftig zu regnen und ich bin ganz froh, als ich aus dem nassen Gras wieder auf die Straße gelange. Schließlich reicht es mir für heute, und ich schlage mein Lager in einem urigen Buchenwald unweit des Asphalts auf.            



























































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