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18.10.2023

Auf dem Desert Trail durch die Wüsten der USA - 5 Mecca - Chiriaco Summit

 




3 Tage, 64 Kilometer, 2011 hm Aufstieg


In diesem Abschnitt durchqueren wir zunächst die Mecca Hills, ein Labyrinth aus Sandstein Canyons, was ein wenig den bekannten Schluchten in Utah ähnelt. Anschließend geht es durch die Orocopia Mountains, wo wir einen langen Anstieg über felsige Grate zum gleichnamigen Gipfel bewältigen müssen. Nach einem Streit laufen wir eineinhalb Tag getrennt, finden uns aber schließlich wieder…


Nachdem wir uns mit Essen für drei Tage und 8,5 bzw. 9 Litern Wasser in Mecca versorgt haben, folgen wir einer Asphaltstraße aus dem Ort durch Wein, Mais- und Orangenfelder. Intensive Landwirtschaft in der Wüste, wie kann das sein? Der Schlüssel ist das Wasser des Colorado River, das über den Coachella Kanal zum Teil hierher abgeleitet wird. Was hier unter der fast ständig scheinenden Sonne hervorragende Anbaubedingungen hervorbringt, hat woanders zur ökologischen Katastrophe geführt. Wegen solcher Ableitungen ist das Colorado Delta in Mexiko, einst ein Paradies der Artenvielfalt, schon seit langem komplett trocken gefallen. 

Auch als wir den Asphalt hinter uns lassen, und einer Sandpiste folgen, begegnen uns immer wieder riesige Geländewagen. Offenbar wollen etliche Leute an diesem Freitag Abend irgendwo in der Wüste campen. In dieser flachen Landschaft gibt es zwar keine versteckten Zeltmöglichkeiten, aber wir finden weit abseits der Piste einen Platz zum Lagern. Da es abends schon um 19 Uhr ziemlich dunkel ist, hören wir uns häufig noch Podcasts auf dem Handy an. Heute hören wir uns einen Beitrag mit Ryan Silva, Trailname „Dirtmonger“ an, der den Desert Trail in ganzer Länge als Zweiter gewandert ist. Einige seiner Erlebnisse, vor allem was den Wassermangel angeht, hören sich ziemlich dramatisch an…

Am nächsten Morgen wirkt Anke  beunruhigt, und findet, wir müssen deutlich schneller als bisher laufen. Wir sind ja erst eine Woche unterwegs, und ich finde es wichtig, gerade am Anfang einer langen Wanderung nicht zu große Distanzen zu laufen, um eine Überlastung des Körpers zu vermeiden. Außerdem denke ich, dass wir bis jetzt gut vorangekommen sind, da wir teilweise durch ziemlich schwieriges Terrain gelaufen sind und gehe davon aus, dass wir uns noch steigern können, wenn es nötig ist. Aber natürlich spielt bis jetzt das recht kühle Wetter auch gut mit, und auch mir ist klar, dass wir das Death Valley durchqueren müssen, bevor es richtig heiß wird. Jetzt möchte ich aber die Wüste genießen und nicht nur durchhetzen. Außerdem unternehme ich abends im Lager angekommen immer noch gerne einen kleinen Spaziergang, ohne schweres Gepäck, bei dem ich mir dann auch mehr Muße zum Natur beobachten und fotografieren nehme. Andererseits tragen wir schon jetzt sehr viel Wasser, und wissen, dass die Abschnitte ohne das lebensnotwendige Nass noch länger werden.  Obwohl mir klar ist, dass die Sorgen von Anke nicht unberechtigt sind, fühle ich mich davon gestresst und wir beginnen zu streiten. Schließlich laufen wir getrennt voneinander weiter, auf der Piste in den Painted Canyon. Auf einem Campingplatz mit Klohäuschen stehen einige Camper, dann endet die Straße. Ein Schild verkündet, dass hier die Mecca Hills Wilderness Area beginnt. Solche Wildnisgebiete sind eine Besonderheit der Vereinigten Staaten. Seit 1963 wurden im ganzen Land über 800 dieser Reservate ausgewiesen, mit einer Fläche die etwa ein Drittel größer ist, als die Gesamtfläche Deutschlands! Dabei sind die Wilderness Areas sogar noch strenger geschützt als Nationalparks. Motorisierter Verkehr ist komplett verboten und natürlich auch jede Art der wirtschaftlichen Nutzung. Diese Wildnisgebiete liegen ausschließlich auf öffentlichen Flächen und wir werden auf unserer Wüstenwanderung etliche von ihnen durchqueren. 

Ich folge dem Canyon weiter, der mit seinen steil aufragenden braunen und dunklen Wänden mich stark an die Schluchten des Colorado Plateaus erinnert, die ich 2009 auf dem Hayduke Trail durchquert habe. Leider liegt die Schlucht noch weitgehend im Schatten, was nicht so ideal für Fotos ist. An einer Stelle muss ein steiler Absatz über Metallleitern bewältigt werden. Es gibt etliche Seitencanyons und nicht immer ist klar, wo die Route weiter geht. Da ich nur selten auf das GPS des Handys schaue, laufe ich dann zweimal ein ganzes Stück weit in die falsche Richtung, bevor ich meinen Fehler erkenne. Schließlich führen die Schluchten auf eine Mesa, wo ich meist auf alten, kaum noch zu erkennenden Fahrspuren weiter laufe. Anschließend folge ich lange Zeit einem langen Grat, bis ich zu der asphaltierten Box Canyon Road gelange. Hier treffe ich Anke wieder. Allerdings haben sich die Spannungen zwischen uns immer noch nicht gelöst und der Streit geht gleich weiter, weshalb ich schließlich alleine weiter laufe. Etwas zwei Kilometer folge ich der Straße und biege dann querfeldein ab. Schon seit einiger Zeit höre ich fast ständig Schüsse, denen ich mich offensichtlich nähere. Dann erkenne ich, dass hier einige Leute abwechselnd mit ihren Gewehren auf eine Scheibe schießen, ausgerechnet in meinem Weg!

Als sie mich sehen, winken die Männer und rufen „Clear“, trotzdem ist es unheimlich und ungewohnt dort entlang zu laufen, wo kurz zuvor fast ständig geschossen wurde. Was in Deutschland nur auf einem Schießstand erlaubt ist, kann man hier auch mitten in der Landschaft ausüben. Ich finde Freiheit ja gut, aber ob das wirklich sein muss?

Kurz darauf gelange ich auf einen Pfad, der mich über die Bergrücken einer zerklüfteten Landschaft aus braunen und weißen Badlands führt.

Einen starken Kontrast dazu liefert der weite Hidden Canyon voller Blumen und Schmetterlinge. Es gibt hier sogar einige Bäume und Libellen, Wasser kann nicht weit sein. Als große Rarität auf dem Desert Trail, wo wir normalerweise nie andere Wanderer treffen, begegnet mir hier eine 5-köpfige Wandergruppe, die eine Tageswanderung unternimmt. Eine der Frauen ist komplett verhüllt gegen die Sonne, eine Andere trägt einen Sonnenschirm. 

Ich wundere mich, wo Anke bleibt und setze mich an einer Stelle im Canyon hin, wo sie vorbeikommen muss. Es wird später und später, sie taucht aber nicht auf, so dass ich mir schon Sorgen mache und ziemlich traurig bin. 

Als mir klar wird, dass ich sie heute nicht mehr wiedersehen werde, unternehme ich einen Abstecher 200 Meter weit zur Hidden Spring, wo einige Palmen versteckt in einem Seitencanyon wachsen und einige Tauben an einem sehr kleinen Wasserloch, umgeben von weißen Salzkrusten trinken. 

Etwas weiter im Hauptcanyon schlage ich schließlich mein Lager auf. Es ist recht mild und windstill, daher verzichte ich darauf das Zelt aufzubauen und schlafe unter dem Sternenzelt. 

Noch vor Sonnenaufgang bin ich wieder unterwegs, folge dem Canyon weiter und gelange schließlich auf ein weites Steinplateau, was Aussichten zu den verschneiten Vorbergen der Sierra Nevada und über die Salton Sea gewährt. Anschließend folge ich einer Reihe von kleinen Canyons mit vielen Steigungen. Nur einmal muss ich eine Stufe umklettern. Eine Nachtschwalbe fliegt lautlos im Zick-Zack vor mir auf, und einmal sehe ich eine Packratte davon hüpfen. Obwohl ich Anke vermisse und mich frage, wo sie bleibt, genieße ich es alleine durch die Einsamkeit der Wüste zu wandern. Schließlich gelange ich in einen breiteren Canyon mit viel gelbem Mohn und weißen Disteln. 

Plötzlich sehe ich Anke auf einem gutem Aussichtspunkt über dem Canyon! Ich bin komplett überrascht, da ich sie hinter mir gewähnt hatte, erfahre aber bald des Rätsels Lösung: Sie ist vom Box Canyon nicht dem Desert Trail gefolgt, sondern hat eine andere Route hierher genommen! Aller Streit hat sich in Luft aufgelöst und wir sind einfach nur froh, dass wir uns wiedergefunden haben!

Während es gestern schon wolkenlos und ziemlich warm war, wird es heute gegen Mittag richtig heiß und wir beschließen erst einmal eine lange Pause unter einem großen Felsüberhang zu machen, bevor wir uns an den 1000 Höhenmeter Aufstieg zum Orocopia Mountain machen. Während schwarz- weiße Truthahngeier über uns kreisen, folgen wir felsigen Graten langsam aufwärts, noch weit entfernt sehen wir den Gipfel des lediglich 1117 Meter hohen Berges. Anke entdeckt eine Wüstenschildkröte, die uns nicht weiter beachtet und sich nicht einmal in ihren Panzer verzieht. Der Aufstieg ist heiß und mühsam, dann werden wir aber von einer tollen Rundumsicht belohnt. Es gibt hier sogar ein Gipfelbuch, in dem sich auch unsere Vorgänger Ryan Silva und Brian Tanzman eingetragen haben!

Wir glauben schon das Schwierigste heute hinter uns zu haben, aber als wir von einem Sattel in den Catclaw Canyon absteigen, stellen wir fest, dass der seinen Namen völlig zu recht hat. Überall wachsen die extrem unangenehmen, blattlosen Dornsträucher. Dagegen sind etliche Steilabstürze, die wir umklettern müssen nicht besonders schwierig, machen die Route aber interessant. Während wir schließlich unser Lager in dem trockenen Bachbett aufschlagen färbt die untergehende Sonne die Berge in ein warmes orange und der fast volle Mond geht auf. Obwohl wir heute weit überwiegend weglos unterwegs waren, sind wir wenigstens 28 Kilometer und über 1200 Höhenmeter gelaufen!

In der Nacht kommt Wind auf, der am nächsten Tag ziemlich heftig wird, uns aber auch kühlt. Wir folgen dem Canyon weiter und stoßen überall auf Spuren und Kot der Dickhornschafe, sehen aber keines. Jetzt tauchen auch die ersten Joshua Trees auf, eine Yucca Art, die auf deutsch Josua- Palmlilie heißt und typisch für die Mojave Wüste ist, in die wir jetzt gelangen.  Schließlich laufen wir über eine offene Ebene zur Autobahn I 10. Dabei passieren wir eine Müllhalde aus alten, rostigen Konservendosen. Dann erreichen wir die Raststätte Chiriaco Summit. Ein krasses Kontrastprogramm zur einsamen Wüste ringsum. Es gibt hier sogar ein Panzermuseum und eine große Tankstelle mit Laden in dem wir für drei Tage einkaufen, überwiegend Erdnüsse. Im benachbarten Restaurant essen wir dann noch einen Breakfast Burrito und trinken uns richtig voll. In den USA ist es üblich, dass man für einen kleinen Betrag soviele Softdrinks trinken kann, wie man möchte, was wir weidlich ausnutzen! Ich rasiere mich auf der Toilette und wir füllen uns jeweils dreieinhalb Liter Wasser ab, bevor wir mittags weiter laufen. 


                                                 Coachella Valley


              Die schneebedeckten Vorberge der Sierra Nevada


                         
                                            Painted Canyon






                              Weglos durch zerklüftete Landschaft




                                                            Cowboycamp


                                                            Früher Morgen



                          Mittagspause unter schattigem Überhang



                                                  Auf den Orocopia Mountain


                                                            Wüstenschildkröte


                                                Catclaw Canyon


                                                                Stufen umklettern


                                            Natürlicher Bogen
                                                Der Canyon ist jetzt weiter


                                                                Seltener Cairn


                                                            Die ersten Joshua Trees




                                                  Chiriaco Summit

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