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09.11.2016

Via Dinarica - 1300 Kilometer durch die Berge des Balkan 7/ Kroatien/ Die Bora

Gegen Morgen erschüttern heftige Windstöße mein Zelt. Als sich der Wind zu einem Sturm auswächst, fürchte ich, dass mein kleines Zelt den Gewalten nicht stand hält. Daher baue ich es rasch ab, dabei ist es gar nicht so einfach zu vermeiden, dass alles weg weht. 
Ich kann es kaum glauben, mein Thermometer zeigt lediglich noch 2 Grad Celsius an! Das heißt, dass die Temperatur um fast 30 Grad seit gestern Nachmittag gefallen ist!
Um 6 Uhr werden die anderen Leute in der Hütte gerade wach. Dennoch halte ich es für das Beste, hier in dem geschützten Gebäude erst einmal abzuwarten...
Als die Kroaten sich langsam zu mir an den Tisch gesellen, gibt es auch schon den ersten Slivowitz des Tages!
Gegen sieben habe ich den Eindruck, dass der Regen etwas nachlässt, und gehe unter der Verwunderung der Anderen los. Trotz Fleece, Primaloft und Regenjacke ist es nicht gerade kuschelig. Gut, dass ich Handschuhe dabei habe!
Im Gegensatz zu gestern, führt die Premuziceva Staza zunächst kaum durch offenes Gelände. Im Wald braust der Sturm zwar auch und der Regen schafft es, mich trotz schützender Kleidung bald zu durchnässen, aber immerhin bekomme ich nicht die volle Kraft der Böen zu spüren! 
Bereits gegen 10 Uhr erreiche ich die schützende Hütte Alan. Kresco, der Angehörige des Bergclubs, dem das Anwesen gehört, d heißt mich willkommen und ich kann meine nassen Sachen am Ofen trocknen. Es ist recht gemütlich und während ich eine heiße Suppe löffele, erfahre ich, dass der Bora- Sturm hier meistens mindestens einmal im Monat weht. Im Winter ist die Bora stärker, bringt viel Schnee und hält länger an. Der mit dem Sturm verbundene Temperaturabfall ist in der kalten Jahreszeit in Verbindung mit dem Windchill ziemlich gefährlich!
Kresco war Buchrestaurator und hält sich hier zur Zeit mit seiner etwa 30-jährigen Tochter auf. Irgendwann tauchen zwei weitere kroatische Gäste auf, die das Frühstück auch mit Schnäpsen würzen. Interessante Sitten hier...
Später gesellen sich noch drei dänische Studenten dazu, die auch in Alan übernachtet haben.
Gegen Mittag hat der Regen aufgehört und ich will es wagen, weiter zu laufen. Zunächst funktioniert das auch recht gut, aber bald gelange ich an eine ausgedehnte Freifläche die zum Meer hin abbricht. Als der Pfad in die Nähe der Kante führt, kann ich gegen den Sturm keinen Meter mehr weiter laufen! Noch nie in meinem Leben habe ich Orkanböen dieser Stärke erlebt, die sicher eine Geschwindigkeit von um die 200 Stundenkilometer aufweisen. Die Dänen, die mir gefolgt sind, kommen auch nicht weiter. Mit Mühe kämpfe ich mich zu ihnen und schlage vor, weiter abseits des Weges, etwas weniger ausgesetzt, durch die offenen Flächen zu laufen. Zunächst läuft die Gruppe auch hinter mir her, aber beschließt schon nach Kurzem den Rückweg nach Alan anzutreten...

Durch die Bora


           

                    



                            In Sichtweite der Küste sind die Böen extrem

Es gelingt mir tatsächlich zunächst in weniger sturmexponiertes Gelände zu gelangen und bald tauche ich in den Buchenwald ein. Es ist eigentlich ziemlich gefährlich, bei so einem Orkan durch den Wald zu gehen, aber da die Bäume hier an regelmäßige Stürme angepasst sind, sehe ich nur sehr wenig umgestürzte Stämme oder abgebrochene Äste. Bei uns würde der Wald angesichts dieses Sturm auf großen Flächen umfallen...
Allerdings wechseln sich Wald und Offenland immer wieder ab, und manchmal gelange ich an extrem windausgesetzte Stellen, wo es kaum ein Vorankommen gibt. Manchmal fühle ich mich wie ein Spielball, der vom Wind umhergewirbelt wird! Einige Male muss ich ein Stückchen ausgesetzt über die Felsen steigen. Dabei achte ich sehr darauf, nicht runtergeweht zu werden...
Nachdem ich auf den Gipfel des 1620 Meter hohen Zecjak gestiegen bin, hört der Pfad auf, und mir wird leider klar, dass ich mich vom Hauptweg entfernt habe und in einer Sackgasse gelandet bin! Angesichts des Sturmes hatte ich viel zu wenig auf die Navigation geachtet. Zunächst versuche ich ein Stück weglos zurück in Richtung der Premuziceva Staza zu gehen, gebe angesichts des unwegsamen Geländes, dieses Vorhaben aber bald wieder auf und es bleibt mir nichts anderes über, als den selben Weg zurück zu laufen...



                                Windgepeitschter Buchenwald

Glücklichwerweise regnet es nicht mehr, aber langsam wird es Abend und die nächste Hütte, Skorpovac ist noch weit entfernt. Mein Zelt würde diesem Sturm auf keinen Fall stand halten, daher halte ich intensiv nach einer geschützten Stelle Ausschau. Schließlich entdecke ich unterhalb des Pfades eine Mulde, die mir zum Zeltaufbau geeignet erscheint. Tatsächlich ist es hier viel ruhiger. In der Nacht fallen einige Male kleine Ästchen auf meine Stoffhülle und es regnet zeitweise wieder, aber mir kann der Sturm nichts anhaben. Obwohl es so kalt und windig ist, friere ich nicht, in meinem nur 500 g leichten Sommerschlafsack. Viel kälter dürfte es aber nicht werden...


                   Geschützter Zeltplatz in einer Mulde

Als ich am Morgen um 7 Uhr weiter gehe, tobt der Sturm noch immer. Es dauert nicht sehr lange, bis ich den Abzweig zur Ogronica Skloniste erreiche, wo ich auch Unterschlupf hätte finden können. Zeitweise regnet es wieder, aber es gibt auch trockenere Phasen, und ich habe irgendwann den Eindruck, als würde der Sturm sich abschwächen. An einigen Stellen, liegen abgebrochene Äste und umgestürzte Bäume am Pfad, aber insgesamt hat die Bora nur wenig Zerstörung angerichtet.

                     Durch den nassen Wald





























                       Die Bora hat kaum Spuren hinterlassen

Gegen 11 Uhr erreiche ich die Hütte Skorpovac wo ich meine Sachen und mich in der Nähe des Holzofens aufwärmen und trocknen kann. Tihomir, der die Hütte betreut, lebt das ganze Jahr hier, auch im Winter...Obwohl die nächsten Nachbarn wenigstens drei Stunden Fußmarsch entfernt sind, sagt er, dass er sich nie einsam fühlt. Zwei Kroatinnen aus Zagreb wollten ein Wanderwochenende im Velebit verbringen, ziehen es aber vor, den Sturm in der Hütte auszusitzen...
Über das Radio hat Tihomir erfahren, dass überall in Kroatien Straßen und selbst wichtige Autobahnen wegen der Bora gesperrt wurden...

                 In der Skorpovac Hütte

Nachdem ich mich mit heißem Tee und einem Sliwowitz auch von innen wieder etwas aufgewärmt habe, laufe ich nach einer Stunde weiter. Zwar ist der Sturm mehr oder weniger vorbei, dafür regnet es bald in Strömen. Trotz Regenkleidung bin ich nach einigen Stunden klatschnass und fröstele. Ich weiß, das es in dem Ort Baske Hostarije eine Unterkunft gibt, und freue mich auf eine warme Dusche. Leider muss ich dort angekommen erfahren, dass das Hostel komplett ausgebucht ist! In dem Ort an der Straße, die hier das Gebirge überquert, gab es ein großes Hotel, dieses ist aber wohl schon seit langem geschlossen. So laufe ich  die Straße entlang, in dem kleinen, aber weit verstreutem Dorf, in der Hoffnung,  doch noch eine Unterkunft zu finden. An der Kuca "Villa Velebit" öffnet mir eine ältere Frau, die keineswegs erfreut zu sein scheint, einen nassen, dreckigen Wanderer beherbergen zu dürfen. Zwar lehnt sie es nicht rundheraus aus, dass ich in der Kuca schlafe, sagt aber, dass sie Ausländer eigentlich nicht beherbergen darf, und ich niemand davon erzählen soll. Nun, ich will zwar raus aus dem Regen, aber wirklich wohl fühle ich mich hier nicht, daher frage ich, ob es in Baske Hostarije eine weitere Unterkunft gibt. Die Frau sagt, dass ein Stück weiter an der Straße das "Kamp Velebit" liegt, wo es auch Betten gibt.
Dort angekommen, werde ich von einem netten, älteren Mann freundlich aufgenommen, und  darf mir ein Bett auf dem Boden eines größeren Gebäudes aussuchen, wo außer mir niemand zu übernachten scheint. Später genieße ich eine heiße Dusche, die auch dringend nötig war...
Es gibt hier sogar w-lan! Als ich wieder in meine nassen Sachen steigen will, um an dem Hostel/ Restaurant, wo ich zunächst nach einer Unterkunft gefragt hatte, etwas zu essen, erscheint mein Gastgeber mit einem Teller Spaghetti Bolognese, den ich noch nicht einmal bezahlen muss! Nette Gastfreundschaft!



                   Campingplatz und Hostel Kamp Velebit





                           




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