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26.12.2023

Great Divide Trail 1 Waterton - Blairmore


 

6,5 Tage, 131 Km, 6894 hm


Der Great Divide Trail verläuft in den kanadischen Rocky Mountains über etwa 1100 Kilometer von der US-Grenze im Waterton Nationalpark auf  dem Kamm des Gebirges nach Norden und durchquert dabei so bekannte Gebiete wie die Nationalparks von Banff und Jasper, aber auch viele weitere, weniger bekannte Naturschutzgebiete. Nach Meinung vieler, handelt es sich dabei um eine der schönsten Wanderrouten der Welt, was, wie ich finde, überhaupt nicht übertrieben ist. Auf dem ersten Abschnitt der Strecke erleben wir fast noch winterliche Bedingungen im Waterton Nationalpark, sind zwei Tage lang durchgehend auf aussichtsreichen, aber nicht ganz einfachen Graten unterwegs und sehen, wie sich Wälder nach einem Waldbrand wieder erholen.


Eigentlich war unser Plan, nach der Wanderung auf dem Desert Trail, den Sommer in Alaska zu verbringen. Leider war es mir nicht gelungen, einen Termin in einem US-Konsulat zu erhalten, obwohl ich mich schon Monate vor dem Abflug darum gekümmert hatte. Daher darf ich nur die normalen drei Monate in den Vereinigten Staaten bleiben, die ich schon auf unserer Wüstenwanderung weitgehend verbraucht hatte. Anke dagegen hat ein US-Visum, was 10 Jahre gültig ist, und dazu berechtigt, 6 Monate am Stück im Land zu bleiben. Natürlich wollen wir trotzdem den Sommer in Nordamerika verbringen, also blieb uns Kanada als Ersatzziel. Anke will dort den Great Divide Trail laufen, den ich in weiten Teilen schon 2018 kennen gelernt hatte. Daher war unser ursprünglicher Plan, getrennt voneinander in Kanada unterwegs zu sein. Nachdem mir aber die Wanderung mit meiner Freundin auf dem Desert Trail so gut gefallen hatte, beschließe ich kurzerhand, den Great Divide Trail noch einmal mit ihr zusammen zu laufen. Dafür spricht, dass ich weiter gerne mit Anke zusammen wandern möchte, aber auch, dass ich mich 2018 nur teilweise an den GDT gehalten hatte, große Teile des Wegs daher auch für mich neu sein werden.

Wir  beenden unsere Wanderung auf dem Desert Trail in Denio, an der Grenze von Nevada und Oregon. Um nach Kanada zu gelangen, müssen wir also noch die Bundesstaaten Oregon und Washington komplett durchqueren. Öffentliche Verkehrsmittel die wir dazu benutzen könnten, gibt es nicht, also ist klar, dass wir trampen würden. 

Nach dem netten Abend mit Laurie und John, der uns in Denio aufgelesen hatte, und zu sich nach Hause eingeladen, bringt uns John am nächsten Morgen zurück an die Straße, wo uns Dana die 40 Kilometer bis in die Kleinstadt Burns mitnimmt, wo wir erst einmal in einem Supermarkt einkaufen. Obwohl wir gestern bei den O’Connors duschen und Wäsche waschen konnten, sehen wir offenbar ziemlich abgerissen aus. Ein Mann bietet uns mehrfach an, Lebensmittel im Wert von 50 Dollar zu kaufen, und lässt sich nur schwer davon überzeugen, dass er damit besser jemand anderen unterstützt, der es nötiger hat…

Nach dem wir vor dem Supermarkt erst einmal eine große Schale Eis essen, laufen wir etwa 4 Kilometer, bis wir außerhalb der Stadt eine geeignete Stelle zum Trampen finden. Nach einer Dreiviertelstunde hält ein junger Typ, der uns in seinem Lieferwagen mitnimmt. In der Regel unterhält man sich beim per Anhalter fahren ziemlich intensiv mit den Leuten, die einen mitnehmen, aber der junge Mann redet überhaupt nicht, außer, dass er uns Marihuana anbietet…

Schon bald ändert sich die Landschaft dramatisch, statt der bisherigen trockenen Wüste mit ihrem niedrigen Strauchbewuchs, fahren wir durch hoch aufragende Waldberge, die mit Ponderosa Kiefern bewachsen sind. Zwar lieben wir die Wüste sehr, aber es ist auch wunderschön, endlich mal wieder in richtige Wälder zu gelangen, wenn auch zunächst nur im Auto!

In Mt. Vernon steigen wir aus, und zu unserer Überraschung bietet uns der schweigsame Fahrer ebenfalls Geld an…

Nachdem wir noch eineinhalb Stunden versuchen weiter zu kommen, schlagen wir unser Lager abseits der Straße auf, und probieren es am nächsten Morgen noch einmal. Aber jetzt scheint uns das Glück verlassen zu haben, es gibt nur wenig Verkehr und niemand hält. Wir stehen bereits dreieinhalb Stunden, als sich das Blatt wendet. Zu unserer großen Überraschung stoppt ein Wagen und ein lächelnder John O’ Connor begrüßt uns freudestrahlend! Er will sich einen gebrauchten Radlader anschauen, den er vielleicht kaufen will, daher ist er heute wieder unterwegs. Während wir stundenlang zusammen im Auto sitzen, erfahren wir noch mehr aus seinem interessantem Leben. Schließlich nehmen wir dann aber doch an der Interstate 82 in Hermiston Abschied. Es herrscht an der Autobahnauffahrt sehr viel Betrieb, daher fürchten wir schon, hier nicht so leicht mitgenommen zu werden. Aber bereits nach einer Viertelstunde hält die 70-jährige Cindy und fährt für uns sogar einen Umweg, um uns an einer günstigen Stelle außerhalb von Kennewick abzusetzen. Tatsächlich dauert es dort wiederum nur eine Viertelstunde, bis Max hält, ein 36- jähriger Reifenvertreter, der ursprünglich aus Moldawien stammt. Während wir durch die weite Agrarlandschaft am Columbia River fahren, unterhalten wir uns so gut, dass Max uns spontan zu sich nach Hause in Spokane einlädt, wo seine Frau Alena ein tolles Essen für uns zubereitet hat. Wie wir von den Beiden erfahren, erlebt die Gegend zur Zeit einen regelrechten Boom, der vor allem durch Zuzügler aus Kalifornien ausgelöst wird. Diese Leute aus der IT-Branche können inzwischen von überall aus arbeiten und flüchten zunehmend vor den hohen Lebenshaltunskosten in Kalifornien in andere Bundesstaaten, wo dann eine ähnliche Entwicklung einsetzt. Max erzählt, dass sein Haus in nur 5 Jahren eine Wertsteigerung um 200.000 Dollar erfahren hat!

Nach dem Essen fährt Max uns dann noch etwa eine halbe Stunde weiter nach Coeur d’Alene, von wo wir einfacher nach Kanada trampen können. Da unsere Kreditkarten in einem günstigen Motel nicht funktionieren, und wir keine Lust haben, im Dunkeln hier noch lange herumzusuchen, mieten wir uns dann für einen saftigen Preis in einer teuereren Unterkunft ein. Immerhin können wir dort noch den Pool benutzen, und am nächsten Morgen das Frühstücksbuffet besuchen. Als immer hungrige Wanderer kommt uns das natürlich sehr gelegen…

Mitten in der Stadt stehen wir dann am nächsten Morgen wieder an der Straße, allerdings nicht lange. Der 58-jährige Bob hält und bietet an, uns bis zur kanadischen Grenze zu fahren, obwohl er dort nichts zu tun hat! Immerhin eine Fahrt von zwei Stunden! Als wir dann zusammen im Auto sitzen, stellen wir fest, dass Bob offenbar großen Redebedarf hat. Wenn auch nur die Hälfte seiner Geschichten stimmt, hat er ein ziemlich abenteuerliches Leben geführt. So erzählt er uns von seiner Zeit als Drogendealer, der irgendwann ausgestiegen ist, von illegalen Motorradrennen u.s.w. Aber Gott hat ihn erlöst und er hat seinen Frieden gefunden, wie er uns erzählt.  Manchmal empfinden wir es als ziemlich anstrengend, beim Trampen Konversation zu betreiben, aber was soll’s, wir wollen ja weiter kommen…

Gegen 14 Uhr sind wir an der Grenze wo nicht viel los ist. Zu unserer Überraschung werden wir auf der US-Seite nicht kontrolliert und erhalten auch keinen Ausreisestempel. 

Dagegen will der kanadische Grenzer unsere Rückflugtickets sehen und fragt  nach Finanzen und Krankenversicherung. Als wir ihm erzählen, dass wir nach Waterton, dem Ausgangspunkt unserer GDT- Wanderung trampen wollen, erzählt er uns, dass das in Kanada illegal sei. OK, dann laufen wir halt nach Waterton, ist unsere Antwort…

Zu unserer Verwunderung hält aber unmittelbar hinter der Grenze ein LKW, was beim Trampen fast nie vorkommt, da die Fahrer in der Regel niemand mitnehmen dürfen. Attesch stammt aus Indien und hat mit seinem Bruder ein kleines Fuhrunternehmen. Er fährt Gemüse für die Supermarktkette Walmart von Seattle nach Calgary. In Cranbrook legt er eine Pause ein, was wir nutzen um in einem großen Supermarkt für die ersten 8 Tage unserer Wanderung einzukaufen. Zu unserer Freude ist das viel günstiger als in den USA und wir finden das Sortiment auch besser. Eigentlich hatten wir mit Attesch ausgemacht, das er uns weiter mitnimmt. Da er sich aber nicht mehr meldet, laufen wir schließlich aus der Stadt und schlagen in einem trockenen Nadelwald unser Lager auf. Da es hier ziemlich viele Biketrails gibt, suchen wir einige Zeit lang, bis wir einen Platz außer Sichtweite der Wege finden. 

Herrlich mal wieder im Wald zu schlafen!

Kaum stehen wir am nächsten Morgen an der Straße hält auch schon ein Wagen und ein nettes Paar über 70 nimmt uns mit. Dabei stellt sich heraus, das die Beiden pensionierte Wissenschaftler sind, die gerade zu einem Orientierungslauf unterwegs sind. Alle Achtung! Das Paar sieht aber auch wirklich sehr sportlich aus und hat schon Trekkingtouren in Nepal und Indien gemacht. In Fernie stoppen wir an einer Bäckerei und werden zu Kaffee und Gebäck eingeladen. Bei der Gelegenheit biete ich mein altes Zelt einer offensichtlich obdachlosen Frau an, die aber nur an Geld interessiert ist und mich beschimpft, als ich ihr nichts gebe. Hinter Coleman werden wir an einem alten Felssturz herausgelassen, der bereits 1903 große Zerstörungen angerichtet hatte. Auch hier dauert es wiederum nicht lange, bis uns ein aus Bangladesh stammender, junger Mann bis nach Pincher Creek mitnimmt. Dort hatte ich 2018 meine Kanada Wanderung begonnen! Damals war der Waterton Nationalpark noch wegen einem großen Waldbrand im Vorjahr gesperrt, weshalb ich ihn nicht kennenlernen durfte.  Wiederum stehen wir nur einen kurzen Moment, bis wir ein Stück weit in einem Pick-up zu einem LkW-Parkplatz mitgenommen werden, wo wir dann in einen Laster umsteigen dürfen. Unser Fahrer wohnt in Pincher Creek und betreibt hier ein Fuhrunternehmen. Da er auch vielen Outdooraktivitäten nachgeht, haben wir gleich eine gute Gesprächsgrundlage. 

Nach wenigen Kilometern endet unsere Fahrt am Eingang des Waterton Nationalparks. Jetzt dürfen wir endlich wieder laufen!

Waterton wurde bereits 1895 als vierter kanadischer Nationalpark ausgewiesen. 75 Jahre früher als der erste deutsche Nationalpark im Bayerischen Wald! Allerdings ist der Park für kanadische Verhältnise mit nur 525 Quadratkilometern ziemlich klein, grenzt aber im Süden, jenseits der US-Grenze unmittelbar an den großen Glacier Nationalpark, und ist Teil eines riesigen geschützten Ökosystems der „Crown of the Continent“, die wir auf kanadischer Seite erwandern werden. Das Besondere an Waterton ist, dass hier die weiten, baumlosen Ebenen der Prärie abrupt in die Berge und Wälder der Rocky Mountains übergehen, was ursächlich für eine große Artenvielfalt ist. Wir laufen auf einem asphaltierten Radweg durch die malerische Landschaft aus offener Graslandschaft, in die große Seen unmittelbar vor der schroff aufragenden Bergkette eingebettet liegen. Wir sehen auch unsere ersten Wildtiere, zahlreiche Erdhörnchen, sowie Wapiti- und Weißwedelhirsche. Schließlich erreichen wir Waterton Townsite, ein kleines, sehr touristisches Dorf, wo wir auf dem riesigen Campingplatz des Nationalparkservice unterkommen. Etwa 16 Euro kostet das Zelten hier, es gibt dafür heiße Duschen und einen Picknicktisch an jeder Campsite. Glücklicherweise hält der Park auch einige „Walk-in“ Plätze vor, so dass wir nicht neben den zahlreichen, riesigen Wohnmobilen stehen müssen. Außerdem ist unser Platz relativ geschützt, da hier ein kalter Wind bläst. 

Nachdem wir uns am nächsten Morgen das kleine Besucherzentrum des Parks angeschaut haben, brechen wir ohne großes Gepäck zur US- Grenze auf. Dazu folgen wir dem Ufer des Upper Waterton Lakes, allerdings zunächst im Hang oberhalb des Sees. Riesige Flächen des Nationalparks sind 2017 abgebrannt. Zwar sehen die stehen gebliebenen grauen Baumleichen nicht gerade hübsch aus, aber darunter entfaltet sich üppiges, neues Leben. Wie vielerorts in Deutschland wird auch hier die neue Waldgeneration zunächst häufig aus der Pionierbaumart Aspe bestehen, in deren Schutz sich dann nach und nach weitere Bäume ansamen werden. Wir sehen einige Weißwedelhirsche und sogar Frauenschuh Orchideen, die aber weniger prächtig als in Deutschland sind. Immer wieder genießen wir herrliche Aussichten über den türkisen See mit schaumgekrönten Wellen, vor dem Hintergrund der abrupt aufragenden Felsberge. Es ist schön wieder in den Bergen zu sein! Gegen Mittag erreichen wir die US-Grenze. Anke war hier 2019 schon einmal, zum Abschluss ihrer mehrmonatigen Wanderung von der mexikanischen Grenze in Arizona, durch die Canyons Utahs und die amerikanischen Rocky Mountains bis hierher. Außerdem treffen wir Shauna, eine junge Kanadierin, die auch auf dem GDT wandern möchte und ihren Vater Greg, der sie die ersten Tage begleitet. Als wir schließlich zurück laufen, hat sich das Wetter verändert. Immer wieder geht ein Regenschauer nieder und der Wind hat noch an Stärke zugelegt. 

Auch als wir dann früh am Morgen den Campingplatz verlassen, ist es grau, ungemütlich, windig und kalt. An einem Wasserfall vorbei wandern wir durch verbrannten Kiefernwald, bis wir in der Tannen- Fichtenzone wieder in grünen Wald eintauchen. Zu unserer Überraschung kommen uns Shauna und Greg entgegen, die gestern schon hier hoch gewandert waren. Es ist ihnen zu stürmisch und kalt, daher haben sie beschlossen, ein paar Tage zu warten, bis die Kaltfront abgezogen ist. Sie warnen uns, dass es oberhalb der Baumgrenzen noch viel unwirtlicher ist. Wir werden sehen…

An drei Seen vorbei, die auf unterschiedlich hohen Ebenen liegen, steigen wir langsam weiter hoch und genießen als wir aus dem Wald kommen, grandiose Ausblicke auf die sturmumtosten Berge. An einem der Seen ist der Weg noch unter einem Schneefeld verborgen, was wir im steilen Geröll umgehen. Schließlich erreichen wir einen Pass auf 2300 Meter Höhe. Hier bläst der Wind so stark, dass wir uns kaum auf den Beinen halten können. Leider ist von der Abstiegsroute zunächst nichts zu erkennen, wahrscheinlich ist sie von einem kleinen Felssturz verschüttet worden, daher laufen wir im steilen Schotter bergab. Selbst jetzt zur Mittagszeit friert es, eine leichte Schneedecke überzuckert die Landschaft und mit dem heftigen Wind fühlt es sich noch viel kälter an. Da das Gelände sehr steil ist, sind wir dann aber ziemlich froh, als wir doch auf den Weg gelangen. Unsere Mittagspause verbringen wir im Windschutz eines Felsens. Nichts desto Trotz ist es so kalt, dass wir alle unsere Bekleidungsschichten tragen, und das am 19. Juni!

An einer Stelle ist der Weg dann wegen eines angeblichen Erdrutsches gesperrt, wovon wir aber nichts sehen. Am Cameron See gelangen wir in einen alten Fichten- Tannenwald mit für die hiesigen, rauhen Verhältnisse ziemlich dicken Bäumen. Der See ist auch über eine Straße erreichbar, es gibt Toilettenhäuschen und einen riesigen Parkplatz. Nichts desto Trotz ist außer uns kein Mensch hier unterwegs. Eigentlich hatten wir einen Abstecher über die Akamina Ridge geplant, den wir uns aber bei dem Sturm sparen…

Wir folgen ein Stück der Straße und biegen dann auf den Rowe Creek Pfad ab. Schließlich steigen wir im verbrannten Wald aufwärts und schlagen auf einem Rücken inmitten der toten, grauen Baumstämme unsere Zelte auf. Das ist natürlich eigentlich gar keine gute Idee, da gerade bei Wind solche Baumleichen gerne umfallen, aber es gibt hier nirgendwo einen Platz, wo wir sicherer wären…

Später unternehme ich noch einen kleinen Abendspaziergang als die Sonne  etwas herauskommt, wobei ich ein kleines Weißwedelhirschrudel sehe und ein Streifenhörnchen aus der Nähe fotografieren kann. 

Am nächsten Morgen laufen wir zunächst oberhalb des Rowe Creek weiter und gelangen bald aus dem Waldbrandgebiet heraus. Häufig scheinen hier eher die Kiefernwälder abgebrannt zu sein, während die Tannen- Fichenwälder der höheren Lagen wohl stets feuchter sind, und daher weniger leicht entzündlich. Die großen Nadelwälder Nordamerikas sind von Natur aus an Waldbrände angepasst, daher sind auch große Feuer hier an und für sich normal. Die jetzige Häufigkeit und Stärke der Feuer muss allerdings auf den auch hier deutlich spürbaren Klimawandel zurückgeführt werden, daran gibt es wohl wenig Zweifel. Wir unternehmen einen Abstecher zum Waldsee Little Rowe Lake, passieren große, ebene Offenflächen und steigen dann auf einem guten Weg nicht zu steil durch einen rötlichen Schotterhang hoch zur Lineham Ridge auf 2500 Meter, wo sich tolle Aussichten zu den mächtigen Bergen des Glacier Nationalparks eröffnen. Danach geht es abwärts zurück in verbrannten Wald. Hier sind die weißen Blüten des hoch wachsenden Bärengrases sehr auffällig. Stellenweise wachsen auf den Matten auch zahlreiche lilienartige gelbe Blumen. Der nächste Pass liegt noch im Wald, obwohl er eine Höhe von 2200 Meter erreicht. Hier wachsen auch Lärchen, die wir ja aus den Alpen kennen, wenn auch natürlich andere Arten. Auf den großen Lichtungen finden wir stellenweise viele grüne Halme, die zu einer wilden Zwiebelart gehören. Eine leckere Aufbesserung unseres Proviants! Seit Shauna und Greg gestern sind wir keinem anderen Menschen mehr begegnet, um so erstaunter sind wir, als uns eine Trailrunnerin entgegen kommt, die mal eben so zum Training 35 Kilometer läuft! Offenbar scheint diese Sportart in Kanada ziemlich beliebt zu sein, da wir noch öfter solche Begegnungen haben. Am Lone Lake sehen wir einen Weißkopfseeadler im Baum sitzen und schlagen dann in der Nähe des Little Lone Lake unser Lager abseits des Wegs im Wald auf. Etwas später beginnt es dann leicht zu schneien, so dass unsere Zelte weiß gepudert aussehen. 

In der Nacht regnet/ schneit es dann weiter und auch am Morgen hat sich das Wetter noch nicht verbessert. Dennoch laufen wir schließlich los, überqueren einen niedrigen Pass und erreichen dann einen kleinen Zeltplatz. In den kanadischen Nationalparks darf man nur auf solchen Plätzen übernachten, die im Internet umständlich gebucht werden müssen, davon später mehr…

Nach unserem ursprünglichen Plan hätten wir überhaupt nicht innerhalb der Nationalparkgrenzen übernachtet, daher haben wir den Zeltplatz auch nicht gebucht. Dennoch beschließen wir, zunächst hier zubleiben um zu schauen, ob sich das Wetter nicht verbessert. Der nächste Abschnitt führt durch eine grandiose Landschaft und es wäre einfach schade, dadurch zu laufen, wenn man nur wenig sieht. Auf dem Platz gibt es 4 nummerierte Campsites mit hölzernen Plattformen, einen Essensbereich und eine Metallbox, in der man sein Essen bärensicher lagern kann. Wir schlagen lediglich Anke’s Zelt auf, und machen es uns erst einmal gemütlich. Ich lese meiner Freundin etwas vor und wir hören Podcasts. Nachmittags klart es kurz auf, bald regnet es aber wieder. Unsere Schuhe waren schon gestern durchnässt, daher haben wir auch im Schlafsack noch lange kalte Füße.

Zwar kommen irgendwann tatsächlich noch drei andere Wanderer hier an, aber schließlich beschließen auch wir zu bleiben. Bei dem Wetter wird wohl kein Ranger zur Kontrolle hierher kommen, hoffen wir…

Als es schon fast dunkel ist, zieht dann noch ein Weißwedelhirsch unmittelbar vorm Zelt vorbei. 

In der Nacht hat es wieder gefroren und der Morgen beginnt kalt aber klar. Ein schöner Tag scheint heraufzuziehen! Wir steigen von etwa 1950 Meter Höhe bis zum Sagepass auf 2150 Meter auf, und folgen dann auf einem guten Pfad einem Grat weiter aufwärts. Oberhalb der Baumgrenze erhalten wir tolle Blicke in die herrliche Berglandschaft außerhalb des Waterton Nationalparks. Während wir in den Tälern auf der Westseite in British Columbia (BC), alte Kahlschläge sehen, ist der Wald auf der Alberta Seite im Castle Wildland Provincial Park geschützt.  In einer schneegefüllten Felsmulde treffen wir zwei Murmeltiere, die auf den Hinterbeinen stehend miteinander rangeln und sich ohne Scheu zu zeigen, beobachten lassen. Schließlich gelangen wir wieder in den maximal etwa sieben Meter hohen subalpinen Wald aus Fichten, Tannen, Lärchen und Whitebark Kiefern. Immer mal wieder geht es aber auch über große, saftig grüne Lichtungen, wo wir zwei Liter Wasser an einem Bach abfüllen, da wir bald lange Zeit auf Graten unterwegs sein werden, wo es kein Wasser gibt. Während die Wege bislang stets gut zu erkennen waren, ist das beim Aufstieg zur La Coulotte Ridge nicht mehr der Fall. Zum Glück ist das Terrain auch ohne Weg nicht allzu schwer zu durchqueren. Allerdings versuchen wir ausgedehnte Blockhalden nach Möglichkeit zu meiden. Schließlich haben wir den Gipfel der 2436 Meter hohen La Coulotte Ridge erreicht, von wo sich tolle Ausblicke über unsere weitere Route bieten. Ich kann mich noch gut an 2018 erinnern, als ich dem Grat ebenfalls gefolgt war. Hier oben ist allerdings nach wie vor kein Pfad zu erkennen. Wir steigen ein Stück im Schotter steil ab, bevor es wieder hoch zum etwa gleich hohen La Coulotte Peak geht. Ein Muster, was typisch für den Grat ist, der von zahlreichen Erhebungen geprägt wird, weshalb es fast ständig auf und ab geht. Allerdings ist das Wetter viel schöner als bei meinem letzten Besuch, ein echter Genuss! Der Abstieg ist dann nicht ganz einfach, da es einige steile Felsstufen zu bewältigen gibt. Zu unserer Rechten fällt die Ridge übrigens unvermittelt sehr steil mit rötlichen Felsen in die Tiefe. 

Auf einem halbwegs ebenem Absatz schlagen wir nach 13 Stunden Wanderung schließlich im niedrigen Tannenwald unser Lager auf. Trotz des herrlichen Tages ist die Stimmung zwischen mir und Anke nicht besonders gut. Wie so häufig geht es bei uns ums Wandertempo. Während sie es liebt flott auszuschreiten und fast keine Pausen macht, lasse ich es gerne eher etwas gemütlicher angehen…


Auch am nächsten Morgen ist die Stimmung noch nicht besser, daher laufen wir getrennt voneinander. Auch wenn ich meistens gerne mit Anke zusammen bin, tut es gut, mal wieder alleine zu sein an diesem wunderschönen Morgen. Zunächst ist der Grat ziemlich einfach, da sich zwischen Wald auf der westlichen Seite und dem Steilabfall im Osten ein schmaler Grasstreifen erstreckt, auf dem ich gut vorankomme. Ich beobachte einige Streifenhörnchen und Clark’s Nutcracker, die mit unseren Eichelhähern verwandt sind. Schließlich sehe ich den Grizzly Lake unter mir, zu dem ich vor fünf Jahren wegen aufziehendem schlechten Wetter  abgestiegen war. Zwei hohe Stufen erscheinen zunächst unüberwindlich, aber blaues Plastikband weist jeweils eine gute Umgehungsroute aus. Die Route verläuft jetzt meist im dichten Wald, wo das Vorankommen gar nicht so einfach ist. Schließlich sehe ich das steile Felsmassiv der Barnaby Ridge vor mir aufragen, und frage mich, wie ich dort rauf gelangen soll. Allerdings entdecke ich als ich näher komme, orange Farbmarkierungen, die mich zunächst entlang eines Felsbandes führen, dann aber steil nach oben deuten. Ohne die Markierungen wäre es sicher ziemlich schwer, hier eine nicht zu gefährliche Route zu entdecken, aber so geleitet, ist der Aufstieg weniger schwierig als es von unten schien. Auf dem Grat angekommen geht es noch ein Stück durch ein Blockfeld, bis ich schließlich den 2471 Meter hohen Gipfel der Barnaby Ridge erreiche. Hier gibt es sogar ein Gipfelbuch, in das sich in dieser Saison aber erst ein weiterer Wanderer eingetragen hat. Nach einem recht flachen Abstieg durch moosige Bergtundra geht es dann hoch zum nächsten Berg durch unangenehm losen, roten Schotter. Im Abstieg gilt es dann noch einmal eine steile Felsstufe zu bewältigen, was durch kleine aufeinandergestapelte Steintürmchen, sogenannte Cairns erleichtert wird. Das Wetter scheint sich jetzt zu verschlechtern und entfernt im Osten über der Prärie gehen Schauer nieder. Zur anderen Seite stören die Lifte des Castle Mountain Resort den Eindruck in unberührter Wildnis zu sein. Schließlich steige ich noch zum letzten Gipfel auf, dem 2330 Meter hohen Southfork Mountain. Ich freue mich bereits, dass ein Pfad vom Berg zu führen scheint, leider verliert der sich schon nach kurzer Zeit. Dennoch komme ich gut voran, zunächst in einer  Schneerinne, dann über offene Matten und lichten Lärchenwald. Schließlich erreiche ich den Southfork Lake, wo Anke bereits auf mich wartet. Unser Streit ist vergessen und wir freuen uns sehr uns wiederzuhaben! Heute war ein herausragender, aber auch anstrengender Tag in dem wir im weglosen, zum Teil schwierigen Terrain 18 Kilometer und 1400 Höhenmeter zurückgelegt haben. 

Wir lagern hier am See auf einem Platz, der offenbar häufiger genutzt wird. Daher hängen wir unsere Lebensmittel in einen Baum, einige Meter von den Zelten entfernt. Gegen halb ein Uhr nachts werde ich dann von einem Geräusch wach. Ich schalte meine Stirnlampe an und gehe nach draußen. Dort sehe ich in etwa fünf Meter Entfernung ein gefährliches Tier: Ein kleines Häschen hat meinen einen Wanderstock aus der Apsis bis dorthin geschleift. Offenbar hat es sich vom Salz auf den Handschlaufen angezogen gefühlt. Im Licht der Lampe hockt es starr, bis es dann schließlich weghoppelt. Puh, ich hatte schon einen Bären befürchtet…

Ein guter Pfad führt uns am nächsten Morgen zum nächsten See, wo es einen Zeltplatz gibt, und tatsächlich auch ein Zelt aufgebaut steht. Im Wald oberhalb der Straße zum Castle Resort kommt uns dann auch noch ein Tageswanderer entgegen. Heute ist Samstag, daher sind die Leute wohl draußen. Wir folgen dann ein Stück weit dieser Stichstraße, bevor es wieder in den Wald geht. Es handelt sich hier um Wald der vor langer Zeit schon mal kahl geschlagen wurde und daher recht jung und dicht ist. Nichts desto Trotz gefällt es uns hier recht gut. Frische Losung zeigt, dass auch Elche die Gegend lieben. Auf kleineren Abschnitten verläuft der GDT  auf Pfaden, meist aber auf alten Holzabfuhrstraßen, die heute auch von Reitern und Geländefahrzeugen genutzt werden. Wir genießen leckere Walderdbeeren, sehen blühende Orchideen, werden von Schmetterlingen besucht und entdecken tatsächlich die ersten GDT-Markierungen! Es ist jetzt richtig heiß, so das wir im T-Shirt laufen. Kaum zu glauben, dass es vor wenigen Tagen auch tagsüber gefroren hatte! In kleinen Tümpeln wimmelt es von Kaulquappen und uns begegnen zwei Bikepacker,, die eine Woche lang unterwegs waren. In der Nähe des weitläufigen Lynx Creek Campgrounds sehen wir auf einer Wiese eine Wapitikuh und gelangen dann in das riesige, alte Waldbrandgebiet, dass ich noch von meiner Wanderung 2018 in Erinnerung habe. Obwohl ich schätzen würde, dass es hier vor etwa 10 Jahren gebrannt hat, ist das tatsächlich schon 20 Jahre her. Unter den Bedingungen hier kommt der Wald nur recht langsam zurück. Auf weiten Flächen wachsen hauptsächlich Aspen, aber auf den ersten Blick überwiegen junge Kiefern. Je höher man kommt, desto mehr Flächen haben sich überhaupt noch nicht bewaldet. Durch diese unterschiedliche Entwicklung ist ein ziemlich abwechslungsreiches Landschaftsmosaik entstanden. Während ich vor 5 Jahren noch relativ oft über umgestürzte Baumleichen steigen musste, ist der Weg dem wir folgen heute völlig frei. So sind auch an den anderen Stellen die meisten Dürrständer inzwischen umgekippt, was aber erstaunlich lange gedauert hat! Wir bewundern die Blütenpracht auf den offenen Stellen, wo wir auch Schwalbenschwänze sehen, einmal verschwindet ein Tier vor uns im Dickicht, was wir leider nicht richtig erkennen können. Aber wie es sich bewegt hat, vermute ich, dass es ein Wolf war. Es donnert entfernt aber bei uns fallen nur wenige Tropfen, als wir schließlich unser Lager neben dem Weg an einer Stelle aufschlagen, die uns schöne Aussichten gewährt. 

Am nächsten Tag zeichnen sich die Berge gegenüber in BC klar im Morgenlicht ab, als wir weiterwandern. Zweimal sehen wir ein graues Waldhuhn ganz in der Nähe, das sich kaum von uns stören lässt. Auf alten Forstwegen laufen wir weiterhin durch die großen Waldbrandflächen. Wir wollen hier die Route des GDT verlassen, um direkt nach Blairmore zu laufen, da es dort bessere Einkaufsmöglichkeiten als in Coleman gibt, wohin unsere Wanderroute eigentlich führt. Etliche Wege hier sind nicht in unseren Kartenapps verzeichnet, aber führen in unsere Richtung. Schließlich gelangen wir an eine breitere Forststraße, wo wir Forscher der Universität von Alberta treffen, die sich in einem Langzeitprojekt mit den Auswirkungen des Waldbrands auf die Hydrologie der Umgebung befassen. Wir erfahren, dass damals vor 20 Jahren hier 21.000 Hektar verbrannten, in einer Ausdehnung von etwa 15 Kilometern. Dagegen breitete sich das große Feuer in Waterton 2017 in nur 5 Stunden über 26 Kilometer aus, verursacht durch starken Wind. Die Forscher bestätigen, dass die Walderholung eher langsam erfolgt, auch weil die Feuer sehr heiß brannten, und daher fast alles Leben auf den Flächen vernichtet hatten. Die Forscher sind der Meinung, dass die Waldbrandhäufigkeit stark zugenommen hat. Andererseits erzählen sie, dass bei den ersten Vermessungen Anfang des 20- Jahrhunderts mit den damaligen Plattenkameras standardisiert Fotos gemacht wurden, deren Aufnahmepunkte noch heute nachvollziehbar sind. Bei einem Vergleich dieser Aufnahmen mit dem heutigen Zustand wurde ermittelt, dass damals die Landschaft in den kanadischen Rocky Mountains viel offener war. Ein Befund der vielleicht damit zusammenhängt, dass die früheren indianischen Bewohner häufig mit Feuer die Landschaft gestaltet haben, vor allem um besser jagen zu können. 

Bereits um 10:30 Uhr erreichen wir Blairmore, wo wir uns auf dem netten Campingplatz außerhalb des Ortes einrichten, der seit 20 Jahren von einem Ehepaar aus der Schweiz betrieben wird. Im recht großen Supermarkt des Ortes kaufen wir für 12 Tage ein. Besonders gefallen uns hier die Großpackungen. 750 Gramm Chips, die wir auf ein handliches Format crushen! Schließlich ist auch in Kanada für uns kalte Küche angesagt!

In einem Outdourladen kauft Anke sich dringend benötigte neue Schuhe, der Marke Hoka, die zwar leicht sind, aber auch nicht lange halten sollten. Später essen wir noch draußen im Restaurant „The Pass“ bei milden Temperaturen Pizza und versuchen im Internet des Campingplatzes bis Mitternacht Zeltplätze in den Parks zu buchen, was eine extrem nervende, zeitraubende Prozedur ist. 


Kanada!


Lift im Truck


Upper Waterton Lake


2017 hat ein großes Feuer den Waterton Nationalpark getroffen


Weißwedelhirsche in üppiger Vegetation


Amerikanischer Frauenschuh




Der Great Divide Trail beginnt an der US- Grenze


19. Juni



Wir umgehen das Schneefeld


Sturmumtost aber grandios!


Es friert auch über Tag!


Im Schutz der Dürrständer wird der Wald zurückkommen


Gefährlicher Lagerplatz


In Nordamerika gibt es viele Arten von Streifenhörnchen


Große, grüne Offenflächen


Die Pfade in Waterton sind meist gut erkennbar


Bärengras


Lineham Ridge


Weißkopfseeadler


Leckere Zwischenmahlzeit







Little Rowe Lake




Ein schöner Tag zieht auf


Es hat geschneit





Frost


Aussichtsreiche Kämme






Rangelnde Murmeltiere












La Coulotte Ridge


Felsiger Abstieg


Wir folgen dem Grat


Felsabstürze erfordern Konzentration






Clark's Nutcracker


Grizzly Lake und Barnaby Ridge


Weglos durch dichten Wald


Wie kommt man da hoch?


Orange Farbmarkierungen weisen den Weg


Der Grat der Barnaby Ridge


Barnaby Ridge (2471 m)


Die Route bleibt oben


Rötliches Gestein


Felsstufe


Langer Abstieg vom Southfork Mountain


Häufig ist der Unterwuchs sehr üppig


Die ersten GDT-Markierungen


Auf alten Forstwegen


Besuch


Hier sind vor 20 Jahren 21.000 ha Wald verbrannt


Zeltplatz mit Aussicht


Ein klarer Morgen


Die Waldhühner sind häufig wenig scheu


Nach 20 Jahren sind die meisten Dürrständer umgefallen


Campingplatz in Blairmore


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