3,5 Tage, 96 Kilometer, 1982 hm Aufstieg
Es ist schon fast Mitternacht, als wir in San Diego ankommen. Erstaunlich rasch können wir unsere Rucksäcke vom Gepäckband nehmen und laufen dann direkt aus dem Flughafengebäude in die Nacht. Es tut gut, nach der langen unbeweglichen Zeit im Flugzeug endlich mal wieder zu laufen, daher sparen wir uns das Taxi. Es ist erstaunlich ruhig und die Route führt auf Radwegen entlang des Hafens in die Stadt, wo wir ein Zimmer für die erste Nacht gebucht haben.
Am nächsten Morgen, dem 24.3 sind wir halbwegs ausgeruht und unternehmen einen Spaziergang zum Hafen, wo eine malerische, alte spanische Galeere als Museum dient. Wir frühstücken in einem Café und merken gleich, dass die USA zur Zeit ziemlich teuer sind, etwa 40 Euro für uns beide für ein Frühstück was o.k, aber nicht übertrieben üppig ist…
Nachdem wir ausgecheckt haben, nehmen wir die grüne S-Bahn zum El Cajon Transitcenter, wo der kleine Bus 888, der nur zweimal in der Woche fährt, um 16:10 losrollt. Die resolute Fahrerin will wissen, was wir vorhaben, und wirkt ziemlich entsetzt, als wir erzählen, dass wir durch die Wüste laufen wollen. Im Gegenzug finden wir unsere Mitreisenden teilweise auch ziemlich merkwürdig, mit schlechten Zähnen und T-Shirts die für die Waffenlobby NRA werben. Gegen 18:45 kurz bevor es dunkel wird, erreichen wir dass kleine Örtchen Jacumba und lassen es uns nicht nehmen, zunächst zur mexikanischen Grenze zu laufen, die von einem hohen Metallzaun markiert wird, der sich von hier weit über die Hügel erstreckt. Es dauert nicht lange, bis eine Geländewagen der Border Patrol auftaucht, uns aber nicht beachtet. Während die Sonne untergeht, laufen wir dann zunächst entlang einer asphaltierten Straße weiter. Wir wollen einen Platz zum Zelten finden, bevor es komplett dunkel ist, aber als wir in einen Seitenweg abbiegen, taucht schon wieder ein Wagen des Grenzschutzes auf. Etwas abseits finden wir dann aber doch noch ein Plätzchen, halbwegs sichtgeschützt von einigen Büschen. Da wir vorhaben, im Anschluss an diese Wüstentour getrennt voneinander in Kanada etwas zu unternehmen, haben wir zwei kleine Zelte dabei, bauen jetzt aber nur eines auf. Darin ist es zwar eng, aber immerhin kuschelig warm, da es draußen bald ziemlich kalt wird.
Tatsächlich ist unser Zelt gefroren, als wir um 6:30 Uhr am nächsten Morgen wieder aufbrechen, während noch die auf dem Rücken liegende Sichel des Mondes am Himmel steht. Ein Stück weit folgen wir noch dem Asphalt, überqueren die Interstate 8 und staunen, über ein Schild, was auf ein Resort für Nudisten hinweist…
Schließlich verlassen wir die Straße und laufen weglos in die Carrizo Schlucht hinein. Es ist erstaunlich grün und bald stoßen wir auf kleine Bächlein, die tatsächlich Wasser führen! Offenbar hat es hier in letzter Zeit ungewöhnlich viel geregnet. Während wir erst einmal frühstücken und die ungewohnte Umgebung aufnehmen, beobachten wir etliche Vögel in der Nähe, darunter kleine Wachteln, die am Boden entlang huschen. Als wir dann weiterlaufen, stellen wir bald fest, dass das Vorankommen hier ziemlich schwierig ist, oft dichte stachlige Vegetation und zahlreiche ockerfarbene, große Felsen machen das Wandern zu einer Herausforderung. Vor allem am Carrizo Creek selbst, der von dichten Tamariskengebüschen eingefasst wird, gibt es kaum Lücken im Buschwerk. Tamarisken stammen ursprünglich aus Asien und breiten sich an vielen Stellen des amerikanischen Südwestens invasiv aus. Als wir dann die Bahnlinie erreichen, von der uns jemand erzählt hatte, beschließen wir den Gleisen zu folgen, auf denen schon lange kein Zug fährt. Bald sind wir im Hang hoch über der Schlucht, und treffen auf etliche Radfahrer und Tageswanderer, offenbar ist die Carrizo Gorge an diesem Samstag ein beliebtes Ausflugsziel. Immer wieder erhalten wir tolle Ausblicke in die Schlucht, und erfreuen uns an zahlreichen Blumen. Besonders schön sind gelb blühende Fasskakteen. Einige Tunnel sind gesperrt, es gibt aber immer einen deutlichen Weg, der diese Abschnitte umgeht. Es ist zwar sonnig, aber recht kühl, daher laufen wir in Sweatshirt und langer Hose. Am Goat Canyon überquert ein Viadukt aus Mammutbaumholz den 60 Meter tiefen Abgrund, wohl weltweit die höchste „Trestle“ dieser Art. Bei Meile 15 entfernt sich die Bahnlinie von der Schlucht, daher steigen wir weglos steil nach unten. Dabei müssen wir ziemlich auf Kakteen und Dornsträucher achten, ansonsten hat man sich rasch einige Stacheln eingefangen. An einer Stelle entdecken wir ein Depot mit Wasserkanistern, etwas Kleidung und einigen Konservendosen, was offenbar angelegt wurde, um illegalen Einwanderern, die es irgendwie über die Grenze geschafft haben, das Vorankommen zu erleichtern. Allerdings scheint das Depot schon lange nicht mehr benutzt worden zu sein. Schließlich erreichen wir wieder den Carrizo Creek, dessen Wasser leicht salzig schmeckt. Einige Kröten rufen und wir genießen den friedlichen Abend. Am nächsten Morgen folgen wir dem Tal weiter, dass hier breiter und offener ist, weshalb wir gut vorankommen. An einem Parkplatz stoßen wir auf eine Fahrspur. Eine Tafel verrät, dass wir hier im Anza Borrego Desert State Park sind. Dieses Schutzgebiet des Staates Kaliforniens soll auf einer Fläche, die etwa der Größe des Saarlands entspricht, das Ökosystem der Wüste schützen. Die Colorado Wüste, in der wir hier unterwegs sind, gehört zur Sonora Bioregion, die sich von Arizona bis hierher erstreckt. Allerdings fehlen hier die Riesenkakteen, da die sommerlichen Regenfälle nicht bis nach Kalifornien kommen und daher die Kakteen nicht so viel Wasser speichern können.
Wir queren den Carrizo Creek einige Male über Felsblöcke und Anke ist clever genug, ihre Wasservorräte noch einmal aufzufüllen. Ich dagegen verlasse mich darauf, dass wir bei dem offenbar üppigen Wasserangebot zur Zeit schon noch mal etwas finden…
Überall säumen gelbe, weiße und lila Blumen den Weg. Bevor wir eine Straße erreichen, erstrecken sich regelrechte Blütenteppiche. Sehr eindrucksvoll!
Auf der anderen Straßenseite folgen wir einer Piste weiter durch eine ausgedehnte Ebene. An manchen Stellen sind Wohnmobile geparkt, und immer wieder rollt ein Jeep an uns vorbei. Schließlich erreichen wir die Vallecito Berge, wo wir sandigen Tälern zwischen niedrigen, braunen Wänden folgen, die einst aus Schlamm zusammen gebacken wurden. Im Arroyo Seco del Diablo soll es eine kleine Quelle geben. Wir entdecken aber nur eine salzige Kruste und zahlreiche Bienen, die versuchen Feuchtigkeit aufzunehmen. Vielleicht hätte ich doch noch mal Wasser auffüllen sollen?
Na ja, als Anke und ich ein Stück getrennt laufen, hält ein Jeep bei mir und fragt ob ich etwas benötige. Als ich erwähne, dass etwas Wasser nicht schlecht wäre, bekomme ich gleich 2,5 Liter in einen meiner Wassersäcke abgefüllt. Dabei erfahre ich, dass der Fahrer vor ein paar Jahren den Pacific Crest Trail gelaufen ist, und daher weiß wie wichtig Wasser in der Wüste ist. Anke, die just in diesem Moment auftaucht, hat jetzt natürlich einen schönen Grund mich zu ärgern, wegen meiner Dummheit. Na ja, es ist glücklicherweise noch nicht heiß, so dass ich auch ohne das Wassergeschenk zurecht gekommen wäre…
Unser Lager schlagen wir dann in einem engen Arroyo auf, der uns Schutz vor dem doch recht heftigen Wind gewährt. Später unternehme ich dann noch einen Abendspaziergang über eine weite, wenig bewachsene Ebene, auf der es sich gut laufen lässt. Ich liebe die Weite und Stille der Wüste, wenn mir auch heute hier zu viele Jeeps unterwegs waren.
Am nächsten Morgen gelangen wir bald zu einem Aussichtspunkt über dem Devils Canyon. Die Gegend wird von zahlreichen, niedrigen Schluchten durchzogen. Im Amerika nennt man so eine Landschaft „Badlands“.
Wir folgen einer Piste weiter durch die Canyons. Manchmal hören wir eine Art Brummen und sehen dann einen winzigen, dunklen Kolibri, dessen schneller Flügelschlag das Geräusch verursacht.
Gegen Mittag beginnt dann ein langer wegloser Abschnitt. Zunächst geht es über eine weite Ebene, bis zu einer Bergkette. Hier weisen uns einige kleine Steintürme, sogenannte „Cairns“ den Weg. Haben die „Desert Survivors“ die Route markiert?
Auf der anderen Seite gelangen wir dann wieder auf eine Ebene, Harpers Flat, wo wir in den vegetationslosen, trockenen Bachbetten, den Arroyos gut vorankommen. Schließlich steigen wir in Harpers Canyon ab. Hier müssen wir etliche steile Abstürze im Granit bewältigen, was aber kein Problem darstellt. Gegen 16:30 schlagen wir dann unsere Zelte auf. Zwar sieht es nicht nach Regen aus, aber es ist doch oft windig und nachts recht kühl, daher verzichten wir bislang auf das „Cowboycampen“ unter freiem Himmel.
Bei einem Abendspaziergang bewundern wir dann noch einige blühende Kakteen.
Am nächsten Morgen gelangen wir an eine Piste, der wir durch „Kakteengärten“ zur Straße nach Ocotillo Wells folgen und anschließend drei Kilometer auf dem Asphaltband laufen, bis zum Desert Ironwoods RV-Park, wo es hauptsächlich einen Campingplatz für Wohnmobile gibt, aber auch ein Motel und einen kleinen Laden. Die Auswahl dort ist nicht sehr groß, aber wir müssen auch nur für einen Tag hier einkaufen. Wir füllen jeder 3,5 Liter Wasser auf, und essen Eiscreme und Chips bevor wir wieder aufbrechen.
So was gibts im prüden Amerika!
Depot für illegale Einwanderer
Die Bienen saugen Feuchtigkeit
Geschütztes Lager
Kakteengarten
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